Frage zur Dauer des Würzekochens

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CarlosPescador
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Frage zur Dauer des Würzekochens

#1

Beitrag von CarlosPescador »

Hallo ihr erfahrenen und weniger erfahrenen Hasen der Hobbybrauergemeinde.

Ich bin Student und braue seit einigen Monaten ab und an mit meinem Mitbewohner unser eigenes Bier. Nach einigen mehr oder weniger erfolgreichen Versuchen möchte ich jetzt gerne an unserem Rezept rumspielen. Bislang haben wir eigentlich nur die Hopfensorten und die einzelnen Hopfengaben (& Zeitpunkte) variiert. Bei allen möglichen kleinen Stellschrauben frage ich mich, welchen Einfluss die Dauer des Würzekochens hat. Klar, wenn ich am Anfang oder Z.B. nach dem Würzebruch Xg Hopfen zugebe wird mein Produkt bitterer umso länger ich es koche. Aber gibt es ansonsten einen Grund warum man z.B. 90 anstatt 60 Minuten kocht?

Ich hoffe meine Frage wird klar. Bisher habe ich sehr viele Informationen aus diesem wirklich hilfreichen Forum gezogen, auf diese Frage habe ich aber keine Antwort gefunden.

BEste Grüße, Carlos :Drink
BrauFuchs
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Re: Frage zur Dauer des Würzekochens

#2

Beitrag von BrauFuchs »

Zeit und energiekosten sparen!
Dms muss ausdampfen dafür reicht eine std.
Läutern rechtzeitig abbrechen dann brauchst du solange kochen bis zielstammwürue erreicht.
Langes kochen gibt einen Karamellgeschmack durch maillardreaktion.
Teilweise erwünscht

Gruß
Lukas
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Boludo
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Re: Frage zur Dauer des Würzekochens

#3

Beitrag von Boludo »

Bienvenido Carlos,

wenn ihr über Nacht abkühlt, würde ich auf jeden fall 90 Minuten kochen, vor allem bei hellen Bieren, damit alles DMS ausgetrieben wird.
Ansonsten reichen auch 70 oder gar 60 Minuten.
Ich koche immer 90 Minuten, weil ich über Nacht abkühle und mir die Zeit egal ist.

Stefan
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Bierwisch
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Re: Frage zur Dauer des Würzekochens

#4

Beitrag von Bierwisch »

Ich koche aus Zeit- und Energiespargründen nur 60 Minuten und kühle immer über Nacht ab - Probleme mit DMS hatte ich bisher keine.

Die Maillard-Reaktion läuft nach meinen Informationen bei Temperaturen weit über 100°C ab...

Wenn die Stammwürze stimmt, würde ich es bei 60 Minuten belassen.
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gulp
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Re: Frage zur Dauer des Würzekochens

#5

Beitrag von gulp »

Die Amis kochen auch nur 60 min. Außer bei sehr hellen Bieren ist das auch korrekt. (nicht über Nacht abkühlen). Mein No 11 wird nur 75 min gekocht. Alles Andere koche ich 90 min weil ich einfach die Hopfendüfte mag. Mehr als 90 min sind halt nicht mehr sinnvoll und irgendwann will man ja auch fertig werden. Bei 90 min kochen dauert mein Brautag vom Schroten bis zur sauberen Brauerei 7 Stunden.

Gruß
Peter
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CarlosPescador
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Re: Frage zur Dauer des Würzekochens

#6

Beitrag von CarlosPescador »

Vielen Dank für die schnellen Antworten. Wir werden dann wohl weiterhin bei 60-70 Minuten bleiben. Kann denn jemand aus eigener Erfahrung sagen, ob durch 90 Minuten Kochzeit wirklich spürbar Karamellgeschmack durch eventuelle Maillardreaktionen entsteht? Für unser aktuelles Brauvorhaben ist das sowieso nicht erwünscht, aber es interessiert mich.
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ggansde
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Re: Frage zur Dauer des Würzekochens

#7

Beitrag von ggansde »

Selbst bei offenliegenden Heizdrähten habe ich das bisher noch nicht fest gestellt.
OT: Besteht eigentlich die Gefahr, dass beim Kochen eines Blausuds Acrylamid entsteht?
VG, Markus
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Bierwisch
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Re: Frage zur Dauer des Würzekochens

#8

Beitrag von Bierwisch »

Guckst Du hier.

Der entscheidende Satz besteht für mich darin:
In der mehrstufigen Reaktion wird ab etwa 140 °C zuerst unter Abspaltung von Wasser eine Aminosäure mit reduzierenden Zuckern wie Aldosen (z. B. Glucose) oder Acyloine (z. B. Fructose) verbunden...
Beim Kochen der Würze passiert sicher so einiges, aber eine Maillardreaktion findet nicht statt.
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gulp
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Re: Frage zur Dauer des Würzekochens

#9

Beitrag von gulp »

Aus dem Kunze. Eine Zusammenfassung was beim Würzekochen passiert:
------------
3.4.1 Vorgänge beim Würzekochen
Beim Kochen der Würze finden eine Reihe von
Vorgängen statt, die für uns von Bedeutung
sind :
Lösung und Umwandlung von Hopfenbestandteilen,
-Bildung und Ausscheidung von Eiweiß-Gerbstoff-Verbindungen,
-Verdampfung von Wasser,
-Sterilisation der Würze,
-Zerstörung aller Enzyme,
-Zufärbung der Würze,
-Säuerung der Wiirze,
-Bildung von reduzierenden Stoffen und
-Beeinflussung des Gehaltes der Würze an
DimethylsulJid (DMS) und anderen
flüchtigen Substanzen.

und

Mit zunehmender Kochdauer
steigt die Isohumulonausbeute. Der
größte Teil der a-Säuren wird zu Beginn des
Kochens isomerisiert, und die Ausbeute
steigt mit zunehmender Kochdauer immer
langsamer an. Nach 1 h Kochdauer ist der
größte Teil der Bitterstoffe isomerisiert.---

Also reicht eine Stunde kochen.

Gruß
Peter
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Ladeberger
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Re: Frage zur Dauer des Würzekochens

#10

Beitrag von Ladeberger »

Die Auflösung Eures Disputs zur Maillard-Reaktion in Würze ist recht einfach: Was in Wikipedia steht ist falsch. Natürlich laufen viele Maillard-Reaktionen auch bei niedrigeren Temperaturen ab; damit auch beim Würzekochen und sogar bei Zimmertemperatur. Letzteres ist von besonderem Interesse im Bereich der Bieralterung. Einen Überblick zu den vielfältigen Produkten beim Würzekochen inklusive Reaktionswegen verschafft (wie so oft) Narziß, Technologie der Würzebereitung, Abschnitt 5.6.3 "Bildung von Maillard-Produkten" [beim Würzekochen].

Gruß
Andy
Ulrich
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Re: Frage zur Dauer des Würzekochens

#11

Beitrag von Ulrich »

Die Kochzeit ist abhängig von Deinen Zielen und von bestimmten Vorraussetzungen.
Ziele Würzekochen:
- Eindampfen:=> Zeit + Verdampfungrate (=> man kocht nur so lange, bis man die erwünschte Stamwürzekonzentration erreicht hat, hier wäre es von Vorteil, wenn man seine Würzepfanne so im Griff hat, dass man eine reproduzierbare Verdampfungrate hat.)
- Inaktivieren von Enzymen: => Zeit + Temperatur + Druck
- pasteurisieren der Würze: => Zeit + Temperatur+ Druck (=> hier ist wichtig, wie hoch die Vorbelastung ist, wie sauber die Würze ist, wie gut die Würze gemischt wird.(8 - 12-fache Umwälzung des Pfanneninhalts)
- lösen der Alpha Säure: => Zeit + Temperatur + pH,(=> hier sind die Einflusfaktoren: pH der Würze + Menge an Alpha Säure+ Art der Alphasäure)
- Isomerisieren der Alpha-Säure Zeit + Temperatur, (nur gelöste Alphasäure kann auch isomerisiert werden)
- koagulieren der Eiweisse: (Zeit + Verdampfungsrate) (Wieviel Eiweisse wurden durch die Rohstoffe eingebracht?, pH) ( Bruchbildung sollte nach ca 10 Minuten erkennbar sein)
- Ausdampfen von DMS und unerwünschten Aromen (Zeit+Verdampfungsrate+Oberfläche) => (Wieviel DMS-P wurde durch die Rohstoffe eingebracht? Wieviel unerwünschte Aromen sind durch die Rohstoffe (Hopfen) eingebracht worden.

Limitierende Gegebenheiten: Langes Kochen: Zufärbung, Erhöhung der TBZ, Energieaufwand

habe bestimmt noch einiges Vergessen, aber so hast Du schon einmal einen groben Überblick! :Greets

Edit: Peter war schneller :Drink
BrauFuchs
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Re: Frage zur Dauer des Würzekochens

#12

Beitrag von BrauFuchs »

Ladeberger hat geschrieben:Die Auflösung Eures Disputs zur Maillard-Reaktion in Würze ist recht einfach: Was in Wikipedia steht ist falsch. Natürlich laufen viele Maillard-Reaktionen auch bei niedrigeren Temperaturen ab; damit auch beim Würzekochen und sogar bei Zimmertemperatur. Letzteres ist von besonderem Interesse im Bereich der Bieralterung. Einen Überblick zu den vielfältigen Produkten beim Würzekochen inklusive Reaktionswegen verschafft (wie so oft) Narziß, Technologie der Würzebereitung, Abschnitt 5.6.3 "Bildung von Maillard-Produkten" [beim Würzekochen].

Gruß
Andy
Danke hierfür Andy, die Diskussion hatten wir im anderen Thread schon einmal zum Thema Maillard Produkte.
Da ging es doch hier viewtopic.php?f=16&t=2533&p=35644&hilit=maillard#p35644 auch schon mal drum....

Und hier Post #6 viewtopic.php?f=14&t=3610&p=50929&hilit ... ger#p50929

Gruß
Lukas
Tom-Brauer
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Re: Frage zur Dauer des Würzekochens

#13

Beitrag von Tom-Brauer »

Die Frage ist gut - ich hab mir auch schon mehrmals überlegt, ob ich bei 10L "Endprodukt" genauso die 90 Minuten kochen muss als z.B. bei 100L... Kann ja irgendwie nicht sein...
Mein Maischebehälter inkl. Rührwerk:
https://www.youtube.com/watch?v=bP81w0qjDYA
BrauFuchs
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Re: Frage zur Dauer des Würzekochens

#14

Beitrag von BrauFuchs »

Tom-Brauer hat geschrieben:Die Frage ist gut - ich hab mir auch schon mehrmals überlegt, ob ich bei 10L "Endprodukt" genauso die 90 Minuten kochen muss als z.B. bei 100L... Kann ja irgendwie nicht sein...
Hier sollte man sich dann auf die Verdampfungsziffer beziehen.
Natürlich verdampft eine kleine Menge schneller als eine große bei gleicher Heizleistung durch andere Oberflächen- und Kontaktflächenverhältnisse.
Mit der Verdampfungsrate treibt man auch das unerwünschte DMS aus. Kürzere Hopfenauslaugungszeit kompensiert man indem man 5 g mehr gibt :Wink

Sind die Anlagen aber auf die Mengen abgestimmt, muss dennoch gleich lange gekocht werden ob für 10 oder 100 oder 100.000 L.
Ein besserer Vergleich wäre 10 L im 20 L Einkocher vs 20 L im 20 L Einkocher.
Man braucht weniger Energie um ein Volumen zu erhitzen und zu verdampfen. Verringert man die Energiezufuhr nicht, verdampft mehr.
Klassischer Vergleich Sauce einreduzieren - am Ende gehts schnell und es dickt ein.

Gruß
Lukas
Ulrich
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Re: Frage zur Dauer des Würzekochens

#15

Beitrag von Ulrich »

wie oben schon erwähnt sind einige Ziele von Zeit und Temperatur abhängig. Diese Prozesse sind, bei gut durchmischter Würze (homogenität), normaler Malzqualität und ausreichender Würzeoberfläche (Verdampfungsoberfläche), nach ca 50 - 60 Minuten abgeschlossen.

Jetzt ist die Verdapfung wichtig. Die Würzepfanne sollte optimaler Weise (Hobbybrauerbereich) so ausgelegt sein, dass sie (reproduzierbar) zwischen 8 und 12 % in 60 Minuten verkocht. Grobe Richtlinie: Ziel: insgesamt 10 - 15% Verkochen!

Die gewünschte Verdampfung ist abhängig von der Biersorte. Ganz grob:
Pilsener benötigt weniger, Weizen mehr. 16°P benötigt mehr, 11°P weniger.

Faustregel: je mehr löslicher N in die Würze gebracht wurde, desto stärker sollte man verkochen. Die Effektivität einer Kochung wird, neben Verdampfungsziffer, duch die Anlalysen "koagolierbarer N" und "Thiobarbitursäurezahl" kontrolliert.
ma-tri-x
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Re: Frage zur Dauer des Würzekochens

#16

Beitrag von ma-tri-x »

Hi alle!
Die Frage hatte mich auch interessiert und im wesentlichen hatte Ulrich in #11 bereits das meiste genannt.
Ich hatte hierzu Dr. Hagen Rudolph kontaktiert und bekam folgende Antwort:
Hallo Herr Koch,
die beigefügte Abbildung [ Karl-Ullrich Heyse: Handbuch der Brauerei-Praxis – Verlag Hans Carl, 3. Auflage 1995, S. 142] [...] zeigt, dass die Kochdauer für die Trubmenge und Eiweißausscheidung wichtig ist. Es geht hier um eine bessere Schaumbildung und eine bessere physikalische Stabilität (Haltbarkeit) des Bieres.
Weitere Gründe für die Kochdauer:
– Verdampfen von Wasser, das benötigt wurde, um den Treber auszuspülen
– Austreiben unerwünschter Aromastoffe („Ausstinken“)
– Mikroorganismen abtöten
– Inaktivierung der verbleibenden Enzyme
– Bildung von Aroma- und Farbstoffen (Karamellisierung von Zuckern usw.)
– Isomerisieren und Lösen der Hopfenbitterstoffe (Humulone)

Aber experimentieren Sie ruhig ein bisschen. Versuch macht kluch …
Beste Grüße
Hagen Rudolph
Ich habe die Daten aus genannter Abbildung neu aufbereitet und eine exponentialfunktion daran gefittet. Habe sie hier hochgeladen.
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