Vollmundigkeit mit gewissem Restextrakt erzeugen

Fragen und Diskussion rund um Rezepturen zum Bierbrauen
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Klaus53123
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Vollmundigkeit mit gewissem Restextrakt erzeugen

#1

Beitrag von Klaus53123 »

Hallo Gemeinde,

ich eröffne diesen Threat nicht leichtfertig. Ich habe jetzt drei Bierbücher gelesen und bis heute morgen geglaubt zu verstehen, dass der Einsatz von Karamellmalzen meinen bevorzugten Biertyp mit einer gewissen Restsüße und einer damit einhergehenden Vollmundigkeit, befriedigt.

Dann habe ich diesen Artikel im Braumagazin gelesen.

Jetzt bin ich völlig verwirrt.

Um die Ergebnisse zusammenfassen:

Der Einsatz von unterschiedlichen CaraMalzen mit Einsatzmengen von bis zu 10% hat keinen messbaren Einfluss auf den EVG (siehe die Labormessungen)
Der Einsatz von 30% an unterschiedlichen CaraMalzen führt nicht zu einer wahrgenommen Vollmundigkeit oder wahrzunehmenden Restsüße (siehe 40 L Praxissud).

Nun zur Gretchenfrage: wie erzeuge ich nun Vollmundigkeit und Restsüße (ich nenne das immer Mädchenbier, aber das ist eine andere Sache)?

Wenn die Caramalze nicht oder nicht erkennbar dazu beitragen, was machen sie dann?

Ist die Auswahl der Hefe mit Blick auf den EVG dann der wesentliche Steuerungshebel für die geschmackliche Gestaltung Richtung Restsüße? Will heissen, erzeugt z.B. eine Brewform Top mit recht überschaubarem EVG ein "süßeres" Bier als UG Hefen, die alles wegvergären was an Zucker zu finden ist?

Ich wäre sehr dankbar wenn ihr hierzu zu meiner Erleuchtung beitragen könntet. Lesetipps werden ebenfalls gerne angenommen und auch gelesen.

Wie ihr sicherlich merkt bin ich noch Anfänger und hoffe sehr, dass das Thema in dieser Form hier noch nicht tausendmal rauf und runter diskutiert wurde.

LG und vielen Dank
Klaus
Liebe Grüße

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schabowski
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Re: Vollmundigkeit mit gewissem Restextrakt erzeugen

#2

Beitrag von schabowski »

Die Malzigkeit/Vollmundigkeit steuerst Du auch vorallem mit der Länge der Maltoserast im Bereich 60-65 Grad. Bei 64-65 Grad wird es dabei auch süßer bzw. vollmundiger als bei 60-63 Grad.

wiki/doku.php/maltoserast

Ganz grob gesagt, Maltoserast der folgenden Länge ergibt:
30 Minuten: eher süßes Bier
35 Minuten: eher malziges Bier
45 Minuten: eher trockenes Bier

Das Ganze hängt natürlich noch vom EVG der Hefen ab. Ausnahmen sind z. B. die W34/70 und die Brewferm Top, da würde ich immer 60 Minuten Maltoserast machen, ansonsten wird es zu süß.

Malziger / Vollmundiger wird es auch durch:
- mehr Münchener Malz als Wiener Malz oder Pilsener Malz
- sicherlich auch durch mehr Caramalz, hängt auch hier von der Farbe des Malzes ab. Carapils hat sicherlich weniger Einfluss auf die Vollmundigkeit als Carahell oder Caramünch.
- höhere Stammwürze

Björn.
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DevilsHole82
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Re: Vollmundigkeit mit gewissem Restextrakt erzeugen

#3

Beitrag von DevilsHole82 »

Passend zum Artikel im Braumagazin hat Oli folgenden Thread zur Diskussion eröffnet:
CaraMalz - Fragen, Antworten, Erfahrungen, Erkenntnisse

Ich denke da wird Deine Frage gut aufgehoben sein.
Gruß, Daniel

Was von Herzen kommt gelingt, weil's einen gibt, der die Kelle schwingt. Heute back ich, morgen brau ich, wer heimlich nascht, den verhau ich.
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t3k
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Re: Vollmundigkeit mit gewissem Restextrakt erzeugen

#4

Beitrag von t3k »

Moin Klaus,

Der Artikel hat sicher einige verunsichert, mich inclusive ;)
Der Evg der eingesetzten Hefe ist scher einer der Stellhebel. Aber die Maischearbeit solltest du hier nicht aus den Augen verlieren.
Welche Bücher hast du den konsultiert ? Schau dort ggf. Nochmal unter Maischearbeit nach.
Grundsätzlich ist es so, je kürzer die Maltoserast (~63*C) desto mehr schwervergärbare Zucker (wie etwa Dextrine) bekommst du ins Bier. Die führt wiederum zu einer höheren Vollmundigkeit. Siehe die Grafik im Anhang.

Sonst kannst du, vorausgesetzt du bist kein RHG-Getreuer, auch mit Roggen, Haferflocken oder ähnlichem arbeiten um mehr Vollmundigkeit zu erzeugen.

Eine weitere Möglichkeit ist Dekoktion. Ein Maischeverfahren bei dem Teilmaischen gezogen und gekocht werden.

P.S.: And die Admins. Falls das Bild rechtlich problematisch sein sollte, dann bitte rausnehmen. Die Quelle hab ich grad leider nicht zur Hand. Bzw. Ich hoffe die auf dem Bild angegebene Quelle ist ausreichend ?
Cheers
T3K
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Boludo
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Re: Vollmundigkeit mit gewissem Restextrakt erzeugen

#5

Beitrag von Boludo »

Das Thema Vollmundigkeit (wie auch immer diese sich definiert) ist sehr komplex und hängt nicht nur mit dem Maischeprogramm zusammen.
Da spielen sehr viele Faktoren eine Rolle.

Stefan
Klaus53123
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Re: Vollmundigkeit mit gewissem Restextrakt erzeugen

#6

Beitrag von Klaus53123 »

ich habe den Palmer (How to Brew), den Kling (Bier selbst gebraut) und Hanghofer (gutes Bier selber brauen) durchgelesen.

Das mit den unterschiedlichen Rasten und Temperaturen ist mir schon klar. Hätte ich oben vielleicht erwähnen sollen.

Meine ersten beiden Sude habe ich im Zweimaischenverfahren nach Moritz gebraut. Eingemaischtes bei 35°C, Dichmaische gezogen und bei 72°C verzuckert und dann 40 Minuten gekocht und wieder zugeführt. Macht dann um die 63° Gesamtmaische. Dann 15 Minuten gerastet und Dünnmaische gezogen und wieder 20 Minuten gekocht und wieder zugeführt. Das macht dann um die 73°. 10 Minuten Läuterrast dann abgeläutert.

Das nächste will ich mal bei einer Kombinats 65°C, 60 Minuten brauen. Oder wäre kürzer besser.

Was ich auch nicht verstehe ist, warum bei einer Dekoktion vollmundigere Biere entstehen. Liegt das an einer weiteren Karamellisieren des Zuckers????
Liebe Grüße

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danieldee
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Re: Vollmundigkeit mit gewissem Restextrakt erzeugen

#7

Beitrag von danieldee »

schabowski hat geschrieben: Montag 4. Dezember 2017, 08:26 Die Malzigkeit/Vollmundigkeit steuerst Du auch vorallem mit der Länge der Maltoserast im Bereich 60-65 Grad. Bei 64-65 Grad wird es dabei auch süßer bzw. vollmundiger als bei 60-63 Grad.

wiki/doku.php/maltoserast

Ganz grob gesagt, Maltoserast der folgenden Länge ergibt:
30 Minuten: eher süßes Bier
35 Minuten: eher malziges Bier
45 Minuten: eher trockenes Bier

Das Ganze hängt natürlich noch vom EVG der Hefen ab. Ausnahmen sind z. B. die W34/70 und die Brewferm Top, da würde ich immer 60 Minuten Maltoserast machen, ansonsten wird es zu süß.

Malziger / Vollmundiger wird es auch durch:
- mehr Münchener Malz als Wiener Malz oder Pilsener Malz
- sicherlich auch durch mehr Caramalz, hängt auch hier von der Farbe des Malzes ab. Carapils hat sicherlich weniger Einfluss auf die Vollmundigkeit als Carahell oder Caramünch.
- höhere Stammwürze

Björn.
Sorry aber was du schreibst bzw zitierst stimmt nur in Bruchstücken!

das Optimum der Maltoserast liegt irgendwo zwischen 62° und 64. Wenn du höher gehst aktivierst du ja wieder die Alphaamylase die verzuckert (auch bei 62° ist die Alpha aktiv).

Die Länge der Maltoserast ist abhängig vom Malz!
Jodnormal sind die folgenden Malze nach X Minuten:
-Pilsner/Wiener/Pale Ale 25Min
-Weizen hell 30Min
-Münchner 45Min

Wenn jodnormal passiert auch nichts mehr enyzmtechnisch. D.h z.B wenn du ein Bier mit hellen Malzen mit einer ordentlichen restsüße haben willst kannst du die Maltoserast 5Min fahren und den Rest verzuckern (nur so als Beispiel).

Merksatz: "Der EVG wird über die Maltoserast eingestellt!"

Hefen spielen auch eine Rolle ganz klar, allerdings verstehe ich nicht was du mit 60Min bei der W34/70 meinst?

Malzig und vollmundig sind zwei verschiedene Dinge. Vollmundig ist ein eigener "Geschmack" wie bitter, süß oder umami.

Gruß Daniel
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Sura
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Re: Vollmundigkeit mit gewissem Restextrakt erzeugen

#8

Beitrag von Sura »

danieldee hat geschrieben: Montag 4. Dezember 2017, 08:53 Sorry aber was du schreibst bzw zitierst stimmt nur in Bruchstücken!

das Optimum der Maltoserast liegt irgendwo zwischen 62° und 64. Wenn du höher gehst aktivierst du ja wieder die Alphaamylase die verzuckert (auch bei 62° ist die Alpha aktiv).

Die Länge der Maltoserast ist abhängig vom Malz!
Jodnormal sind die folgenden Malze nach X Minuten:
-Pilsner/Wiener/Pale Ale 25Min
-Weizen hell 30Min
-Münchner 45Min

Wenn jodnormal passiert auch nichts mehr enyzmtechnisch. D.h z.B wenn du ein Bier mit hellen Malzen mit einer ordentlichen restsüße haben willst kannst du die Maltoserast 5Min fahren und den Rest verzuckern (nur so als Beispiel).

Merksatz: "Der EVG wird über die Maltoserast eingestellt!"

Hefen spielen auch eine Rolle ganz klar, allerdings verstehe ich nicht was du mit 60Min bei der W34/70 meinst?

Malzig und vollmundig sind zwei verschiedene Dinge. Vollmundig ist ein eigener "Geschmack" wie bitter, süß oder umami.

Gruß Daniel
Naja, so ganz richtig ist das jetzt auch nicht....

Es geht prinzipiell garnicht darum welches Enzym wann arbeitet, sondern das die Stärke zu möglichst vielen kleinen Glucoseeinheiten zerlegt wird ohne zuviel Dextrine übrig zu lassen. Ziel ist also, das die Beta-Amylasen optimal arbeiten können. Dazu gehört auch das die alpha-Amylasen und die Grenzdextrinasen ein wenig zuarbeiten, und das klappt bei 64°C ziemlich gut. Man muss die keinesfalls ausschliessen!
(Da spielt auch noch der pH der Maische rein wann was optimal läuft, aber ich will nicht abschweifen.)

Und das bei jodnormal enzymtechnisch nichts passiert, ist Unfug. Jodnormal heisst schlicht, das die Amylosen kürzer als 9 Glucose-Monomere sind, und die Amlypektine unter 60 Glucose-Monomere bei mehreren Verzweigungen. Da ist also durchaus noch was zu "zerlegen".

Zur Frage: Vollmundig ist nicht unbedingt nur durch das bestimmt was an Dextrinen übrigbleibt. Das ist letztendlich alles was sich auf der Zunge breit macht; eine Textur hinterlässt. Das ist ziemlich umfassend und lässt sich nicht nur am Vergärungsgrad festmachen. Das fängt schon bei der Auswahl der Hefe an. Der Rest hängt dann im Komplex [Stammwürze/Basismalze/Caramalze/Flocken], und wie du die Maischarbeit und auch das Abmaischen gestaltest.

Unter "mash body increase mouthfeel" gibt es da aber reichlich Lesestoff....
"Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem."
(Karl Valentin)
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Boludo
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Re: Vollmundigkeit mit gewissem Restextrakt erzeugen

#9

Beitrag von Boludo »

Sura hat geschrieben: Montag 4. Dezember 2017, 10:20
Zur Frage: Vollmundig ist nicht unbedingt nur durch das bestimmt was an Dextrinen übrigbleibt. Das ist letztendlich alles was sich auf der Zunge breit macht; eine Textur hinterlässt. Das ist ziemlich umfassend und lässt sich nicht nur am Vergärungsgrad festmachen. Das fängt schon bei der Auswahl der Hefe an. Der Rest hängt dann im Komplex [Stammwürze/Basismalze/Caramalze/Flocken], und wie du die Maischarbeit und auch das Abmaischen gestaltest.

Unter "mash body increase mouthfeel" gibt es da aber reichlich Lesestoff....
Ganz genau :thumbup
Nur weil man irgendwelche Rasten einhält, heißt das nicht automatisch, dass das Bier vollmundig wird. Viele verwechseln auch Vollmundigkeit mit hohem Restextrakt oder Restsüße.
Und wenn man schon von Rasten spricht, dann sollte man auch noch sagen, bei welchem pH das ganze stattgefunden hat.

Stefan
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Felix83
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Re: Vollmundigkeit mit gewissem Restextrakt erzeugen

#10

Beitrag von Felix83 »

Genau das wollt ich auch schreiben. Vollmundigkeit =|= Restsüße
Alkohl erhöht den Körper des Bieres ebenso. Daher hängt das alles auch sehr von der Stammwürze ab. Ein 9% SW Leichtbier ist nunmal leicht, egal wie die Rasten gefahren werden. Hab das schon probiert mit dem "Simplicity Mild " Rezept von Gordon Strong. Gutes Bier, aber selbst ordentlich dunkle, sowie Caramalze und 70 Grad "Kombirast" und WY1968 können die 9% SW nicht wirklich ausgleichen. Es bleibt dünn, aber süßlich.
When you don't know what you are doing, anything is possible. - Tony Magee
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