Knobeln mit Bier und Speisegaben

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olibaer
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Knobeln mit Bier und Speisegaben

#1

Beitrag von olibaer »

Hallo zusammen,

aus gegebenem Anlaß habe ich mir rund um die Speisegabe mit Zucker eine Knobelaufgabe einfallen lassen:

Immer mehr Hobbybrauer lassen ihre Biere analysieren und bedienen gleichzeitig Softwarelösungen, die aus den eingegebenen Eckdaten eine Bieranalyse rechnen. Der Vergleich "Meßwert(Ist-Wert) - Rechenwert" endet insbesondere für die Parameter Stammwürze, Vergärungsgrad und Alkoholgehalt nicht selten in einer Überraschung.

Eine Ursache für derartige Abweichungen zu ermitteln gestaltet sich oft schwierig, dennoch gibt es Abhängigkeiten, die zumindest einen Teil der Abweichungen durch ein vorgegebenes Rechenwerk erklären können.

Die Knobelaufgabe setzt an dieser Stelle an und betrachtet in Zahlen erst einmal nicht mehr als dass, was der Hobbybrauer in der täglichen Praxis "veranstaltet".
  1. Würze wird hergestellt und endvergoren
  2. In das endvergorene Jungbier wird Zucker dosiert
  3. Das aufgespeiste Jungbier wird mit der Zuckerdosage ein weiteres mal endvergoren

Im Forenkreis ist die Frage nach "um wie viel erhöht sich der Alkoholgehalt durch meine Speisegabe" nicht unbekannt und dass sich neben dem Alkoholgehalt noch so manch' anderes ändert, soll die Knobelaufgabe ans Licht bringen - selbstverständlich auch mit dem Hintergedanken, dass sich durch eine Speisegabe auch die Eingabeparameter für einen "Bieranalyenrechner" ändern können/könnten.

Ich habe eine Exceltabelle vorbereitet, die die o.g. Teilschritte ausgehend von 1000g Würze mit 12°P betrachtet, in die nach der Endvergärung 8 g Haushaltszucker zum Zwecke einer Aufkarbonisierung dosiert werden.

Die Teilschritte I., II. und III. werden jeweils unter dem Aspekt "vor der Gärung(1.) und nach der Gärung(2.) betrachtet, wobei die Ergebnislage in III.1 und III.2 die eigentliche Knobelaufgabe darstellt:

Welche Werte ergeben sich direkt nach der Zuckerdosierung für das endvergorene Jungbier(III.1) und welche Werte ergeben sich nach der Endvergärung/Flaschengärung für das Endprodukt(III.2) ? Das ist die Frage.

Zugegeben:
Die Knobelei ist schon ziemlich spooky, dennoch reflektiert sie, was in unseren Kreisen Tag ein/Tag aus passiert und welche Konsequenzen das für "Vergleiche und Bewertungen" hat.

knobelnmitspeise01.PNG

Viel Spaß und Grüße
Oli


P.S.: Lösung hab ich klar parat, Rechenwege inklusive.
Gruss
Oli
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olibaer
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Re: Knobeln mit Bier und Speisegaben

#2

Beitrag von olibaer »

Hallo zusammen,

war wohl doch ein wenig zu kompliziert. Fragen und Leser gabs genug, aber keine Antworten :Smile
Ich löse mal' einen Teil davon auf und erkläre ein wenig dazu:
Das endvergorende Jungbier kurz nach der Speisegabe mit 8 g Zucker
Das endvergorende Jungbier kurz nach der Speisegabe mit 8 g Zucker

Die Zeile III.1 zeigt die berechneten Analysenwerte kurz nach der Speisegabe (8 g Zucker) in das endvergoren Jungbier(I.2) - zumindest wenn man für das Beispiel ignoriert, dass 1000 g Jungbier + 8 g Zucker in Summe 1008 g ergibt und sich durch die Speisegabe die Dichte und das Volumen ändert. Hätte ich das für die Ergebniszeile III.1. zusätzlich berücksichtigt, könnte man das Bsp. überhaupt nicht mehr nachvollziehen, obwohl es rechnerisch kein Problem wäre. Siehe hierzu die mit dem * gekennzeichnete Zeile 40.

Im Gegensatz zu Post #1 ist jetzt die Ergebniszeile III.1 mit Werten gefüllt. Wie ich darauf komme, stelle ich kurz dar:
  • Alc. [g/100g], Feld I38 = 4,03: Der Wert ändert sich nicht durch die Zuckergabe von 8 g/1000g. Er entspricht dem Wert aus dem Jungbier(I35)
  • Alc. [ml/100ml], Feld J38 = 5,15: Der Wert ändert sich nicht durch die Zuckergabe von 8 g/1000g. Er entspricht dem Wert aus dem Jungbier(J35)
  • Ew[g/100g], Feld F38 = 5,0: Durch den Zuckereintrag 8 g/1000g(=0,8°P) ergibt sich in Summe aus dem Ew im Jungbier(F35) und den 0,8°P durch die Speise(C36) der Wert von 5,0(4,2 + 0,8)
  • Es[g/100g], Feld E38 = 3,28: Durch den Zuckereintrag 8 g/1000g(=0,8°P) ergibt sich in Summe aus dem Es im Jungbier(E35) und den 0,8°P durch die Speise(C36) der Wert von 3,28(2,48 + 0,8)
  • °P[g/100g], Feld C38 = 12,8: Durch den Zuckereintrag 8 g/1000g(=0,8°P) ergibt sich in Summe aus den Platograden im Jungbier(C35) und den 0,8°P durch die Speise(C36) der Wert von 12,8(12 + 0,8)
  • Vs[%] und Vw[%], Felder G38 und H38 = 74,38 und 60,99: Sie lassen sich jeweils mit der Formel für den Vergärungsgrad aus der Stammwürze(C38), dem Es(E38) bzw. dem Ew(F38) errechnen.
Die Werte oben(III.1) zeigen das endvergorene Jungbier(I.2) mit Speise versetzt(II.1), aber vor der beginnenden Nachgärung an.

In einer herkömmlichen Betrachtung markiert das Zahlenmaterial in III.1 den letzten Arbeitsschritt des Hobbybrauers. Die Flaschen/Fässer werden jetzt verschlossen, die Nachgärung sollte einsetzen und sich am Schluss, wenn man so will am Ende der 2. Endvergärung, der gewünschte CO2-Gehalt einstellen.

Es geht jetzt also darum die Zeile III.2 auszuknobeln. Welche Werte stellen sich nach Abschluss der Karbonisierung für das Endprodukt(rechnerisch) ein ?

Ergänzend dazu:
Was sagt das begeleitend über die Bedienung eines "Software-Rechners" aus ?
Wie bekomm' ich "Ist-Wert" mit "Rechenwert" in Einklang ?

Gruß
Oli


P.S.: Ich weiß, der thread ist eine nervige Präventivhandlung ohne transparente Sicht auf einen Mehrwert. Ich hab jetzt einfach mal den Erklärungsversuch vor das Problem gesetzt ;-)
Gruss
Oli
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Sura
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Re: Knobeln mit Bier und Speisegaben

#3

Beitrag von Sura »

Ich hatte das angeschaut. kurz nachgedacht und dann ein wenig vergessen.... eine kurze Rückfrage zu Extract in D38 .... wenn ich 120gr in 1000gr habe, dann habe ich nach Zugabe von 8gr Zucker aber 128gr in 1008gr, und damit in C38 12,7°P oder?
"Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem."
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olibaer
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Re: Knobeln mit Bier und Speisegaben

#4

Beitrag von olibaer »

Sura hat geschrieben: Montag 26. Juni 2017, 21:12 wenn ich 120gr in 1000gr habe, dann habe ich nach Zugabe von 8gr Zucker aber 128gr in 1008gr, und damit in C38 12,7°P oder?
Korrekt. Für das Beispiel habe ich aber genau diese "Verschiebungen" ausgeblendet und angemerkt.

Konsequenter Weise hätte man 8 g endvergorenes Jungbier entnehmen und durch 8 g Zucker für die Speisegabe ersetzen müssen, damits "gewichtsprozentig auf der Spur" bleibt. Das Warum und Wieso bis in alle Untiefen hinen und mit all' seinen Begrifflich- und Abhänigkeitenkeiten(GG%, GV%, Dichten) zu erklären, war mir aber dann doch zu viel ;-)

Gruß
Oli
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olibaer
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Re: Knobeln mit Bier und Speisegaben

#5

Beitrag von olibaer »

Hallo zusammen,

ich hatte es fast schon wieder vergessen. Hier die Auflösung:
knobelnmitspeise03.PNG
Das wichtigste in Kürze(III. 2. endvergorenes Produkt nach der Flaschengärung):

°P [g/100g] - Stammwürze (C56):
Durch die Dosage von 8g/1000g Haushaltszucker hat sich die Stammwürze von ursprünglich 12,0% auf 12,8% erhöht.
Diese Tatsache ist interessant, wenn man einen "Rechner" für eine nachgelagerte "Bieranalyse" bemüht. Als Stammwürze sind jetzt 12,8% und nicht die ursprünglich in der unvergorenen Würze festgestellten 12,0% zu erfassen.

Es[g/100g] - Extrakt scheinbar(Spindelwert, E56):
Durch die Dosage von 8g/1000g Haushaltszucker sinkt der Es von ursprünglich 2,48% auf 2,31% .
Das + an Alkohol verringert die Dichte, so dass die Spindel weiter eintaucht und in der Folge weniger anzeigt, währen der Ew unverändert bleibt(siehe nächten Punkt)

Ew[g/100g] - Extrakt wirklich(F56):
Durch die Dosage von 8g/1000g Haushaltszucker ändert sich am Ew nichts.
Haushaltszucker lässt sich durch unserer Kulturhefen zu 100% vergären - es bleiben keine unvergärbaren Bestandteile zurück, die sich durch eine Veränderung des Ew zeigen könnten.

Vs[%] - Vergärungsgrad scheinbar und Vw[%] - Vergärungsgrad wirklich(G56, H56):
Durch die Dosage von 8g/1000g Haushaltszucker verändern sich diese berechneten Größen in Abhängigkeit von Stammwürze und Es bzw. Ew(siehe oben und Formel "Vergärungsgrad").
Der für den Brauer relevante Vs[%](Vergärungsgrad scheinbar) erhöht sich um über 2,5 % (79,3% -> 81,9%).

Alc. [g/100g] - Alkoholkonzentration in Gewichtsprozent, Alc. [ml/100ml=%vol] - Alkoholkonzentration in Volumenprozent(I56, J56):
Durch die Dosage von 8g/1000g Haushaltszucker hat sich die Alkoholkonzentration um 0,5 %vol erhöht.
Als Basis für die Berechnung dient die Ballingformel, die aus rund 2 g vergärbarem Extrakt ein + von 1 g Alkohol ermittelt.


Naja, vielleicht kanns' ja mal' wer brauchen ;-)


Gruß
Oli
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Re: Knobeln mit Bier und Speisegaben

#6

Beitrag von schattenbräu »

liege ich falsch, wenn ich sage, dass sich durch Speisegabe (gewisses Volumen Würze) die Stammwürze des Bieres nicht ändert, auch nicht der Alkoholgehalt, weil sich ja das Volumen um die Speise vergrößert, bei Gabe von reinem Zucker aber schon. Oder endet mein mathematisches Verständnis hier schon?
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Re: Knobeln mit Bier und Speisegaben

#7

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

schattenbräu hat geschrieben: Donnerstag 10. August 2017, 12:09 liege ich falsch, wenn ich sage, dass sich durch Speisegabe (gewisses Volumen Würze) die Stammwürze des Bieres nicht ändert, auch nicht der Alkoholgehalt, weil sich ja das Volumen um die Speise vergrößert, bei Gabe von reinem Zucker aber schon.
Passt. Die Speise wird bis zum EVG vergären und der Alkoholgehalt des Bieres bleibt gleich. Bei Zucker wird der Alkoholgehalt bei 5g CO2 / Liter um etwa 0,5 vol% erhöht.
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Re: Knobeln mit Bier und Speisegaben

#8

Beitrag von olibaer »

Hallo Schattenbräu,
schattenbräu hat geschrieben: Donnerstag 10. August 2017, 12:09 liege ich falsch, wenn ich sage, dass sich durch Speisegabe (gewisses Volumen Würze) die Stammwürze des Bieres nicht ändert, auch nicht der Alkoholgehalt, weil sich ja das Volumen um die Speise vergrößert, bei Gabe von reinem Zucker aber schon.
Wie in post #7 schon ausgeführt, hast Du natürlich recht. Es gibt allerdings zwei Einschränkung:

I.)
Die Speise muss natürlich aus der selben unveränderten Charge stammen wie die Charge die aufgespeist werden soll (identische Stammwürzen). Ich erwähne das deswegen, weil das dosieren von "chargenreinen" Kräusen oder Speisen in der betrieblichen Brauereipraxis so oft nicht möglich ist.

Das ist vor allem für Biere interessant, die in ihrer Stammwürze kurz vor dem Platowechsel angesiedelt sind, z.B. bei 11,9°P. Dosiere ich hier ein Bier mit z.B. 12,2 °P, komme ich in Summe auf >=12°P und lande in Folge in eine anderen, höheren Steuerklasse.

II.)
Der Alkoholgehalt der Gesamtmenge kann sich bei Mischungen "gleicher Stammwürzen aus unterschiedlichen Chargen" sehr wohl ändern. Hintergrund ist die Ballingformel zur Berechnung der Stammwürzen aus dem Extrakt wirklich Ew[g/100g] und dem Alkohlgehalt Alc.[g/100g]. Beispiel:

BIER I:
Alc.[g/100g] = 4,6
Ew[g/100g] = 5,2
°P [g/100g] = 14,02

BIER II:
Alc.[g/100g] = 5,0
Ew[g/100g] = 4,43
°P [g/100g] = 14,02

Beide Biere errechnen sich zu einer Stammwürze von 14,02%, die sich aber jeweils aus unterschiedlichen Konzentrationen von Ew und Alc. ergibt (wie auch immer diese Zustande kommen).

Egal in welchem Verhältnis ich BIER I mit BIER II vermische wird sich ergeben, dass die Stammwürze im Endprodukt immer bei 14,02 liegen wird, während, in Abhänigkeit vom Mischungsverhältnis, Alc.[g/100g] und Ew[g/100g] schwanken werden und das je Mischungsverhältnis nicht ganz unerheblich, aber immer nur zwischen 4,6 und 5,0 Alc.[g/100g] ;-)



Gruß
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Re: Knobeln mit Bier und Speisegaben

#9

Beitrag von schattenbräu »

danke euch beiden für die Erklärungen

liebe Grüße aus Österreich

Ulf
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Re: Knobeln mit Bier und Speisegaben

#10

Beitrag von olibaer »

Hallo zusammen,

zeitgleich zu den Ausführungen hier, hat sich in einem anderen thread eine Fragestellung ergeben, die "in eine ähnliche Kerbe haut".
Wer dort zulesen möchte, schlägt den Weg in diese Richtung ein.


Gruß
Oli
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