Mal was zum Schmunzeln...

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Löschzug
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Mal was zum Schmunzeln...

#1

Beitrag von Löschzug »

Durch Zufall gefunden, ein SPIEGEL-Artikel von November 1966:


Sünde mit Chemie


Zwei Bayern, beide CSU-Ernährungsminister, gerieten über den Maßkrug in Streit: Alois Hundhammer in München wollte verhindern, daß Hermann Höcherl in Bonn das Bier verpantschen hilft. Aber Hilfe kam nicht aus Bonn, sondern von einem bayrischen Hopfenhändler.

Dem apostelbärtigen Hundhammer lag das Wohl der Hopfenbauern in der Hallertau am Herzen, das bislang durch das Reinheitsgebot im Paragraphen 9 des Biersteuergesetzes geschützt ist; der Gerstentrank darf nur aus Wasser, Hopfen, Malz und Hefe gebraut, der Hopfen nur mechanisch zerkleinert werden.

Bonn aber will künftig neben den frischen Dolden der Hopfenrebe auch ein Präparat für zulässig erklären: flüssigen Hopfenextrakt.

Er ist eine Sünde wider den Geist der reinen Brau-Lehre. Bei seiner Zubereitung werden chemische Lösungsmittel wie Trichloräthylen, Methylenchlorid und Methanol verwendet. Deutschlands Bier-Universität, die Braufakultät der Technischen Hochschule München in Weihenstephan, empfahl Vorsicht vor dem Extrakt: "Seine Verwendung bedarf einer eingehenden und objektiven Prüfung."

Den Hopfensaft gibt es seit langem, aber Reinheits-Fanatikern und Hopfenbauern gilt er für minderwertig. Er enthalte zwar die Bitterstoffe, nicht aber das volle Aroma der Dolde. Hochwertiges Bier könnte nur mit Edelhopfen, der Aroma und Bitterkeit vereint, gebraut werden.

Für den Edelhopfen gibt es Wertsiegel und Herkunfts-Zertifikat, der Extrakt muß ohne Dekoration auskommen. Er kann dafür ungestraft auch mit billigeren Hopfenarten, wie sie zum Beispiel Amerika liefert, zubereitet werden.

Hopfenhändler Robert Fromm aus Wolnzach: "Stellt sich der Weltmarkt auf Extrakt um, verliert der Edelhopfenanbau an Bedeutung. Die deutschen Hopfenbauern müßten sich auf Nichtedelhopfen umstellen. Die Folge wäre nicht nur, daß sie in Zukunft für ihre Ware geringere Preise erzielen würden; darüber hinaus wären sie ... Ländern mit landwirtschaftlicher Großproduktion ... nicht gewachsen."

Für das Kosten-Konto der Brauereien ist jedoch der Absud vorteilhaft. Sie müssen frischen Hopfen in Spezial -Lagerhäusern aufbewahren, und auch dort verliert er nach einem Jahr sein Aroma. Jeden September von neuem sind Brauhäuser nach der Ernte den Preisforderungen der Bauern ausgeliefert, die derzeit bis zu 600 Mark je Zentner verlangen. Proteste schieben sie mit dem alten Spruch beiseite: "Der Hopf is a Tropf."

Der Extrakt kostet zwar rund 110 Mark mehr als ein Zentner frische Ware, ist aber durch den Fortfall der hohen Lagerkosten am Ende billiger. Da er sich über mehrere Ernten hinweg hält, können die Brauereien damit auch den Preissprüngen für frischen Hopfen ausweichen.

Zugunsten der fünf westdeutschen Extrakt-Hersteller duldete der Bundesfinanzminister bislang die Verwendung der Konserve etwa so, wie der Staat die Prostitution duldet. Er ließ Brauereien, die den Saft benutzen wollten, gewähren, teilte ihnen jedoch mit: "Für den Fall, daß gegen Sie eine gerichtliche Entscheidung (wegen Verletzung des Reinheitsgebots) getroffen wird, behalte ich mir das Recht auf Widerruf (der Genehmigung) vor." Von der Möglichkeit machten bayrische Brauereien bisher gar nicht, nördlichere Braufirmen nur begrenzt Gebrauch.

Da aber durch EWG-Verpflichtungen ohnehin eine Neufassung des Biersteuergesetzes nötig wird, will der Bundesfinanzminister zugleich auch den Hopfenextrakt für zulässig erklären. Bierminister Hundhammer alarmierte in Bonn seinen Kollegen und Parteifreund Höcherl, aber vergeblich. Höcherl-Referent Schümann: "Wir haben dem Finanzministerium unsere grundsätzliche Zustimmung gegeben."

Da kam Hopfenhändler Fromm dem bayrischen Minister und seinen bedrohten Bauern zu Hilfe. Er eröffnete vor kurzem eine Fabrik, in der er Edelhopfen nach einem neuen Verfahren konserviert: Die Dolden werden getrocknet und zu einem grünen Pulver vermahlen. In Zehn-Pfund-Kartons verpackt, hält FrommsHopstabil" ohne chemische Zusätze mindestens zwei Jahre lang das Aroma.

Aus Weihenstephan kam Zustimmung: "Eine natürliche Sache, die praktisch dem Hopfen entspricht." Bonn erklärte das Produkt für "Hopfen im Sinne des Gesetzes" und erlaubte, daß es mit Brief und Siegel ausgezeichnet wird.

Da Hopstabil auch billiger ist als Extrakt, haben sich schon 60 Brauereien bei Fromm dafür interessiert. Eine Bestellung kam von Bayerns renommiertestem Sudhaus: Löwenbräu in München.
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afri
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Re: Mal was zum Schmunzeln...

#2

Beitrag von afri »

Sehr schön. Ist das die Geburtsstunde des Pellets, wie wir ihn heute kennen?
Ansonsten ist der Streit ja offenbar entschieden worden, denn der Extrakt ist heute, 52 Jahre später, in vielen Bieren zu finden.
Achim
Bier ist ein Stück Lebenskraft!
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Re: Mal was zum Schmunzeln...

#3

Beitrag von Fe2O3 »

Löschzug hat geschrieben: Freitag 19. Januar 2018, 10:38 Zugunsten der fünf westdeutschen Extrakt-Hersteller duldete der Bundesfinanzminister bislang die Verwendung der Konserve etwa so, wie der Staat die Prostitution duldet.
Ich find den Vergleich ja ziemlich lustig.. Die Extrakt-Brauereibesitzer waren die Zuhälter der 1960er :D
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grüner Drache
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Re: Mal was zum Schmunzeln...

#4

Beitrag von grüner Drache »

Morgen!

Für den Edelhopfen gibt es Wertsiegel und Herkunfts-Zertifikat, der Extrakt muß ohne Dekoration auskommen. Er kann dafür ungestraft auch mit billigeren Hopfenarten, wie sie zum Beispiel Amerika liefert, zubereitet werden.
Und was kommt jetzt aus A-Merika für ein Hopfen?
Scheint mir nich so, als hätten die 60jahre lang nur "ExtraktHopfen" angebaut.
Heute kommt Da Hopfen her, der revolutioniert das Bier - macht ganz neue Sachen möglich....
Dem apostelbärtigen Hundhammer lag das Wohl der Hopfenbauern in der Hallertau am Herzen,
Heute wohl ein Hipster-Bartträger :thumbsup

Allzeit gut Sud!
:Drink
Ciao,Alex!
Der grüne Drache zu Wasserau - Dort brauen sie ein Bier so braun, dass selbst der Mann im Mond kam schauen ...
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§11
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Re: Mal was zum Schmunzeln...

#5

Beitrag von §11 »

afri hat geschrieben: Freitag 19. Januar 2018, 22:01 Sehr schön. Ist das die Geburtsstunde des Pellets, wie wir ihn heute kennen?
Ansonsten ist der Streit ja offenbar entschieden worden, denn der Extrakt ist heute, 52 Jahre später, in vielen Bieren zu finden.
Achim
Nein das war erstmal Hopfenpulver. Ich meine im Kopf zu haben das das mit Kieselgur vermischt wurde. Weiß aber nicht mehr warum.

Jan
„porro bibitur!“
Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
Die Seite zur HBCon https://heimbrauconvention.de/
https://headlessbrewer.wordpress.com/
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