Stammwürze bei verschiedenen Zuckern

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Sura
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Stammwürze bei verschiedenen Zuckern

#1

Beitrag von Sura »

Moin.

Folgender Gedanke:
Angenommen ich habe eine Würze hergestellt die einen relativ hohen Anteil unvergärbarer Mehrfachzucker hat, aber ansonsten die vorliegende Stärke auch schon recht gut verarbeitet hat. Die hat jetzt 10°P.
Weiter angenommen, ich mache eine absteigende Infusion und die Mehrfachzucker werden größtenteils weiter in Ein- und Zweifachzucker zerlegt. Steigt die Stammwürze, sinkt sie, bleibt sie gleich?

Der reine Molekül anteil verändert sich ja nicht, es verschwindet ja kein Zuckermolekül oder wird umgewandelt. (Und wir gehen mal davon aus, daß auch keine neuen dazukommen.)
Ich würde im ersten Gedanken sagen, die Stammwürze bleibt gleich. Wie seht ihr das?

Gruß,
Kai
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Bergbock
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Re: Stammwürze bei verschiedenen Zuckern

#2

Beitrag von Bergbock »

Natürlich verändert sich die Molekülzahl durch Abbau, sie wird ja höher.
Die Dichte ändert sich und damit auch der Platowert.
Stärke hat 1.5 g/cm3, Saccharose 1.59 g/cm3. Die Dextrine werden also irgendwo dazwischen sein.

Frank
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Sura
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Re: Stammwürze bei verschiedenen Zuckern

#3

Beitrag von Sura »

OK, nicht ganz richtig ausgedrückt: Mit "Molekülen" meinte ich die einzelnen Glucose-Einheiten. Diese werden nicht mehr, es werden ja lediglich die Bindungen aufgetrennt. Warum sollte es also mehr werden?
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Bergbock
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Re: Stammwürze bei verschiedenen Zuckern

#4

Beitrag von Bergbock »

Eine "Einheit" ist kein Molekül, es ist nur Teil eines Moleküls.
Durch Abbau werden aus einem grossen Stärkemolekül mehrere kleinere Moleküle. Das ist für die physikalischen Eigenschaften wie Dichte entscheidend.
Vergleiche mit Kunststoff, die physikalischen Eigenschaften von 1000 Monomer-Einheiten und einem Polymer aus 1000 Monomereinheiten sind auch unterschiedlich.
Und da sich die Dichte ändert, ändert sich auch der Plato Wert.
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Bierokrat
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Re: Stammwürze bei verschiedenen Zuckern

#5

Beitrag von Bierokrat »

Jep. Die Masse bleibt gleich, wenn du dem System nichts entnimmst.
Das Volumen der geänderten Moleküle könnte allerdings variieren. Ebenso das Volumen der geänderten Moleküle in der Lösung.
Prost!
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Sura
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Re: Stammwürze bei verschiedenen Zuckern

#6

Beitrag von Sura »

Also statt der 10P werden es dann...... vielleicht 11P? 12P?
Nur... wenn ich Vorderwürzebier mit 55% Ausbeute bei einer Rast von ~70°C schaffe, dann sollte demnach meine Ausbeute ja mit bei kürzeren Zuckern steigen. Also zum Beispiel 3h rasten.... (Immer davon ausgegangen, das die Menge der ausgewaschenen Stärke, also die Nettoausbeute, gleich bleibt!)

Das ergibt aber nicht wirklich Sinn, oder?


edit: % in °C geändert
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flying
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Re: Stammwürze bei verschiedenen Zuckern

#7

Beitrag von flying »

Die Stammwürze ist eigentlich kein Dichtewert, sondern das Verhältnis Extrakt zu Wasser in Masseeinheiten. Ob die Masse des Extraktes jetzt aus Dextrinen oder Maltose besteht ist egal.
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Bergbock
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Re: Stammwürze bei verschiedenen Zuckern

#8

Beitrag von Bergbock »

flying hat geschrieben:Die Stammwürze ist eigentlich kein Dichtewert, sondern das Verhältnis Extrakt zu Wasser in Masseeinheiten. Ob die Masse des Extraktes jetzt aus Dextrinen oder Maltose besteht ist egal.
Das geht aber an der Fragestellung komplett vorbei.
Ausgangspunkt ist eine Würze mit 10 °P (Annahme : hoher Anteil an Dextrinen)
Damit entspräche diese Würze p.D. der Massendichte von 10 g Saccharose in 1 kg Lösung.

Jetzt erfolgt ein enzymatischer Abbau, die Dichte der Lösung ändert sich und damit auch der Plato-Wert.
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Re: Stammwürze bei verschiedenen Zuckern

#9

Beitrag von schollsedigger »

Hi,

der Massenanteil der gelösten Einfach- bis Mehrfachzucker bleibt gleich, das Volumen wird sich nicht messbar ändern => die Dichte bleibt gleich (m/V). Da der gelöste Anteil sich auch nicht ändert, bleibt auch die Stammwürze gleich (s. obige Definition).

Was sich nicht unwesentlich ändert ist die Viskosität.

Grüße

MAtze
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olibaer
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Re: Stammwürze bei verschiedenen Zuckern

#10

Beitrag von olibaer »

Hallo zusammen,

wie flying in #7 schon andeutet liefert die Definition der Stammwürze die Antwort: "...summe der gelösten Substanzen in Gewichtsprozenten [g/100g], [%w/w], [%mas], [GG%], [Gew.%/Gew.%]... unmittelbar vor der Vergärung ...".

Per Definition hat 1°P dieselbe Dichte[g/100ml] wie eine wässrige Saccharoselösung mit 1 Gewichtsprozent Saccharose[*][/super].

Die Definition °P bezieht sich also auf die Dichte einer wässrigen Saccharoselösung und nicht auf ein Konglomerat von Extrakkomponenten wie wir sie in einer Bierwürze finden.
Die Umrechnung Dichte/Plato funktioniert trotzdem, da sich "Brauer" meist mit der Angabe der Platograde auf eine Nachkommastelle genau zufrieden gibt. Taucht man tiefer in das Thema ein, so wie in diesem Beitrag, gerät man an Grenzen.

Übrigens hat ein gewisser Herr Fritz Plato den o.g. Zusammenhang[*][/super] hergestellt und beruft sich dabei auf ein im Jahr 1843 von Carl Joseph Napoleon Balling entwickeltes Maßsystem nebst Meßinstrument, dass in reiner Zuckerlösung direkt den Saccharosegehalt in Prozenten anzeigte - das "Balling Grad". Beide Herrschaften begegnen uns heute noch in Kontexten wie der "Platotabelle" oder der "Ballingformel"

Das sich durch den beschriebenen Vorgang die Massen nicht ändern, sondern nur die Zusammensetzung der Probe, bleibt im Ergebnis die Stammwürze unverändert.

Ermittelt man die Stammwürze aus dem Ergebnis einer Dichtemessung, üblicher Weise mit einer Spindel, sieht die Sache etwas anders aus (-> eine Hobbybrauerspindel gibt solch eine Differenzierung natürlich nicht her).
Hier ergibt sich aus der Veränderung der Extraktzusammensetzung auch eine Dichteänderung(siehe Beitrag von Bergbock), die bei der Umrechnung in die Stammwürze Wirkung zeigt.

Würde man die Stammwürzen VorDerVeränderung/NachDerVeränderung z.B. aus einem Pyknometerwert ermitteln, liessen sich für beide Fälle identische(richtige) Stammwürzen feststellen.
Wer rund um das Thema "Stammwürze" schmökern möchte kann das hier tun.


Gruß
Oli
Gruss
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Re: Stammwürze bei verschiedenen Zuckern

#11

Beitrag von schollsedigger »

Hi,
olibaer hat geschrieben: Ermittelt man die Stammwürze aus dem Ergebnis einer Dichtemessung, üblicher Weise mit einer Spindel, sieht die Sache etwas anders aus (-> eine Hobbybrauerspindel gibt solch eine Differenzierung natürlich nicht her).
Hier ergibt sich aus der Veränderung der Extraktzusammensetzung auch eine Dichteänderung(siehe Beitrag von Bergbock), die bei der Umrechnung in die Stammwürze Wirkung zeigt.
Wobei ich die angegebene Änderung der Dichte nicht nachvollziehen kann. Da die Gesamtmasse konstant bleibt und sich das Volumen allerhöchstens nur differentiell und nicht messbar ändert, bleibt Masse/Volumen ebenfalls konstant.

Bei den von Bergbock angegebenen Dichten fehlt mir der Bezug zur Konzentration. Sollte die Dichte des Feststoffs gemeint sein, ist diese für den gelösten Stoff irrelevant.

Grüße

Matze
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Sura
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Re: Stammwürze bei verschiedenen Zuckern

#12

Beitrag von Sura »

Danke für die Beteiligung! :)
olibaer hat geschrieben: Das sich durch den beschriebenen Vorgang die Massen nicht ändern, sondern nur die Zusammensetzung der Probe, bleibt im Ergebnis die Stammwürze unverändert.
Das bezieht sich jetzt darauf, das sie wirklich gleich bleibt, aber unsere Messmittel (Spindel) ungenügend sind, oder?
olibaer hat geschrieben:Ermittelt man die Stammwürze aus dem Ergebnis einer Dichtemessung, üblicher Weise mit einer Spindel, sieht die Sache etwas anders aus (-> eine Hobbybrauerspindel gibt solch eine Differenzierung natürlich nicht her).
Hier ergibt sich aus der Veränderung der Extraktzusammensetzung auch eine Dichteänderung(siehe Beitrag von Bergbock), die bei der Umrechnung in die Stammwürze Wirkung zeigt.
OK, also eine Spindel sollte einen Unterschied anzeigen..... sofern sie genau genug ist, was sich aber unsere üblichen Spindeln nicht hergeben. Oder kann sowas tatsächlich eine Kommastelle ausmachen?
(Ich hab noch nicht geschmökert, das hole ich nachher nach, wenn ich mehr Zeit habe :) )
olibaer hat geschrieben:

schollsedigger hat geschrieben:
olibaer hat geschrieben: Ermittelt man die Stammwürze aus dem Ergebnis einer Dichtemessung, üblicher Weise mit einer Spindel, sieht die Sache etwas anders aus (-> eine Hobbybrauerspindel gibt solch eine Differenzierung natürlich nicht her).
Hier ergibt sich aus der Veränderung der Extraktzusammensetzung auch eine Dichteänderung(siehe Beitrag von Bergbock), die bei der Umrechnung in die Stammwürze Wirkung zeigt.
Wobei ich die angegebene Änderung der Dichte nicht nachvollziehen kann. Da die Gesamtmasse konstant bleibt und sich das Volumen allerhöchstens nur differentiell und nicht messbar ändert, bleibt Masse/Volumen ebenfalls konstant.
Mal schauen was Oli dazu sagt, aber ich glaube der Messwert ist wirklich marginal. Angenommen es ist eine halbe Kommastelle (was ich nicht weiss!), dann wäre das bei den angenommen 10P und einem 100l Sud grade mal ein halbes Kilo Zucker. Das in einem Topf gekippt gibt auch so gut wie keine (mit unseren normalerweise gebrauchten Mitteln) messbare Volumenänderung.


Ich finde die Übelegungen sehr spannend. Auch aus dem Grunde, weil die Angabe "raste bis Jodneutral" für uns ja ein relativ fixer Punkt beim Brauvorgang ist. Nun stellt sich ja eigentlich die Stammwürze, die Ausbeute, usw. auch als relativ feste Werte dar, und der Vergärungsgrad ergibt sich aus den Rasten....
Wenn es nun aber so ist, daß sich während des Maischens für uns erkennbar nichts mehr ändert ("Iss ja schon ne halbe Stunde Jodneutral!), aber trotzdem eine deutlich längere Rast eben doch zu einem merkbar höheren Vergärungsgrad führt, dann ergibt sich für mein eigenes Verständnis der Kombirast eine weitere Variable: pH, Temperatur, usw sind wichtig, klar. Aber die Zeit, die nach der (erfolgreichen) Jodprobe noch gerastet wird, bestimmt damit zu einem großen Teil den Vergärungsgrad.

Ich habe zu dem ganzen Komplex auch grade ein paar Versuchs-Sude laufen. (Wenn alles fertig, schreibe ich da nochmal ausführlich was dazu.) Dieser Punkt hier ist jetzt etwas, was sich vorab abzeichnete. Ich wollte nochmal bestätigt haben ob ich die richtigen Schlüsse ziehe oder mich doch verfranse. Danke :)

Gruß
Kai

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