Dekoktion -> Umami / Kokumi?

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Johnny H
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Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#1

Beitrag von Johnny H »

Hallo miteinander,

angeregt durch die neulich stattgefundene Diskussion zu einem Interview mit Thomas Vilgis in der FAZ lese ich gerade dessen Buch "Aroma".

Dort ist immer wieder von den Geschmacksrichtungen "umami" und "kokumi" zu lesen. Diese werden vom Menschen rezeptorisch (umami) bzw. anderweitig sensorisch (kokumi) wahrgenommen und sind (wie salzig, sauer, süß und bitter) wichtige Elemente der Geschmackswahrnehmung und damit auch beim Kochen.

Im Einzelnen:
1) Umami
Wird allgemein als "herzhaft" beschrieben und entsteht durch die Wahrnehmung der Aminosäure Glutaminsäure (bzw. Glutamat), die durch die Hydrolyse von Proteinen durch z.B. längeres Kochen von Fleisch oder Bohnen freigesetzt wird oder natürlich auch hinzugefügt werden kann. Letztlich beschreibt umami damit die Wahrnehmung von Eiweiß. Evolutionsbiologisch gesehen ergibt diese Wahrnehmung jede Menge Sinn, da Eiweiß = Energie und Lebensbaustein.

2) Kokumi
Dieser Begriff beschreibt ebenfalls eine sensorische Wahrnehmung von Proteinbausteinen, und er wird mit dem Begriff "Mundfülle" übersetzt, wobei damit keine Texturwahrnehmung gemeint ist (nähere Erklärung auch hier). Hervorgerufen wird diese Wahrnehmung ebenfalls durch Proteinbausteine, und zwar durch sogenannte Gamma-Glutamylpeptide, was soviel bedeutet wie zwei oder drei Aminosäuren aneinander mit einem Glutaminsäurerest. Der genaue Mechanismus der Wahrnehmung ist hier noch nicht bekannt, aber die Entstehung dieser Peptide erfolgt ebenfalls in der Regel durch hydrolytischen Abbau von Proteinen während des Kochens. Kokumi-Bausteine sollen sensorisch modulierend wirken und den Gesamteindruck aller Geschmackseindrücke verstärken. Im Buch wird auch ein Herstellverfahren von Kokumi-Paste aus gekochten weißen Bohnen und Rindfleisch beschrieben.

Mein Gedanke bzw. meine Fragestellung ist nun Folgendes:
Könnte es sein, dass diese beiden sensorischen Wahrnehmungen auch eine Rolle bei der Dekoktion spielen? Gerade die Beschreibung von "Kokumi" mit "Mundfülle" und "Intensivierung bzw. Abrundung der ansonsten vorhandenen Geschmacksrichtungen" beschreibt für mich recht gut die Assoziationen, die ich bei meinen dekoktionsbasierten Bieren immer bekomme. Auch den oft verwendeten Begriff der "Kernigkeit" würde ich da unterbringen, und auch die Beschreibung für "umami" als "herzhaft" passt da ein wenig hinein.

Beim Kochen entstehen diese Geschmäcker erst nach längerer Zeit, da der hydrolytische Proteinabbau länger dauert, während bei der Dekoktion in aller Regel ja nicht so lange gekocht wird. Außerdem wird ja die Bierwürze mitsamt Proteinen auch noch gekocht, und zwar länger. Dennoch liegen bei der Dekoktion ja auch noch andere Faktoren vor (vor allem die Präsenz von Feststoffen und Gerbstoffen aus der Maische), und womöglich spielt sich ja auch ein katalytischer Prozess ab? Und historisch hat man ja u.a. auch die Maische gekocht, um die Proteine aufzuschließen. Auch Weizenbiere mit ihrem naturgemäß höheren Proteinanteil werden heute noch oft mittels Zwei- oder Dreimaischverfahren gebraut, was durchaus auch für einen geschmacklichen Einfluss der Proteine bzw. deren Bestandteile spricht.

Oder liegt hier vielleicht auch ein Teil des Geheimnisses von Pilsner Urquell, die in verschiedenen Schriften immer wieder die Wichtigkeit ihrer direktbefeuerten Kupferkessel mitsamt der katalytischen Wirkung des Kupfers betonen?

Und vielleicht passt es ja auch deswegen beim Krombacher nicht so recht mit dem Dekoktionsgeschmack, weil sie alle Proteinreste gnadenlos rausfiltern?

Bei der Dekoktion sollen ja auch Maillard-Reaktionen ablaufen. Auch diese tragen bestimmt zum Gesamteindruck bei, aber vielleicht sind ja doch auch "umami" und "kokumi" beteiligt?
Zuletzt geändert von Johnny H am Mittwoch 22. November 2017, 07:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Johnny H
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#2

Beitrag von Johnny H »

Ich habe inzwischen ein wenig Literaturrecherche betrieben, aber viel weiter bin ich nicht gekommen.

Dabei habe ich mir ein wenig die Aminosäuren und Proteinkompositionen angeschaut, aber zu der spezifischen Fragestellung in Kombination mit Dekoktion habe ich bisher nichts gefunden.

Natürlich stellt auch Glutaminsäure einen wichtigen Baustein der Eiweiße in Gerste und Weizen dar und ist als solches auch in Bierwürzen nachweisbar, aber ob durch die Dekoktion der Anteil signifikant erhöht wird, und welche Rolle dabei die angesprochenen Gamma-Glutamylpeptide spielen, darüber finde ich bisher keine Informationen. Auch weiß ich nicht, welche Aminosäuren und vor allem welche Peptide bevorzugt von der Hefe aufgenommen und verstoffwechselt werden, und in welchem Ausmaß.

Kompliziertes Thema, aber ich glaube nicht, dass ich völlig auf dem falschen Dampfer unterwegs bin.
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Berliner
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#3

Beitrag von Berliner »

Vilgis schreibt in 'Beer Pairing' umami vor allem der Hefe zu, die den Geschmack bei der Gärung erzeugt. Möglicherweise bringt aber die Dekoktion die Eiweiße in eine Form (Molekülgröße?), die das begünstigt.
Gruß vom Berliner
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Johnny H
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#4

Beitrag von Johnny H »

Berliner hat geschrieben: Mittwoch 22. November 2017, 09:11 Vilgis schreibt in 'Beer Pairing' umami vor allem der Hefe zu, die den Geschmack bei der Gärung erzeugt. Möglicherweise bringt aber die Dekoktion die Eiweiße in eine Form (Molekülgröße?), die das begünstigt.
Umami im Zusammenhang mit der Hefe wurde auch hier im Forum schon erwähnt bzw. von den wenigen Treffer auf eine Suche von "umami" hier im Forum beziehen sich einige darauf.

"Kokumi" wurde hier im Forum noch nie erwähnt, und ich finde bisher auch nichts im Zusammenhang mit Bier.
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#5

Beitrag von flying »

Ich habe das beim Ummerstädter Bier festgestellt, dass quasi mit einem "prähistorischen" Brauverfahren hergestellt wird. Nach stundenlangen Kochmaischen und 5- stündigen Eindampfen der Würze haben die laut eigener Aussage keinen/kaum Eiweißbruch im Kühlschiff. Was für mich bedeutet, dass fast das gesamte Eiweiß beim langen Kochen hydrolytisch abgebaut wird? Geschmacklich überzeugte das Bier jedenfalls durch eine enorme Herzhaftigkeit und Mundfülle.
So ein Bier ist mir bisher nicht wieder untergekommen. Auch nicht in anderen Kommunbrauereien. Selbst da ist es mittlerweile Usus alles Eiweiß sauber abzutrennen.

Ich habe vor Jahren auch mal über historische Brauverfahren in böhmischen Brauereien gelesen, die schon in den 50-iger Jahren geschlossen wurden. Da war z. B. von 9-stündigen Dekotionsverfahren die Rede und keine Würzekochung unter 3 Stunden. Womöglich waren solche Braumethoden für den legendären Ruf des böhmisches Bieres verantwortlich, was heute manchmal kaum noch nachvollziehbar ist. Die Weihenstephaner Schule hat sich mittlerweile weltweit durchgesetzt und bietet kaum Alternativen. Besonders keine wirtschaftlichen...


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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#6

Beitrag von gulp »

Hmmm, die Umschreibungen hören sich für mich unterm Strich wie Fehlaromen an. DMS und/ oder Autolyse. Da ist ja auch von Gemüse- und Maggiaromen die Rede, bei den Fehlaromen.

Gruß
Peter, der sich mit den herkömmlichen Geschmäckern, salzig, sauer, süß und bitter schon hart genug tut. :Greets
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#7

Beitrag von schollsedigger »

Hi,

der sog. Hefeextrakt bzw. das Hefehydrolysat wird ja Lebensmitteln als Glutamatersatz zugegeben. Der Geschmackseindruck bzw. die Wirkung ist die gleiche, da sie Glutamat enthalten. Anscheinend konzentriert Hefe das Glutamat in sich auf.

Die Hydrolyse (Zersetzung unter Aufnahme von Wasser, Umkehrreaktion der Bildung von Eiweiß aus Aminosäuren) von Eiweiß zu Aminosäuren (Glutaminsäure) bzw. deren Salzen (Glutamat) ist sowohl im Sauren als auch im alkalischen möglich, das Ganze läuft speziell im Sauren (=Würze) katalytisch ab, je länger und höhe ich erhitze, umso mehr. Denkbar, dass sich bei der Dekotion mit überhitzten Bereichen in der dicken Pampe, wg. der ungleichmäßigeren Wärmeverteilung Hitzenester > 100°C bilden, die das Ganze begünstigen.

Braugerste enthält i.A. max. 11,5 % Protein und somit mit Sicherheit auch genügend gebundene Glutaminsäure, die dann eben beim Brauprozess freigesetzt wird.

Abwegig ist da Ganze nicht.

Dass sich das nach Fehlaromen anhört mag sein, aber erst die Dosis (Menge) mach das Gift (Fehlaroma)...

Ob Kupfer das Ganze beschleunigt weiß, ich nicht, Schwermetalle begünstigen eher die Gerinnung von Eiweiß. Aber wenn man lange genug kocht, dürfte das Eiweiß hydrolysiert werden.

Vllt. kommt das Kopfweh nicht vom Alkohol und Nebenprodukten, sondern entspricht dem chinese restaurant syndrome (an das ich nicht glaube!).

Prost & Grüße

Matze
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#8

Beitrag von flying »

Hefeextrakt enthält nur 10 - 12% Glutamat. Ist immer noch der höchste Anteil aber der Geschmacksverstärkereffekt kommt durch das Zusammenspiel von Glutaminsäure, Guanylsäure und Inosinsäure. Besonders Guanylsäure wirkt 10-20 x stärker geschmacksverstärkend als Glutamat. Kopfweh kommt möglicherweise durch biogene Amine, zu denen Glutamat gehört. Wobei auch manche Hefen das Glutamat mittels Enzymen in GABA umwandeln. Die Kombi aus den Neurotransmittern Glutamat und GABA mit Alkohol ist wie mit den Backstein aufs Hirn geschlagen...
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#9

Beitrag von Johnny H »

Wenn es so ist, dass Glutamat oder Glutaminsäure für den Geschmackseindruck verantwortlich ist, dann ist es vermutlich zunächst mal egal, ob die Substanz aus der Hefe kommt oder durch das Dekoktionsverfahren ins Bier gebracht wird. Das allein ist ja schon mal eine wichtige Erkenntnis!

Beziehungsweise, wenn die Hefe Glutaminsäure anreichert, dann müsste zumindest ein Teil des Geschmacks wieder weggehen.

Vielleicht sind auch die Übergänge in der Geschmackswahrnehmmung fließend, und (wie Matze sagt) die Dosis macht es oder die zusätzlich vorhandenen Geschmackskomponenten? Im Falle der Dekoktion wären das ja vielleicht noch "kokumi"-Peptide, Maillard-Produkte und Röstaromen, bei der Autolyse weiß ich es nicht.

Auch die historischen Hinweise auf extrem lange Kochzeiten sind interessant und geben Hinweise auf umami oder kokumi.

Bei manchen meiner Dekoktionsbiere hatte ich aber auch schon die leichte Assoziation "Soja" - möglicherweise ein weiterer Hinweis?

So, und jetzt könnte man noch hergehen und die Dickmaische beim Kochen nochmal richtig ansäuern, um den Hydrolyse-Prozess zu beschleunigen. Wenn man dann ein an Autolyse erinnerndes Fehlaroma bekommt, dann weiß man, woran es liegt.
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#10

Beitrag von flying »

Beim Sake ist Umani und Kokumi sehr erwünscht und Bestandteil des Aromas. Ich würde das nicht immer mit Autolysearoma gleichsetzen. Beim Ummerstädter Bier habe ich diesen herzhaft-würzigen Geschmack als außerordentlich wohlschmeckend in der Erinnerung.
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#11

Beitrag von olibaer »

Johnny H hat geschrieben: Dienstag 21. November 2017, 10:14 Gerade die Beschreibung von "Kokumi" mit "Mundfülle" und "Intensivierung bzw. Abrundung der ansonsten vorhandenen Geschmacksrichtungen" beschreibt für mich recht gut die Assoziationen, die ich bei meinen dekoktionsbasierten Bieren.
Bitte ? Was ist denn "dekoktionsbasierten Bieren" ? Eine Teilmaische für 5 min gekocht oder 3 Teilmaischen gekocht für jeweils 20 min ?

Überdies:
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#12

Beitrag von Johnny H »

olibaer hat geschrieben: Donnerstag 23. November 2017, 01:20 Bitte ? Was ist denn "dekoktionsbasierten Bieren" ? Eine Teilmaische für 5 min gekocht oder 3 Teilmaischen gekocht für jeweils 20 min ?
Ich weiß durchaus, dass die Wahrnehmung bzw. die Existenz eines Dekoktionsgeschmacks umstritten ist, und ich hatte dabei durchaus Dich im Hinterkopf. ;)
olibaer hat geschrieben: Donnerstag 23. November 2017, 01:20
An- oder durchoxidierte Maischen/Würzen/Biere haben "Kokumi & Umami" immer mit im Gepäck - auch ganz ohne Dekoktion :Bigsmile
Das verstehe ich jetzt nicht. Ich will den Vorgang der Heißoxidation nicht in Abrede stellen, aber wenn es so ist, wie oben ausgeführt, dass "umami" auf der Wahrnehmung von Glutaminsäure bzw. Glutamat (und einigen anderen Aminokomponenten) beruht und "kokumi" auf der Wahrnehmung von Gamma-Glutamylpeptiden, die beide durch hydrolytischen Proteinabbau freigesetzt werden, dann verstehe ich (als Chemiker) nicht, welcher auf Oxidation basierende Mechanismus hier einen ähnlichen Effekt haben könnte.
Mit anderen Worten: setzt ein Oxidationsmechanismus auch Aminosäuren oder Peptide aus den Proteinketten frei? Ist das Deine Aussage?

Ich überlege übrigens, mir mal Glutamat zu besorgen und zumindest den "umami"-Effekt mal an einem schlanken Kaufbier zu testen. So hat man auch keine zusätzlichen geschmacklichen Störeinflüsse (Oxidation, Fettsäuren, Maillard-Produkte, Röstaromen etc.).

Edit: kleinere Feinheiten
Zuletzt geändert von Johnny H am Donnerstag 23. November 2017, 14:26, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#13

Beitrag von Bierjunge »

Johnny H hat geschrieben: Donnerstag 23. November 2017, 09:48 Ich überlege übrigens, mir mal Glutamat zu besorgen und zumindest den "umami"-Effekt mal an einem schlanken Kaufbier zu testen. So hat man auch keine zusätzlichen geschmacklichen Störeinflüsse (Oxidation, Fettsäuren, Maillard-Produkte, Röstaromen etc.).
Mach das mal, das ist hochinteressant!
Eine Messerspitze Glutamat auf eine Halbe, und ein gewöhnliches Helles schmeckt plötzlich nach Schinken wie ein Schlenkerla!
Ich erinnere mich auch noch an des erste Doemens Hobbybrauerseminar, bei dem Dr. Zepf die fünf Geschmackswahrnehmungen süß, sauer, salzig, bitter, umami der Reihe nach besprach, und schließlich fragte, wann ein Bier denn umami schmecken könne.
Durch den Glutamat-Versuch geprägt warf ich "Rauchbier" in den Ring, was aber entschieden verneint wurde. Offenbar hatte ich eine Fehlassoziation, denn sowohl "fleischig" (umami) als auch "rauchig" assoziiere ich mit Schinken, wohl ohne dass sie direkt etwas miteienander zu tun hätten.
Stattdessen meinte Dr. Zepf: "Umami wünsche ich keinem Brauer. Das hat man, wenn die Hefe autolysiert."
Soweit ist das unstrittig, siehe Marmite und Hefeextrakt. Und das der Horror des Brauers ist, darauf wartet der Champagnerküfer sehnsüchtig, nämlich dass die Hefe autolysiert. Offenbar gehört beim Champagner etwas umami zum gewünschten Aromaprofil.

Ob auch (exzessive) Dekoktionen oder Würzekochungen auf einem anderen Wege umami ins Bier bringen können, finde ich eine sehr interessante Diskussion. Falls dem tatsächlich so wäre, dann ginge ich davon aus, dass es nur Spuren sind. Denn die volle umami-Breitseite autolysierter Hefe schmeckt echt gruslig!

Moritz
Achilleas
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#14

Beitrag von Achilleas »

Hallo zusammen,
toll, von euch kann man ja über die biochemischen Vorgänge beim Maischen noch richtig was lernen.
Einen kleinen Einwand hätte ich da aber trotzdem.....wenn ich das jetzt richtig verstehe!?
Der Zusammenhang zwischen Umami/Kokumi Geschmack und Oxidation wäre vielleicht möglich, hat doch aber nicht Grundsätzlich etwas
mit der Dekoktion zu tun.
...zumindest solange der Deckel beim Kochen drauf bleibt, ist es egal wie lange die Maische gekocht wird. deshalb oxidiert ja auch nicht mehr.
Wogegen vermutlich durch ein langes Infusionmaischverfahren mit offenem Deckel vergleichsweise höhere Oxidation statt findet.
....nur so am Rande.

L.G

Dr.Michael Zepf ....lang nicht mehr gesehen,würde mich interessieren wie es ihm geht. Ich habe einige Jahre mit ihm in einer Brauerei gearbeitet.
Aber schon fast 30 Jahre her,.....toller Mann.
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#15

Beitrag von gulp »

Der Zusammenhang zwischen Umami/Kokumi Geschmack und Oxidation wäre vielleicht möglich, hat doch aber nicht Grundsätzlich etwas
mit der Dekoktion zu tun.
...zumindest solange der Deckel beim Kochen drauf bleibt, ist es egal wie lange die Maische gekocht wird. deshalb oxidiert ja auch nicht mehr.
Wogegen vermutlich durch ein langes Infusionmaischverfahren mit offenem Deckel vergleichsweise höhere Oxidation statt findet.
....nur so am Rande.
Das mag schon sein, doch der damit erkaufte DMS Geschmack macht das dann auch nicht wett. Also im Hobbybereich weg mit dem Deckel beim Kochen. Aber du scheinst ja Profi zu sein?

Gruß
Peter
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#16

Beitrag von M0ps »

gulp hat geschrieben:
Das mag schon sein, doch der damit erkaufte DMS Geschmack macht das dann auch nicht wett. Also im Hobbybereich weg mit dem Deckel beim Kochen. Aber du scheinst ja Profi zu sein?

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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#17

Beitrag von gulp »

M0ps hat geschrieben: Donnerstag 23. November 2017, 18:24
gulp hat geschrieben:
Das mag schon sein, doch der damit erkaufte DMS Geschmack macht das dann auch nicht wett. Also im Hobbybereich weg mit dem Deckel beim Kochen. Aber du scheinst ja Profi zu sein?

Gruß
Peter
Er spricht vom Maischen - nicht vom Hopfenkochen :Wink
Uff, wer lesen, kann ist klar im Vorteil. :redhead

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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#18

Beitrag von Achilleas »

Hallo Peter,
so unberechtigt ist dein Einwand gar nicht, denn es betrifft ja auch die Würzekochung.
Solange der Deckel drauf bleibt, findet durch längeres Würzekochen keine höhere Oxidation statt, da mit der Würze keine Luft
in Berührung kommt. Das passiert ja erst,wenn der Deckel abgenommen wird.
Solange bei der Würzekochung der Dampf aus dem Topf entweichen kann (und das muß er ja), entweicht auch das DMS.
Während der Kochung wird das DMS in der heißen Wasserdampf-Atmosphäre kaum an der Deckelinnenseite kondensieren können und zurück in die Würze laufen, gewöhnlich auch nicht der Wasserdampf.
Das DMS aber vor allem nicht weil der Siedepunkt vom DMS weit niedriger ist als der vom Wasser.

Also nach meinem Verständnis sollte man auf keinem Fall den Deckel während der Würzekochung weglassen.
.......nach Kochende wäre es aber schon zu empfehlen, es sei denn die Würze kann schnell genug heruntergekühlt werden.
(ist aber ein Kompromiss zwischen Oxidation und DMS Gehalt)

Profi ...! hmmm? Ja, aber es wird schwierig in einer Brauerei in allen Bereichen "Pofi" zu sein.
Die Sudhausarbeit macht in meiner Tätigkeit als Produktionsleiter vermutlich nicht mal 5% aus.
Der Hauptanteil meiner Tätigkeiten sind personelle Probleme, Büroarbeit, Labor Tätigkeiten, mikrobiol-Stufenkontrolle, Filtration,Abfüllung,Wasser/Abwasser,Anlagenplanung, und noch 10 ander Sachen........ "Bier brauen" kommt da leider ganz zum Schluß.
Über das "Bier brauen" alleine ,weiß ich auch nicht mehr als ihr.....evtl. sogar weniger.

LG.
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#19

Beitrag von Bierjunge »

Achilleas hat geschrieben: Freitag 24. November 2017, 11:20 Während der Kochung wird das DMS in der heißen Wasserdampf-Atmosphäre kaum an der Deckelinnenseite kondensieren können und zurück in die Würze laufen, gewöhnlich auch nicht der Wasserdampf.
Das DMS aber vor allem nicht weil der Siedepunkt vom DMS weit niedriger ist als der vom Wasser.
Oh doch, das kondensiert da (gemeinsam mit dem Wasserdampf) sehr wohl!
Wers nicht glaubt, dem empfehle ich folgendes Experiment:
Beim Würzekochen (wider besseren Wissens) eine Zeit lang dem Deckel auflegen, dann den Deckel abnehmen und innen am Deckel riechen: Dosenmais volle Packung!
Also nach meinem Verständnis sollte man auf keinem Fall den Deckel während der Würzekochung weglassen.
Entschuldige, aber das widerspricht hier jeglicher Lehrmeinung! Es mag sein, dass sich ein Topfdeckel beim Hobbybrauer anders verhält als eine (bewusst strömungsgünstig konstruierte) Brüdenhaube beim Profi, mit einem völlig anderen Wärmeeintrag pro Fläche.
Beim Topfdeckel gilt nach wie vor: Zum Aufheizen gerne drauf, beim Kochen (wo die Würze eh durch den Dampf einigermaßen geschützt ist) Deckel runter!

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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#20

Beitrag von Achilleas »

Oh doch, das kondensiert da (gemeinsam mit dem Wasserdampf) sehr wohl!
Wers nicht glaubt, dem empfehle ich folgendes Experiment:
Beim Würzekochen (wider besseren Wissens) eine Zeit lang dem Deckel auflegen, dann den Deckel abnehmen und innen am Deckel riechen: Dosenmais volle Packung!
Hallo Moritz,

DMS riecht aber nicht nach Dosenmais sondern äußerst unangenehm nach Kohl,Knoblauch,faule Eier..
Der Geruch nach Dosenmais oder Butter wird dem Diacetyl zugeschrieben, (den ich im übrigen nicht unbedingt als unangenehm empfinde).
Außerdem ist es sehr sehr unwahrscheinlich, dass das DMS am Deckel kondensiert, da der Siedepunkt von DMS bei unter 50°C liegt,
und dazu müsste man den Deckel von oben schon ordentlich kühlen.

L.G
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#21

Beitrag von Boludo »

Ich finde, gekochter Rosenkohl riecht sehr stark nach DMS.
DMS in hohen Konzentrationen ist die Hölle. Wer schon mal eine Svern Oxidation gemacht hat weiß, was ich meine. :crying

Stefan
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#22

Beitrag von Bierjunge »

Achilleas hat geschrieben: Freitag 24. November 2017, 13:53 DMS riecht aber nicht nach Dosenmais
Hm, da sind aber selbst Narziß ( http://www.private-brauereien.de/de/bi ... arziss.php, "Dosenmais") und Doemens (https://www.doemens.org/fileadmin/user_ ... 2013.pdf , "Zuckermais") anderer Meinung.

Und ein Kollege von Dir (Technischer Leiter einer hier nicht ganz unbekannten Brauerei) hat mich mal bei einem Schaubrauen geschimpft, weil ich noch den Deckel draufhatte und hat dann den Dosenmais Geruchtstest vorgeführt. Seitdem vergesse ich das nie wieder.

Aber jeder wie er mag. Ist (bei mir) zum Glück ja nur Hobby.

Moritz
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#23

Beitrag von Boludo »

Es kommt bei so was auch immer auf die Konzentration drauf an.
Skatol zb riecht sehr niedrig konzentriert nach Rosen, wird es mehr, riecht es abscheulich nach Fäkalien.

Stefan
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#24

Beitrag von Achilleas »

Hm, da sind aber selbst Narziß ( http://www.private-brauereien.de/de/bi ... arziss.php, "Dosenmais") und Doemens (https://www.doemens.org/fileadmin/user_ ... 2013.pdf , "Zuckermais") anderer Meinung.

Und ein Kollege von Dir (Technischer Leiter einer hier nicht ganz unbekannten Brauerei) hat mich mal bei einem Schaubrauen geschimpft, weil ich noch den Deckel draufhatte und hat dann den Dosenmais Geruchtstest vorgeführt. Seitdem vergesse ich das nie wieder.

Aber jeder wie er mag. Ist (bei mir) zum Glück ja nur Hobby.

Moritz
Hallo Moritz,
da gebe ich dir schon Recht, dass sich auch die Experten hier scheinbar auch nicht einig werden.
Zu einem kann das mit der Konzentration von DMS zusammenhaengen, zum anderen mit der unterschiedlicher Aromawahrnehmung.
Witzig auch, dass Doemens das DMS Aroma hier mit Zuckermais beschreibt, in meinen DOEMENS Unterlagen wird es als Gemuese,Kohl,Knoblauch,faule Eier beschrieben.
Aber wie auch immer, die Physik dahinter laesst sich nicht aendern, laut Wikipedia liegt der Siedepunkt von DMS bei 37 Grad,
sobald also der Deckel der Wuerzepfanne 37 Grad erreicht hat, kann das DMS dort nicht kondensieren. Das ist nun mal ein physikalischer Fakt.
Wenn also ein Dosenmaisaroma wahrgenommen wird,was ich ja nicht abstreiten will, dann kann das aber nicht vom DMS kommen.

WIKIPEDIA beschreibt DMS auch so wie ich es von DOEMENS in Erinnerung habe.
.......DMS entsteht unter anderem beim Kochen von verschiedenen Gemüsen, insbesondere Getreide und Kohl, sowie Meeresfrüchten. Außerdem dient es als Indikator für eine bakterielle Infizierung bei der Malzherstellung. Dimethylsulfid ist ein Zersetzungsprodukt des Dimethylsulfoniumpropionats (DMSP), kann aber auch bei der bakteriellen Verstoffwechselung von Methanthiol entstehen.......

Aber du hast schon Recht, mach dein Ding wie du es fuer richtig findest,
da wuerde ich mir auch nicht von einem Profi in den Sud spucken lassen.

L.G.
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gulp
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#25

Beitrag von gulp »

>>Impfung rettet Leben und Kultur!<<

Ein Bayer ohne Bier ist ein gefährlich Thier!

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Sura
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#26

Beitrag von Sura »

Auch wenn ich zu DMS und wie man es vermeidet hier sicherlich nicht nochmal äussern werde, ein paar sinngemäße Zitate zur "Simulation im Bier" von DMS und Diacetyl von Randy Mosher:

Diacetyl: "Butter flavor extract for baking, one to four drops"
DMS: "Juice from canned corn."

edit:
Gordon Strong umschreibt den Autolysegeschmack ebenfalls als Umami. Entsteht laut dem Absatz auch, wenn man die Primary zu lange auf wiederverwendeter Hefe stehen lässt.
"Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem."
(Karl Valentin)
DarkUtopia
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#27

Beitrag von DarkUtopia »

Jetzt mal ganz blöd, wieso kocht man nicht Hefe in der Würze mit, wenn sich in den Hefe Zellen Glutamat befindet. Vielleicht kann ma so dieses Extrahieren ?
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Boludo
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#28

Beitrag von Boludo »

Weil das Bier dann einen ekligen Autolysegeschmack bekommt.

Stefan
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Johnny H
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#29

Beitrag von Johnny H »

Autolysegeschmack besteht bei weitem nicht nur aus Umami (Glutaminsäure bzw. dessen Salz und sonstigen verursachenden Aminosäuren) - da kommt ja vermutlich noch so einiges andere mit (Triglyceride?, Fettsäuren? etc.), und der pH-Wert wird ja durch Autolyseprodukte ebenfalls beeinflusst bzw. messbar nach oben gedrückt.

Gerade nachgeschaut in einer Tabelle: 100g Bierhefe enthalten 5,1g Glutaminsäure. Reichlich Raum nach oben für andere Ausscheidungsprodukte also.

Ich habe mir mittlerweile Natriumglutamat in einem Asia-Shop besorgt, und in den nächsten Tagen kann ich vermutlich ein wenig mehr sagen, wie sich das im Bier auswirkt. Ich bin gespannt, ob ich (wie Moritz) auch die Assoziation Schinken habe oder eine andere.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
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Johnny H
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#30

Beitrag von Johnny H »

Johnny H hat geschrieben: Sonntag 26. November 2017, 10:36 [...]
Ich habe mir mittlerweile Natriumglutamat in einem Asia-Shop besorgt, und in den nächsten Tagen kann ich vermutlich ein wenig mehr sagen, wie sich das im Bier auswirkt. Ich bin gespannt, ob ich (wie Moritz) auch die Assoziation Schinken habe oder eine andere.
So, gerade trinke ich ein Bayreuther Hell auf zwei Gläser verteilt. Das eine unverfälscht, das andere mit einer winzigen Messerspitze Na-Glutamat aus dem Asia-Laden auf etwa 0,1l.

Angenehm ist das wahrlich nicht! Man merkt im manipulierten Hellen eine gewisse Vollmundigkeit hinten auf der Zunge, die, wie Moritz beschrieben hat, in der Tat ein wenig an Schinken erinnert oder eben auch an ein herzhaftes und schweres Fleisch- oder Fischgericht. Ich empfinde es als sehr unpassend, gerade im Zusammenhang mit dem eher süßlichen und vor allem leichten und frischen Charakter des Hellen. Der Kontrast schwer-leicht beißt sich hier wirklich.

Ich werde jetzt weiter verdünnen. Vielleicht wird es dann besser.

Edit: verdünnt mit dem Rest der Flasche auf insgesamt noch 0,3l ist es etwas besser. Vielleicht ist meine Zunge jetzt auch ein wenig abgestumpft, aber das, was jetzt vor mir steht, kann ich vielleicht sogar austrinken. Verdünnt bettet sich der Geschmack ein wenig besser ein, aber richtig toll ist es trotzdem nicht.

Vorläufiges Fazit: eine Spur oder ein Hauch Umami geht vielleicht, aber zuviel davon ist auf jeden Fall ziemlich übel! Ich weiß jetzt nicht genau, was ich aus diesem Versuch schließen soll, außer dass man das ganze vielleicht nochmal systematisch mit verschiedenen Verdünnungen wiederholen sollte.
Zuletzt geändert von Johnny H am Freitag 8. Dezember 2017, 22:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#31

Beitrag von flying »

Vielleicht solltest Du auch nicht unbedingt das Natriumsalz der Glutaminsäure nehmen sondern die reine Version? Aus dem Muckibudenhandel...

https://www.nu3.de/best-body-nutrition- ... 250-g.html
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#32

Beitrag von Johnny H »

Meinst Du, das macht einen großen Unterschied? Ist doch m.E. nur eine Frage des pH-Wertes, und der sollte sich doch durch einige wenige Körnchen nicht groß verschieben, oder?

(ich schütte jetzt doch den Rest weg, mir ist ein bisschen schlecht... :thumbdown )

Edit: natürlich weiß ich nichts über die Reinheit des Zeugs aus dem Asia-Laden. Riechen tut das Pulver ein wenig wie würziger Käse oder Fisch - es ist also im Gegensatz zu dem, was bei Wikipedia steht, m.E. nicht geruchlos. Vielleicht ist das aber auch Teil der Wahrnehmung?
Zuletzt geändert von Johnny H am Freitag 8. Dezember 2017, 22:43, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#33

Beitrag von flying »

Na das eine ist eine Aminosäure die beim hydrolytischen Abbau entsteht und das andere ist aus neurologischer Sicht ein Rauschgift. Da gibt es schon Unterschiede...
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#34

Beitrag von Boludo »

Das Natriumsalz wird doch im sauren pH des Bieres sofort freigesetzt. Das sollte wirklich egal sein, solange in dem Asia Pulver nicht noch was anderes enthalten ist.

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Johnny H
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#35

Beitrag von Johnny H »

Meine Säure-Base-Stöchiometrie ist lange her, aber der pKs (2,16 lt. wikipedia) der ersten Säurestufe der Glutaminsäure liegt etwa so wie der der Phosphorsäure (erste Säurestufe, 2,13). Das heißt, Na-Monoglutamat dürfte eine sehr schwache Base sein, und nur wenig Säure dürfte freigesetzt werden.

Dennoch: bei Aufnahme von Glutaminsäure dürfte doch umgekehrt die erste Säurestufe sofort abreagieren bzw. neutralisiert werden.

Ich sehe da keinen relevanten Unterschied zwischen Aufnahme von Salz und freier Säure.
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#36

Beitrag von flying »

Du meinst also es macht geschmacklich keinen Unterschied ob man sich aus 5 Esslöffeln L- Glutamin einen Eiweißshake mixt oder einen aus 5 Esslöffeln MSG..?
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#37

Beitrag von Johnny H »

Das vielleicht schon: wie gesagt, Glutaminsäure dürfte leicht sauer sein. Da reden wir aber von ganz anderen Mengen und nicht nur von einer Messerspitze. Und vielleicht passt das ja mit dem Milcheiweiß besser zusammen?
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#38

Beitrag von flying »

Hmm, wieso Milcheiweiß? Keine Ahnung ob das Pulver aus Milch gewonnen wurden. Das L bedeutet nur soviel wie "linksdrehend". Glutaminsäure ist in der freien Natur, wie fast alle Aminosäuren überwiegend linksdrehend aber es gibt noch andere. Tatsächlich können rechtsdrehende oder Misch- Enantiomere von gleichen Aminosäuren sogar völlig unterschiedlich schmecken.

Glutamat entsteht ja m. W. unter der massiven Anwesenheit von Kochsalz. Natürlich bei der Fermentation von Soja oder Fischen für Soßen. Ich halte das Experiment mit dem Glutamat für nicht aussagekräftig. Glutaminsäure die durch hydrolytischen Abbau entsteht wird sicher weitestgehend durch die Hefe verstoffwechselt. Was letztendlich im fertigen Bier davon übrig bleibt oder was die Hefe davon wieder abgibt schmeckt sicher ziemlich anders als das Natriumsalz..?
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#39

Beitrag von Johnny H »

Sorry, das habe ich missverstanden. Ich dachte, man rührt das Eiweißpulver in Milch ein.

Ich sehe übrigens gerade, dass das von Dir verlinkte "Muckipulver" L-Glutamin (Code Gln) gar nichts mit der fürs Umami verantwortlichen Glutaminsäure (Code Glu) bzw. den Glutamaten (u.a. das Natriumsalz) zu tun hat! Glutamin ist eine andere chemische Verbindung: zwar ähnlich, aber mit einer weiteren endständigen Aminogruppe anstelle der Carboxylgruppe in der Glutaminsäure. Das wird somit also höchstwahrscheinlich in der Tat komplett anders schmecken und vielleicht in freier Form gar nicht zum Umami beitragen? Zumindest steht nichts zu einem Umami-Beitrag im Wikipedia-Eintrag zu Glutamin.

Ansonsten kann es natürlich durchaus sein, dass sich die links- und rechtsdrehenden Aminosäuren geschmacklich unterscheiden. Das vermag ich nicht zu beurteilen, halte es aber für wahrscheinlich.

Für eine endgültige Klärung werden wir aber vermutlich warten müssen, bis irgendwann jemand mal eine umfangreiche Untersuchung zur Protein-, Peptid- und Aminosäurenzusammensetzung in diversen Bieren veröffentlicht oder eine bereits veröffentlichte und relevante findet. Es ist ja wie oben schon diskutiert so, dass weitere Aminosäuren und auch kürzere Bruchstücke ebenso zum Gesamt-Umami und -Kokumi beitragen. Vielleicht macht es also die Gesamtzusammensetzung? Und bei Sake habe ich mich auch noch nie an Schinken oder herzhaftes Essen erinnert gefühlt.

Mein "Experiment" vorgestern hat natürlich nur eingeschränkte Aussagekraft, das sehe ich auch so. So wie eine Spur Kochsalz sich geschmacklich positiv bemerkbar machen kann, wissen wir ja alle, dass zu viel davon eher nicht so toll schmeckt...

Edit: Kleinigkeit ergänzt und umformuliert
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Re: Dekoktion -> Umami / Kokumi?

#40

Beitrag von FlorianK »

Ist vermutlich eine Frage, wie genau man jetzt zum Reinheitsgebot steht. Für Umami kann ich mir die Arbeit mit Algen in zweierlei Form ganz gut vorstellen:
1) Kombu (Zweiter Aufguss, weit weniger Meersalz) bei Würzekochen um das MSG zu lösen.
2) Rotalgen statt Knorpeligen (Irish Moss) zum Filtrieren hernehmen.
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