Kaltwasser Infusionsverfahren

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Stefan
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Kaltwasser Infusionsverfahren

#1

Beitrag von Stefan »

Hallo Leute,

letztes mal haben wir mehr Bier als sonst gemacht (ca.35l, sonst "nur" 15-18 da der Topf nicht mehr hergab).

Unterschied war auch, dass wir das Infusionsverfahren genutzt haben.
Leider lief das nicht genauso ab, wie es die Formeln berechnet hatten. Aber aus Erfahrungen lernt man und es wird das nächstemal bestimmt hinhauen.

Nun zu meiner Frage.
Da ich auch von einer "absteigendem Infusionsverfahren" gelesen habe (speziel England) und von einigen Versuchen (mit "unseren" Malzsorten), habe ich auch meist vom selben Ergebnis gelesen.
Meist war das Bier sehr malzig und süß, hatte fast kein Alkohol (soll das Verfahren nicht schlecht reden, sondern meine Frage veranschaulichen).

Das Verfahren war so beschrieben:
Einmaischtemperatur so berechnen, dass es ~68°C ergibt.
Dann wird das ganze über die Nacht (ca. 10h) stehen gelassen und die Maische läuft so Verzuckerungs-, Maltose- und Eiweißrast durch.
Allerdings meinten viel, dass die Verzuckerungsrast zu lange dauern könnte und deswegen keine/zu wenig Stärke für die Maltoserast über sei - also auch kein "Essen" für die Hefe = wenig Alkohol.

Und nun mein Gedanke:
Man könnte doch z.B. so einmaischen, dass man auf 78°C kommt und mit kaltem Wasser aufschütten, um so die jeweiligen Rasten zu durchlaufen und auch die Rastzeiten genauer einhalten.
So müsste man das Ganze keine 10h stehen lassen und die Gefahr, dass durch eine zu lange andauernde Verzuckerungsrast das Endergebnis beeinflusst wird, wäre somit auch ausgegrenzt.
Man müsste auch nicht mehr mit heißem Wasser "herumhandieren" (je nach Brauanlage) bzw. darauf achten, dass das Wasser heiß bleibt oder zur richtigen Zeit heiß genug ist um die nächste Rasttemp. zu erreichen.

Die einzigen Bedenken die ich dabei habe, wann würde ich dann zB Röstmalz hinzugeben, wenn das Rezept es bei der Verzuckerungsrast verlangt (steigendes Infusionsverfahren etc.).
Da nach meinem Wissen das Bier zu rauchig werden kann, wenn das Röstmalz zulange im Bier ist bzw. wenn es die Maltoserast durchläuft.

Was mich auch wundert, wenn ich im Verhältnis von 1:2,5 (Malz:Wasser) einmaische und das Kaltwasser mit dem ich aufschütten würde, ~10°C kalt wäre, würde ich insgesammt eine geringere Menge an Wasser brauchen um eine bestimmte Menge an geschrotetem Malz zu verarbeiten (Hauptguß).
Habe zur Berechnung die selben Formeln benutzt wie bei der "steigenden Infusion".

Die Rechentabelle (Excel) habe ich von dieser Seite.

Ich hoffe ich irre mich nicht total und werde nun hoffentlich nicht gelyncht :redhead
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Bierwisch
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Re: Kaltwasser Infusionsverfahren

#2

Beitrag von Bierwisch »

Hallo Stefan,
manchmal mache ich so eine sehr lange Kombirast im Thermoport. Der ist sehr gut isoliert und so fällt die Temperatur nur sehr langsam.
Ich maische abends ein und beginne dann morgens mit dem Läutern.

Dabei erziele ich sehr hohe Sudhausausbeuten und auch der Vergärgrad ist recht hoch.

Beim sehr heißen Einmaischen, um bei 78°C zu landen, verbrühst Du ganz zu Beginn einen Großteil Deiner Enzyme (die meisten denaturieren bei 70°C und sogar schon früher). Das sollte dann ziemlich lange bis zur Jodneutralität dauern und auf den Erfolg einer Eiweißrast brauchst Du nicht mehr zu hoffen.

Gruß,
Bierwisch
Der Klügere kippt nach!
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Ladeberger
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Re: Kaltwasser Infusionsverfahren

#3

Beitrag von Ladeberger »

Das Verfahren war so beschrieben:
Einmaischtemperatur so berechnen, dass es ~68°C ergibt.
Die muss für absteigende Infusion höher sein, eher Richtung 72-74°C, aber du must bedenken...
Dann wird das ganze über die Nacht (ca. 10h) stehen gelassen und die Maische läuft so Verzuckerungs-, Maltose- und Eiweißrast durch.
...dass dein Bottich wesentlich schneller auskühlen wird als historische Vorbilder mit zigfachem Volumen. Ich würde dir eher zu einer Kombirast im isolierten Bottich raten. Wenn es betont restsüß sein soll bei 70°C.
Allerdings meinten viel, dass die Verzuckerungsrast zu lange dauern könnte und deswegen keine/zu wenig Stärke für die Maltoserast über sei - also auch kein "Essen" für die Hefe = wenig Alkohol.
Alles was die alpha-Amylase bei der Verzuckerungsrast produziert, kann von der beta-Amylase bei der Maltoserast abgebaut werden. Die nehmen sich gegenseitig kein Substrat weg.

Gruß
Andy
fg100
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Re: Kaltwasser Infusionsverfahren

#4

Beitrag von fg100 »

So ganz hundert prozent habe ich dir zwar jetzt nicht folgen können, aber so wie ich es verstanden habe möchtest du ein "absteigendes Infusionsverfahren" machen, bei dem du mit kltem Wasser von 78°C aus gezielt die Temperaturen durchläufst. Wär sicherlich ein interessanter Versuch. Mach halt einfach mal.

Aber generell zum "absteigendem Infusionsverfahren" (stimmt zwar nicht ganz, da ja nichts eingeflöst wird, sondern einfach nur stehengelassen wird.)
Bei modernen Malzen fängt man nicht bei 68°C an, sondern besser bei so um die 74°C und lässt die Temperatur auf etwa 60°C fallen. Günstig, wenn das in etwa so in 2h erreicht ist. D.h. ein Thermoport oder isolierter Behälter ist da nicht dienlich. Sonst bleibst du ewig in der Verzuckerung (α-Amylase) und das fördert deine süßlichen Biere.
Bei einem einfachen unisolierten Topf kühlt das ganz gut ab und man ist schnell im Bereich der Maltroserast. Probier das doch einfach mal aus.
Bei so um die 62°C kannst dann abläutern. 80°C Nachgüsse drauf und fertig.
Rudiratlos
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Re: Kaltwasser Infusionsverfahren

#5

Beitrag von Rudiratlos »

Die Rasten von oben nach unten durchfahren sollte prinzipielle schon funktionieren. Ich meine mal gelesen zu haben, dass das für einen hohen EVG förderlich ist, da die langen von der Alpha-Amylase erzeugten Zuckerketten von der Beta-Amylase weiter zerkleinert werden.
Bei Dekoktion wird sowas ja im Prinzip gemacht: Dickmaische bei 72°C verzuckern und anschließend kochen. Dann kalte Dünnmaische dazu, um wieder auf 63°C zu kommen.

Problem bei deinem Vorschlag könnte sein, dass die Enzyme für die tieferen Rasten die hohen Temperaturen längere Zeit nicht mitmachen.
Anstelle kaltes Wasser zuzuschütten, könnte man aber enzymhaltige kalte Dünnmaische zuschütten. Dann ist man aber wieder bei sowas ähnlichem wie Dekoktion oder Earlschem Kochmaische-Verfahren, nur ohne Kochen.
Da aber ohne Kochen die Temperatursprünge recht gering sind, könnte es vielleicht sein dass die zur Temperaturherabsetzung benötigte Dünnmaische-Menge zu wenig Enzyme enthält.
Stefan
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Re: Kaltwasser Infusionsverfahren

#6

Beitrag von Stefan »

Danke für Eure Beiträge, hat mich aufjedenfall schon mal weitergebracht!
Stefan hat geschrieben:Ich maische abends ein und beginne dann morgens mit dem Läutern.
Und wie sieht es dann mit der Eiweißrast aus und dem Schaum?
Hatte schon die Erfahrung, dass nach 15min Eiweißrast der Schaum sehr schwach war. Beim selben Rezept, Malz aus dem selben Sack bei 30min - gefiehl mir sehr gut.
Bierwisch hat geschrieben:verbrühst Du ganz zu Beginn einen Großteil Deiner Enzyme
Aber wie sieht es dann aus wenn ich Infusionsmaische und das mit kochendem Wasser?
Dann ist ein Teil der Maische auch gefährdet, dass sie verbrüht.
Oder sollte das kochende Wasser zügig eingeschlaucht werden?
Ladeberger hat geschrieben:Kombirast im isolierten Bottich raten. Wenn es betont restsüß sein soll bei 70°C
Verstehe ich das richtig, dass ich bei der Kombirast die Maltose- und Verzuckerungsrast zur selben Zeit halte, da sich die Temperaturen überschneiden?
Also danach nur noch aufheizen auf 78°C und läutern?
Ladeberger hat geschrieben:Alles was die alpha-Amylase bei der Verzuckerungsrast produziert, kann von der beta-Amylase bei der Maltoserast abgebaut werden.
Danke, das wusste ich nicht. Leider habe ich das noch nirgends gelesen. Und wenn es wo stand, dann wohl überlesen :Angel

Also da unsere Anlage nur ~40l fassen kann und das auf zwei Töpfe zum kochen aufgeteilt, kann ich mir das mit der absteigenden Temperatur und der Kombirast gut vorstellen.
Frag mich dann nur wie es mit dem Schaum wird.
Da wir uns die letzten paar mal auf unser Stout-Rezept konzentriert haben, um aus unseren Fehlern zu lernen, war das letzte Stout schon sehr gut (und recht cremig).
hoggel1
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Re: Kaltwasser Infusionsverfahren

#7

Beitrag von hoggel1 »

Hallo,

die Eiweißrast macht man eigentlich, damit kein so stabiler Schaum entsteht, deswegen wird eigentlich Empfohlen, sie ganz wegzulassen, oder nur sehr kurz zu machen.

Zum Verbrühen der Enzyme: Wenn man eine aufsteigende Infusion mit kochendem Wasser macht, sollte man viel rühren und das Wasser langsam dazugeben.

Kombirast: Ja, man zielt ungefähr in die Mitte. 66°C = eher trockene Biere, 70°C = eher malzige/körperbetonte Biere. Aufheizen/Zubrühen auf 78°C kann man machen, muss aber nicht. Ich spare mir das meistens und läuter bei Kombirasttemperatur ab. 10 min. gespart :Bigsmile


Schaum hängt von einigen Faktoren ab. Ich mache meist nur eine kurze Eiweisrast. Hauptsächlich um FAN für meine Hefe zu produzieren.
Was ich gerne verwende, um einen schönen Schaum zu bekommen:
- Viel Hopfen :Bigsmile
- Haferflocken - Macht das Bier auch etwas Vollmundiger. Ich mag das.

MfG
Thomas
Stefan
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Re: Kaltwasser Infusionsverfahren

#8

Beitrag von Stefan »

hoggel1 hat geschrieben:die Eiweißrast macht man eigentlich, damit kein so stabiler Schaum entsteht
:Shocked
Dann haben wir das die letzten Male wohl falsch gemacht.

In unserem Stout sind Gerstenflocken. :Smile
Gefeällt mir auch sehr gut.
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flying
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Re: Kaltwasser Infusionsverfahren

#9

Beitrag von flying »

Das wird umgekehrt nicht funktionieren. Bei 78° C gibt es kaum noch Enzymaktivität der Alphaamylase. Alle anderen Enzyme sind da längst hinüber und lassen sich beim Akkühlen mit kalten Wasser auch nicht wieder reaktivieren.
Natürlich macht auch die Alphaamylase Maltose. Sogar mehr wie eine reine Betaamylase. Erst im Zusammenspiel gehen sie aber erst richtig ab. Am Besten noch in den tiefen 60 iger bei 61°. Da wirkt neben der Alpha und Beta noch die Grenzdextrinase und die haspelt alles klein was die anderen übrig lassen, wenn sie genügend Zeit bekommt.

Man merke außerdem. Diese hohen Optima der verschiedenen Enzyme bezieht sich wirklich auf die oberste Grenze. Die werden damit in den Todeskampf geschickt, wo sie noch mal ordentlich strampeln, bevor es vorbei ist..In der freien Natur arbeiten Enzyme normalerweise bei Außentemperaturen.
Held im Schaumgelock

"Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
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HarryHdf
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Re: Kaltwasser Infusionsverfahren

#10

Beitrag von HarryHdf »

Über einen ausführlichen Bericht würde sich das Wiki freuen ...
mögen die IBU mit euch sein, Harry

Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, nichts hindert mich, weiser zu werden. (K. Adenauer)
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