Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

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jemo
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Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#1

Beitrag von jemo »

Gestern wollte ich ein Belgisches Blonde mit der Wyeast 3787 brauen, welches quasi als Hefestarter für ein Trappistenbier dienen sollte.

Schüttung wie folgt:
PiMa 40%
Pale Ale 40%
Weizenmalz 10%
Grafschafter "Heller Sirup" 10%

13° Plato und 30 IBU mit Hallertauer Tradition.

Eigentlich sollte das schon längst gebraut sein, aber durch Renovierungsstress bin ich letztes Wochenende nicht zum Brauen gekommen, wobei dafür ein DME-Starter mit der o.a. Hefe angesetzt war. Der Starter war jetzt also zwei Wochen alt und als ich das Stanniolpapier vom Erlenmeyerkolben entfernte, fiel mit gleich der lambicartige Geruch auf. Joa, der Starter war sauer, was allerdings nicht schlecht schmeckte. Ich muß mich wohl mal an Sauerbiere wagen...
Jedenfalls war die Hefe für den angedachten Zweck nicht mehr zu gebrauchen. Im Kühlschrank lagere ich immer ein paar Trockenhefen für Notfälle und fand da eine US05, sowie eine ESB, die ja wohl beide für die Schüttung eher Murks sind.
Was tun? Im Forum rumheulen und fragen, ob irgendwo jemand eine passende Hefe hat? Oder der Frau die Backhefe mopsen und einfach mal ausprobieren, was die so kann?
Ich habe mich für letzteres entschieden und einen Würfel Frischhefe von Aldi-Süd in die Würze gekrümelt.
Hefe.jpg
Hefe.jpg (111.69 KiB) 5900 mal betrachtet
Bereits nach zwölf Stunden sind ordentliche Kräusen zu erkennen und das riecht bislang absolut unauffällig.
Kräusen.jpg
Kräusen.jpg (173.71 KiB) 5900 mal betrachtet
Derzeit gärt alles bei 20°C friedlich vor sich hin und ich bin mal gespannt, wie das hinterher schmecken wird. Evtl. wäre eine geringere Gärtemperatur besser, weil die Hefe da sicher neutraler vergärt, aber ich möchte erst einmal ausprobieren wohin die Reise mit der Backhefe so geht.
Viele Grüße,
Jens
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cyme
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#2

Beitrag von cyme »

Da bin ich mal gespannt. :thumbup
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Enfield
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#3

Beitrag von Enfield »

Hallo Jens!

Finde ich absolut spannend! Backhefe auszuprobieren steht auch bei mir irgendwo auf der Versuchsliste, leider hatte ich bisher weder die Zeit noch die Muse, dafür eventuell einen Brautag und Sud zu "opfern"...

Umso spannender finde ich, dass Du das jetzt hier ausprobierst und im Forum berichtest! Halt uns unbedingt auf dem Laufenden, wie sich das Experiment entwicklen.

Es heißt zwar immer, dass die Backhefen keine Reinzuchhefen sind und eventuell auch nicht 100%ig "sauber" sind, aber da du 30 IBU hast, mach ich mir mal wegen Lactos weniger Sorgen.

Kannst Du am Geruch irgendwas anderes feststellen? Riecht es völlig neutral oder kommen da schon ein paar Ester durch den Gärspund?

lg

Max (der solche Experimente liebt) :Drink
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Johnny H
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#4

Beitrag von Johnny H »

Hier hat Solod schon mal ein schönes und erfolgreiches Experiment durchgeführt:

viewtopic.php?f=6&t=3925
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#5

Beitrag von jemo »

Derzeit riecht der Sud fürchterlich nach Schwefeldioxid. So etwas hatte ich bislang erst einmal bei einer Weizenhefe, ansonsten bin ich davon verschont geblieben.
Sonst nix auffälliges.
Viele Grüße,
Jens
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Boludo
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#6

Beitrag von Boludo »

Warum hast Du mit der 3787 eigentlich einen Starter gemacht? Bzw wie viel Bier wolltest Du machen?
Normalerweise braucht es das in der Einkocherklasse nicht. Zumindest obergärig.

Stefan
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#7

Beitrag von cerveceriasultana »

jemo hat geschrieben:Derzeit riecht der Sud fürchterlich nach Schwefeldioxid. So etwas hatte ich bislang erst einmal bei einer Weizenhefe, ansonsten bin ich davon verschont geblieben.
Sonst nix auffälliges.
Echt SO2? Hat man eher bei UG Hefen oder? H2S-Stinker hatte ich auch schon OG.
Vale más actuar exponiéndose a arrepentirse, que arrepentirse de nunca haber actuado.
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#8

Beitrag von jemo »

cerveceriasultana hat geschrieben:
jemo hat geschrieben:Derzeit riecht der Sud fürchterlich nach Schwefeldioxid. So etwas hatte ich bislang erst einmal bei einer Weizenhefe, ansonsten bin ich davon verschont geblieben.
Sonst nix auffälliges.
Echt SO2? Hat man eher bei UG Hefen oder? H2S-Stinker hatte ich auch schon OG.
Sorry, H2S natürlich. Stinkt nach faulen Eiern.
Viele Grüße,
Jens
jemo
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#9

Beitrag von jemo »

Boludo hat geschrieben:Warum hast Du mit der 3787 eigentlich einen Starter gemacht? Bzw wie viel Bier wolltest Du machen?
Normalerweise braucht es das in der Einkocherklasse nicht. Zumindest obergärig.

Stefan
Das sind knapp dreißig Liter, für ein Päckchen Hefe eher grenzwertig...
Bei Flüssighefen mache ich immer einen Starter, dann kommt die Gärung i.d.R. innerhalb von zwölf Stunden an.
Viele Grüße,
Jens
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#10

Beitrag von jemo »

Mit der Backhefe habe ich einen EVG von 71% erreicht. Das Bier riecht und schmeckt wie ein zu warm vergorenes Kölsch oder Alt, bzw. etwas wie eine Ale-Hefe. Das könnte aber an der Gärtemperatur liegen, die lag bei ca. 21°C.
Ich habe heute ins Keg geschlaucht und gebe dem Bier jetzt noch zwei, drei Wochen. Man kann aber jetzt schon sagen, das Backhefe zumindest als Notbehelf ganz ok ist, auf meine Trockenhefen für den Notfall werde ich verzichten können.
Viele Grüße,
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#11

Beitrag von ggansde »

Moin,
Man kann aber jetzt schon sagen, das Backhefe zumindest als Notbehelf ganz ok ist, auf meine Trockenhefen für den Notfall werde ich verzichten können.
Diese Aussage kann ich so nicht unkommentiert lassen. Backhefe ist für mich absolut kein Notbehelf. Gemäß dem Motto "Bier wird es immer" kann ich maximal eine alkoholhaltige Flüssigkeit herstellen. Wenn das das Ziel sein soll, nur zu. Dann würde ich meinen Brautag lieber verschieben oder wenn ich es wirklich erst nach der Würzezubereitung merken würde, dass ich keine Hefe habe (was ich mir aber nicht vorstellen kann). die Würze sehr kalt stellen und versuchen, schnell an richtige Hefe zu kommen.
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#12

Beitrag von der_dennis »

Eben, seh ich auch so. Ein paar Notfallpäkchen US 05 oder Notti im Kühlschrank fressen ja auch kein Brot
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jemo
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#13

Beitrag von jemo »

ggansde hat geschrieben: Diese Aussage kann ich so nicht unkommentiert lassen. Backhefe ist für mich absolut kein Notbehelf. Gemäß dem Motto "Bier wird es immer" kann ich maximal eine alkoholhaltige Flüssigkeit herstellen.
Kann ich so nicht stehen lassen, weil das ist ein anständiges Bier geworden. Ich könnte mir auch durchaus vorstellen, das *diese* Backhefe z.B. in einem Porter eine ganz gute Figur machen würde. Das Problem besteht eher darin, das man die Eigenschaften der Hefe vorher nicht kennt und somit ist das immer ein Glücksspiel.
Auf der anderen Seite hatte ich einen Sud für ein Blonde, was hätte mir da eine Altbierhefe in Reserve gebracht?
Viele Grüße,
Jens
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#14

Beitrag von ggansde »

Moin,
wenn es Dir schmeckt, dann mach es ruhig so, Jens. Ich habe dieses Experiment aus Interesse auch schon durch, einmal mit Weizenwürze (19 °C) und einmal mit Kölsch-Würze (14 °C). War beides untrinkbar´(säuerlich, hefig) und wurde entsorgt. Es waren zum Glück nur 5 L Testansätze. Ich kann davon nur abraten und würde es auch niemals als Empfehlung aussprechen.
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Hieronymus
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#15

Beitrag von Hieronymus »

Ich würde mal eher sagen das Problem ist, dass Backhefe nicht gleich Backhefe ist. Ich halte es für durchaus denkbar, dass manche Backhefen zu akzeptablen Bieren führen. Bei anderen "Fabrikaten" gibt es dagegen eher Pleiten.
Die Reaktionen auf solche Backhefe-Experimente gehen ja deswegen oft in sehr unterschiedliche Richtungen. Von "mit so einem rede ich erst gar nicht" über "mein Gott, bist du wahnsinnig" bis zu "tolles Experiment, hatte auch schon gute Ergebnisse damit".
Also ich würde mich da nicht so grundsätzlich festlegen.
Andererseits wenn ich Bier brauen will, ist doch eine der ersten Fragen: Habe ich geeignete Hefe in ausreichender Menge?
Wenn, dann würde ich ein Backhefen-Experiment vorsätzlich machen.

Gruß
Heinrich
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#16

Beitrag von nacron »

Es gibt übrigens viele Finnen die ihr Sahti mit einer Backhefe brauen. Sie schwören allerdings auf eine spezielle marke :)
Sie soll schön fruchtig gewesen sein. Ich würde natürlich das Sahti lieber mit einem Kveik brauen aber naja anspruchsvoll sind wir schon wir hobbybrauer :)

Cheers
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#17

Beitrag von tbln »

nacron hat geschrieben: Samstag 11. März 2017, 21:25 Es gibt übrigens viele Finnen die ihr Sahti mit einer Backhefe brauen. Sie schwören allerdings auf eine spezielle marke :)
Sie soll schön fruchtig gewesen sein. Ich würde natürlich das Sahti lieber mit einem Kveik brauen aber naja anspruchsvoll sind wir schon wir hobbybrauer :)
Die Finnen schwören auf Suomen Hiiva (S. cerevisiae). Hier gibt es einen kleinen Vergleich mit zwei Bierhefen. Die finnische Backhefe scheint POF+ zu sein. Bei den SheltonBrothers gibt es einen Sahti Brautag mit Markku Pulliainen von der Malmgård Brauerei aus Finnland. Man kann leider nicht genau erkennen um welche Marke es sich handelt, er spricht jedoch auch von Bananennoten.
Noch interessanter ist eine verwendete Backhefe aus Norwegen. Idun Blå soll nach Rasmussens "Characterization of genotype and beer fermentation properties of Norwegian Farmhouse Ale Yeasts (2016)" eine S. boulardii sein. Nach Rasmussen, kann man wohl auch einige "Kveik"-Hefen als S. boulardii ansehen. Die meisten "Kveik"-Hefen sind allerdings POF-.
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#18

Beitrag von flying »

Nur ist "Banane" kein POF..
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Re: Das (etwas) unfreiwillige Backhefe-Experiment

#19

Beitrag von tbln »

flying hat geschrieben: Montag 14. August 2017, 05:41 Nur ist "Banane" kein POF..
Guter Hinweis. So nicht gemeint, aber etwas unglücklich formuliert. Sollte eher eine Referenz an Weißbierhefen sein (suregork Quelle). 4-VG wird da als Parameter für POF genannt.
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