Ich bastel mir meine eigene Grut

Fragen und Diskussion rund um Rezepturen zum Bierbrauen
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chaos-black
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Ich bastel mir meine eigene Grut

#1

Beitrag von chaos-black »

Hallo liebe Leute,
ich plane gerade ein IPA mit einigen Kräutern. Da dachte ich mir, ich könnte euch in nem Thread mal daran teilhaben lassen. Vorweg wusste ich, dass ich neben Hopfen an vier Kräutern Interesse habe, also habe ich sie mir getrocknet bestellt. Dabei handelt es sich um Heideblüten, Mädesüßblüten, Holunderblüten und Schafgarbeblüten.
Meine Vorgehensweise um das von mir erwünschte Mischungsverhältnis herauszufinden war folgende. Ich habe von jeder Sorte zwei mal 1g abgewogen und in Teebeutel getan. Anschließend wurde jeder Teebeutel in ein eigenes Behältnis gelegt und 200ml Wasser hinzugefügt. Dabei wurde jede Sorte einmal kalt und einmal heiss (frisch aufgekocht aus dem Wasserkocher) aufgegossen. Im kalten Leitungswasser mit schätzungsweise 15°C durften die Teebeutel 30min ziehen, während sie im heissen nur 10min Zeit hatten. Anschließend wurden die Teebeutel entfernt, ich habe Geruchs- und Geschmackstests gemacht und ich habe schrittweise in einem 0,5L Glas gemischt bis mir die Mischung gut gefiel. Dabei habe ich jeweils ein Shotglas mit 2cl zum Messen verwendet und habe mit einem Shotglas pro Probe begonnen (also 8 x 2cl = 160ml). Dann habe ich so lange Shots hinzugefügt, bis mir die Mischung am besten gefallen hat und konnte dann rückwärts die Mengenverhältnisse berechnen.
Hier ein paar Fotos:
Blüten werden gewogen und Teebeutel gefüllt
Blüten werden gewogen und Teebeutel gefüllt
Jeweils 1g Blüten sind eingetütet.
Jeweils 1g Blüten sind eingetütet.
Die Kalten (oben im Bild) wurden zwar zuerst bereitet, dennoch weisen die heissen viel schneller deutliche Färbungen auf.
Die Kalten (oben im Bild) wurden zwar zuerst bereitet, dennoch weisen die heissen viel schneller deutliche Färbungen auf.
So sehen die Proben aus nach 30min Ziehzeit kalt (hintere Reihe) und 10min Ziehzeit heiss (vordere Reihe).<br />[wenn mans anklickt, dreht sich das Bild richtigherum]
So sehen die Proben aus nach 30min Ziehzeit kalt (hintere Reihe) und 10min Ziehzeit heiss (vordere Reihe).
[wenn mans anklickt, dreht sich das Bild richtigherum]
An dieser Stelle würde ich dann noch kurz ein paar meiner Notizen mit euch teilen. Die X/10 beim Geruchstest geben meinen Eindruck der Intensität an.

Geruchstest - heiss - mit 10min Ziehzeit
Heide: leicht rosig, süßlich blumig, nicht sehr intensiv (3/10), ganz leichte Minznote
Mädesüß: von der Richtung (rosig/blumig) ähnlich wie Heide, aber viel intensiver (7/10), etwas krautig-blumig
Holunder: typisch Holundergeruch, intensiver (7/10), auch krautig-blumig
Schafgarbe: Assoziation: Erkältungsbalsam aber angenehm, kräuterig, recht intensiv (9/10)

Geruchstest - kalt - mit 30min Ziehzeit
Heide: komplett neutral, kein Geruchseindruck außer Wasser im Glas
Mädesüß: sehr leichter duft (1,5/10), rosig blumig
Holunder: nur leicht holunderig
Schafgarbe: sanfter angenehmer kräuteriger Duft, deutlich weniger aufdringlich als heiss (etwa 4/10)

Geschmackstest - heiss - mit 10min Ziehzeit
Heide: Geschmacklich eher leicht, vordergründig mild blumig, ganz leicht bitter
Mädesüß: leicht bitter, kräuterig blumig, hat tatsächlich was von Blütenhonig
Holunder: Typisch Holunder, geht auch leicht in Richtung von Holunderbeeren
Schafgarbe: komplex kräuterig, intensiv bitter

Geschmackstest - kalt - mit 30min Ziehzeit
Heide: subtiler, sehr angenehmer blumiger Geschmack
Mädesüß: etwas intensiver als die kalte Heideblüte, rosiger Eindruck, leicht bitter
Holunder: angenehm, eher subtil, schmeckt irgendwie unvollständig als würden Teile im Mund ausgespart
Schafgarbe: mittelintensiv, leicht krautig, leicht bitter

Am Ende der Prozedur hab ich mich dann für folgendes Mischungsverhältnis entschieden: 10g meiner "Grut" enthalten 1g Schafgarbenblüten, 2g Holunderblüten, 3g Mädesüßblüten und 4g Heideblüten. Ich weiß, eine historisch akkurate Grut enthielt quasi immer auch Gagel, aber hiermit habe ich wenn ich es weiterentwickeln möchte einen guten Startpunkt.

Konkret wird die Kräutermischung dann im Sud zum hier diskutierten Thread verbraut: viewtopic.php?f=17&t=15079&hilit=IPA+Spalt#p233682 (wobei ich wohl mit den Aromagaben da noch runtergehen werde, damit man noch was von den Kräutern merkt).

Beste Grüße,
Alex
Zuletzt geändert von chaos-black am Donnerstag 16. November 2017, 00:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ich bastel mir meine eigene Grut

#2

Beitrag von olibaer »

Klasse Alex, so entwickelt man Rezepte.

Gutes Gelingen und viel Erfolg :-)
Gruss
Oli
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Re: Ich bastel mir meine eigene Grut

#3

Beitrag von Fe2O3 »

Coole Sache!
Halte uns bitte auf dem Laufenden - bin gespannt, wie es weitergeht.
chaos-black hat geschrieben: Donnerstag 16. November 2017, 00:25 10g meiner "Grut" enthalten 1g Schafgarbenblüten, 2g Holunderblüten, 3g Mädesüßblüten und 4g Heideblüten.
und der Name des Bieres ist dann "1-2-3-4 IPA-Gruit Bier"? (wäre klanglich sehr harmonisch, wie ich finde)

lG
Martin
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Re: Ich bastel mir meine eigene Grut

#4

Beitrag von colonelhartie »

Hallo Alex,

finde ich sehr schön, Deine Vorgehensweise (Was lange gärt,wird endlich Grut :-)

Wie wirst Du die Kräuter denn nun zugeben im eigentlichen Sud? Direkt nach Kochende, oder wirst Du damit stopfen? Oder gibst Du einen separaten Kräutersud zum Bier?

LG,
Rudi
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Re: Ich bastel mir meine eigene Grut

#5

Beitrag von docpsycho »

Gude,

ich find das ja eine klasse Idee. Nur eine Sache habe ich entweder überlesen oder du hast es nicht geschrieben und hier deckt sich meine Frage mit Rudis. Wann und in welchem Verhältnis willst du deine Grut denn dazu geben?
Auf jeden Fall ein interessantes Experiment welches hoffentlich einen Endbericht enthalten wird. :thumbsup

Grüße, der Doc
Setup: 3,5kw Caso-Induktionsplatte, 36l Brewferm-Topf, 38l Schengler-Thermoport mit Läuterhexe, Kühlspirale, Themperaturgesteuerte Gärkammer.

Die Brausportgruppe e.V. Rhein-Main

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Re: Ich bastel mir meine eigene Grut

#6

Beitrag von Alien_TM »

Fe2O3 hat geschrieben: Donnerstag 16. November 2017, 07:44 und der Name des Bieres ist dann "1-2-3-4 IPA-Gruit Bier"? (wäre klanglich sehr harmonisch, wie ich finde)
lG
Martin
Nope.. wenn dann scho "I am Grut" von der "Brewery of the Galaxy" ... ein Logo hätt ich auch scho im Kopf :Smile

...Alex
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Re: Ich bastel mir meine eigene Grut

#7

Beitrag von chaos-black »

Dankeschön für euren Zuspruch :)
Ein bisschen kann ich schon auf Erfahrungen mit Heideblüten zurückgreifen, da ich damit mal ein extrem leckeres schottisches Heideblüten-Ale gebraut habe (bei der Gelegenheit hab ich das mal bei MMuM eingetragen: https://www.maischemalzundmehr.de/index ... tte=recipe). Da habe ich zwar auch mit Gagel gearbeitet, aber die Heide wurde mit 3,75g/L 20min gekocht und nochmal 3,75g/L für 7 Tage gestopft.
Bei diesem Bier möchte ich auch mit zwei Grutgaben arbeiten: Einmal dem Test entsprechend 10min vor Kochende und einmal kalt, auch für 7 Tage (das konnte natürlich mit dem kalten Wasser ohne Alkohol in 30min nicht wirklich nachgestellt werden, half aber trotzdem beim Eindruckbekommen).
Damit es intensiv aromatisch wird, plane ich 20g/L dieser Grutmischung pro Gabe, also 20g/L 5min vor Kochende und nach der Hauptgärung mit 20g/L für 7 Tage stopfen.
Dazu kommen dann noch recht große Mengen Spalter Spalt und Spalter Select, bei deren genauen Mengen ich mir noch nicht sicher bin.

Die Namensvorschläge sind ja auch mal nice :D aber ich hab mich schon für den vlt langweilig wirkenden Namen "Göttinger IPA" entschieden :P . IPAs gehören zu meinen Lieblingsbieren und ich möchte mal eins machen, dass mir extrem gut gefällt, aber auch einen individuellen Turn hat. Vom Ergebnis werde ich dann hier sicher auch berichten, das dürfte aber leider noch etwas dauern...

Beste Grüße,
Alex
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Re: Ich bastel mir meine eigene Grut

#8

Beitrag von London Rain »

Wie ist es eigentlich geworden?

Gruß
Tim
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Re: Ich bastel mir meine eigene Grut

#9

Beitrag von chaos-black »

Moin,
ich hab das Bier dazu im Dezember gebraut, das konkrete Rezept (sollte eine Art Grut-IPA sein) war folgendes:

Stammwürze: 16°P
Bitterkeit: 50 IBU
CO2-Gehalt: 5,5g/L

90% Pilsner Malz
5% Carapils
5% Haferflocken (zart)

Einmaischen bei 55°C
Maltoserast 64°C für 30min
Kombirast 67°C für 20min
Verzuckerungsrast 72°C für 20min
Abmaischen 78°C für 10min

Hopfenkochen 90min
Spalter Select 15% als Vorderwürzehopfung
Spalter Spalt 15% als Vorderwürzehopfung
Spalter Select 10% 30min vor Kochende
Spalter Spalt 10% 30min vor Kochende
Spalter Select 10% 10min vor Kochende
Spalter Spalt 10% 10min vor Kochende
0,1g/L Schafgarbenblüten, 4g/L Holunderblüten, 6g/L Mädesüßblüten, 8g/L Heideblüten 5min vor Kochende
Spalter Select 15% 5min vor Kochende
Spalter Spalt 15% 5min vor Kochende

Whirlpool 30min bei 80°C
5g/L Spalter Select
7g/L Spalter Spalt
0,1g/L Schafgarbenblüten
4g/L Holunderblüten
6g/L Mädesüßblüten
8g/L Heideblüten

Hefe: Safale K-97, vergoren bei 15°C Umgebungstemperatur im Keller.


Das Bier ist auf jeden Fall eine Sache für sich. Ich denke der IPA-Ansatz ist vielleicht nicht der Beste für diese Art Bier. Es war einfach alles ein bisschen zu viel. Die Bittere hatte neben der Hopfenbittere auch eine deutliche Kräuterbittere (und das bei der geringen Menge Schafgarbe). Damit meine ich nicht, dass das Bier zu bitter gewesen wäre oder so, aber es einfach der Eindruck der Bittere der etwas anders ist, ein bisschen wie bei einem Kräuterschnaps. Das war aber ja auch zu erwarten.
Man konnte die Blüten auch ganz gut herausschmecken, was auch ganz lecker war, aber das war für meinen Geschmack einfach alles ein bisschen zu doll.
Dazu kommt, dass das Bier aufgrund der Salicylsäure im Bier die Wirkung des Alkohols verstärkt. Ich hab das Bier gemeinsam mit @Fle4 und @brauflo jeweils im 0,3L Glas verköstigt und für mich war die Wirkung etwa so als hätte ich die doppelte Menge oder sogar etwas mehr getrunken. Bei unserer getrunkenen Gesamtmenge kein Problem, muss man aber einkalkulieren.
Dazu kommt noch, dass die Würzeverluste am Brautag immens waren! Die hier beschriebene Menge an getrockneten(!) Blüten und Kräutern sind etwa zwei große Tupperboxen voll gewesen (etwa 600-650g!). Die saugen sich natürlich ordentlich mit Flüssigkeit voll.

Mein Fazit: Weniger ist manchmal mehr. Das nächste Bier mit diesen Zutaten wird definitiv ein deutlich leichteres und geschmacklich zurückhaltenderes Bier und auch erheblich weniger Blüten erhalten. Jetzt hab ich ein Fass davon hier stehen werde aber wohl nur selten ein Gläschen davon trinken. Also wenn jemand das Ergebnis probieren möchte, ich kann gern das eine oder andere Fläschchen entbehren :D Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass dieses Bier an einem windigen Herbsttag gut passt.

Beste Grüße,
Alex
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