schleppende Hauptgärung mit aberwitzigen EVGs

Antworten
hafsheshus
Posting Junior
Posting Junior
Beiträge: 38
Registriert: Dienstag 17. September 2013, 09:27

schleppende Hauptgärung mit aberwitzigen EVGs

#1

Beitrag von hafsheshus »

Liebe Leute,
ich schlage mich schon länger damit herum, dass meine Gärverläufe so überhaupt nicht mit dem übereinstimmen, was ich hier im Forum immer lese. Komm einfach nicht drauf, woran es liegen könnte - vielleicht könnt ihr mir ja weiterhelfen.

Folgendes Problem:
- bei mir sind Hauptgärungen von 4-6 Wochen eigentlich Standard, danach erreiche ich dann in der Regel einen für die jeweilige Hefe üblichen EVG sowie 3 Tage gleichbleibenden Restextrakt und fülle mit Zucker ab
- dabei macht es kaum einen Unterschied, ob OG mit der S04 oder Nottingham bei 25°C oder UG mit der W34/70 bei 8°C vergoren wird

Soweit würd mich das ja nicht groß stören, warte ich halt ein bissl länger. Das wirklich nervige ist aber, dass die Gärung dann in der Flasche wieder anspringt und dann oft auf aberwitzige EVGs kommt.

Als Beispiel:
Gerade hab ich testhalber eine Flasche aufgemacht, abgefüllt am 21.6. bei Restextrakt=2,5°P, gleichbleibend über 3 Tage. Stammwürze waren 12,1°P, ergibt einen scheinbaren EVG bei Abfüllung von 79,3% - klingt normal für die S04. Nach dem Aufmachen gespindelt und 1,1°P Restextrakt gemessen, ergibt einen EVG von 90,9%. Habe beim Abfüllen in der Annahme, dass es ausgegoren ist, noch 6g Zucker/Liter gegeben. Resultat vorhersehbar, erstmal ein halber Liter Schaum der mir entgegenkam.
Das Rezept war relativ simpel gehalten, 50:50 MüMa:PiMa, 90 Minuten Kombirast bei 68°C, 32 IBU. Abgekühlt über Nacht, angestellt mit S04 in der 3.Führung und auch praktisch sofort angekommen.

So ungefähr siehts regelmäßig aus, und das bei an die 50 Suden in den letzten 2 Jahren. Verschiedene Hefen, verschiedene Gärbehälter, verschiedene Gärtemperaturen.

Keine Röst- oder Caramalze, IBUs meist im normalen Bereich (25-35), meist keine Alkoholgehalte über 6%, Jodproben immer neutral.
Schüttungen variieren meistens zwischen 30/70 und 70/30 MüMa/PiMa. Zuletzt erstmals mit Weizenmalz gebraut, WeiMa/PiMa 40/60, Hefe wieder S04, Ergebnis: vergoren von 12,9°P auf 0,9°P, scheinbarer EVG 93%. Diesmal immerhin schon im Gärfass.

Milchsäureinfektion scheidet aus, das Bier ist nicht sauer und schmeckt wunderbar. Infektion mit übervergärenden Bierhefen eigentlich auch, hatte vor ca. 5 Suden mal die Belle Saison verwendet, aber das Problem gabs ja schon vorher. Waage und Spindel hab ich auch überprüft, von daher auch kein systematischer Messfehler.

Wasser behandle ich nicht vor, die Werte sind hier nachzulesen.

Das einzige, was mir noch als Grund dafür einfällt: ich habe keine Möglichkeit, das Bier nach der NG kaltzustellen, d.h. derzeit lagert es bei 27°C (HG ebenfalls bei derselben Temperatur). Hatte aber dasselbe Problem wenn ich die NG im Keller bei 8°C gemacht hab - Karbonisierung war perfekt, dann zu Freunden mitgebracht, dort wärmer gestanden, 2 Wochen später die Rückmeldung dass das Wohnzimmer versaut ist. Aber sollte unvergärbarer Zucker nicht unvergärbarer Zucker bleiben, egal bei welcher NG-Temperatur?

Ich kapier einfach nicht, woran es liegen könnte, ich tu mir irgendwie schwer zu glauben, dass "meine" Hefe EVGs jenseits aller Erfahrungswerte schafft, bei ziemlich klassischem Maischprogramm. Manchmal treff ich zufällig die richtige Karbonisierung, dann wieder Schaumparty, dann wieder schales Bier weil ich beim Abfüllen eh schon nach Bauchgefühl einen höheren (späteren) EVG annehme und bei der Zuckergabe berücksichtige.

Mit einem Wort, es ist frustrierend, zwar gutes Bier zu brauen, aber beim Öffnen der Flaschen immer zittern zu müssen.

Danke schon mal fürs durchlesen, vielleicht hat der ein oder andere ja noch eine Idee für mich, woran das liegen könnte.

schöne Grüße aus Wien
Ravi
Benutzeravatar
GamZuBo
Posting Senior
Posting Senior
Beiträge: 403
Registriert: Samstag 18. Oktober 2014, 16:23
Wohnort: Worms

Re: schleppende Hauptgärung mit aberwitzigen EVGs

#2

Beitrag von GamZuBo »

Moin, also einen EVG von 90-93 % ist mit diesen Hefen nicht möglich. Auch 4-6 Wochen Gärzeit ist eigentlich viel zu lange... Unterirdisch lange.

Vielleicht hast du eine kontamination mit Bakterien?
Blancblue
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 2039
Registriert: Dienstag 6. Januar 2015, 23:09

Re: schleppende Hauptgärung mit aberwitzigen EVGs

#3

Beitrag von Blancblue »

Das sind echt viel zu lange Gärzeiten. Dein Wasser könnte ein bissl mehr Calcium vertragen, das tut der Hefe gut. Ansonsten hört sich der hohe Vergärungsgrad nach Lactos an, die Dein Restextrakt auffuttern.
Brauen ist zu 50% Kunst und zu 50% Handwerk. Dazu kommen noch mal 100% Erfahrung.
Benutzeravatar
gulp
Moderator
Moderator
Beiträge: 10458
Registriert: Montag 20. Juli 2009, 21:57
Wohnort: Nürnberg
Kontaktdaten:

Re: schleppende Hauptgärung mit aberwitzigen EVGs

#4

Beitrag von gulp »

Zu wenig Hefe? Wieviel Hefe verwendest du?

Gruß
Peter
>>Impfung rettet Leben und Kultur!<<

Ein Bayer ohne Bier ist ein gefährlich Thier!

https://biergrantler.de
https://stixbraeu.de
hafsheshus
Posting Junior
Posting Junior
Beiträge: 38
Registriert: Dienstag 17. September 2013, 09:27

Re: schleppende Hauptgärung mit aberwitzigen EVGs

#5

Beitrag von hafsheshus »

danke für eure Antworten!

@ Bakterien: gibt es Bakterien, die 1-2°P auffuttern und dabei keinen Geschmackseindruck hinterlassen (außer fehlende Vollmundigkeit und unausgeglichene Hopfenbittere klarerweise)? Eine Milchsäureinfektion hatte ich schon einmal, das war definitiv schmeckbar. Was mir grad noch einfällt - mein letzter Sud (vergoren von 12,9°P auf 0,9°P, scheinbarer EVG 93%, abgefüllt vor 2 Wochen) schmeckt und wirkt alkoholischer als bei der Stammwürze erwartet (bild ich mir zumindest ein), deutet also auch darauf hin, dass das schon die Hefe war.

@ Hefe, meine übliche Vorgangsweise derzeit für Sude um die 100 Liter:
- wenn ich frische Trockenhefe verwende, ziehe ich ab ca. 48 Stunden vor dem Anstellen einen Starter mit 1 Päckchen auf 3 Liter eingekochter Würze schrittweise hoch
- beim Weiterführen nehme ich den Bodensatz nach dem Abfüllen (ca. 2 Liter) und stelle den über Nacht (=während dem Abkühlen) mit 3 Liter frischer Würze an
- bei 20 Liter-Suden mache ich keine Starter, sondern nehme entweder ein Päckchen Trockenhefe oder ca. 1/2 Liter Bodensatz
- ich habe allerdings zwischendurch auch mit sehr großen Startern gearbeitet (5 Liter Jungbier aus der HG + 15 Liter Würze, 2 Tage vor anstellen, auf 100 Liter) um Infektionen vorzubeugen, Ergebnis war auch nicht besser was Gärdauer und Nachgärung betrifft

das mit dem Calcium klingt nach einer Spur, hab zwar von anderen Wiener Kollegen, die mit dem gleichen Wasser brauen noch nichts ähnliches gehört, aber vielleicht hilfts ja bei mir da mal was zu versuchen
Benutzeravatar
GamZuBo
Posting Senior
Posting Senior
Beiträge: 403
Registriert: Samstag 18. Oktober 2014, 16:23
Wohnort: Worms

Re: schleppende Hauptgärung mit aberwitzigen EVGs

#6

Beitrag von GamZuBo »

Calcium glaube ich nicht, da kommt von Malz her schon einiges rein. Deine EVGs sind faul. Das kann nicht nur von der Hefe kommen.
hafsheshus
Posting Junior
Posting Junior
Beiträge: 38
Registriert: Dienstag 17. September 2013, 09:27

Re: schleppende Hauptgärung mit aberwitzigen EVGs

#7

Beitrag von hafsheshus »

vom Calcium erhoffe ich mir auch nur kürzere Gärzeiten, habe jetzt nachgelesen dass das auch schon anderen mit demselben Problem geholfen hat.

Kann es sein, dass eine Kahmhefe das Problem ist? Hatte ich auch schon mal vor ca. einem Jahr, da wars aber eindeutig an Fehlgeschmack und Kahmhaut erkennbar. Natürlich dann alles gründlichst geputzt und desinfiziert. Seither war geschmacklich alles einwandfrei, drum hatte ich sie gar nicht im Verdacht. Könnte eine Kahmhefe nach dem Abfüllen (also mit sehr wenig Sauerstoff) überhaupt noch viel anrichten?
Benutzeravatar
Fritz Fedder
Posting Junior
Posting Junior
Beiträge: 80
Registriert: Donnerstag 20. Februar 2014, 21:18

Re: schleppende Hauptgärung mit aberwitzigen EVGs

#8

Beitrag von Fritz Fedder »

Kahmhefen brauchen normalerweise Sauerstoff, soweit ich weiß.

Wie sicher sind eigentlich deine Messungen?
hafsheshus
Posting Junior
Posting Junior
Beiträge: 38
Registriert: Dienstag 17. September 2013, 09:27

Re: schleppende Hauptgärung mit aberwitzigen EVGs

#9

Beitrag von hafsheshus »

Fritz Fedder hat geschrieben:Wie sicher sind eigentlich deine Messungen?
War natürlich auch mein erster Gedanke. Habe die Spindel anfangs nach jedem unglaubhaften Meßergebnis nachkontrolliert (Messung mit Wasser und definierter Zuckerlösung). Außerdem viele Messungen in verschiedenen Suden mit ähnlichem Rezept, dabei auch teilweise andere Spindeln verwendet. Und dabei keine auffallenden Abweichungen.

Glaube daher auch eher an eine subtile Infektion. Rein praktisch werde ich daher abwarten, bis alle 3 aktuellen Sude abgefüllt sind, und dann mal tabula rasa mit Chemie und Dampf machen. Spannend wärs trotzdem zu wissen, welcher Keim hier so unauffällig sein Unwesen treibt.
Benutzeravatar
Bierwisch
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 3493
Registriert: Dienstag 15. Mai 2012, 18:02
Wohnort: Thüringen

Re: schleppende Hauptgärung mit aberwitzigen EVGs

#10

Beitrag von Bierwisch »

Das klingt eigentlich nach Wildhefen bzw. nach irgendwas aus der Brett-Familie und da hilft nur eine komplette Grundreinigung für alles was im Kaltbereich mit dem Bier in Kontakt kommt.
Besorg Dir ein neues Gärfaß und wechsel Deine Schläuche aus, alles Kleinzeug abkochen, desinfizieren, die Braustube klinisch rein putzen, etc.

Gruß,
Bierwisch
Der Klügere kippt nach!
Sudfink
Posting Junior
Posting Junior
Beiträge: 15
Registriert: Dienstag 14. Juli 2015, 11:06
Wohnort: 90408 Nürnberg

Re: schleppende Hauptgärung mit aberwitzigen EVGs

#11

Beitrag von Sudfink »

hafsheshus, sagst Du uns dann noch wie's weitergegangen ist? wahrscheinlich ist das zu früh, aber mich würde sehr interessieren was am Ende rauskommt.
Ich habe noch nicht so viel Erfahrung, aber für mich hört sich das an, als käme die Hefe nicht aus dem Quark und dann würde ein kontaminierender Organismus, der anfangs nur in geringen Konzentrationen vorhanden ist, übernehmen. Das würde die zugleich auftretenden langen Gärzeiten und die enormen Vergärungsgrade erklären. Hast Du Zugang zu einem Mikroskop? Da könntest Du ja schnell klären, ob zwischen den Hefen irgendwelche Baktos herumwuseln (bei Wildhefen wäre das schon schwieriger).

Wie auch immer – keep us posted! Und viel Erfolg beim Finden der Ursache. Georg
Antworten