Da ich ja inzwischen dann doch ne Weile mitmotze hier im Forum dachte ich es wäre an der Zeit auch mal eine Vorstellung (kommt noch) und eine kleine Braudoku zu schreiben.
Dooferweise bin ich ein Braumeister/Grainfather Koch in einer kleinen Bonner Dachgeschosswohnung und damit gibt es bei mir was Equipment angeht nicht allzuviel zu bestaunen (außer meine selbstgebastelte Kühlpumpanlage - aber die kam hier nicht zum Einsatz).
Mein Plan dieses Manko wieder wett zu machen ist deshalb beim Rezept vielleicht mal was spannenderes zu zeigen - und zumindest war bisher dieses Bier (ich zeige meinen zweiten Versuch) noch eines der spannendsten für mich. Außerdem wollte ich schon immer mal diese übertriebenen Android Photofarbfilter austesten - entschuldigt das Übermaß an "Kunst".
Das Rezept selber ist ein Saison (wie nach aktueller Zählung 22 meiner 38 gebrauten Biere) und basiert hierauf:
https://www.brewersfriend.com/homebrew/ ... eat-saison
Das sind aber eigentlich 2 Rezepte und überhaupt hab ich die Hälfte wieder anders gemacht, daher hier das richtige Rezept:
Also dann los mit dem Brautag. Beziehungsweise eigentlich dem Vortag - da habe ich nämlich meine neue MattMill Klassik eingeweiht:
Das Schro(t)tbild sah schon ganz ok aus mit Werkseinstellung (ich kenne mich - da erstes mal mit Mühle - nicht so aus, mir war wenig Mehlanteil wichtig da ich öfter von GF Problemen mit zu feinem Schrotbild höre).
Soviel zum Vortag - am Brautag ging's um 9h los.
Das Bonner Wasser ist an sich ein sehr gütiges Wasser für eine Innenstadtwohnung, aber bei hellem, trockenem helfe ich gerne mit Milchsäure nach. Die Mineralien bleiben so wie sie sind.
Außerdem hab ich die restlichen Zutaten (Reisflocken, gemörserte Paradieskörner, Süßorangenschalen und Earl Grey (Teekanne aus'm Supermercado)) schön vorher abgewogen und in Einzelgefäße gefüllt - weil Photos.
Also GF angeschmissen (war übrigens mein zweiter GF Sud, davor war es der R2D2) und bei 64°C die Schüttung sorgfältig eingerührt.
Frühstücken (mexikanisch), Podcasts hören und der Maschinerie beim Arbeiten zugucken:
Zwischendurch wird das Smackpack gesmacked (ich stelle mich immer absurd dumm dabei an - vielleicht mach ich mal ein Video davon in 150% Geschwindigkeit mit so absurder Stummfilmmusik unterlegt), und der Nachgussaufheizer angeschmissen:
Nachgüsse liefen nicht zu schnell durch was mich glücklich stimmt. Außerdem kommt die Vorderwürzehopfung (ohne Filter) in den Topf.
Dann bei 95°C macht der GF den Tag doch noch spannender als nötig und produziert innerhalb von 2 Sekunden das hier:
Panisch nach dem Maischepaddel und einer Kelle gegriffen stelle ich aber fest, dass er genau dort aber einfach mit dem unerwünschten Schaumwachstum aufhört und langsam gegen das gewohnte und gewollte konvergiert:
Wissenswertes (oder wilde Spekulationen) was mir da gerade passiert ist nehme ich gerne entgegen.
So oder so ist wieder alles im grünen Bereich und mein einziger Job besteht darin das Abfüllen vorzubereiten und zwischendurch die Hopspider zu befüllen:
Die Hefe will inzwischen auch ganz dringend raus mit den anderen spielen:
Die "Whirlpoolgabe" ist bei diesem Rezept eher anstrengend, da ich sie wegen dem Tee ohne Hopspider machen wollte und gleichzeitig den Tee maximal 3 min zwischen 60°C und 80°C heizen wollte. Also war für die Kühlung schonmal alles vorbereitet und dann kam die letzte Gabe:
Schnell das Starsan aus der Kühlspirale gepumpt, kurz heiße Würze zirkuliert und dann nach 2 min. mit dem Kühlen begonnen. Glücklicherweise hab ich bei der Durchflussgeschwindigkeit direkt getroffen:
Am Ende noch durch den Filter abfüllen (der lose Tee ist ein bisschen wie Sand - der schafft es überall hin) und den Immersionskühler nach Plan justiert:
Anschließend dann das sehr lange warten mit gelegentlichem Messen (und Kosten - ich hab mich erst hier für die im Rezept bereits angegebene Mandarina-Stopfung entschlossen).
Nach 7 Tagen sah es noch so aus:
Nach insgesamt 27 Tagen bin ich bei 1.023SG, mit korrigiertem Alkoholfehler 1.007SG. Also Punktlandung, da ich mit ein ganz klein wenig Wasser die ursprünglichen 1.061 getroffen habe. In Plato übrigens 14.40°P -> 1.86°P und damit geschätzter Alkoholgehalt von 6.91%vol.
Anschließend umgedrückt (zwischendurch war es im Fass mit gekürztem Steigrohr):
Und mal probiert:
Farbe ist wie angepeilt und Schaumbild wie immer unterirdisch (meine größe Baustelle). Allerdings ist das auch ein auf 6g/l karbonisiertes Saison am Zapfhahn - richtig gut wird der Schaum da eh nicht:
Geschmacklich bin ich aber sehr glücklich. Fruchtig zitrus-lastig (die Süßorangenschalen harmonieren sooo gut mit Hopfen und der Bergamotte im Tee) und dank Paradieskörner pfeffrig wie eine Belle Saison ohne die zugehörige "Muffigkeit" (die French ist ja eher fruchtig unterwegs).
Fehlgeschmäcker nehme ich (Banause) nicht wahr - das Bier ist aber auch recht intensiv, da würde man wahrscheinlich nur die offensichtlichen Sachen (DMS, Banane und Neurotoxine) stark rauschmecken...
Der Teegeschmack ist intensiv - kratzt aber kaum an der für mich erträglichen Obergrenze. Ich würde aber persönlich nix dran ändern - das ist eh kein Bier mit hoher "drinkability", sondern eine maximal-2-Gläser-am-Abend Schrotladung in's Geschmackszentrum. Wer mit floralen Noten nicht so kann sollte vielleicht die Kaltgabe komplett lassen.
Das war's - jetzt wird erstmal wieder geputzt statt gefilmt beim Brauen
Richard
P.S.: Ich hoffe das war ein noch erträgliches Maß an Textwüste. Hab schon ne Menge Blabla entfernt...
Earl of Paradise Wheat Saison
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Re: Earl of Paradise Wheat Saison
Hi Richard,
danke für den tollen Bericht, gut und schön leserlich geschrieben. Das Bier klingt aufjedenfall auch sehr interessant
danke für den tollen Bericht, gut und schön leserlich geschrieben. Das Bier klingt aufjedenfall auch sehr interessant
Re: Earl of Paradise Wheat Saison
HI,
vielen Dank für die Doku...ich schau mir solche Berichte immer wieder gerne an.
Ich denke ich muss mich auch mal an ein Bier mit Tee ranwagen.
Mir schwebt da ein Pale Ale mit südafrikanischem Hopfen und südafrikanischem Rooibos vor...mal schauen.
Weiter so...
VG
vielen Dank für die Doku...ich schau mir solche Berichte immer wieder gerne an.
Ich denke ich muss mich auch mal an ein Bier mit Tee ranwagen.
Mir schwebt da ein Pale Ale mit südafrikanischem Hopfen und südafrikanischem Rooibos vor...mal schauen.
Weiter so...
VG
Genießt im edlen Gerstensaft
Des Weines Geist, des Brotes Kraft.
Des Weines Geist, des Brotes Kraft.
Re: Earl of Paradise Wheat Saison
Was afrikanisches Themenbier angeht steht lustigerweise auf meiner Todoliste:
Southern Promise + afrik. Pfeffer + Belle Saison
Auf Rooibus bin ich tatsächlich nicht gekommen - das könnte zum Southern Promise welcher ja nach roten Beeren schmecken soll gut passen... naja, erstmal stehen noch 2 andere an.
Ansonsten danke für's Lob an beide :)
Edit: Was Tee angeht empfehle ich (sofern englisch keine Hürde ist) dieses Video
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Re: Earl of Paradise Wheat Saison
Hallo Richard!
Schöne und unterhaltsam geschriebene Doku. Besonders gefällt mir immer, wenn man am Ende das fertige Bier sieht und dazu einen Geschmackseindruck vermittelt bekommt.
Ich weiß nicht, ob du es schon weißt: In Bonn gibt's einen Stammtisch und einen Heimbrauer Verein. Wenn du Interesse hast...
Gruß
Jens
Schöne und unterhaltsam geschriebene Doku. Besonders gefällt mir immer, wenn man am Ende das fertige Bier sieht und dazu einen Geschmackseindruck vermittelt bekommt.
Ich weiß nicht, ob du es schon weißt: In Bonn gibt's einen Stammtisch und einen Heimbrauer Verein. Wenn du Interesse hast...
Gruß
Jens
Re: Earl of Paradise Wheat Saison
Super Doku und Bilder! Danke!
Muss das vielleicht auch mal Nachbrauen, dann aber evtl. den Tee anpassen (Rooibus könnte auch hier passen, wenn mans gerne fruchtig mag).
Muss das vielleicht auch mal Nachbrauen, dann aber evtl. den Tee anpassen (Rooibus könnte auch hier passen, wenn mans gerne fruchtig mag).