Braukurs | Biertasting | Craftbier-Zwischenfazit

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Blancblue
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Braukurs | Biertasting | Craftbier-Zwischenfazit

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Beitrag von Blancblue »

Ich habe gestern einen Braukurs mit Biertasting im kleinen Kreis durchgeführt und möchte von meinen Erfahrungen berichten.

Personenkreis: Alles Männer, Alter zwischen 30-40, Herkunft bunt gemischt. Niemand hatte bisher großartige Craftbier Erfahrungen, Bierhorizont hörte mehr oder weniger bei Guiness auf. Auf Nachfrage stand in 100% aller Fälle ein Fernsehpils im Keller.

Nach ein wenig Bierbrau-Therorie stand ein Tasting an - 8 Biere-/-Stile wurden verkostet, anschließend sollten sich die Teilnehmer einen "Geschmack" aussuchen und anhand von Rezeptdatenbanken und -büchern mit meiern Hilfestellung nachbrauen. Das gebraute Bier sollte im Sommer getrunken werden und ein wenig vom Mainstream abweichen, daher hatte ich die Auswahl ein wenig eingeschränkt und bewusst Stouts usw. weggelassen.

Folgende Biere wurden verkostet:

1. WITBIER: KUEHN KUNZ ROSEN
Konnte keinen begeistern. Ich selbst fand das Bier nicht schlecht, aber so richtig kicken tat´s mich auch nicht. Ich hatte noch ein WIT von Köstritzer im Kühlschrank, welches noch weniger Anklang fand. Ich habe es zum ersten Mal getrunken und - naja, ich bin jetzt kein WIT Spezialist, mag aber das Hoegaarden sehr - das Köstritzer ging gar nicht. Wie sagt einer der Teilnehmer: "Wie ein verdünntes Pils mit nem Schuss Zitronensprudel, schmeckt leer, hört nach er Zunge mit dem Geschmack auf."

2. SAMBA PALE ALE
Um die Geschmacksvielfalt von Hefe zu verdeutlichen, hatte ich vor 3 Wochen den Sud geteilt und einmal mit der Notti (wie in Boludus Rezept) und einmal mit der Wyeast #3638 vergären lassen.
Dieses Bier kam sehr gut an bei den Teilnehmern, wobei die Version mit der Wyeast #3638 favorisiert wurde.

3. RED LAGER KÖSTRITZER MEISTERWERKE
Dieses Bier kam am schlechtesten von allen weg. Ich fands auch furchtbar. Vielleicht war das auch nach dem Samba Pale nicht gut platziert, wobei es auch später beim Essen nicht wirklich gut ankam.

4. BROOKLYN BREWERY LAGER
Hatte ich zuletzt in Bordeaux in einer Bar vom Fass getrunken und war davon sehr begeistert. Die Verkostungsflaschen die ich bestellt hatte, haben leider lange nicht so gut geschmeckt wie in Bordeaux muss ich sagen. Das Bier schmeckte aber allen Teilnehmern ganz gut, kaufen würde es sich aber niemand - nachdem ich den Preis dafür genannt hatte…

5. BAVARIAN ALE Maisel & Friends Jeff's Bavarian Ale
Dieses Bier kenne ich schon länger und finde es sehr gut - ist vor allem noch bezahlbar - faire 5 EUR für die 0,75L. Geschmacklich schwankt es scheinbar bzw. verfliegt der Hopfen wohl schnell - die gestrige Flasche schmeckte schon sehr gut, aber ich hatte mehr Hopfenaromen in Erinnerung. Bei den Teilnehmern kam das Bier durchweg gut an.

SIMCOE IPA
Mein Lieblings-IPA (mit viel Amarillo und Simcoe), welches ich vor 2 Wochen gebraut hatte. Die Stopfaromen waren voll da, schmeckte aber noch recht jung. Hier war ich eigentlich von ausgegangen, dass dieses Bier am besten ankommen würde - mein Freundeskreis liebt es mittlerweile sehr. Dem war leider nicht so - Geruch fanden alle klasse ("Mega-Fruchtkorb"), aber mit dem ungewohnten Geschmack konnte niemand etwas anfangen.

PORTER Riedenburger Dolden Dark
Zum Schluss des Tastings sollte es dann doch noch mal etwas dunkles, bombiges außer der Reihe geben - in dem Fall ein Porter. Geschmacklich kam das gut an, Tenor war aber: "Kann man nur eins von trinken und am besten im Winter vorm Kamin". Ich fand das Dolden Dark richtig gut muss ich sagen, zwar schon süss, aber genau richtig sowie viel Geschmack von Anfang bis Ende.

Über die Auswahl des Biersorten/_marken kann man sich sicherlich streiten gerade im (I)PA Bereich gibt's ne Menge schöne Sachen die man verkosten kann. Wir haben während dem Essen noch ein paar andere Biere getrunken, wie z.B. Schneider´s Hopfenweisse, das prämierte Schönrahmer Pils usw, die Meinungen dazu habe ich allerdings nicht immer mitbekommen.

Nachdem Tasting stand dann die Rezeptsuche an, die aber ziemlich schnell ging. Gebraut wurde in Gruppen und es wurde sich für 2x Samba Pale Ale mit Wyeast #3638 und 1x einen leicht veränderten "Hibernator" Doppelbock von Tauroplu entschieden.

Fazit: Ich bin gespannt, wie es mit dem Thema Craftbier weitergeht. Es wird noch viel Zeit vergehen, bis das Standardpils zuhause auch mal einer anderen Biersorte weicht. Neben den noch nicht erweiterten Geschmacksknospen der Deutschen sehe ich vor allem ein Problem bei den hohen Preisen. Ein deutsches Craftbier/IPA liegt im Durchschnitt bei 2,50 EUR für 0,33l, das sind 60 EUR für eine Kiste Bier. Ich habe bisher nur sehr wenige getroffen, die das bereit sind zu zahlen. Jetzt kommen immer mehr Großbrauereien, die mit Durchschnittsqualität, aber niedrigeren Preisen genau auf den Pale Ale Zug aufspringen, der die Craftbierszene so nach vorne gebracht hat. Meine derzeitige Vermutung: Die Deutschen werden sich ab und zu mal ein Sixpack "Sonderbier" einer Großbrauerei kaufen, während Craftbier in Szenebars und Feinkostläden auf den Durchbruch wartet, der nicht kommen wird.
Brauen ist zu 50% Kunst und zu 50% Handwerk. Dazu kommen noch mal 100% Erfahrung.
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