Westvleteren 8, 12 Jahre alt

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tauroplu
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Westvleteren 8, 12 Jahre alt

#1

Beitrag von tauroplu »

Hallo, liebe Freund des guten Geschmacks,

ich hatte heute das Vergnügen, ein 12-jähriges Westvleteren 8 zu genießen. Das Frische hatte ich vor etwa 3 Jahren schon mal verkostet. Um den direkten Vergleich zu erleichtern, habe ich mal meine damaligen Verkostungsnotizen hinter den aktuellen gestellt.

Kronkorken mit Datum (Abfülldatum + 3 Jahre Haltbarkeitsaufschlag, das Bier ist also aus dem Jahre 2003):
Bild_4_KK_Alter_WV8_G.JPG
Bild_4_KK_Alter_WV8_G.JPG (26.52 KiB) 1310 mal betrachtet
Aussehen: Dunkles, hefetrübes Braun, sehr flacher, kaum haltbarer Schaum.

Geruch: Wow! Uff, massive Alterungstöne, vor allem Portwein- und Sherrynoten dringen in die Nase. Beim Wein würde man sagen, dass er eine deutliche Firne aufweist. Schwenkt und riecht man immer wieder in kleinen Schnüffelschüben daran, kommt für eine ganz kurze Zeit eine kleine Ahnung von Malz daher. Dieser Geruchseindruck wird dann aber recht schnell von breitesten Pumpernickeldüften und einem Hauch Früchtebrot verdrängt. Ganz versteckt im Hintergrund ist eine sehr dezente Säure auszumachen, die vermutlich zu diesem Früchtebroteindruck beiträgt. Ständiger Hintergrundbegleiter sind feine Lakritzanleihen. Keine Spur von Alkoholnoten ist auszumachen.

Geschmack: Als Erstes belegen satte Firnenoten, also Portwein und Sherrykomplexe, die Zunge. Deutlich ist Lakritze zu erschmecken. Direkt danach breitet sich eine deutliche Adstringenz auf der gesamten Zunge aus, es folgen erkennbare Alkoholnoten (aber nicht aufdringlich). Es verbleibt eine gewisse leichte Pelzigkeit. Die sehr schlappe Karbonisierung ist deutlich auszumachen, was sich ja schon im eigentlich fehlenden Schaum angedeutet hat. Die Bittere des Hopfens ist noch vorhanden und geben einen schönen Kontrapunkt zur Vollmundigkeit, die aber im Vergleich zum frischen WV 8 deutlich verloren hat. Die sehr dezente Säure, die sich auch im Geschmack wiederfindet, rundet das Gesamtgeschmacksbild schön ab.

Fazit: Im Vergleich zum frischen WV 8 meint man, ein völlig anderes Bier vor sich zu haben, zudem hat die Komplexität des gealterten WV 8 doch sehr deutlich und rapide abgenommen. Jedoch ist es immer noch ein sehr vielschichtiges Bier, dessen Diacetylkomponenten und Essigsäureethylesternoten völlig verschwunden sind. Insgesamt ein Bier, das man vorzüglich als Aperitiv reichen könnte.
Übrignes kamen zum Schluss einige Bröckchen kompakter Hefeklumpen mit ins Glas, am Boden der Flasche war ein Hefesediment mit Betoncharakter zu erkennen. Mit normalem Schütteln und heißem Wasser nicht zu lösen.

Auf den folgenden Bildern ist der vermutliche Grund des fehlenden Spunds zu erkennen, Bild 1 Rückstände vom Kronkorken am Flaschenmund und im Bild 2 sind kleine Rostspuren am Kronkorken zu erkennen. Die Dichtigkeit wird zwar durch die Beschichtung im Kronkorkendeckel gewährleistet, aber es ist ganz offensichtlch Kohlensäure über den wohl nicht mehr ganz dichten Kronkorken entwichen.
Bild_2_Flaschenhals_WV8_G.JPG
Bild_2_Flaschenhals_WV8_G.JPG (26.04 KiB) 1310 mal betrachtet
Bild_1_KK_WV8_G.JPG
Bild_1_KK_WV8_G.JPG (29.72 KiB) 1310 mal betrachtet
Zum Schluss Bild des Bieres mit Flasche:
Bild_3_Westvleteren_8_Gelagert.JPG
Beste Grüße...hicks...
Michael


Hier mein damaliger Verkostungsbericht des frischen Westvleteren 8:

Verkostung frisches Westvleteren 8
Aussehen: Dunkles, hefetrübes Braun, ein voluminöser Schaum, der sich zwar zurückbildet, aber am Ende recht gut hält.

Geruch: Wow! Extreme und satteste süßliche Malzaromen, dicht verwoben in einem Gespinst von typischen estrigen Trappistenhefearomen und eingebettet in einem merkbaren Hauch von Essigsäureethylester = Calvados. Aber jetzt kommt's: nach einer kleinen Weile kristallisiert sich die sehr charakteristische Diacetylnote heraus! Das ist in der Intensität normalerweise ein Bierfehler (zu einigen Bierstilen gehört ein dezentes Diacetyl dazu, z.B. Böhmische Pilsener), aber hier nicht. Das leicht süßlich-buttrige Aroma ist perfekt eingebunden in den exorbitant komplexen Malz-Hefe-Esterverbund integriert.

Geschmack: Der Geschmack ist wirklich außergewöhnlich, malzig-komplex-süßlich-süffig-herb. Und dann ist da eine Note, die ich erst nicht zuordnen konnte, da der Gaumen anfangs doch ein wenig überfordert ist, diesen ganzen Aromenreigen irgendwie unter einen Hut zu bekommen: Diacetylgeschmack. Aber auch geschmacklich passt sich diese sonst - wie bereits erwähnt - als Fehlaroma bekannte Note grandios in diesen Aromenkomplex ein. Ein kleines Gesamtkunstwerk!

Fazit: Ein Bier, mit dessen unglaublichem Aromenreichtum und Komplexität man erstmal zurecht kommen muss, keine leichte, aber eine durchaus lohnenswerte Aufgabe!
Beste Grüße
Michael

„Lass die anderen mit Fichten- und Tannensprossen würzen, der Hopfen ist das Beste, was die Natur uns bietet.“
Aus "Das Erbe des Bierzauberers" von Günther Thömmes, Gmeiner Verlag
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gulp
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Re: Westvleteren 8, 12 Jahre alt

#2

Beitrag von gulp »

Die Bittere des Hopfens ist noch vorhanden und geben einen schönen Kontrapunkt zur Vollmundigkeit, die aber im Vergleich zum frischen WV 8 deutlich verloren hat.
Servus Michael, Das finde ich am interessantesten an deiner 1a Verkostung. Momentan lese ich ja unter anderem "Patrick Dawsens Vintage Beer", wo es um genau solche Sachen geht. Wie verändert sich das Bier durch Lagerung? Was wird besser durch die Lagerung?, wie braut man das am Besten?, usw. usw. Eine der Aussagen ist dabei, dass ein Teil der Bittere der Alpha-Säure, die während der Lgerung zurück geht von der Beta Säure ausgeglichen wird.
Ich meine 12 Jahre sind ja schon ne Hausnummer, ein vom Alc. Vol.(8 %) vergleichbares IPA würde da nur noch schlapp in der Kurve hängen, falls es überhaupt noch genießbar wäre.

Beim jungen 8er komme ich zu etwas anderen Ergebnissen, aber gut geschmeckt hats mir schon. Weihnachten ist dann das 12er dran.

Gruß
Peter
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