DerDerDasBierBraut hat geschrieben: ↑Mittwoch 31. Januar 2018, 02:27
So, wie versprochen ein paar Daten und persönliche Erfahrungen zu und mit der WSL-17 ...
Die WSL-17 ist eine untergärige Hefe. Sie hat einen Gendefekt, der sich "Maltose-Maltotriose Defekt nennt".
Irgendwer könnte vielleicht fragen hat geschrieben:Was?!?! Ich bekomme kaputte Hefe?
Jain
Die Hefe ist einfach nicht in der Lage Maltose und Maltotriose zu verstoffwechseln. Andere, in der Würze vorkommende, Zuckerarten wie Saccharose, Fructose und Glukose aber schon. Die Hefe ist also nicht ganz kaputt.
.
Durch unser Maischeprogramm können wir die in unserer Würze vorkommenden Zuckerarten anteilmäßig beeinflussen. Maltose und Maltotriose bilden jedoch immer den Löwenanteil, was wiederum bedeutet, dass die WSL-17 nur wenig Extrakt während der Gärung verstoffwechseln kann. Der scheinbare Vergärungsgrad ist sehr niedrig (12-13%), was bedeutet, dass nur etwa 1% der Würze von der WSL-17 verstoffwechselt werden.
Damit eignet sich die WSL-17 hervorragend für alkoholfreie und alkoholarme Biere. Alkoholfrei allerdings „nur“ im Sinne des Gesetzes (Alkoholgehalt < 0,5%vol). Der Restextrakt ist entsprechend hoch.
Eine gute Würzeaufbereitung für ein alkoholfreies Bier könnte etwa so aussehen:
STW: 6,5°P
Einmaischen: 50°C
Eiweißrast: 57°C für 15 Minuten
Verzuckerungsrast: 72°C für 20 Minuten
Abmaischen: 78°C
Die Eiweißrast kann man weglassen und direkt bei 72°C einmaischen. Das spart Zeit und das Bier schmeckt gut. Allerdings ist der Schaum des fertigen Bieres grobporig und wenig stabil. Hinzukommt, dass der zusammenfallende Schaum im Glas eine gräuliche unansehnliche "Schmiere" hinterlässt. Schön sieht es nicht aus.
Die Hefe hinterlässt in unserem Beispiel nach der Gärung bei einem EVG von 12% einen Restextrakt von 5,8 %mas und 0,4%vol Alkohol. Das ist unfassbar süß und schmeckt nach roher abgekühlter Würze!
Hier kommen der Hopfen und die Schüttung ins Spiel.
Für ein von der Bittere her gesehen pilsähnliches Bier muss man den verbleibenden 5,8 %mas etwa 50-60 IBU entgegensetzen. Einer Würze für ein alkoholfreies Weizen setzt man etwa 27 IBU entgegen. Man kann die Biere stopfen, um den fehlenden Alkoholanteil im Körper des Bieres durch den "sensorischen Effekt" einiger Hopfenbestandteile etwas auszugleichen. Auch ohne Stopfhopfen kann man durch großzügige Hopfengaben im Wirlpool nette alkoholfreie Biere zaubern, jedoch flocken die viele Bestandteile des Hopfens im Wirlpool mit aus und tragen nicht mehr zum Körper des Bieres bei.
Den "Rohwürzegeschmack" gilt es so gut es geht im fertigen Bier zu eliminieren. Der Hopfen trägt durch seine Bitterstoffe das meiste dazu bei, aber auch die Schüttung kann dabei helfen. Cara ist kontraproduktiv, weil das Bier definitiv süß genug ist. Viel PiMa oder Pale Ale Malz haben mir persönlich auch nicht so gefallen. Röstmalze und Melanoidinmalz können je nach Stil gut unterstützen.
Meine favorisierte Schüttung für ein märzenähnliches Alkoholfreies ist 50% PiMa, 40% MüMa hell und 10% Mela. Für den Schaum kann man ein paar Prozent des PiMa durch Spitzmalz oder Weizenmalz ersetzen.
Und die Gärführung? Untergärig ist kompliziert ... :-|
Einfach bei 18-20 °C anstellen und 5-7 Tage bei dieser Temperatur durchgären lassen. Die WSL-17 ist zwar eine untergärige Hefe, aber sie kann kaum etwas in unserer Anstellwürze verstoffwechseln. Die „Fehlaromen“ in dem einen Prozent vergorener Würze sind definitiv nicht wahrnehmbar. Sie tragen im Gegenteil sogar etwas dazu bei, um den Rohwürzegeschmack im fertigen Bier etwas zu eliminieren.
Nun ist das Jungbier ausgegoren. Wie erfolgt die Karbonisierung?
Optimal ist die Zwangskarbonisierung im Keg. Eine Karbonisierung durch Flaschengärung mit Kristallzucker ist ebenfalls möglich. Hierbei ist aber zu beachten, dass durch den Zucker rund 0,5%vol Alkohol zusätzlich entstehen, der unser alkoholfreies Bier in ein alkoholarmes Bier verwandelt.
Kann bzw. muss man das Bier pasteurisieren? Was ist sonst noch zu beachten?
Persönliche Meinung - man sollte es zumindest mal mit einem Teil des Bieres versuchen.
Der Hintergrund ist, dass unser Alkoholfreies knapp 6%mas vergärbaren Extrakt enthält, den die WSL-17 zwar nicht vergärt, der aber für jeden anderen "Schädling" eine willkommene Mahlzeit ist. Ein alkoholfreies Lager ist vielleicht mit 5,5g/l CO2 karbonisiert und ein Weizen mit 7g/l. Vergärt nun eine eingeschleppte Fremdhefe oder ein Bierschädling im geschlossenen Gebinde den restlichen vorhandenen Extrakt, dann wird es schnell eng mit dem Druck. Etwa 3g/l könnten hinzukommen, was besonders beim Verwenden von Flaschen kritisch werden kann. Abgesehen vom Druck wird das Bier durch eine Kontamination nahezu untrinkbar, weil massenweise Hopfen gegen vielleicht 1-2 %mas Restextrakt wirken. Das wird bitter. :-)
Möchte man nicht pasteurisieren (fehlendes Equipment, schlechte Erfahrungen), dann sollte man tunlichst alles daransetzen, um bei einem alkoholfreien Bier ganz besonders pingelig für eine gute Desinfektion an allen Stellen zu sorgen. Viel hilft hier viel, doppelt hilft besser.
Lange Rede, kurzer Sinn.
Schnell noch ein paar Worte zum Starter.
Ihr bekommt einen 40ml Starter mit top fitter WSL-17 von der Hefebank. Dieser ist dafür vorgesehen, ihn in 1:10 Schritten auf Anstellmenge zu propagieren. Eure Starterwürze muss einen Anteil Kristallzucker enthalten, damit die WSL-17 ausreichend Nährstoffe im Starter findet. Gut bewährt hat sich bei mir eine Starterwürze mit 12°P, jeweils 6°P aus Kristallzucker und 6°P aus Malzextrakt. Etwas Hefenahrung ist empfehlenswert, vor allem, damit beim Propagieren kein Zinkmangel entsteht. Im Optimalfall wird die Hefe auf einem Magnetrührer propagiert, der etwa für die ersten 2 Stunden jedes Propagationsschrittes stark aufgedreht wird (der Luftstrudel soll den Rührfisch gerade so erreichen). Nach den ersten 2 Stunden wird die Geschwindigkeit reduziert. Die Würze soll dann nur noch in Bewegung sein, damit das CO2 besser ausgetrieben wird.
Alle 24 Stunden folgt der nächste Propagationsschritt bis hin zur Anstellmenge.
Der fertig propagierte Starter enthält Alkohol. Dieser ist natürlich im alkoholfreien Bier unerwünscht. :-)
Daher empfiehlt es sich hier, die "Sünde oder Segen Frage" - Dekantieren oder nicht Dekantieren - für das Dekantieren zu entscheiden. Stellt den Starter 1-2 Tage kühl (1-5°C), damit die WSL-17 sedimentiert. Den Überstand vor dem Anstellen vorsichtig abgießen und anschließend pitchen.
Und der Mutations-Mythos? Lernt die Hefe beim Weiterführen irgendwann Maltose bzw. Maltotriose zu vergären?
Nein, das lernt sie nicht. Wir Menschen können uns kein neues Organ wachsen lassen, um z.B. Stahlträger zu verdauen. Das wäre zu komplex für Mutter Natur. Genauso ist es bei der Hefe. Das Genom der WSL-17 hat keinen Bauplan für ein "Organ", das Maltose und Maltotriose verstoffwechseln könnte. Also kann sie sich auch keins wachsen lassen.
Falls das Bier weiter gärt als die WSL-17 es könnte, dann hat euer Jungbier ganz sicher eine Kontamination mit Fremdhefen oder Bierschädlingen.
Datenblatt:
Spezi WSL 17_2017engl.pdf
Edit: Typos / Lesbarkeit