Sauerbier - Säuerung

Fragen und Diskussion rund um Rezepturen zum Bierbrauen
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AxelS
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Sauerbier - Säuerung

#1

Beitrag von AxelS »

Hallo :Greets ,
Ich möchte ein erfrischendes Sauerbier in Richtung Berliner Weisse brauen, mit Kirschen gestopft, also ein Berliner Sour Kriek.
Mir ist das mit der Säuerung noch nicht ganz klar. Mein Plan wäre, nach dem Würzekochen auf 30°C abzukühlen und für 24h Lactobacillus zuzugeben, die ich dann beim "Hopfenkochen" abtöte. Dann stelle ich mit WLP 644 an und vergäre ganz normal.
Das ist die Anfängervariante, ich weiss.
Meine Fragen: Würde ich mit einer Mischhefe (Lacto + Sacch) arbeiten, woher wissen die Lactos, wann das Bier sauer genug ist? Kann ich den Säuregrad steuern? Muss ich das überhaupt, oder stellt sich die "angenehme" Säure automatisch ein?

Mit Brettanomyces möchte ich noch nicht arbeiten, das kommt dann später...

:Drink
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Seed7
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Re: Sauerbier - Säuerung

#2

Beitrag von Seed7 »

Die lactogaerung stoppt bei einem gewissen pH oder saueregrad da es fuer die lactos selber zu sauer wird. Wann genau haengt von der pufferungscapazitaet der wuerze ab und vom lacto stamm. Eine pure lacto cultur bringt die staerke der wuerze nur 1-3 plato runter, mehr nicht. Leider sind die meisten kulturen mit Sacch. kontaminiert.

ingo
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AxelS
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Re: Sauerbier - Säuerung

#3

Beitrag von AxelS »

Danke für die schnelle Antwort! Es ist also für die Intensität der Säure egal, ob ich getrennt anstelle oder gemeinsam mit Sacch? Die WLP 630 (Berliner Weisse) hat diese Mischung. Hätte es Nachteile, wenn ich die Mischung verwende gegenüber dem Verfahren nacheinander?
Für mich ist im Moment ein relativ rasches Ergebnis bei akzeptablem Geschmack wichtig (Milchsäure zusetzen fällt aber aus!). Im Herbst würde ich dann tiefer einsteigen wollen und gründlicher arbeiten und mehr Reifezeit investieren.
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Re: Sauerbier - Säuerung

#4

Beitrag von tbln »

AxelS
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Re: Sauerbier - Säuerung

#5

Beitrag von AxelS »

tbln hat geschrieben: Donnerstag 6. Juni 2019, 09:09 https://hobbybrauer.de/forum/viewtopic. ... 58#p332958
Hatte ich bereits gelesen, danke. Ich kippe keine Milch (-produkte) in mein Bier, RHG hin oder her. 80%ig Milchsäure kommt für mich ebenfalls nicht in Frage. Whitelabs hat alles, was ich brauche; es fragt sich nur, was und in welcher Kombination...
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Re: Sauerbier - Säuerung

#6

Beitrag von tbln »

AxelS hat geschrieben: Donnerstag 6. Juni 2019, 10:24
tbln hat geschrieben: Donnerstag 6. Juni 2019, 09:09 https://hobbybrauer.de/forum/viewtopic. ... 58#p332958
Hatte ich bereits gelesen, danke. Ich kippe keine Milch (-produkte) in mein Bier, RHG hin oder her. 80%ig Milchsäure kommt für mich ebenfalls nicht in Frage. Whitelabs hat alles, was ich brauche; es fragt sich nur, was und in welcher Kombination...
Was hat das mit dem RHG zu tun? Du kannst auch einen Starter machen, dann ist jedweder Anteil von einem Milchprodukt im homöopathischen Bereich. Die Kapseln von Swanson sind auch kein Milchprodukt (sondern mit Trockenhefe vergleichbar). Den Lactos ist es relativ egal, ob sie in der Kapsel, dem Brottrunk, dem Joghurt oder im Beutel daherkommen.
Bzgl. Kesselsäuerung oder Mischgärung, schau dir dann am besten einmal das Wyeast Video an, das ich verlinkt hatte. Die haben verschiedene Szenarien getestet.

ps RHG und Kirschen geht natürlich auch nicht oder wie löst du das Problem? :Wink
Zuletzt geändert von tbln am Donnerstag 6. Juni 2019, 10:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Ladeberger
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Re: Sauerbier - Säuerung

#7

Beitrag von Ladeberger »

AxelS hat geschrieben: Donnerstag 6. Juni 2019, 10:24 Whitelabs hat alles, was ich brauche; es fragt sich nur, was und in welcher Kombination...
Eine Mischkultur erlaubt eben keine abgestufte Temperaturführung. Gerade wenn es schnell gehen soll, würde ich die Lactos bei > 30 °C (je nach Empfehlungen für den jeweiligen Stamm) anstellen und erst nach Erreichen der gewünschten Säuerung und Abkühlung mit Hefe anstellen. Ob vor oder nach dem Würzekochen ist in Hinsicht auf die Produktionszeit erstmal unerheblich.

Gruß
Andy
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Re: Sauerbier - Säuerung

#8

Beitrag von AxelS »

tbln hat geschrieben: Donnerstag 6. Juni 2019, 10:43 Den Lactos ist es relativ egal, ob sie in der Kapsel, dem Brottrunk, dem Joghurt oder im Beutel daherkommen.
Denen nicht, aber mir. Brottrunk oder Joghurt möchte ich nicht in meinem Bier haben.
tbln hat geschrieben: Donnerstag 6. Juni 2019, 10:43 ps RHG und Kirschen geht natürlich auch nicht oder wie löst du das Problem? :Wink
Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Das RHG ist mir egal, da das Bier nur für den eigenen Konsum gedacht ist. Ich scheue nicht davor zurück, Orangenschalen, Vanilleschote, Coldbrew-Kaffee oder Irisch Moss in mein Bier zu geben, aber Joghurt oder 80%ige Milchsäure möchte ich halt nicht. Mir ist klar, dass ich mit meinen einfachen Mitteln nicht an die original Berliner Weisse oder ein echtes Lambic heranreichen werde, aber ich habe meine Prinzipien :Angel .
Ladeberger hat geschrieben: Donnerstag 6. Juni 2019, 10:52 Gerade wenn es schnell gehen soll, würde ich die Lactos bei > 30 °C (je nach Empfehlungen für den jeweiligen Stamm) anstellen und erst nach Erreichen der gewünschten Säuerung und Abkühlung mit Hefe anstellen. Ob vor oder nach dem Würzekochen ist in Hinsicht auf die Produktionszeit erstmal unerheblich.
Das ist doch mal 'ne Aussage! Danke! So war das auch geplant: 30-35°C für die Lactos, 25°C für die Sacch. Damit probier ich es einmal!

Danke an alle!
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Re: Sauerbier - Säuerung

#9

Beitrag von flying »

Wenn Du für 24 h mit einer Mischkultur ansäuerst, kann es passieren das die wesentlich schnellere Hefe den Sud nahezu durchzieht. Du kochst dann Bier und keine angesäuerte Würze.
Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Das RHG ist mir egal, da das Bier nur für den eigenen Konsum gedacht ist. Ich scheue nicht davor zurück, Orangenschalen, Vanilleschote, Coldbrew-Kaffee oder Irisch Moss in mein Bier zu geben, aber Joghurt oder 80%ige Milchsäure möchte ich halt nicht. Mir ist klar, dass ich mit meinen einfachen Mitteln nicht an die original Berliner Weisse oder ein echtes Lambic heranreichen werde, aber ich habe meine Prinzipien :Angel .
In Berliner Weisse werkelt stiltypisch ein gemeingefährlicher Lactobacillus namens Brevis. Auch bekannt als einer der größten Bierschädlinge überhaupt. Er ist halt heterofermentativ und macht u. U. viele Nebengeschmäcker. Außerdem ist er ziemlich hopfentolerant. Für die Berliner Weisse ist er typisch, weil er in der Lage ist säurestabile Proteasen zu bilden die eine ungekochte BW nach langer Lagerung glasklar werden zu lassen. Das kann Dir aber egal sein, da Du ihn ja durch abkochen wieder killen willst.
Ein als Joghurtkultur verkaufter reiner Plantarum oder Acidophilus ist dagegen reintönig und macht fast nichts außer Milchsäure. Lactos aus dieser Kategorie werden auch von Profibrauereien für Sauergut eingesetzt. Den Brevis meiden sie meistens wie die Pest.

Gegen Prinzipien ist absolut nichts einzuwenden. Ich hab auch meine. Z. B. kein Bier vor vier oder das alkoholfreies Bier eine satanistische Verschwörung von außerirdischen Invasoren ist...deshalb, lets rock :Drink
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Re: Sauerbier - Säuerung

#10

Beitrag von AxelS »

flying hat geschrieben: Donnerstag 6. Juni 2019, 16:19 In Berliner Weisse werkelt stiltypisch ein gemeingefährlicher Lactobacillus namens Brevis. Auch bekannt als einer der größten Bierschädlinge überhaupt. Er ist halt heterofermentativ und macht u. U. viele Nebengeschmäcker. Außerdem ist er ziemlich hopfentolerant. Für die Berliner Weisse ist er typisch, weil er in der Lage ist säurestabile Proteasen zu bilden die eine ungekochte BW nach langer Lagerung glasklar werden zu lassen.
Das habe ich jetzt nicht verstanden. Brevis (WLP672) ist ein Bierschädling, den man vermutlich nieee wieder los wird. Aber für eine echte Berliner Weisse ist er unabdingbar. Stimmt das so? Ich als Berliner würde natürlich liebend gern die original Berliner Weisse brauen, bzw. so nah wie möglich ans Original kommen, aber a) bin ich noch Anfänger mit meinen 60 Suden, und b) habe ich einen Höllenrespekt vor Brevis, Brett und den anderen Genossen, die allesamt mit eigenem Equipment, in gesonderten Räumen, am besten in einer anderen Stadt vergoren werden sollten, damit zukünftige Sude nicht infiziert werden. Ich würde mich schon als Sauerbier-Fan outen, aber mir absichtlich und wissentlich Schädlinge ins Sudhaus (meine Küche) zu holen, wäre mir den Preis nicht wert. :crying
Vielleicht gibt es ja doch einen Mittelweg? Getrennt Säuerung und Vergärung mit nicht ganz so aggressiven Zeitgenossen? Oder doch der "Berliner-Weisse"-Blend von Whitelabs? Es ist zum Heulen! Wäre ich bloss in Bayern geboren, oder wenigstens in Düsseldorf...
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Re: Sauerbier - Säuerung

#11

Beitrag von flying »

Brevis (WLP672) ist ein Bierschädling, den man vermutlich nieee wieder los wird. Aber für eine echte Berliner Weisse ist er unabdingbar. Stimmt das so?
Nieee würde ich jetzt nicht sagen aber er ist schon ein harter Bursche. Hat sich eben an das brauereispezifische Milieu angepasst und kommt auch im Malz vor!

Kesselsauer, also das was Du machen möchtest ist allerdings auch nicht typisch für eine klassische BW und erzeugt nie den richtigen Geschmack. Es gibt zwar ein über hundert Jahre altes Verfahren (Säuerung nach Francke) was sich aber nie richtig durchgesetzt hat.

Einfacher ist es für Kesselsauer einen homofermentativen Lacto wie Amolyticus, Amylovorus, Acidophilus- oder Delbrückii zu verwenden, wie das Profibrauereien für ihr Sauergut auch machen. Die sind ungefährlicher weil meistens sehr hopfenintolerant und der Hefe hoffnungslos unterlegen. Aber denke an Deine Prinzipien..! :Angel

Wenn Du eine echte Berliner Weisse machen möchtest musst Du dich auf einen dunklen Pfad begeben. Das ist kein Kindergeburtstag.. :Drink
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Re: Sauerbier - Säuerung

#12

Beitrag von Unbewegter Beweger »

Hallo René,
ich habe die Dissertation von Methner gelesen und meine mich an das Fazit zu erinnern, dass der Beitrag der Lactos in Berliner Weiße nur die Säuerung ist. Alle stiltypischen Ester kommen dann von der Mischgärung mit Saccharomyces und Brettanomyces. Damit wäre es geschmacklich egal, ob man eine Kettle-Sauer-Weiße herstellt (mit anschließender oben genannter Mischgärung) oder eine Mischgärung mit zusätzlich Lactos.
Mir ist klar, dass Brevis heterofermentativ sind, hätte aber nicht gedacht, dass da noch richtig viele Geschmackskomponenten beigesteuert werden. Weißt du zufällig, was da noch so produziert wird außer Milchsäure, Ethanol und Essigsäure (die man ja in einer Weißen eher nicht will)?
Liebe Grüße, Sven
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flying
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Re: Sauerbier - Säuerung

#13

Beitrag von flying »

Hi Sven,

ich weiß gar nicht was ich auf Deine Frage antworten soll? Der typische Geschmack der "alten" BW kommt von mindenstens drei, vermutlich mehr, verschiedenen Kulturen. Welche jetzt den entscheidenden Einfluss hatte ist fraglich da alle zu Gärungsnebenprodukten neigen. Hinzu kommt, dass gerade Chemiecocktails dazu neigen völlig neue Geschmackseindrücke zu hinterlassen? Man redet immer von Leitsubstanzen. Wenn dann noch Brett. mit den ganzen "Phenolic Skills" ins Spiel kommt wird es kompliziert..?

m.f.g
René
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Re: Sauerbier - Säuerung

#14

Beitrag von Seed7 »

L.brevis + Sacch koennen eine cooperation angehen wobei L. amylase enzyme liefert die zucker knack die Sacch. mag. Sacch haelt einigermasse die sauere in balance damit L. laenger mit macht. Dies ist eine vermutung die noch nicht 100% sicher bestaetigd ist. Aehnlich geschieht im sauerbroteig, da ist es L sanfrancisco die das zusammen mit Sacch. kann.
Zu Sacch, es solle eine sauere toleranter stamm sein, einer der POF- ist also 'keine' phenole macht, und tief ausgaert (K97, W34-70, kveik).
Brett baut dann im nachhinein alles um, esterifiziert alles, da es wenige phenolische komponenten gibt wirdt es keine pferdedecke wie bei Orval geben sondern das ganze wird leicht fruchtiger, mehr wie wein als wie Lambiek oder Geuze.
Also, richtig gemacht, gemischte gaerung, alle drei (4, Pedio) die viecher rein und kuehl gaeren 18C.
Mit eine gute, gezielte reinigung und desinfektion sind auch L.brevis und Brett kein problem.
Alle die hohen temperaturen sind nicht notwendig, es sauert ohnehin, alles nur fuer die die immer in eile sind. Wer ein schnelle 'Weisse' machen will nimmt L.brevis und einen Kveik und stellt es bei 36C ann, das warten auf Brett dauert dan aber doch noch wieder ein halbes jahr.


Ingo
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Re: Sauerbier - Säuerung

#15

Beitrag von Unbewegter Beweger »

Hallo René,
was du über Chemie-Cocktails und Weitereaktion der Nebenprodukte schreibst, ist mir schon klar. Mir war neu, dass L. Brevis außer Ethanol, Essigsäure und CO2 noch weitere Gärnebenprodukte absondert. Mit den von mir genannten hätte man ja der Würze außer Essigsäure nichts neues hinzugefügt, was z. B. Brett weiter verarbeiten könnte.
Darum habe ich gefragt, ob du weitere Nebenprodukte kennst - einfach interessehalber.
Liebe Grüße, Sven
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Re: Sauerbier - Säuerung

#16

Beitrag von tbln »

Unbewegter Beweger hat geschrieben: Freitag 7. Juni 2019, 11:17 Darum habe ich gefragt, ob du weitere Nebenprodukte kennst - einfach interessehalber.
Abschlußarbeit von Sorelle Nsogning an der TUM: Geschmacksanpassung malzbasierter milchsaurer Getränke durch fortgeschrittene Fermentationstechniken
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Re: Sauerbier - Säuerung

#17

Beitrag von Unbewegter Beweger »

...na da hab ich ja was zu lesen.
Danke und Gruß,
Sven
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Seed7
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Re: Sauerbier - Säuerung

#18

Beitrag von Seed7 »

Ah, schoen, das hatte sich noch nicht in meiner bibliothek geschlichen.

Gleich auf seite 2, zusammenfassung:
"Durch eine Kombination aus Fed-Batch und der Reduzierung der Fermentationstemperatur von 28 °C auf 18 °C konnte eine
längere Fermentationsdauer von bis zu zehn Tagen erzielt werden. Dies trug zu einer Verbesserung der Aromabildung, vor allem der Ester, bei gleichzeitiger Reduzierung der Milchsäureproduktion, bei."
Ingo
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Re: Sauerbier - Säuerung

#19

Beitrag von Unbewegter Beweger »

...auch gleich bei „Milk the Funk“ weiter gereicht 😉
So geht soziales Netzwerk 👍
Liebe Grüße, Sven
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Kurt
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Re: Sauerbier - Säuerung

#20

Beitrag von Kurt »

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Re: Sauerbier - Säuerung

#21

Beitrag von Seed7 »

Seed7 hat geschrieben: Freitag 7. Juni 2019, 08:02 L.brevis + Sacch koennen eine cooperation angehen wobei L. amylase enzyme liefert die zucker knack die Sacch. mag. Sacch haelt einigermasse die sauere in balance damit L. laenger mit macht. Dies ist eine vermutung die noch nicht 100% sicher bestaetigd ist. Aehnlich geschieht im sauerbroteig, da ist es L sanfrancisco die das zusammen mit Sacch. kann.
Da muss ich mich selber korrigieren, am besten mit lesefutter: http://www.nyx.net/~dgreenw/whatisthemi ... ofsan.html Ist zwar auch eine zusammenfassung, kan aber die originale quelle im moment nicht finden.

EDIT: und uach die gefunden
Microorganisms of the San Francisco Sour Dough Bread Process (pdf)

The sourdough microflora: biodiversity and metabolic interactions

Im letzten: "L. anfranciscensis (previously named L.sanfrancisco or L.brevis subsp.lindneri) was first reported in the SanFrancisco sourdough French bread process to be responsible for acid production (Kline & Sugihara, 1971)"

ingo
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Re: Sauerbier - Säuerung

#22

Beitrag von AxelS »

Vielen Dank Euch allen! Das scheint ein hochkomplexes Thema zu sein! Wie komplex, ist mir Gestern klar geworden, als ich drei "Berliner Weiße" miteinander verglichen habe. 1) Berliner Kindl-Weiße, 2) Stone Berliner Weiße und 3) Brauhaus Lemke Budiker Weiße. Welten! Auf einer Skala von 1 (sauergewordenes Helles) bis 10 (das vermutete Originalrezept mit den Originalzutaten) liegt die Kindl bei 2+, Stone bekommt eine 4 und Lemke eine 6. Ich wäre froh, wenn mein erster Versuch eine 4+ bekommen würde.
Ich probiere die Whitelabs 630, 66% PiMa hell und 33% Weizen, Maischen wie MMuM, ein bisschen Magnum und eine Gärung bei 26-28°C. Wenn das klappt, dann steige ich tiefer ein und "opfere" separate Utensilien, um mit Lacto und Brett zu probieren.
Ich berichte!
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Axel
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Re: Sauerbier - Säuerung

#23

Beitrag von tbln »

Seed7 hat geschrieben: Freitag 7. Juni 2019, 16:46 Ah, schoen, das hatte sich noch nicht in meiner bibliothek geschlichen.
Schön, dass man etwas an die verdienten "Altmitglieder" zurückgeben kann! ;) "Lifestyle of beer spoiling lactic acid bacteria" ist bspw. eine weitere gute Quelle für Informationen bzgl. Hopfentoleranz von Lactobacillus und Pediococcus -> weitere Abschlussarbeiten der TUM
AxelS hat geschrieben: Samstag 8. Juni 2019, 09:17 1) Berliner Kindl-Weiße, 2) Stone Berliner Weiße und 3) Brauhaus Lemke Budiker Weiße.
Drei völlig unterschiedlich produzierte Weißbiere, wobei ich Stone echt ausklammern würde. Wie Kindle produziert, ist beim braumagazin nachzulesen. Lemke produziert die Weiße, soweit ich weiss, durch Mischgärung und Brett im Nachgang. Mir hat von den Lemke Weißen die Berliner Eiche am besten gefallen bisher.

Stone produziert nach Francke Methode also ein reines Kesselsauer und kocht dann ab (Säuerung mit einer Reinkultur). Außerdem viel zu viel Hopfen. Das Bier ist definitiv keine traditionelle Berliner Weiße. Wer Kesselsauer braut, sollte es dann auch als solches bezeichnen.
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Re: Sauerbier - Säuerung

#24

Beitrag von AxelS »

So, mein erster Versuch ist durch und in der Nachgärung. Ich habe vor ein paar Tagen eine Testflasche mit Zucker karbonisiert. Schaum gab es zwar keinen (war zu erwarten nach der kurzen Nachgärung), aber eine Ahnung vom Geschmack mit Kohlensäure. Klasse, wenn auch noch nicht so sauer, wie ich es gern hätte. Benutzt habe ich die "Berliner Weisse"-Mischung (Sacch. und Lacto). Nach der stürmischen Gärung habe ich dann Brett. brevis zugegeben, sowie 100ml Kirschpüree pro Liter. Die nächste Weisse wird aber definitiv ohne Frucht gebraut. Bin echt angefixt!
In welcher Reihenfolge gebe ich Sacch., Lacto. und Brett. zur Würze? Bei 30°C Lacto., am nächsten Tag Sacch. und vor dem Abfüllen Brett., oder erst Sacch., dann am nächsten Tag Lacto.? Wer braucht den Vorsprung, Lacto. oder Sacch.? Eine getrennte Vergärung zur Steuerung der Säuerung möchte ich zur Zeit noch nicht, weil ich das (im Moment noch?) als nicht stilecht empfinde. Mir wäre ein "zufälliges" Ergebnis lieber...

:Drink
Axel

PS: Ich habe "Die Berliner Weiße" von Annemüller/Manger/Lietz gelesen und begebe mich jetzt auf den dunklen Pfad zur "echten" Weiße ... :Wink
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Re: Sauerbier - Säuerung

#25

Beitrag von Bieryllium »

Guten Morgen,

Lies hier:
https://hobbybrauer.de/forum/viewtopic.php?f=17&t=10412
Die Kommentare haben mir geholfen. Ich habe dann für mich beschlossen alles (WLP Brett. Claus. & WLP Lacto. Brevis & Safale US-05) gleichzeitig und im selben Gefäß gären zu lassen. Wenn ich nach HG Hefen und Bakterien Ernte um die wiederzuverwenden kann ich ja sowieso nicht mehr teilen. Den Grad der Säure steuert man angeblich über die HG-Temperatur (16°C für wenig Säure bis ??). Ich kann leider nicht mit kontrollierter Gärung aufwarten. Bei mir hatte die Umgebung 21°C bei Beginn bis 24°C vorgestern (Dank der Hitzewelle hat mein Keller jetzt normale Raumtemperatur). Das Jungbier schmeckt nach etwa 12 Tagen schon mal ordentlich sauer und hat dieses als wild beschriebene typische Brettanomyces Aroma (riecht und schmeckt wie die Brett. frisch aus dem petling). Ich bin genauso gespannt wie du wie sich die Kultur über die Zeit entwickeln wird.
Grüße aus Nürnberg!

Euer Christopher
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Re: Sauerbier - Säuerung

#26

Beitrag von AxelS »

Bieryllium hat geschrieben: Sonntag 30. Juni 2019, 08:34 Ich habe dann für mich beschlossen alles (WLP Brett. Claus. & WLP Lacto. Brevis & Safale US-05) gleichzeitig und im selben Gefäß gären zu lassen. Wenn ich nach HG Hefen und Bakterien Ernte um die wiederzuverwenden kann ich ja sowieso nicht mehr teilen.
Ein zweischneidiges Schwert! Einerseits wird empfohlen, jedes mal frische Komponenten zu verwenden, da sich die Mischung aus Lacto, Sacch und Brett nicht stabil konservieren lässt. Andererseits wird sich so nie die typische "Haushefe" bilden können, die die Berliner Weißebrauereien unterscheidbar machte.
Für eine eigene Haushefe braue ich nicht kontinuierlich genug, wie das in den Brauereien üblich war (Hochkräuse ernten und sofort neu ansetzen, mit Jungbier verschneiden). Ich würde daher eher Whitelabs-Röhrchen bevorraten.
Berliner Weiße ist ein total spannendes Thema, vor allem jetzt im Hochsommer! Da ich meine Gärung auch nur bedingt steuern kann ist es toll, ein Bier zu haben, dass sich bei 30°C Gärtemperatur wohl fühlt...

:Drink
Axel
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Re: Sauerbier - Säuerung

#27

Beitrag von Bieryllium »

AxelS hat geschrieben: Sonntag 30. Juni 2019, 10:23
1.: Einerseits wird empfohlen, jedes mal frische Komponenten zu verwenden, da sich die Mischung aus Lacto, Sacch und Brett nicht stabil konservieren lässt.
2.: Andererseits wird sich so nie die typische "Haushefe" bilden können, die die Berliner Weißebrauereien unterscheidbar machte.
3.: Für eine eigene Haushefe braue ich nicht kontinuierlich genug, wie das in den Brauereien üblich war (Hochkräuse ernten und sofort neu ansetzen, mit Jungbier verschneiden).
4.: Da ich meine Gärung auch nur bedingt steuern kann ist es toll, ein Bier zu haben, dass sich bei 30°C Gärtemperatur wohl fühlt...
1.: Da haben selbst Profis ihre Probleme, das stimmt. Aber mein Anspruch ist auch nicht exakt Die eine Weisse zu brauen.

2.,3.:Wenn mir die zweite oder dritte Führung (mit Startern) nicht schmecken sollte verwerfe ich es einfach und fange noch mal an.
Vielleicht stellt sich aber ein gut schmeckendes Gleichgewicht an Mikroben ein. Wer weiß das schon wenn er/sie es nicht ausprobiert hat.

Noch eine Anmerkung: Als Produzent von Hefen etc. würde ich auch empfehlen immer neue Packs zu kaufen. Alles andere schädigt mein Geschäft.

4.: Lies mal die Threads zu Kveik Bieren. Das könnte was für deine Gegebenheiten sein.

Ich drück die Daumen, dass dein Bier lecker wird :Drink
Grüße aus Nürnberg!

Euer Christopher
AxelS
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Re: Sauerbier - Säuerung

#28

Beitrag von AxelS »

Bieryllium hat geschrieben: Sonntag 30. Juni 2019, 11:26 Ich drück die Daumen, dass dein Bier lecker wird :Drink
Danke, da bin ich zuversichtlich! :Smile

Ich habe mir überlegt, ob es nicht sinnvoll wäre, Brau- und Abfülltage zeitnah zusammen zu legen. Die Idee wäre, nicht den kompletten Gäreimer abzufüllen, sondern nur ¾. Auf das verbliebene Viertel gebe ich dann die neue Würze.
Ich würde mir davon versprechen, dass sich nach mehreren Suden ein mikrobiologisches Gleichgewicht einstellt, ich aber nicht Gefahr laufe, dass meine "Hausmischung" konterminiert wird.
Historisch wäre das nahe am Original, denn dort wurde Jungbier zur Würze gegeben (also genau umgekehrt).
Immerhin schlagen die frischen Komponenten mit 25,-€ pro Sud jedes mal ein ziemliches Loch in die Hobbykasse. Das spart man nur bedingt durch die niedrige Stammwürze und die homöopatischen Hopfengaben wieder ein. :Wink

:Drink
Axel

Edith kennt den Unterschied zwischen Jungbier und Würze
Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgend jemand ein wenig schlechter machen kann und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Menschen.
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seriously
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Re: Sauerbier - Säuerung

#29

Beitrag von seriously »

AxelS hat geschrieben: Sonntag 30. Juni 2019, 11:40 Ich habe mir überlegt, ob es nicht sinnvoll wäre, Brau- und Abfülltage zeitnah zusammen zu legen. Die Idee wäre, nicht den kompletten Gäreimer abzufüllen, sondern nur ¾. Auf das verbliebene Viertel gebe ich dann die neue Würze.
Dafür gibt's sogar schon einen Namen: http://www.milkthefunk.com/wiki/Solera
Dabei geht es zwar prinzipiell um das Aging (also Blending von älteren und frischeren Suden), das Prinzip ist aber das gleiche.
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Re: Sauerbier - Säuerung

#30

Beitrag von AxelS »

Genau das meine ich! Bei der Weisse hat es wohl noch den zusätzlichen Vorteil, dass die Bildung von Buttersäure und anderen Fehlaromen verhindert wird.
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Re: Sauerbier - Säuerung

#31

Beitrag von tbln »

Du sammelst so viel zu viel tote (autolysierte) Hefe im Bodensatz an. Geschmacklich wird sich das negativ bemerkbar machen.

Irgendwo habe ich gelesen, das sich die Zugabe von altem Bier bei der Berliner Weisse Bereitung auf die Nachgärung (mit Brett) bezog. Also primäre Gärung mit Sacc/Lacto und dann Verschneiden mit 5-10% alter Weisse zur Nachgärung. Sacc kannst du ernten (am besten Oberhefe).
"Hauskulturen" gab es wahrscheinlich nicht bei Berliner Weißbierbrauerein. Es ist zumindest für das 18. und 19. Jahrhundert überliefert, dass die meisten Brauerein für Weißbier Hefe aus Cottbus nutzten, die extra in Kannen nach Berlin gebracht wurde.
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Re: Sauerbier - Säuerung

#32

Beitrag von der_ak »

tbln hat geschrieben: Montag 1. Juli 2019, 13:20 "Hauskulturen" gab es wahrscheinlich nicht bei Berliner Weißbierbrauerein. Es ist zumindest für das 18. und 19. Jahrhundert überliefert, dass die meisten Brauerein für Weißbier Hefe aus Cottbus nutzten, die extra in Kannen nach Berlin gebracht wurde.
Im 18. Jahrhundert und Anfang des 19. Jahrhundert wurde Hefe aus Cottbus eingeführt, und zu einem gewissen Grad repitched, und zwar mit Hefe, die die Brauer von den Bierverlegern zurückkaufen mussten. Der Grund der regelmäßigen Auffrischung war tatsächlich, dass das Verhältnis Saach:Lacto:Brett nicht stabil war, und nach mehreren Generationen zu stark gesäuert hat.

Aber: Schönfeld schätzte, dass sich die Weißbierhefe ca. 1830 bis 1840 stabilisierte, und von den Brauern nicht mehr eingekauft und erneuert wurde. Der Grund für diese Stabilisierung ist unbekannt, und nachdem keine ursprünglichen Weißbierhefen (also Mischkulturen) mehr erhalten sind, lässt sich das auch nicht mehr nachvollziehen.
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Re: Sauerbier - Säuerung

#33

Beitrag von AxelS »

tbln hat geschrieben: Montag 1. Juli 2019, 13:20 Du sammelst so viel zu viel tote (autolysierte) Hefe im Bodensatz an. Geschmacklich wird sich das negativ bemerkbar machen.

Irgendwo habe ich gelesen, das sich die Zugabe von altem Bier bei der Berliner Weisse Bereitung auf die Nachgärung (mit Brett) bezog. Also primäre Gärung mit Sacc/Lacto und dann Verschneiden mit 5-10% alter Weisse zur Nachgärung. Sacc kannst du ernten (am besten Oberhefe).
Ich zitiere mal aus genanntem Buch: Braumeister Kompert setzte in der Abteilung Monopol (Anm.: von Schultheiss) aus alter Tradition immer ein Quantum alter ausgereifter Weiße aus einem Holzfass beim Anstellen der Würze zu. Die Idee war, sofort schon beim Anstellen die Bedingungen in der Würze zu gestalten, dass ein Milieu entsteht, bei dem Buttersäure- und Fäulnisbakterien keine Lebenschance mehr haben. Dazu genügte es, den ph-Wert auf unter vier Einheiten abzusenken.
Damit wäre dann wohl die Gefahr des "Langwerdens" gebannt, die besteht, wenn die Würze nicht gekocht wird. (Das Nichtkochen der Würze ist wohl historisch überliefert und stilecht)
Das mit der autolysierten Hefe ist ein Argument! Andererseits tun wir Bierschädlinge und wilde Hefen hinein, die Aromen von Pferdedecke und Ziegenstall mitbringen. Vielleicht soll das so sein? :Grübel Einen Autolysegeschmack herauszuschmecken fehlt mir jedenfalls der Sachverstand. Pferdedecke und Ziegenstall schmecke und rieche ich, aber wonach riecht autolysierte Hefe? Egal, ist definitiv ein Fehlaroma und gehört nicht ins Bier.
Ich denke, stilecht ist das Vergären mit Sacc und Lacto, Ernten der Hochkräuse zum Anstellen des nächsten Sudes, Abfüllen mit Speise und "altem" Bier aus einem Holzfass (und somit mit Brett) und baldiger Konsum (binnen 4 Wochen?), bzw. Lagerung über mehrere Monate (Champagner-Weiße).
Ein wenig Sorge macht mir noch die Berechnung der Zuckerzugabe, weil ich nicht weiß, was die Brett mit dem Restextrakt anstellt. Meinen momentanen Sud (die Kirschweiße) habe ich mit der Dosierhilfe für 5gCO2/l bei einem Restextrakt von 2°P abgefüllt und hoffe so, auf 6,5-7gCO2/l zu kommen. Ist ein bisschen wie Lottospielen, aber auch das ist wohl stilecht... :redhead Überwachen tue ich das Ganze mit einem Flaschenmanometer. Bei 3,5bar bei 20°C ziehe ich die Reißleine...
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Re: Sauerbier - Säuerung

#34

Beitrag von tbln »

der_ak hat geschrieben: Montag 1. Juli 2019, 14:23 Der Grund der regelmäßigen Auffrischung war tatsächlich, dass das Verhältnis Saach:Lacto:Brett nicht stabil war, und nach mehreren Generationen zu stark gesäuert hat.
Ja das habe ich auch vermutet. In Cottbus hat man wohl eine Art gehopften Broihan gebraut und das auch schon vor der Berliner Weiße.
der_ak hat geschrieben: Montag 1. Juli 2019, 14:23 Aber: Schönfeld schätzte, dass sich die Weißbierhefe ca. 1830 bis 1840 stabilisierte, und von den Brauern nicht mehr eingekauft und erneuert wurde. Der Grund für diese Stabilisierung ist unbekannt, und nachdem keine ursprünglichen Weißbierhefen (also Mischkulturen) mehr erhalten sind, lässt sich das auch nicht mehr nachvollziehen.
Hab Quellen ab 1779 bis 1845 für die Hefeschickungen gefunden. Eine weitere detailierte Quelle aus 1867 beschreibt den Heferückkauf von Brauhäusern.
Darf ich fragen, wo du die Passage von Schönfeld gelesen hast?
AxelS hat geschrieben: Montag 1. Juli 2019, 15:02 Ich zitiere mal aus genanntem Buch: Braumeister Kompert setzte in der Abteilung Monopol (Anm.: von Schultheiss) aus alter Tradition immer ein Quantum alter ausgereifter Weiße aus einem Holzfass beim Anstellen der Würze zu. Die Idee war, sofort schon beim Anstellen die Bedingungen in der Würze zu gestalten, dass ein Milieu entsteht, bei dem Buttersäure- und Fäulnisbakterien keine Lebenschance mehr haben. Dazu genügte es, den ph-Wert auf unter vier Einheiten abzusenken.
Gerolf Annemüller - Die Berliner Weiße (2008) S.109, perfekt danke! :thumbsup
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Re: Sauerbier - Säuerung

#35

Beitrag von AxelS »

tbln hat geschrieben: Montag 1. Juli 2019, 15:04
Darf ich fragen, wo du die Passage von Schönfeld gelesen hast?

Gerolf Annemüller - Die Berliner Weiße (2008) S.109, perfekt danke! :thumbsup
Gerolf Annemüller - Die Berliner Weiße (2.Auflage 2018) S.133 :Bigsmile
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Re: Sauerbier - Säuerung

#36

Beitrag von der_ak »

tbln hat geschrieben: Montag 1. Juli 2019, 15:04 Darf ich fragen, wo du die Passage von Schönfeld gelesen hast?
In "Die Herstellung obergähriger Biere" von 1902. Da heißt es auf Seite 68:
Was indeß die Hefe anbetrifft, so scheint es, als ob sie sich erst vor etwa 6 bis 7 Dezennien akklimatisiert und sich zu der Zusammensetzung herausgebildet hat, wie sie heute ist. Sie besteht aus einem, bei sonst gleichbleibenden Bedingungen bei der Gährung u.s.w., in den Mischungsverhältnissen nur geringen Schwankungen ausgesetzten Gemisch von obergähriger hochvergährender Hefe und langgestreckten Milchsäurebakterien.
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