Grutbier

Fragen und Diskussion rund um Rezepturen zum Bierbrauen
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heinrich2012
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Grutbier

#1

Beitrag von heinrich2012 »

Hab beim surfen folgenden Bericht gefunden:

https://www.masterofbeer.org/uploads/me ... s_Fohr.pdf

VG Klaus
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Sebasstian
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Re: Grutbier

#2

Beitrag von Sebasstian »

:Shocked
20200910_122048.jpg
Grüße,
Sebastian
Fe2O3
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Re: Grutbier

#3

Beitrag von Fe2O3 »

Sebasstian hat geschrieben: Donnerstag 10. September 2020, 12:21 :Shocked
20200910_122048.jpg
Über sowas bin ich im Vorwort auch gestolpert:
Wahrscheinlich haben meine Fohrfahren bereits Grutbier gebraut.
OK, Ich gebe zu, dass ich bisher nicht über das Vorwort raus bin beim Lesen - aber ich hoffe, dass solche Fehler (Legastheniker? oder ist es ein - zugegeben: schlechter - Wortwitz des Herrn FOHR?) der Qualität/Informationsgehalt der Arbeit nichts wegnimmt. ("Don't judge a book by minor Rechtschreibfehlern" :D)
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tinoquell
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Re: Grutbier

#4

Beitrag von tinoquell »

:Smile
Dass erschließt sich, wenn du den Autor, Dr. Markus Fohr kennen lernst.
Der ist für seine Lyrik und andere Wortspiele bekannt :thumbsup

Danke fürs Verlinken der Arbeit!

Grüße
Tino

PS: für meinen Geschmack ist das auch etwas zu dick aufgetragen. Aber Klappern gehört zum Handwerk. :Greets
Zuletzt geändert von tinoquell am Donnerstag 10. September 2020, 12:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Bilbobreu
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Re: Grutbier

#5

Beitrag von Bilbobreu »

Nun ja, wenn der Autor Markus Fohr heißt, ließe sich daraus schließen, dass Fohrwort und Fohrfahren keine Rechtschreibfehler, sondern Wortspiele sind. :Wink Und - wie ich finde - nicht mal schlechte.
Gruß
Stefan

Edit: Ich war wieder mal zu langsam.
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Sebasstian
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Re: Grutbier

#6

Beitrag von Sebasstian »

:Smile Alles klar, nun versteh ich's und... in dem Kontext durchaus lustig.
Grüße,
Sebastian
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renzbräu
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Re: Grutbier

#7

Beitrag von renzbräu »

tinoquell hat geschrieben: Donnerstag 10. September 2020, 12:51 :Smile
Dass erschließt sich, wenn du den Autor, Dr. Markus Fohr kennen lernst.
Der ist für seine Lyrik und andere Wortspiele bekannt :thumbsup
Warst du bei einem Fohrtrag von ihm? :Wink
Grüße Johannes

- hausgebraut, handgeklöppelt & mundgetrunken -
tbln
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Re: Grutbier

#8

Beitrag von tbln »

Ist das wirklich eine wissenschaftliche Arbeit? Setzen, 6.

Grut war nie reines Kräuterbier, bei der Bezeichnung spielten die fixen Kräutermischungen und die Abgabe der Mischungen durch lokale Vertreter eine Rolle. In Münster wurden neben Grut auch andere Biere wie der Keut gebraut - da ist nicht eindeutig klar ob mit oder ohne Hopfen. Weißbiere wie der Broihan oder die Gose war definitiv nie Grut. Ich finds wirklich kontraproduktiv, wie Leute ohne die Nutzung auch nur einer historischen Quelle, Halbwahrheiten verbreiten. Dazu englischsprachige Quellen nutzen, die auch nie die deutschen Quellen gelesen haben.

-> Aloys Schulte: Vom Grutbiere (1908)
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tinoquell
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Re: Grutbier

#9

Beitrag von tinoquell »

renzbräu hat geschrieben: Donnerstag 10. September 2020, 15:03
tinoquell hat geschrieben: Donnerstag 10. September 2020, 12:51 :Smile
Dass erschließt sich, wenn du den Autor, Dr. Markus Fohr kennen lernst.
Der ist für seine Lyrik und andere Wortspiele bekannt :thumbsup
Warst du bei einem Fohrtrag von ihm? :Wink
:thumbsup der ist gut!

Ich habe ihn u.a. 2018 auf der Braubeviale erlebt, als er Deutscher Meister der Biersommeliers wurde. Meiner Meinung nach hatten seine Mitbewerber um den Titel teilweise gehaltvollere Beiträge, aber sein Entertainment führte ihn damals wohl zum Titel. So zumindest mein subjektiver Eindruck.

Sorry, aber das ist alles nichts zum Thema GRUTBIER :redhead
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Re: Grutbier

#10

Beitrag von bierhistoriker.org »

tbln hat geschrieben: Donnerstag 10. September 2020, 15:21 Grut war nie reines Kräuterbier
Das ist eine ziemlich kühne Behauptung!

cheers

Jürgen
PS: Was spricht gegen das Zitieren englischsprachiger Quellen? Susan Verberg ist eine ausgesprochene Expertin auf diesem Gebiet.Roel Mulder (verloren Bieren) ebenfalls.
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Re: Grutbier

#11

Beitrag von Fe2O3 »

tbln hat geschrieben: Donnerstag 10. September 2020, 15:21 Ist das wirklich eine wissenschaftliche Arbeit? Setzen, 6.
Nein, wahrscheinlich ist es das NICHT- aber das ist auch nicht deren Anspruch. Ich zitiere von der "Master of Beer"-Website:
"Das nicht-akademische Studium zum "Certified Member of the Institute of Masters of Beer" (IMB) hat einen mehrteiligen Aufbau"

Dann darf jetzt wahrscheinlich wieder aufgestanden werden ;)
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flying
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Re: Grutbier

#12

Beitrag von flying »

Grutbier war hauptsächlich so ein Steuerdings. Die Brauer einer Gegend erwarben quasi die Lizenz zum Brauen und Ausschank durch den Grutkauf. Eigentlich ein fast fälschungssicheres System weil die regionale Grut meistens so unverwechselbar war, dass böse Bierfälscher sofort enttarnt wurden. Die wurden dann natürlich umgehend in einem ihrer Bierfässer ertränkt.. :Wink

Deshalb gibt es auch keine authentischen Rezepte über Grutmischungen. Die waren geheim.
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Re: Grutbier

#13

Beitrag von Seed7 »

Ach ja. Es geht von kraueter zu fluessiges malzextrakt zu trocknes malz extrakt zu maltzmehl mit hefe und alle moeglichen kombinationen. Biss nicht eindeutigere literatur gefunden wird bleibt es beim rate spiel und das schoene Deutsche wort 'hineiniterpretieren'.

"Ein wenig Säure enthielten mittelalterliche Biere nahezu immer." Mindestens seit wir Kveik haben wissen wir das das nicht so ist. Mahl abgesehen von den saueren die de hefe selber macht (und brett ist nicht sauer).

Ingo
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Re: Grutbier

#14

Beitrag von tbln »

bierhistoriker.org hat geschrieben: Donnerstag 10. September 2020, 16:59
tbln hat geschrieben: Donnerstag 10. September 2020, 15:21 Grut war nie reines Kräuterbier
Das ist eine ziemlich kühne Behauptung!

cheers

Jürgen
PS: Was spricht gegen das Zitieren englischsprachiger Quellen? Susan Verberg ist eine ausgesprochene Expertin auf diesem Gebiet.Roel Mulder (verloren Bieren) ebenfalls.
Es gibt sicherlich positive wie negative Beispiele. Roel Mulder hat den Text von Schulte wie finde ich durchaus gelungen zusammengefasst und in Englische übersetzt. Verberg hat sicherlich auch eine gute Übersicht geliefert, vorallem anhand holländischer Quellen. Aber auch bei Verberg finde ich Stellen die ich deutlich hinterfragen würde. So schreibt sie teils von "Gruit ale", obwohl der Begriff "ale" im deutschen Sprachgebrauch nie üblich war. Im Englischen dagegen gab es kein beer, sondern starkes ale mit Kräuterzugaben, wie Heide etc.

Das grenzt dann finde ich an eine Fiktionalisierung der Geschichte, wie man sie bei Stephen Buhner (Sacred and Herbal Healing Beers) findet, der gleich alles in einen Topf schmeißt. Da wird dann behauptet, dass die Gemeine Schafgarbe Grundzutat der Grut war, was sich einfach nicht anhand deutschsprachiger Texte belegen lässt.

Für die von Ingo angesproche Theorie die einige verfolgen, das Grut Grütze bedeute (ich meine das wäre auch bei Verberg sehr ausführlich diskutiert?), gibt es auch keinerlei Belege in deutschsprachigen Quellen (zumindest habe ich keine gefunden).
Also wie geschrieben, es spricht nichts gegen englischsprachige Quellen per se, nur Autoren die selektiv mit der Quellenauswahl umgehen (und sei es wegen sprachlicher Barrieren).
Zuletzt geändert von tbln am Sonntag 13. September 2020, 13:22, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Grutbier

#15

Beitrag von bierhistoriker.org »

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Re: Grutbier

#16

Beitrag von tbln »

bierhistoriker.org hat geschrieben: Freitag 11. September 2020, 09:16 Ziemlich frisch:
https://www.goodbeerhunting.com/blog/20 ... -its-roots
An added complication here is that “gruit” can have several different meanings. It is the “lifestyle” (“brewing philosophy” is probably a more accurate description) referred to by Kemker. It is the mixture of herbs and spices that Overberg has researched. And in contemporary brewing, “Gruit Ale” has also become the catch-all style nomenclature for beers made with a gruit or herbal mixture.
Genau das lehne ich echt ab. Ich bin kein Traditionalist und ich finds auch super kreativ zu brauen usw. (die Biere von Kemker find ich auch super), aber wenn Geschichte zum Produkt verkommt, klärt man Leute nicht auf, sondern sucht blos Marketinginstrumente. Und dann darf man sich auch nicht wundern, wenn man bei craft beer events als Gose ein kesselgesäuertes, salziges Bier mit Fruchtpüree vorgesetzt bekommt. Das ist die völlige Entstellung einstiger Braukultur für den schnellen Euro.
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Seed7
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Re: Grutbier

#17

Beitrag von Seed7 »

tbln hat geschrieben: Donnerstag 10. September 2020, 21:00 [...] obwohl der Begriff "ale" im deutschen Sprachgebrauch nie üblich war[...]
Gab es schon Deutschland als es noch Gruit gab? (Deutsche geschichte wurde bei uns nicht unterrichtet
In den 'Lage Landen' (was jetzt die Niederlande + Belgien+ Luxembourg + ein teil von Nord Frankreich ist) gab es das equivalent vom Englichen 'ale', aal, ael.
Der unterschied aal, bier war nicht so deutlich wie ale (ungehopft (und sehr oft ohne karaueter)) und beer (gehopft).

Wenn ich noch heute hier von Enschede aus ueber die grenze richtung Muenster gehe kann ich mit vielen im platt 'Twents' kommunizieren. Wenn ich hoch in den Norden gehe geht das lange gut, biss ich Friesisch sprechen muss.

Das denken in Deutsch, oder Niederlaendisch is gefaehrlich. Das gruitgebiet waren die 'Lage Landen' und die angenzenden Diözese in was heute Deutschland ist. Es ist also gut moeglich dass mann in Muenster auch zu einer zeit von aal gesprochen hat.

Mit viele wortspiele kann mann das wort gruit auch in skandinavien finden, oder im Latein, oder im Englischen gebiet. Ob das richtig ist? Ob es genau die gleiche bedeutung hat? Sogar im oben genannten gruitgebiet gab es in schrift verschieden buchstabierungen und verschieden sprachen.

Es sei natuerlich mann ist etymologe...

cheers,

Ingo
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§11
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Re: Grutbier

#18

Beitrag von §11 »

Gab es schon Deutschland als es noch Gruit gab?
Sehr, sehr gute Frage, der ich in der Geschichte immer wieder treffe. National Staaten sind ein sehr modernes Gebilde. Ausserdem haben sich Grenzen über Jahrhunderte praktisch wöchentlich verschoben, was aber niemand gestört hat, weil viele Grenzen den Menschen (und damit auch der Kultur und der Bierkultur) völlig egal waren.

Sollte man zum Beispiel dran denken wenn man vom "deutschen Reinheitsgebot" spricht oder nocj schlimmer, vom "deutschen Reinheitsgebot von 1516"

Gruss

Jan
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Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
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Re: Grutbier

#19

Beitrag von bwanapombe »

Seed7 hat geschrieben: Freitag 11. September 2020, 16:40
tbln hat geschrieben: Donnerstag 10. September 2020, 21:00 [...] obwohl der Begriff "ale" im deutschen Sprachgebrauch nie üblich war[...]
Gab es schon Deutschland als es noch Gruit gab? (Deutsche geschichte wurde bei uns nicht unterrichtet
In den 'Lage Landen' (was jetzt die Niederlande + Belgien+ Luxembourg + ein teil von Nord Frankreich ist) gab es das equivalent vom Englichen 'ale', aal, ael.
Der unterschied aal, bier war nicht so deutlich wie ale (ungehopft (und sehr oft ohne karaueter)) und beer (gehopft).

Wenn ich noch heute hier von Enschede aus ueber die grenze richtung Muenster gehe kann ich mit vielen im platt 'Twents' kommunizieren. Wenn ich hoch in den Norden gehe geht das lange gut, biss ich Friesisch sprechen muss.
...
cheers,

Ingo
Hallo Ingo,

auf welche Sprache bezieht sich Deine Bemerkung zu aal, ael?

Im Altsächsischen gab es das Wort "alo". Altsächsisch ist ein Vorläufer der mittelniederdeutschen Sprache, die Sprache der Hanse. In der mittelniederdeutschen Sprache ist es als ȫl belegt, aber dort dominiert bēr, beir, beier, beyer, pīr. In den ober- und hochdeutschen Sprachen ist es nicht belegt, außer in der modernen als Fremdwort aus dem Englischen. Es sieht also so aus, als ob das Wort aus dem "deutschen Sprachraum" tatsächlich verschwunden war.

Dirk
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Re: Grutbier

#20

Beitrag von flying »

Das man im angelsächsischen Raum "Beer" eher für die gehopften Sachen anwendete ist aber heute auch nicht mehr nachvollziehbar. Komischerweise werden oft die abseitigsten Sachen mit "Beer" (Gingerbeer, Nettlebeer) bezeichnet? Geht man aber ganz in den sprachlichen Urschleim ist es aber auch wieder nicht ganz falsch, da "Bior o. Beor" ursprünglich mal ein vergorenes Getränk aus Honig und Früchten war. Gleicher Wort- Ursprung wie Beowulf (Bienenwolf). Kommt von der Biene...
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Re: Grutbier

#21

Beitrag von tbln »

Seed7 hat geschrieben: Freitag 11. September 2020, 16:40
tbln hat geschrieben: Donnerstag 10. September 2020, 21:00 [...] obwohl der Begriff "ale" im deutschen Sprachgebrauch nie üblich war[...]
Gab es schon Deutschland als es noch Gruit gab? (Deutsche geschichte wurde bei uns nicht unterrichtet

Das denken in Deutsch, oder Niederlaendisch is gefaehrlich. Das gruitgebiet waren die 'Lage Landen' und die angenzenden Diözese in was heute Deutschland ist. Es ist also gut moeglich dass mann in Muenster auch zu einer zeit von aal gesprochen hat.
Ingo du unterstellst mir Aussagen. Ich schrieb "deutscher Sprachgebrauch" und nicht "in Deutschland" und damit vom "modernen" Nationalstaat. Im Grunde schließt das im historischen Kontext Dialekte wie das Friesisch und das westfälische Platt ein bzw. alle sonstigen Dialekte, die bspw. in Gebieten des Heiligen römischen Reichs gesprochen worden sind. Mir geht es hier nicht um irgendeine nationale Deutung der Geschichte.

Die älteste Quelle in Bezug auf Grut (aka Grissinck) die ich kenne ist eine Erwähnung bei Johann Murmellius (übrigens geb. 1480 in Roermond) - Pappa puerorum (1543):

Bild

Bild

Die Quelle aus England ist mir nicht bekannt. Wo hast du da was gefunden?

Zum Thema Ale nur soviel, ich hab inzwischen wirklich viel zum Thema Brauerei in alter Literatur ab 1600 gelesen. Ale hab ich nie als Bezeichnung gesehen.
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Re: Grutbier

#22

Beitrag von Seed7 »

tbln hat geschrieben: Freitag 11. September 2020, 20:09
Ingo du unterstellst mir Aussagen.
Das tut mir leid. Entschuldigung, es war nicht mein ziel. """Deutsch"""" war nur die anleitung im algemeinen.

Zum Englishen "Gruit", irgendwo auf https://witteklavervier.nl/en/ Kann es leider so schnell nicht finden.Es gibt dort viel kleine zitate die aneinander gereiht werden.

aal --> http://etymologiebank.ivdnt.org/trefwoord/aal2 --> text nur in Niederlaendisch.

Ingo
Zuletzt geändert von Seed7 am Freitag 11. September 2020, 22:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Grutbier

#23

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

bwanapombe hat geschrieben: Freitag 11. September 2020, 19:25 ...Im Altsächsischen gab es das Wort "alo". Altsächsisch ist ein Vorläufer der mittelniederdeutschen Sprache, die Sprache der Hanse. In der mittelniederdeutschen Sprache ist es als ȫl belegt ...
Wenn die Hanseaten Richtung Norden geschaut haben, dann ist Øl tatsächlich Bier. In Norwegen Kornøl.
"Da braut sich was zusammen ... "
"Oh, Bier ;-) !"
"Nein! Was Böses!"
"Alkoholfreies Bier??? ..."
-----------
Viele Grüße
Jens
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Re: Grutbier

#24

Beitrag von Seed7 »

flying hat geschrieben: Freitag 11. September 2020, 19:42 Das man im angelsächsischen Raum "Beer" eher für die gehopften Sachen anwendete ist aber heute auch nicht mehr nachvollziehbar.
Historisch war ale ungehopft und beer gehopft. Porter zum beispiel war immer beer, obwohl der 'vorvater' ein brown ale war. Die bedeutung von beer und ale haben sich in der zeit geaendert. Heute, ale obergaerig, beer untergaerig. Auch hat ale natuerlich hopfen bekommen und teilweise sehr viel hopfen ohne das es beer genannt wurde, IPA, und es auf der insel noch kein UG gab.

Quellen u.a. Ron Pattinson, Pete Brown und Martyn Cornell,

Ingo
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Re: Grutbier

#25

Beitrag von Seed7 »

Seed7 hat geschrieben: Freitag 11. September 2020, 21:51
tbln hat geschrieben: Freitag 11. September 2020, 20:09
Ingo du unterstellst mir Aussagen.
Das tut mir leid. Entschuldigung, es war nicht mein ziel. """Deutsch"""" war nur die anleitung im algemeinen.

Zum Englishen "Gruit", irgendwo auf https://witteklavervier.nl/en/ Kann es leider so schnell nicht finden.Es gibt dort viel kleine zitate die aneinander gereiht werden.

aal --> http://etymologiebank.ivdnt.org/trefwoord/aal2 --> text nur in Niederlaendisch.

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Re: Grutbier

#26

Beitrag von bwanapombe »

Namen sind Schall und Rauch, wenn man nicht vermittelt, was sie bezeichnen. Man nehme nur "Pilsener" oder "Craft Beer" oder - naja auch - "Bier". Für den einen ist ein IPA ein richtiges Bier, für den anderen ein Unfall.

So ist es auch mit Grut. Für den einen ist es ein Lebensgefühl, für den anderen das, was es in einer bestimmten Quelle beschreibt.

Hilfreich ist, wenn man offenlegt, was man sagen will, dann ist für das Gegenüber klar, wir reden von verschiedenen Sachen, auch wenn wir den gleichen Begriff verwenden.

Wir hatten das neulich hier beim Begriff Rockenbier. Es kann in verschiedenem Kontext zwei unterschiedliche Sachen bezeichnen.

Danke übrigens Ingo, für den Link. Verstehe ich das richtig: Ale ist nicht nur Twents, sondern auch standardisiertes Niederländisch?

Dirk
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Re: Grutbier

#27

Beitrag von Seed7 »

bwanapombe hat geschrieben: Freitag 11. September 2020, 22:54 [...]standardisiertes Niederländisch?
Alt Niederlaendisch. Twents wirdt als sprache anerkannt und ist ein Niedersachisches dialekt (Niederdeutsch?).
Im moderen sprachgebrauch gibt es Aal laengst nicht mehr, nur das Englische Ale fuer eben Ales und Bier.

Ingo
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Re: Grutbier

#28

Beitrag von flying »

Ich meine mal irgendwo gelesen zu haben, dass Ale vom Wortstamm her verwandt mit lat. Alum o. auch Alaun ist, was einfach "Bitter" bedeutet? Das altenglische "Béor" war dann eher die Honigplörre.
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Re: Grutbier

#29

Beitrag von rauchbier »

heinrich2012 hat geschrieben: Donnerstag 10. September 2020, 08:10 Hab beim surfen folgenden Bericht gefunden:

https://www.masterofbeer.org/uploads/me ... s_Fohr.pdf

VG Klaus
Super, vielen Dank. Da ich gerade bei der Vorüberlegung zu einem Grutbier bin, kommt dein Hinweis auf die Arbeit zum perfekten Zeitpunkt. Meine Suche nach Gagel in den Gärtnereien bei uns in der Region hat bisher leider nicht zum Erfolg geführt. Aber in der Arbeit steht ja auch, dass die Zusammensetzung logischerweise regional unterschiedlich war.
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Re: Grutbier

#30

Beitrag von bwanapombe »

flying hat geschrieben: Freitag 11. September 2020, 23:08 Ich meine mal irgendwo gelesen zu haben, dass Ale vom Wortstamm her verwandt mit lat. Alum o. auch Alaun ist, was einfach "Bitter" bedeutet? Das altenglische "Béor" war dann eher die Honigplörre.
Das ist nach meinem Kenntnisstand weder für Ale noch für Bier nicht eindeutig geklärt.

Althochdeutsch bior könnte von Vulgärlatein biber stammen, bedeutete dann ursprünglich einfach Trank.

Andere meinen einen Zusammenhang mit rekonstruierten Proto-Germanisch beuwo für Gerste zu sehen.

Wieder andere Meinungen leiten es letzlich aus dem rekonstruierten Proto-Indoeuropäischen bhreu- (kochen, blubbern, sprudeln) her.

Alle drei klingen irgenwie nachvollziehbar. Möglich ist allerdings nur eine. Gesichert keine.

Für ale liegt die Herleitung als von Protoindoeuropäisch alu = bitter nahe, sicher ist sie aber nicht. Alternativen sind keine bekannt.

Dirk
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Re: Grutbier

#31

Beitrag von guenter »

Gagel steht auf der roten Liste. Er braucht viel Feuchtigkeit. Da wird es schwer werden ihn zu bekommen. Hier sind gute Infos:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Gagelstrauch
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Re: Grutbier

#32

Beitrag von bierhistoriker.org »

guenter hat geschrieben: Samstag 12. September 2020, 10:02 Gagel steht auf der roten Liste. Er braucht viel Feuchtigkeit. Da wird es schwer werden ihn zu bekommen. Hier sind gute Infos:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Gagelstrauch
Ist im Versandhandel und bei größeren Händlern ohne Probleme zu bekommen:
https://www.pflanzmich.de/produkt/31120 ... rauch.html

Wir haben in unserem Verein eine Grutbier-Gruppe- einige Mitstreiter haben erfolgreich Gagel angepflanzt und "ernten" bereits ausreichende Mengen für unsere Projekte :Bigsmile

Bin momentan in Zeeland und komme an meine Bücher nicht ran, wenn zurück, kann ich noch ein paar fundierte Aussagen zum Thema machen.

cheers

Jürgen
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Re: Grutbier

#33

Beitrag von chaos-black »

Ich hab mich damals im Englischstudium viel mit Altenglisch beschäftigt und hab daher noch Chambers Dictionary of Etymology. Um der Diskussion etwas beizutragen, poste ich hier mal die Einträge zu Ale und Beer:

Ale
Noun. A strong beer. Old English (about 940) ealu, alu; cognate with Old Saxon alo, Old Icelandic o̧l
Ale from Proto-Germanic aluth, from Indo-European *alu - bitter; beer (Pok. 33). Until the growing of hops was introduced to England in the first half of the 1400s, ale and beer were synonymous terms in Middle English according to MED

Beer
Noun. Probably about 1225 ber, in King Horn, developed from Old English beor (about 725 in Beowulf). Cognates include Old Frisian biar, bier, beer, Old High German bior, Middle High German bier and modern German Bier, Middle Durch an modern Dutch bier, and Old Icelandic björr (from West Germanic). The native Scandinavian word, as seen in Old Icelandic o̧l, is cognate with English ale.
Whether English beer and its West Germanic cognates are connected with Latin bibere to drink, is a matter of conjecture, but the phonology is difficult.

Beste Grüße,
Alex
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flying
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Re: Grutbier

#34

Beitrag von flying »

Das bestätigt meine völlig unbewiesene Meinung das Beer im angelsächsischen Raum eher verschiedene Bedeutungen hat. Möglicherweise treffen sich hier zwei Wortherkünfte synonym in einem Wort. Einmal z. B. in dem auf den Inseln traditionellen Nettlebeer und co., was dann eigentlich Nettlebéor heißen müsste, getreu altenglischen und schon im Beowulf beschriebenen Ursprung. Gleichzeitig spielt aber noch das andere "Beer" mit rein, was eher kontinentalem Ursprungs ist und möglicherweise tatsächlich von Bibere oder dem urslawischen Pivo kommt, was beides grob "Getränk" bedeutet. Dadurch wird die Trennung in Ale und Beer für mich erklärbarer..?
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guenter
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Re: Grutbier

#35

Beitrag von guenter »

bierhistoriker.org hat geschrieben: Samstag 12. September 2020, 10:45 Wir haben in unserem Verein eine Grutbier-Gruppe- einige Mitstreiter haben erfolgreich Gagel angepflanzt und "ernten" bereits ausreichende Mengen für unsere Projekte :Bigsmile
Das ist interessant, die müssen sicher gut gegossen werden. Moore gibt es ja in Köln eher weniger - bei mir in der Eifel auch nicht.

Ist denn Gagel in eurem Kräuterbier? Hatte das Mal in Köln auf einer Messe probiert, war lecker. Da war auch Hopfen drinnen, sicher keine schlechte Lösung.
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Seed7
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Re: Grutbier

#36

Beitrag von Seed7 »

tbln hat geschrieben: Freitag 11. September 2020, 20:09 Die Quelle aus England ist mir nicht bekannt. Wo hast du da was gefunden?
Gefunden. In diesem artikel wird eine verbindung zwischen gruit und graut erstellt. Im link unten an der seite geht es zu brunnen.

Und zum wort 'graut' aus dem oben genannten artikel: http://zythophile.co.uk/2014/02/28/was- ... tradition/


Ingo
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Re: Grutbier

#37

Beitrag von bierhistoriker.org »

guenter hat geschrieben: Samstag 12. September 2020, 18:11
bierhistoriker.org hat geschrieben: Samstag 12. September 2020, 10:45 Wir haben in unserem Verein eine Grutbier-Gruppe- einige Mitstreiter haben erfolgreich Gagel angepflanzt und "ernten" bereits ausreichende Mengen für unsere Projekte :Bigsmile
Das ist interessant, die müssen sicher gut gegossen werden. Moore gibt es ja in Köln eher weniger - bei mir in der Eifel auch nicht.

Ist denn Gagel in eurem Kräuterbier? Hatte das Mal in Köln auf einer Messe probiert, war lecker. Da war auch Hopfen drinnen, sicher keine schlechte Lösung.
Das Gebiet der Siegmündung war ein großes "Gagelgebiet" und klar, in dem Bier, das Du getrunken hast, war mit Sicherheit Gagel drin :Bigsmile

cheers

Jürgen
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Re: Grutbier

#38

Beitrag von tbln »

Seed7 hat geschrieben: Samstag 12. September 2020, 18:57
tbln hat geschrieben: Freitag 11. September 2020, 20:09 Die Quelle aus England ist mir nicht bekannt. Wo hast du da was gefunden?
Gefunden. In diesem artikel wird eine verbindung zwischen gruit und graut erstellt. Im link unten an der seite geht es zu brunnen.

Und zum wort 'graut' aus dem oben genannten artikel: http://zythophile.co.uk/2014/02/28/was- ... tradition/
Matti Räsänen fasst in Vom Halm zum Fass (1975) S. 107f die Diskussion um Bezeihnungen für fermentierte Getränke so zusammen:
In Europa kann man die Bezeichnungen für das Bier in drei große Gruppen einteilen: olut, bier und pivo.
Zur Bier-Gruppe [Rechtschreibfehler, olut-Gruppe] gehören u.a. öl in den skandinavischen Sprachen und ale (urgerm. *alup) im Englischen, lett. alus und lit. alùs sowie altpreuss. alu ’Met’ russ. ol 'jedes alkoholische Getränk ausser Traubenwein, Dünnbier, Bier’ und kirchl. olovina ’Treber, Hefe, Absatz von Bier’, das schon im 12. Jh. bekannt ist (akslav. olū ’sicera’, aruss. oluj ’Bier’).
[...]
Die zweite grosse Gruppe, die westgermanische Bier-Gruppe, blickt auf ein jüngeres Alter zurück (mhd. bier, ahd., asächs. bior, afries. biār, ags. beor, mnd. ber) und scheint im Gotischen nicht vertreten zu sein.11 Vasmer nimmt es jedoch auch für diese Sprache an (got.* bius).
[...]
Nach Kluge ist das Wort nicht ursprünglich germanisch, sondern gehörte im 6.—7. Jh. zum Lehnwortschatz der Klöster (vulgärlat. biber ’Trunk’). Kluge führt aus, das ursprünglich nur von Klöstern ausgeübte Bierbrauen hänge zusammen mit dem Hopfenbau, der hauptsächlich in den Klöstern Nordgalliens blühte. Das gehopfte Bier sei dann neben das ungehopfte getreten, das jeweils unter einem Namen der oben genannten olut-Gruppe bekannt war. Zu derselben Auffassung kam u.a. auch Hellquist: ”Auf jeden Fall bezeichnet das einheimische Bier (öl) ursprünglich ein Getränk, zu dessen Herstellung kein Hopfen verwendet wurde.
[...]
Erwähnung verdient ferner jene Theorie, die H. Thunaeus zuletzt in die Diskussion gebracht hat. Danach wäre apreuss. alu ursprünglich der indoeuropäische Name für Kräutermet gewesen, womit idg. alu~alut 'bitter, scharf, beissend’ leicht verbindbar wäre. Als der Honig dann mit der Entwicklung des Ackerbaus allmählich durch Getreide ersetzt wurde, habe das Getränk seinen alten Namen bewahrt.
Friedrich Kluge - Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache
Harald Thunaeus, Sprachliches vom Bier. Gesellschaft für die Geschichte und Bibliographie des Brauwesens E. V., Jahrbuch 1965. Berlin.

Die Bezeichnung Bier ist also vermutlich jüngerer Natur - aber immerhin nach Kluge seit dem 6./7. Jahrhundert bekannt. Fermentierte Urgetränke wurden also wahrschienlich anders bezeichnet. Ale bleibt trotzdem eine englische Bezeichnung. Das scheint auch keine neue Erkenntnis zu sein, selbst bei Grimm (1854) konnte man vieles schon nachlesen.
Die Grut als Getränk des Spätmittelalters 12.-15. Jahrhundert, ist gewissermaßen das Auslaufmodell der ungehopften "Biere"/fermentierten Malzgetränke.
Bei Verberg ist nachzulesen, dass es einige englische Literturquellen für den Begriff "Grout" gebe. Die scheinen mir jedoch allesamt anders gelagert zu sein, als die frühere Verwendung in den heutigen Niederlanden/Deutschland i.F.v. Grutrecht usw., also in einer organisierten Form. Wie die Menschen gewandert sich, so haben sich sicherlich auch Wörter verbreitet. Vielleicht haben also Siedler den Begriff nach England gebracht.

Wie dem auch sei, "gruit ale" bleibt ein falsches Narrativ, und so schreibt ja Martyn Cornell in dem Artikel auch:
Does it matter if someone today refers to a herb beer as “gruit” without explaining that this isn’t actually an English word? Well, probably not, and it certainly makes for an easy label to market herb-flavoured ales under. But it would certainly be wrong to say, or imply, that “gruit” was the name applied to herb ales in Britain in the pre-hop period. So don’t, please
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flying
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Re: Grutbier

#39

Beitrag von flying »

Sehe ich ähnlich. Im angelsächsischen Raum ist "Herbs" definitiv lateinischen Ursprungs. "Kraut" ist dort kein Begriff außer vielleicht neuzeitlich als Schimpfwort für uns Deutsche...
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Re: Grutbier

#40

Beitrag von bwanapombe »

flying hat geschrieben: Samstag 12. September 2020, 17:31 Das bestätigt meine völlig unbewiesene Meinung das Beer im angelsächsischen Raum eher verschiedene Bedeutungen hat. Möglicherweise treffen sich hier zwei Wortherkünfte synonym in einem Wort. Einmal z. B. in dem auf den Inseln traditionellen Nettlebeer und co., was dann eigentlich Nettlebéor heißen müsste, getreu altenglischen und schon im Beowulf beschriebenen Ursprung. Gleichzeitig spielt aber noch das andere "Beer" mit rein, was eher kontinentalem Ursprungs ist und möglicherweise tatsächlich von Bibere oder dem urslawischen Pivo kommt, was beides grob "Getränk" bedeutet. Dadurch wird die Trennung in Ale und Beer für mich erklärbarer..?
Das Phänomen gibt es ja öfter, das ein ausgestorbenes Wort in eine Sprache "von außen" wiedereingeführt wird. Eine gute Erklärung.
Dirk
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Re: Grutbier

#41

Beitrag von bwanapombe »

flying hat geschrieben: Sonntag 13. September 2020, 19:27 Sehe ich ähnlich. Im angelsächsischen Raum ist "Herbs" definitiv lateinischen Ursprungs. "Kraut" ist dort kein Begriff außer vielleicht neuzeitlich als Schimpfwort für uns Deutsche...
Die englische Sprache wurde ja massiv mit Altfranzösisch gepimpt. Daher auch herb. Zum Teil existieren die Wörter germanischen Ursprungs neben den altfranzösischen weiter. Z.B. sagt man king für König, aber königlich heißt dann royal.

So hat man im Englischen auch ein germanisches Wort für Kraut, dass man auch von Brauern oft hört. Verwandt mit protogermanisch *wurtiz kennen wir es als Würze oder Englisch wort.

Dirk
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Re: Grutbier

#42

Beitrag von bwanapombe »

Seed7 hat geschrieben: Samstag 12. September 2020, 18:57
tbln hat geschrieben: Freitag 11. September 2020, 20:09 Die Quelle aus England ist mir nicht bekannt. Wo hast du da was gefunden?
Gefunden. In diesem artikel wird eine verbindung zwischen gruit und graut erstellt. Im link unten an der seite geht es zu brunnen.

Und zum wort 'graut' aus dem oben genannten artikel: http://zythophile.co.uk/2014/02/28/was- ... tradition/


Ingo
Ich konnte mir die Artikel erst jetzt ansehen. Sehr aufschlußreich! Vielen Dank dafür!

Dirk
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Chinook
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Grutbier

#43

Beitrag von Chinook »

bierhistoriker.org hat geschrieben: Samstag 12. September 2020, 10:45
guenter hat geschrieben: Samstag 12. September 2020, 10:02 Gagel steht auf der roten Liste. Er braucht viel Feuchtigkeit. Da wird es schwer werden ihn zu bekommen. Hier sind gute Infos:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Gagelstrauch
Ist im Versandhandel und bei größeren Händlern ohne Probleme zu bekommen:
https://www.pflanzmich.de/produkt/31120 ... rauch.html

Wir haben in unserem Verein eine Grutbier-Gruppe- einige Mitstreiter haben erfolgreich Gagel angepflanzt und "ernten" bereits ausreichende Mengen für unsere Projekte :Bigsmile

Bin momentan in Zeeland und komme an meine Bücher nicht ran, wenn zurück, kann ich noch ein paar fundierte Aussagen zum Thema machen.

cheers

Jürgen
Wie ist es denn mit Myrica pensylvanica, dem Amerikanischer Gagelstrauch als vergleichbare Möglichkeit?
Nach den Beschreibungen braucht er kein Moor, ist vom Boden her wesentlich anspruchsloser und wird etwas größer.

Die Diskussion, ob die amerikanischen Ur-Einwohner schon vor Columbus nach ähnlichen Rezepten gebraut haben, ist dabei ein separates Diskussions-Thema :Grübel

Peter
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Re: Grutbier

#44

Beitrag von bierhistoriker.org »

Chinook hat geschrieben: Freitag 1. Januar 2021, 22:01
Wie ist es denn mit Myrica pensylvanica, dem Amerikanischer Gagelstrauch als vergleichbare Möglichkeit?
Nach den Beschreibungen braucht er kein Moor, ist vom Boden her wesentlich anspruchsloser und wird etwas größer.
Hallo Peter,

da muss ich passen.
Ausprobieren und berichten!

cheers

Jürgen
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Re: Grutbier

#45

Beitrag von Chinook »

Wird ausprobiert - mit dem Bericht kann es naturgewäß etwas dauern.

Vielleicht sind ja die Setzlinge Ende März schon so bewachsen, dass ich das nicht erst im Herbst probieren kann.
Allerdings fehlt mir dann der Vergleich.

Gruß Peter
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