Rezeptcheck: American Pilsner

Fragen und Diskussion rund um Rezepturen zum Bierbrauen
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indiana1972
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Rezeptcheck: American Pilsner

#1

Beitrag von indiana1972 »

Hallo liebe Mitbrauende,
Nachdem ich jetzt meinen 3. Sud auf den letzten Metern in der Gärung habe, wird es Zeit für die Planung der nächsten Sude, ich habe schließlich noch 130 Zollfreie Liter in diesem Jahr, dass will ich ja nicht ungenutzt verstreichen lassen, und knapp 80kg Malz liegen hier auch schon rum. Das nächste Bier was ich braue ist ein London-Porter auf Voss Kveik, Rezept von David.Heath, gefolgt von einem Verdant Creme Stout , von dem ich einen Split Sud mit Chocolate und Blaubeeren abzweige. Das eine Rezept ist auch von David Heath und das andere lehnt sich an eins von ihm an.

Aber danach, und damit ungefähr zwei Wochen vor Weihnachten möchte ich ein American Pilsner brauen, ebenfalls mit Kveik Voss von Lallemand, da die nicht nur rasend schnell fermentiert, sondern auch ein sehr cleanes Profil haben soll und was dann evtl. doch noch durch kommt, dass kaschiert dann der üppig eingesetzte Hopfen.
Das Rezept ist von mir entlang des Style-Guides entwickelt worden und geht so:

Sudgrösse 25L (darunter fang ich nicht an)

Eckdaten:
IBU: 40 - ich mags etwas herber( ist gerade noch in der Style-Range)
Farbe: 9 EBC
Karbonisierung 5 g/L
Stammwürze vor Kochen 11,7°P
Stammwürze: 13°P
Restextrakt: 3,3 °P

Vergärbare Zutaten (6.2 kg)
5.8 kg - Bohemian Pilsner 4 EBC (93.6%)
210 g - Acidulated 3.5 EBC (3.4%)
125 g - Carapils/Carafoam 3.9 EBC (2%)
60 g - Caramunich II 124 EBC (1%)

Maischprofil
More dextrinous
75°C - Einmaischtemp (eigentlich 76,5°, da habe ich aber Angst, das es mir gleich die Enzymatik zerlegt)
71 °C - 45 min - Temperatur ( die Kveik gärt es mir sonst zu trocken aus)
76 °C - 3 min - Abmaischen

Hopfen (50.2 g)
60 min - 20.2 g - Columbus (Tomahawk) - 15.3%
15 min - 10 g - Centennial - 10% (5 IBU)
10 min - 10 g - Amarillo - 9.2% (3 IBU)
5 min - 10 g - Cascade - 5.5% (1 IBU)

Sonstige Zutaten
15 min - Kochen - 2.71 g - Yeast Nutrients (W...
10 min - Kochen - 7 g - Irish Moss

Hefe
1 Pckg - Lallemand (LalBrew) Voss Kveik
Ale
30°C - 7 Tage - Primär

Die Diskussion ist eröffnet...
Lieben Gruß,
Oli
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§11
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#2

Beitrag von §11 »

Das wird sicherlich ein gutes Bier, aber halt kein American Pilsner. Das American Pilsner UG ist ist das eine, das wesentlich wichtigere aber ist das das Bier sehr schlank ist, da spricht aber Bohemian Pilsner Malz dagegen.

Klassisch kommt 6 Row zum Einsatz und da das eben auch Körper mitbringt, haben die Brauer angefangen Reis mit einzumaischen um das Bier schlanker zu machen.

Gruß

Jan
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#3

Beitrag von Tommi123 »

Hi,

Zudem ist die Voss alles dere als clean.

Da wirst du die oslo o.ä. nehmen müssen.

LG Thomas
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indiana1972
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#4

Beitrag von indiana1972 »

Hallo Jan, hallo Thomas.
Schon mal danke für die Rückmeldungen. Ich habe bisher zwei Pale Ales und ein IPA gebraut, alle mit einer ordentlichen Restsüsse und Malzigkeit. Der Geschmack liegt mir, was mir beim American Pilsner Stil besonders gefiel, war der Einsatz von Hopfen. Die Kveik Setze ich vor allem aus Zeitgründen ein. Wenn sie auch noch fruchtige Aromen beisteuert, bin ich fein damit. Preise will ich damit nicht gewinnen. Wenn also sonst keine großen Fehler drin sind werde ich es wohl so brauen. (Über die Oslo denke ich noch nach).
Lieben Gruß,
Oli
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Hpm
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#5

Beitrag von Hpm »

Hi
indiana1972 hat geschrieben: Mittwoch 4. November 2020, 07:44 …. Wenn also sonst keine großen Fehler drin sind werde ich es wohl so brauen. (Über die Oslo denke ich noch nach).
was für eine Antwort erwartest Du jetzt, Jan hat es doch schon gesagt.

Du willst ein "American Pilsner" brauen, verwendest keine Pils Hefe eigentlich UG, sondern ne Kveik. Du verwendest Malz welches in einem "American Pilsner" eigentlich nicht reingehört. Du möchtest eine Malzkörper erreichen welcher nicht zum Stil passt, deine Maischeprozess übrigens auch nicht.
Deine Gärführung, der Hefe bzw. Kveik hat mit "American Pilsner" auch nix zu tun.

…. nur der Hopfen passt irgendwie, aber das würde gefühlt auf über 70 % aller hier diskutierten Rezepte zutreffen.

Nein eigentlich kein grober Fehler nur der Stil ist irreführend, ich würde sogar sagen falsch.
Sonst kannst Du auch eine Pizza als Schwarzwälder Kirschtorte bezeichnen, es ist wenigstens Mehl drin und oben ein Milchprodukt drauf.

Meines er achtens ist ein wesentliches Kriterium, welches ein Bier beschreibt, die Hefe und die zugehörige Gärführung. Die Schüttung unterstreicht das ganze und der Hopfen sollte passend sein. Beim Hopfen gewähre ich mir schon den Konjunktiv, weil das für mich der schwächste Parameter ist.

Bei deinem Rezept passt nur der Hopfen.

sorry - aber so denke ich

Gruss Klaus
Tommi123
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#6

Beitrag von Tommi123 »

Hi,

Kurzum: wird ein geiles Pale-Ale, egal, ist doch egal, wie du es nennst!

LG Thomas
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indiana1972
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#7

Beitrag von indiana1972 »

Hallo,
Es war mir schon klar, dass das hier Diskussionen geben wird. Ich würde sagen, ich gebe euch in allen (fast) Punkten recht. Tatsächlich ist das, was am wenigsten passt vielleicht der Name. Wahrscheinlich wäre ich mit American Pale Ale näher dran. Die Idee war, ein Bier zu Brauen, das ziemlich zwischen Pilsener und Pale Ale liegt, hopfig und nicht zu schlank ist und das auf die lange Lagerung verzichten kann. Die meisten meiner Leute sind eher Pils und Kellerbier Trinker, denen komme ich nicht gleich mit nem IPA...
Ja, ich könnte sogar das Bohemian gegen Pale Ale malt tauschen - Fakt ist, ich will nicht. Worum es mir hier primär ging, ist auszuschließen, das ich erstens während des Maischens meine Enzymatik zerlege, und zweitens ob dem von mir angestrebten Profil (nicht dem Bierstil) was entgegensteht, was ich übersehen habe. Wie es heißt ist mir letztlich Wumpe.
Lieben Gruß,
Oli
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#8

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Der Versuch, das Rezept entlang des Style-Guides zu entwickeln, ging in die Hose. So ein Bierstil ist etwas mehr als 3-5 Schieberegler in einem Rezeptentwicklungstool.
Nenn es einfach "Bier". Darauf können wir uns alle einigen :-).

Aber auch beim "Bier" kann ich keine gute Konsistenz zwischen gewünschtem Ergebnis und geplanter Vorgehensweise erkennen.
Nicht böse gemeint. Aber was möchtest du denn genau erreichen? Und für wen (also für dich bzw. deine Kumpels)?
  • "ich mags etwas herber" vs. "ich will mit aller Macht Restsüße und Körper"
  • "Meine Kumpels wollen nur Pils und Kellerbier (beide tendenziell etwas trockener)" vs. "ich will mit aller Macht Restsüße und Körper"
  • "Meine Kumpels wollen nur Pils und Kellerbier (beide UG)" vs. "ich nehm' einfach eine Kveik"
  • "Meine Kumpels wollen nur Pils und Kellerbier (beide keine Aromahopfenbomben)" vs. "ich nehme ordentlich Aromahopfen"
  • "Ich mach Springmaischeverfahren bei 71°C, damit die Betaamylase null Chance hat" vs. "Rastdauer 45 Minuten"
  • usw. usw.
"Da braut sich was zusammen ... "
"Oh, Bier ;-) !"
"Nein! Was Böses!"
"Alkoholfreies Bier??? ..."
-----------
Viele Grüße
Jens
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#9

Beitrag von gulp »

Hpm hat geschrieben: Mittwoch 4. November 2020, 08:40 Hi
indiana1972 hat geschrieben: Mittwoch 4. November 2020, 07:44 …. Wenn also sonst keine großen Fehler drin sind werde ich es wohl so brauen. (Über die Oslo denke ich noch nach).
was für eine Antwort erwartest Du jetzt, Jan hat es doch schon gesagt.

Du willst ein "American Pilsner" brauen, verwendest keine Pils Hefe eigentlich UG, sondern ne Kveik. Du verwendest Malz welches in einem "American Pilsner" eigentlich nicht reingehört. Du möchtest eine Malzkörper erreichen welcher nicht zum Stil passt, deine Maischeprozess übrigens auch nicht.
Deine Gärführung, der Hefe bzw. Kveik hat mit "American Pilsner" auch nix zu tun.

…. nur der Hopfen passt irgendwie, aber das würde gefühlt auf über 70 % aller hier diskutierten Rezepte zutreffen.

Nein eigentlich kein grober Fehler nur der Stil ist irreführend, ich würde sogar sagen falsch.
Sonst kannst Du auch eine Pizza als Schwarzwälder Kirschtorte bezeichnen, es ist wenigstens Mehl drin und oben ein Milchprodukt drauf.

Meines er achtens ist ein wesentliches Kriterium, welches ein Bier beschreibt, die Hefe und die zugehörige Gärführung. Die Schüttung unterstreicht das ganze und der Hopfen sollte passend sein. Beim Hopfen gewähre ich mir schon den Konjunktiv, weil das für mich der schwächste Parameter ist.

Bei deinem Rezept passt nur der Hopfen.

sorry - aber so denke ich

Gruss Klaus

:goodpost:

Gruß
Peter
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Ein Bayer ohne Bier ist ein gefährlich Thier!

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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#10

Beitrag von indiana1972 »

Hi,
Ich möchte noch auf diesen einen Post antworten, dann ist es für mich auch gut.
DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Mittwoch 4. November 2020, 10:34
  • "ich mags etwas herber" vs. "ich will mit aller Macht Restsüße und Körper"
  • "Meine Kumpels wollen nur Pils und Kellerbier (beide tendenziell etwas trockener)" vs. "ich will mit aller Macht Restsüße und Körper"
  • "Meine Kumpels wollen nur Pils und Kellerbier (beide UG)" vs. "ich nehm' einfach eine Kveik"
  • "Meine Kumpels wollen nur Pils und Kellerbier (beide keine Aromahopfenbomben)" vs. "ich nehme ordentlich Aromahopfen"
  • "Ich mach Springmaischeverfahren bei 71°C, damit die Betaamylase null Chance hat" vs. "Rastdauer 45 Minuten"
Ich mag es, wenn herb und süß in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, mit einer leichten Tendenz zu „herb“.
Ich denke dass man jemanden gut da abholen kann, wo er steht, wenn man neues mit bekanntem verknüpft, also in diesem Fall die Hopfigkeit mit einem Malzkörper und Restsüsse verbindet. Ich mag es nicht, wenn Biere leer oder zu schlank/trocken schmecken, beispielsweise ist mir das Atlantik-Ale von Störtebecker und auch deren Pils zu schlank/trocken. Den Hopfen habe ich meine Meinung nach mit etwas unter 2g/L nicht übermäßig eingesetzt. Auf das Hopfenstopfen habe ich verzichtet. Farbmalz habe ich genommen, weil mir mein reines Pils basiertes Bier zu hell/farblos war und reines Pale ALe Malz zu dunkel.

Das untergärige cleane Profil wird inzwischen von vielen Kveik Hefen ebenfalls geliefert, da habe ich ja schon gesagt, dass ich darüber nachdenke eine andere zu nehmen. Das Maischeverfahren ergibt sich dann aus der Hefe, da ich sonst zu tief vergäre.

Den Tipp mit der Rastdauer nehme ich gerne an, darauf wollte ich mit der Fragestellung hinaus.

Ich denke am besten lernt man, wenn man Dinge ausprobiert, aber ich kenne jetzt auch eure Meinung und danke euch dafür.
Lieben Gruß,
Oli
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#11

Beitrag von integrator »

Ich will nicht dein Rezept auf den Kopf stellen aber vielleicht hilft dir die Ausgeglichene Petra bei deiner Rezeptentwicklung.
Viel Erfolg und allzeit guten Sud :Drink
:Bigsmile Selbstgespräche sind nicht schlimm solange du nichts Neues erfährst. :Bigsmile
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#12

Beitrag von Bergbock »

§11 hat geschrieben: Mittwoch 4. November 2020, 00:20 Das wird sicherlich ein gutes Bier, aber halt kein American Pilsner. Das American Pilsner UG ist ist das eine, das wesentlich wichtigere aber ist das das Bier sehr schlank ist, da spricht aber Bohemian Pilsner Malz dagegen.

Klassisch kommt 6 Row zum Einsatz und da das eben auch Körper mitbringt, haben die Brauer angefangen Reis mit einzumaischen um das Bier schlanker zu machen.

Gruß

Jan
Den Hinweis verstehe ich nicht ganz. Wieso soll gerade Bohemian Pilsner Malz kein schlankes Bier liefern können? Ich hatte das mehrfach in einem Pilsner und die waren immer sehr schlank, wenn man die Rasten entsprechend wählt.
Oder bezieht sich deine Aussage auf den Gesamtkontext mit seinem Maischverfahren?

Frank
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#13

Beitrag von §11 »

Bergbock hat geschrieben: Mittwoch 4. November 2020, 11:39
§11 hat geschrieben: Mittwoch 4. November 2020, 00:20 Das wird sicherlich ein gutes Bier, aber halt kein American Pilsner. Das American Pilsner UG ist ist das eine, das wesentlich wichtigere aber ist das das Bier sehr schlank ist, da spricht aber Bohemian Pilsner Malz dagegen.

Klassisch kommt 6 Row zum Einsatz und da das eben auch Körper mitbringt, haben die Brauer angefangen Reis mit einzumaischen um das Bier schlanker zu machen.

Gruß

Jan
Den Hinweis verstehe ich nicht ganz. Wieso soll gerade Bohemian Pilsner Malz kein schlankes Bier liefern können? Ich hatte das mehrfach in einem Pilsner und die waren immer sehr schlank, wenn man die Rasten entsprechend wählt.
Oder bezieht sich deine Aussage auf den Gesamtkontext mit seinem Maischverfahren?

Frank
Ok, meine Antwort Gestern war etwas knapp, ich war mit der Wahl beschäftigt.

Die Geschichte des American Pilsner lässt sich sehr gut nachvollziehen, weil sie recht jung ist (wie die Geschichte des Pilsner allgemein) und die Geschichte des Landes allgemein recht gut dokumentiert ist. Die Geschichte ist, wie so oft, auch mit der politischen Geschichte des Landes verwoben. Bis etwa 1830 ist das Brauwesen in den USA vor allem Englisch und etwas Niederländisch geprägt. Die erste kommerzielle Brauerei in den USA wurde 1632 von der Niederländischen West India Company in Lower Manhattan gebaut. Die erste kommerzielle Privatbrauerei 1663 in Hoboken, NJ, das damals ebenfalls niederländisch war. Bekannt ist aber das bereits die ersten Siedler auch das Brauen mitgebracht haben. Einer der berühmtesten Quellen dafür ist ein Logbucheintrag der Mayflower:

“For we could not now take time for further search our victuals being pretty much spent especially our beer.”

Die Pilgrims und Mayflower sollten 1620 eigentlich in die weiter südlichen gelegenen Kolonie Virginia segeln, blieben aber wegen der schlechten Versorgungslage und ungünstigen Winden in Cap Cod. Es ist auch überliefert das eine Brauerei zu den ersten Gebäuden zählte die erbaut wurden.

Ab etwa 1820 begannen vor allem Deutsche das Land zu besiedeln. Zwischen 1840 und 1880 waren, bedingt durch schlechte Ernten und politische Unruhen in Deutschland, die deutschen die grösste Einwanderer Gruppe in den USA. Zwischen 1820 und 1920 immerhin 7,2 Millionen Deutsche. Es ist relativ gut dokumentiert das 1840 Johann Wagner (John Wagner), ein bayrischer Brauer, die erste untergärige Hefe in die USA mitbrachte und zwar nach Philadelphia. Wichtig ist hier im Hinterkopf zu behalten das bis Ende der 1700ter Jahre „Amerika“ praktisch nur aus einem relativ dünnen Landstrich an der Ostküste bestand. Die Siedler scheuten sich die Appalachen und die dichten Wälder zu überwinden. Am Ende der 1700ter Jahre bildeten sich Kolonien einzelner Staaten, wie das Connecticut Western Reserve, das Heute den nördlichen Teil Ohio’s bildet. Das heisst hier beginnt die Ausweitung der USA nach Westen die in den 1840ern, durch den Goldrausch befeuert, einen ersten Höhepunkt erlebt. Und genau hier ist der Siegeszug der untergärigen Biere in den USA begründet. Zusammengefasst, untergäriges ist haltbarer und eignet sich wesentlich besser für die „großen Trecks“. Außerdem trifft die Welle der deutschen Einwanderer zusammen mit der Ausweitung des Landes nach Westen (und der Westen war bis dahin brautechnisch ein weißer Fleck auf der Karte).

Ein weiteres Getränk, das in grossen Mengen die Trecks begleitete, war Whiskey, der in USA in unglaublichen Mengen hergestellt wurde. Hier ist das zweite Zahnrad das zum „american Pilsner“ geführt hat. Fuer die Whiskeyherstellung wurde in USA fast ausschließlich 6 Row Barley angepflanzt, weil sich der für die Whiskeyherstellung besser eignet. Das heißt den Brauern stand auch nur 6 Row Gerste zur Verfügung. Und hier liegt das Problem. Six Row erzeugt zum einen ein viskoseres Bier als die zweizeilige Gerste die die Brauer aus Deutschland kannten und die Gerste hat einen wesentlich stärkeren Eigengeschmack (der beim Whiskey gewünscht war). Das ist es was ich mit schlankem Bier meine.

Es gibt relativ reiche Quellen in diversen Veröffentlichung aus dieser Zeit, in denen genau dieses Problem besprochen wird. Es werden Versuche erklärt die Viskosität und den Geschmack durch die Zugabe von Mais und Reis „zu verdünnen“. Das heißt aber auch das der heutige Glaube, das Reis oder Mais aus Kostengründen eingesetzt wurde, so nicht stimmt.

Also historisch ist american Pilsner ein Bier das auch schlank im Geschmack ist. Hier sehe ich das gehaltvolle Böhmische Malz als kontraproduktiv. Auch ein Malzkörper ist nicht in einem american Pilsner zu finden.

Ich hoffe jetzt wird klar was ich meine.

Gruss

Jan
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#14

Beitrag von BrauSachse »

Danke Jan, toller Beitrag! :thumbup Hier lernt ma sogar etwas über Geschichte.

Viele Grüße
Tilo
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#15

Beitrag von §11 »

BrauSachse hat geschrieben: Mittwoch 4. November 2020, 16:28 Danke Jan, toller Beitrag! :thumbup Hier lernt ma sogar etwas über Geschichte.

Viele Grüße
Tilo
Rein zufällig einer der Bierstile, den ich mir gerade intensiver anschaue. Also nicht nur american Pilsner, sondern untergärige Biere in den USA, im allgemeinen.

Gruss

Jan
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#16

Beitrag von Bergbock »

@Jan: besten Dank für die sehr umfassende Antwort.

Also bezog sich deine Aussage v.a. darauf, dass die amerikanische 6-zeilige Gerste sich deutlich von den europäischen unterscheidet und du das böhmische PiMa herangezogen hast, weil der TE es in seiner Schüttung hatte.
Ich hatte es eben so aufgefasst, dass speziell das Böhmische PiMa kontraproduktiv sein soll, was ich nicht verstand, weil ich jetzt keinen wirklich grossen Unterschied zwischen (hiesigem) Standard-PiMa und dem böhmischen Typ (der wohl Hanka sein soll) feststellen konnte.
Aber in diesem Kontext kann ich es jetzt nachvollziehen.

Frank
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#17

Beitrag von Beerkenauer »

BrauSachse hat geschrieben: Mittwoch 4. November 2020, 16:28 Danke Jan, toller Beitrag! :thumbup Hier lernt ma sogar etwas über Geschichte.

Viele Grüße
Tilo
Kann ich mich nur anschließen. Sowas lese ich total gerne. Hoffe das wird ein Teil deines nächsten Buchs Jan :Smile

Gruss

Stefan
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#18

Beitrag von indiana1972 »

So, ich möchte euch mitteilen, das ihr mich überzeugt habt. Ich werde mein Pilsener auf nach Weihnachten verschieben, und stattdessen zunächst ein American Pale Ale brauen, statt des Bohemian nehme ich 5,4kg Pale Ale, dafür etwas mehr caramünch II (0,12kg), komme damit auf EBC von 12,6 und mache die Maische 60 Minuten bei 67°C, den Hopfen lasse ich so und bin damit bei IBU von 40, BU/GU von 0,75 (mein „sweet spot“), bei einer FG von 1.012 also rund 3°P und 5,4% ABV, die Voss unterstützt dabei die Hopfen durch Zitrus- und Orangenaromen. Dafür vergäre ich dann bei 35°C und evtl. etwas underpitched.
Als letzte Frage hätte ich dann noch, ob und welche mögliche andere Hefe ich dann für die Flaschengärung nehmen sollte, oder ob ich wenn ich mit der Hauptgärung durch bin und zügig abfülle darauf verzichten kann, die Kveik soll bei Flaschengärung manchmal zickig sein, habe ich gehört.
Und bei Jan möchte ich mich noch mal für seinen Beitrag bedanken, sehr informativ.
Lieben Gruß,
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#19

Beitrag von rauchbier »

Bergbock hat geschrieben: Mittwoch 4. November 2020, 16:51 @Jan: besten Dank für die sehr umfassende Antwort.

Also bezog sich deine Aussage v.a. darauf, dass die amerikanische 6-zeilige Gerste sich deutlich von den europäischen unterscheidet und du das böhmische PiMa herangezogen hast, weil der TE es in seiner Schüttung hatte.
Ich hatte es eben so aufgefasst, dass speziell das Böhmische PiMa kontraproduktiv sein soll, was ich nicht verstand, weil ich jetzt keinen wirklich grossen Unterschied zwischen (hiesigem) Standard-PiMa und dem böhmischen Typ (der wohl Hanka sein soll) feststellen konnte.
Aber in diesem Kontext kann ich es jetzt nachvollziehen.

Frank
Hab erst vor kurzem dazu viel gelesen. Dazu passt noch eine historische Ergänzung. Viele emigrierte Brauer aus Deutschland und Österreich hatten extreme Probleme mit dem amerikanischen Malz, der sich komplett von den verschiedenen ihnen bekannten Malzen unterschieden hat.
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Re: Rezeptcheck: American Pilsner

#20

Beitrag von §11 »

rauchbier hat geschrieben: Mittwoch 4. November 2020, 21:51
Bergbock hat geschrieben: Mittwoch 4. November 2020, 16:51 @Jan: besten Dank für die sehr umfassende Antwort.

Also bezog sich deine Aussage v.a. darauf, dass die amerikanische 6-zeilige Gerste sich deutlich von den europäischen unterscheidet und du das böhmische PiMa herangezogen hast, weil der TE es in seiner Schüttung hatte.
Ich hatte es eben so aufgefasst, dass speziell das Böhmische PiMa kontraproduktiv sein soll, was ich nicht verstand, weil ich jetzt keinen wirklich grossen Unterschied zwischen (hiesigem) Standard-PiMa und dem böhmischen Typ (der wohl Hanka sein soll) feststellen konnte.
Aber in diesem Kontext kann ich es jetzt nachvollziehen.

Frank
Hab erst vor kurzem dazu viel gelesen. Dazu passt noch eine historische Ergänzung. Viele emigrierte Brauer aus Deutschland und Österreich hatten extreme Probleme mit dem amerikanischen Malz, der sich komplett von den verschiedenen ihnen bekannten Malzen unterschieden hat.
Ja, ich hab das kurz geschrieben. Der Grund ist das vor allem 6 row angebaut wurde, der ursprünglich aus Schottland kam. Mit zweireihigen Sorten aus England und Kontinentaleuropa war man weniger erfolgreich, die hatten Probleme mit dem Boden und dem Klima und der 6 row hat sich durchsetzen können. Wie beim Hopfen auch, war das Ziel vor allem Autonomie. Anfangs nicht aus politischen Gründen sondern aus reinen Versorgungsgründen. Heute würde man sagen "ensure supply". Die Lieferungen an Rohstoffen aus der alten Welt waren recht unregelmässig und war die Ernte in der alten Welt schlecht, gab es gar nichts.

Gruss

Jan
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