Spitzmalz ersetzen, möglich? (Keutbier)

Fragen und Diskussion rund um Rezepturen zum Bierbrauen
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Geb
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Spitzmalz ersetzen, möglich? (Keutbier)

#1

Beitrag von Geb »

Liebe Freundinnen und Freunde des Selbstgebrauten.
Da mit einem sehr ruhigen Weihnachten und ff. zu rechnen ist, wollte ich ein Vorhaben vorziehen, das Keut aus Jans "Bierfiebel".
Abgesehen von der Tatsache, das Wiki behauptet, im Keut sei immer auch Weizen, stehe ich vor dem Problem, dass keiner unserer Standardlieferanten Spitzmalz hat. Da stelle ich mir die Frage, gibt es was Vergleichbares, das der Selbstbrauversorger üblicherweise im Angebot hat? Alternativ könnte man fragen, wer bietet das denn an (außer Narungsmittel-selbermachen.de, die haben die empfohlene Hefe nicht)
Was mich auch etwas interessiert, warum muss / sollte man hoch gelöste Malze kompensieren?
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olibaer
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Re: Spitzmalz ersetzen, möglich? (Keutbier)

#2

Beitrag von olibaer »

Geb hat geschrieben: Donnerstag 10. Dezember 2020, 19:01 [...]Spitzmalz hat. Da stelle ich mir die Frage, gibt es was Vergleichbares, das der Selbstbrauversorger üblicherweise im Angebot hat?
Rohfrucht wäre ein Surrogat für Spitzmalz. Zu berrechnen wären die Äquivalente.

Festgemacht an den Lösungsgraden von Spitzmalz könnte man z.B. die Entsprechung finden, dass 0,1 kg Rohfrucht 1kg Spitzmalz ersetzt.
Im Umfeld eines Rezepturgedankens wären dann noch zusätzlich je kg Spitzmalz-Ersatz 0,9 kg Basismalz nachzuschütten, um im Scope einer berechnten Gesamtschüttung zu bleiben.
Gruss
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Geb
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Re: Spitzmalz ersetzen, möglich? (Keutbier)

#3

Beitrag von Geb »

Für den Fall, das nicht gänzlich jeder das Buch hat und auswendig kann, hier die Schüttung zur besseren Verständlichkeit:

13 l Hauptguss,
1,8 kg Tennenmalz
1,0 kg Spitzmalz
0,32 kg Haferflocken
0,16 kg Sauermalz
20 g Hallertauer Mittel,
13 l Nachguss

... das wollte ich mal noch anmerken.
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olibaer
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Re: Spitzmalz ersetzen, möglich? (Keutbier)

#4

Beitrag von olibaer »

Geb hat geschrieben: Donnerstag 10. Dezember 2020, 21:10 Für den Fall, das nicht gänzlich jeder das Buch hat und auswendig kann ...
Der war gut. ROFL.
Gruss
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§11
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Re: Spitzmalz ersetzen, möglich? (Keutbier)

#5

Beitrag von §11 »

Geb hat geschrieben: Donnerstag 10. Dezember 2020, 19:01 Liebe Freundinnen und Freunde des Selbstgebrauten.
Da mit einem sehr ruhigen Weihnachten und ff. zu rechnen ist, wollte ich ein Vorhaben vorziehen, das Keut aus Jans "Bierfiebel".
Abgesehen von der Tatsache, das Wiki behauptet, im Keut sei immer auch Weizen, stehe ich vor dem Problem, dass keiner unserer Standardlieferanten Spitzmalz hat. Da stelle ich mir die Frage, gibt es was Vergleichbares, das der Selbstbrauversorger üblicherweise im Angebot hat? Alternativ könnte man fragen, wer bietet das denn an (außer Narungsmittel-selbermachen.de, die haben die empfohlene Hefe nicht)
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Geb
Einer der Gründe warum ich Wikipedia bei meinen Recherchen aussen vor lasse :Wink

Wie so oft ist es schwierig ein einheitliches "Rezept" für Keut zu finden, die teilweise recht weit verbreitet war (und die heute praktisch unbekannt ist). Es gab Keut sowohl als reines Gerstenbier, als auch als Gerstenbier "mit Weizenanteil". Wobei das ziemlich sicher nicht nur regional unterschiedlich war, sondern auch zeitlich schwankte. Aus Weizen kann man Brot backen, aus Gerste nicht. D.h. der im Anbau anspruchsvolle Weizen war dem Brotbacken vorbehalten (der Grund für die bayrische Landsordnung von 1516, später als Reinheitsgebot bekannt geworden). D.h. sobald die Weizenernte schlecht ausfiel, wurde sehr oft Weizen für die Bierherstellung verboten. Selbst bei heut unbestrittenen Weizenbieren, wie dem Grätzer, war der Zusatz von Weizen zeitweilig verboten.

Es gibt beim Keut auch überschneidungen mit dem Grutbier, so war scheinbar Keut anfangs teilweise ungehopft.

Die Ortssatzung aus Wattenscheid von 1581 sagt z.B. folgendes
Wirthen , welche Bier und Keut brauten , ſolle
nach Uusfall der Gerſte-Ernte von Bürgermeiſtern und Rath der Preis geſetzt werden (Nr. 9 ff.),3 desgleichen nach dem Preiſe
des Weizens und Roggens den Bäckern (Nr. 14 ff.).
Wäre zu jener Zeit auch im Keut Weizen, wäre es unlogisch warum Brauer nur bei der Gerstenmissernte zu entschädigen sind

Keut 1.png
Keut 1.png (78.9 KiB) 1890 mal betrachtet
Aus Germania Sacra Die Bistumer der Kirchenprovinz Koln. Das Bistum Munster 7,1: Die Diozese
by Wilhelm Kohl (Editor), Helmut Flachenecker (Editor), Max-Planck-Inst. f. dt. Gesch. (Editor), 1968

Johann Anton Arnold Möller schreibt 1803 über den Hammer Keut in Kurze historisch-genealogisch-statistische Geschichte der Hauptstadt Hamm
Es wäre zu wünſchen ,wenn die Gerſte wohlfeiler wird , die vortheilhafte Keitbraueren zum auswärtigen Handel wiederum anzufangen . Einer Namens Keutius war der erſte Brauer der dieſe Sorte Bier brauete, das ber der Name, Keut Bier , entſtanden iſt.
Aus So war es am Niederrhein: Leben, Mundart und Brauchtum im Spiegel handwerklicher Berufe Fritz Meyers 1990
Keut war ein stark gehopftes Bier , das aus unterschiedlichem Getreide : Gerste , Hafer oder Weizen ( auch vermischt ) gebraut wurde. In der Vogtei Geldern verstand man darunter ein aus Weizen oder Hafer hergestelltes Dünnbier. (in der Folgezeit wurde Hafer und Weizen immer mehr von der Gerste verdrängt.
„porro bibitur!“
Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
Die Seite zur HBCon https://heimbrauconvention.de/
https://headlessbrewer.wordpress.com/
bwanapombe
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Re: Spitzmalz ersetzen, möglich? (Keutbier)

#6

Beitrag von bwanapombe »

Hallo Geb,

mit Deinem Problem sitzt Du in einem Boot mit den früheren Brauern, besonders den vorindustriellen. Die hatten auch nicht immer alles zur Verfügung oder die Preise waren nicht akzeptabel, und sie mußten dann ersetzen und dabei möglichst den Charakter des Bieres erhalten, was nicht immer gelungen sein kann. Deshalb ist es sinnvoll zunächst das zu bestimmen, was das Bier ausmacht. Zutaten und Prozesse sind da natürlich sachdienlich, aber auch sonstige Beschreibungen.

Jan hat es schon geschrieben, das was Keutbier genannt wurde, kann zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten durchaus verschieden ausgefallen sein.

Was ich besonders schwierig finde, ist die Festlegung auf eine Hefe. Vor Einführung der Reinzuchthefe, muß das ebenso ein bewegliches Ziel wie die Zutaten gewesen sein, weil sie sich unter den verschiedenen Bedingungen über die Zeit und an verschiedenen Orten in alle Richtungen entwickeln konnte.

Den Namen würde ich tatsächlich von einer niederdeutschen Form von "gekocht" (kökt, keukt > keut) herleiten. Für den Namen Keutius habe ich keine Belege. Keutbier also gekochtes Bier möglicherweise in Abgrenzung von einem ungekochten (Hopfen-) Bier.

Dirk
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Re: Spitzmalz ersetzen, möglich? (Keutbier)

#7

Beitrag von Geb »

1. Danke für die teilweise sehr profunden Antworten. Begeistert mich total, wenn jemand Ahnung hat. :thumbup

Ich habe mich unter dem Einfluß verschiedenster Meinungen, für folgende Variation entschieden:

13 l Hauptguss,
1,8 kg Tennenmalz
0,9 kg Rauchmalz (Soll der Tatsache Rechnung tragen, dass die Malzdarre früher oft über Feuer stattfand)
0,32 kg Haferflocken
0,16 kg Sauermalz
0,10 kg Gerstenflocken
20 g Hallertauer Mittel,
13 l Nachguss

Ich hoffe mal das Rezept gilt nicht als völlig "deppert", dann bestelle ich mir morgen die Zutaten.
Da das mehr experimentellen Charakter hat, werde ich wohl Alles halbieren, um auf eine Ausschlagmenge von ca. 10 l zu kommen.
Ich gebe Euch dann Bescheid, wie's ausgegangen ist.
Stay safe!
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Re: Spitzmalz ersetzen, möglich? (Keutbier)

#8

Beitrag von Brauerei20 »

Hallo allerseits,

sehr spannendes Projekt, bin gespannt wie es ausgehen wird! Dirks geschichtlicher Einwand ist völlig richtig! Probieren geht über studieren und vielleicht kommt ja sogar ein neues Meister-Rezept dabei heraus.

LG
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Re: Spitzmalz ersetzen, möglich? (Keutbier)

#9

Beitrag von Bitter »

Hallo Geb,
Geb hat geschrieben: Dienstag 15. Dezember 2020, 19:43
Ich gebe Euch dann Bescheid, wie's ausgegangen ist.
Hast du das Keut gebraut und wenn Ja, wie ist das Experiment ausgegangen?

Gruß Lothar
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Re: Spitzmalz ersetzen, möglich? (Keutbier)

#10

Beitrag von Geb »

Ja, habe ich. Es war eine interessante Fleißarbeit. Vor allem die kontinuierliche Erhitzung der Maische sorgt dafür, dass man 90min zu nichts anderem kommt, außer rühren und Temperatur überwachen.
Die Gärung war Anfangs sehr heftig, lief trotzdem für OG ziemlich lange.
Das Ergebnis war, wie zu erwarten trüber als unsere anderen Biere, Thomas fand es etwas zu rauchig, ich fand es unerwartet sauer. Beides klingt aber auch zügig ab, leider zusammen mit allen anderen Nuancen.
Höchstwahrscheinlich mache ich das nochmal, werde aber Rauch und Sauer reduzieren.
Gruß aus L,
Geb
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