Rekonstruktion Lambic/Geuze Cantillon Brüssel

Fragen und Diskussion rund um Rezepturen zum Bierbrauen
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dukeboris
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Rekonstruktion Lambic/Geuze Cantillon Brüssel

#1

Beitrag von dukeboris »

Hallo zusammen,

ich war im Urlaub in der Brauerei Cantillon in Brüssel bei einer kleinen Führung mit Verkostung.

https://www.cantillon.be/?lang=en

Ich habe mir ein paar Daten zum Prozess notiert und würde gerne hier mit euch das ganze zu einem praktikablem Heimbraurezept umstricken. Folgende Dinge habe ich mir für das Lambic notiert:

1300 kg Getreide werden eingemaischt
davon 65% Gerstenmalz
und 35% Weizenrohfrucht (vorgequollen)

Gemaischt wird 3 Stunden bei folgenden Temperaturen für unbekannte Zeiträume:
45°C Einmaischen
55°C 1. Rast
62°C 2. Rast
72°C 3. Rast
78°C Abmaischen

Das ganze geschieht ohne heizen, nur durch Zugabe von heißem Wasser. Welche Mengen das im einzelnen sind müsste man sich ausrechnen. Es sind am Ende auf jeden Fall 10.000 Liter Maische mit unbekannter Stammwürze.

Nach dem Läutern bleiben 8.000 Liter übrig, die sofort mit 25 kg gealtertem Hopfen (Saaz oder Hallertauer) gekocht werden. Kochzeit und Ausbeute unbekannt.

Danach wird Hopfen entfernt (Filtern oder Säckchen?) und die Würze über Nacht auf einer großen Kupferschale von ca. 15m² abgekühlt. Es wird keine Hefe oder Ähnliches hinzugegeben und dann sofort in Fässer abgefüllt.

Nach einem Jahr hat man dann ein junges Lambic, nach weiteren 2 Jahren ein altes Lambic. Verschneidet man altes und junges Lambic im Verhältnis 2/3 + 1/3, dann erhält man nach weiteren 6 Monaten eine Geuze! Versetzt man das Lambicgemisch mit Kirschen, dann erhält man ein Kriek.

Nun würde ich das Rezept vor der Umrechnung auf die Einkocherklasse gerne erst einmal zur Diskussion stellen. Vielleicht war der eine oder andere auch bei einer Führung und hat mehr aufgeschnappt. Nachdem die Ergänzungen abgeschlossen sind würde ich gerne auf 25l umrechnen und dann auch gerne nachbrauen! :Drink

Hoffe auf rege Beteiligung von Lambic- und Geuze-Begeisterten!

Danke und Gruß-
Boris
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Bierwisch
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Re: Rekonstruktion Lambic/Geuze Cantillon Brüssel

#2

Beitrag von Bierwisch »

Hallo Boris,

Du findest hier und in den bekannten Rezeptdatenbanken jede Menge passender Rezepte. Da musst Du dieses nicht unbedingt herunterrechnen.
Das Rezept ist hier sowieso zweitrangig - die Mikroorganismen machen den speziellen Geschmack.

Das was in dem Gebälk über dem Kühlschiff lebt und vor Allem die Besiedelung der Holzfässer spielen bei spontanvergorenen Bieren die Hauptrolle. Und das nachzubilden, ist die mit Abstand größte Herausforderung.

Viel Spaß bei Deiner Suche nach der perfekten Heimbrau-Version eines belgischen Sauerbiers.

Gruß
Bierwisch
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ggansde
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Re: Rekonstruktion Lambic/Geuze Cantillon Brüssel

#3

Beitrag von ggansde »

Vergiss den Plan, dass da irgendwas gutes mit der Würze von selbst passiert. Kauf Dir einem anständigen Blend, z.B. von WYEAST.
VG, Markus
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dukeboris
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Re: Rekonstruktion Lambic/Geuze Cantillon Brüssel

#4

Beitrag von dukeboris »

DAnke für die Antworten

Ok, war mir nicht so ganz klar.

Kann ich denn mit den Bodensätzen von den 4 Flaschen von Cantillon, die ich dort gekauft habe was anfangen? Also Würze herstellen und dann mit dem Bodensatz in einen Ballon und abwarten?

Gruß.
BOris
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DrFludribusVonZiesel
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Re: Rekonstruktion Lambic/Geuze Cantillon Brüssel

#5

Beitrag von DrFludribusVonZiesel »

Ich habe auch mit dem Wyeast Lambic Blend angestellt und nach ein paar Wochen die Bodensätze gegeben. Nur Bodensätze kann zwar auch funktionieren, aber wenn die Biere zu alt sind, lebt da nicht mehr viel. Starter wäre eine Option, aber ich würde (und habe) wie von Markus empfohlen auch mit dem Blend arbeiten.

Am besten alle 4 Bier in kurzem Abstand trinken, die Bodensätze in Starterwürze parken und dann ab ins Lambic wenn die stürmische Gärung durch ist.

Turbid Mash kann man auch noch machen, ist aber denke ich kein Muss. Aber war definitiv nett, das mal durchgezogen zu haben.
Mit den Hopfen aufpassen, gealterte sind ansich nicht nötig. Ich würde aber auch hier mit den normalen alpha Säure Werten rechnen, sonst kann das schnell zu bitter werden.
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Bierwisch
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Re: Rekonstruktion Lambic/Geuze Cantillon Brüssel

#6

Beitrag von Bierwisch »

Weder mit Bodensätzen, noch mit professionellen Blends kommt man an das Original ran, aber so funktioniert das wenigstens einigermaßen.

Turbid Mash oder sehr hoch einmaischen (70°C oder noch höher), um möglichst viele Dextrine zu produzieren, alter oder gealterter Hopfen (im Backofen bei 50°C) ist Pflicht. Und natürlich Geduld. Ein Jahr sollte das Bier dann schon Zeit haben, bevor man es weiterverarbeitet.

Gruß
Bierwisch
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DrFludribusVonZiesel
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Re: Rekonstruktion Lambic/Geuze Cantillon Brüssel

#7

Beitrag von DrFludribusVonZiesel »

DIe ganz Verrückten können die abgekühlte Würze noch neben dem Abfluss in der Küche mit Enterobacter und anderem Zeug infizieren, so wirds wahrscheinlich noch eine Spur traditioneller. :puzz

Das verlinkte "Liddil Lambic Lesson" ist aber ein sehr empfehlenswerter Text, kann ich nur ans Herz legen, auch wenns schon etwas älter ist.

Zu den gealterten Hopfen findet sich unter anderem hier etwas. Ich weiß leider nicht mehr, wo ich das gelesen habe (vielleicht wars im American Sour Beers), daher aus dem Kopf: die alte und oxidierte alpha-Säure wandelt sich in andere Bestandteile um, die beinahe genauso bitternd wirken. Somit nicht den Fehler machen und denken, dass alter Hopfen nicht mehr bittert. Findet man hier im Forum auch einige Hinweise, dass so manchem das Lambic zu bitter geworden ist. Ich finde das dann in Kombination mit den ledrigen Aromen der Brettanomyces teilweise sehr ungut zu trinken.
Wichtig ist Hopfen aber in jedem Fall, auch wenn man keine (hohe) Bitterkeit möchte, da die Brettanomyces aus dem Hopfen noch gewisse geschmackliche Komponenten umwandeln kann.

Ich hab übrigens gestern beim Nachfüllen der Gärglocke an meinem 1,5 Monate alten Lambic gerochen, schwerer Fehler :Mad2 :Shocked

Edit: war eh bei mtf
Kishimoto et al. (2021) reported similar results when making beers with forcibly aged hops. They aged Magnum hop pellets (14% AA) at 40°C and exposed to air for a number of different days: 3, 5, 7, 10, 14, 21, 30, and 90 days. The hops aged for 14 days had 9.8% AA, 21 days had 4.4% AA, 30 days had 1.2% AA, and 90 days had 0% AA. The IBU (measured with a spectrophotometer using Method Beer-23A from the American Society of Brewing Chemists) for the different beers made with the aged hops was more or less the same despite how much alpha acids were left in the aged hops. However, beers brewed with the different aged hops reflected a rapid decrease in iso-alpha acids in the beers made with the aged hops. Perceived bitterness also decreased for the beers made with the aged hops, but not as much as the decrease in ppm of iso-alpha acids, again demonstrating the oxidized hop compounds carry some bitterness, but less bitterness than iso-alpha acids [16].
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dukeboris
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Re: Rekonstruktion Lambic/Geuze Cantillon Brüssel

#8

Beitrag von dukeboris »

Hallo zusammen,
mal ein kleines Update von dem Lambic-Versuch.

Ich habe mich besonnen und wirklich die Wyeast 3278 gekauft und damit nach dem Müggelandrezept versucht ein Lambic zu brauen. Nach ca. 2 Wochen Hauptgärung im Kunststoffbehälter habe ich den Sud umgeschlaucht auf mehrere Glasballons, die nun in einer dunklen Ecke im Keller stehen und nur noch sehr schwach blubbern.

Gerade sitze ich vor einem Kriek von Cantillon, dessen Bodensatz (sehr wenig) in einer der Ballons landen wird. Ich bin gerade kräftig dabei überall Sektflaschen zu bunkern, wobei Sylvester dort ein wenig geholfen hat. Ich würde das ganze Gelumpe nun 1 Jahr stehen lassen und dann kurz vor Weihnachten 2022 in Sektflaschen füllen. Was ist dabei zu beachten? Noch mal Hefe und ein wenig Zucker zugeben, damit es in der Flasche wieder Kohlensäure bildet?

Danke für eure Hilfe.
Boris
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