Dunkles Weizen - unerklärliche Nelkenexplosion

Fragen und Diskussion rund um Rezepturen zum Bierbrauen
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jaulinho
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Dunkles Weizen - unerklärliche Nelkenexplosion

#1

Beitrag von jaulinho »

Hi,

heute bräuchte ich mal Euer Schwarmwissen für einen Rezeptcheck a posteriori.

Ich habe ein dunkles Weizen gebraut (Daten weiter unten), dass ich am Montag nach der HG in Kegs abgefüllt habe. Beim Verkosten ist mir schon der Geruch aufgefallen: Gewürznelke pur, auch im Mund das dominante Aroma. Der Sud wurde in 2 ZKGs vergoren, in beiden das gleich Ergebnis in allen Parametern und Geschmack.

Der Geschmack nervt mich nicht, im Gegenteil, gefällt mir ganz gut in einem dunklen mit Röstaromen, auf jeden Fall besser als Banane. Ich kann es mir einfach nur nicht erklären und das macht mich kirre. Ich kenne den Artikel im Braumagazin und ich hatte mein Weizen auf neutral ausgelegt.

Vielleicht kann mir einer von Euch helfen?

Hier die Eckdaten des Sudes:

Schüttung: 4,6kg Weizen dunkel, 1.85kg Münchner 2, 1.85kg Pilsener, 900g Caraaroma, 100g Carafa Spezial 2.
Gussführung: 30l HG, 19.5l NG. HG mit 3.2g Natron, 6.6g CaCl2 und 3g CaSO4 eingestellt. pH Wert der Maische 5,35.
Rasten: Einmaischen bei 55°C zur Eiweißrast, 63°C 35', 67°C 10'. 71°C bis jodneutral.
Kochen: 60' mit 3.8l Verdampfung auf 36l, Stammwürze nach Kochen 16,3°P.
Hopfen: 17.3g Magnum nach Eiweißbruch für 14 IBU.

Nach dem Kühlen und Abfüllen in die ZKG mit je 3l Wasser aufgefüllt auf 20l und 13,2°P.

Abgekühlt auf 18°C, mit Nährsalz und Erntehefe Wyeast 3638 (ca. 5. Führung) angestellt. Nach 50% der HG auf 19 Grad angehoben, nach einem weiteren Tag auf 20°C. Nach 6 Tagen abgefüllt in NC Kegs. REs 3.0%, AVGs 79%.

Wie gesagt: der gesamte Prozess und die Zutaten waren auf "neutral" ausgelegt.

Würde mich freuen, Eure Tipps zu hören.

Ach ja: wie stabil ist denn der Nelkengeschmack auf der Zeitachse?

Danke und lG
Tom
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Ladeberger
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Re: Dunkles Weizen - unerklärliche Nelkenexplosion

#2

Beitrag von Ladeberger »

Auf die Sensorik der verantwortlichen Aromastoffe 4-Vinylguaiacol und 4-Vinylphenol gibt es eben zahlreiche Einflussfaktoren. Es greift zu kurz, das nur an einer Rast festzumachen. Neben der Bereitstellung vom Precusor Ferulasäure für 4-VG stellt sich die Frage, wie weitgehend der eingesetzte Hefestamm den Precusor auch tatsächlich umsetzt und wie der Aromastoff dann im Kontext sensorisch wahrgenommen wird.

Es reicht bei gleicher Konzentration phenolischer Substanzen für einen signifikant phenolischeren Aromaeindruck z.B. schon aus, wenn die Ester niedriger ausfallen bzw. besser gesagt der "Ester-Eindruck" niedriger ausfällt.

Phenolische Aromen sind sehr alterungsbeständig.

Gruß
Andy
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Re: Dunkles Weizen - unerklärliche Nelkenexplosion

#3

Beitrag von jaulinho »

Danke, Andy. Ich habe die 3638 bislang eher auf der Ester-Seite verortet, nicht auf der 4VG Seite. Liege ich da falsch?

Lg
Tom
OS-Schlingel
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Re: Dunkles Weizen - unerklärliche Nelkenexplosion

#4

Beitrag von OS-Schlingel »

Hallo zusammen,

4-VG entsteht bei der Ferularast zwischen 42-45°C in einem Weizensud. Ein "leichtes" Nelkenaroma passt auch gut in ein
"Bananenweizen". Dann ist nicht nur so penetrant Isoamylacetat unterwegs....

Gruß

Stephen
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Re: Dunkles Weizen - unerklärliche Nelkenexplosion

#5

Beitrag von jaulinho »

Hallo Stephen, danke für Deine Antwort. Aber es gab keine Ferularast und es wurde bei 55 Grad eingemaischt. Ich finde es bislang auch nicht unangenehm, ich weiß halt nur nicht, woher die Nelke kommt.
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Ladeberger
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Re: Dunkles Weizen - unerklärliche Nelkenexplosion

#6

Beitrag von Ladeberger »

OS-Schlingel hat geschrieben: Donnerstag 22. September 2022, 08:54 4-VG entsteht bei der Ferularast zwischen 42-45°C in einem Weizensud. Ein "leichtes" Nelkenaroma passt auch gut in ein
"Bananenweizen". Dann ist nicht nur so penetrant Isoamylacetat unterwegs....
Nicht ganz, bei 42- 45 °C wird Ferulasäure freigesetzt. Erst durch Hefeaktivität entsteht hieraus 4-VG. Wie ich in meinem vorherigen Beitrag geschrieben habe, ist die Konzentration des Precursors Ferulasäure aber auch nur die halbe Geschichte.

Die WY3638 wurde in der Vergangenheit als äquivalent zu W175 beschrieben, aber ich habe daran mittlerweile meine Zweifel. Die W175 ist an dieser Stelle trotzdem ein interessantes Beispiel, da sie nicht nur mehr Ester, sondern auch deutlich mehr 4-VG produziert. Dass sie in der Verkostung trotzdem eher in Richtung der Ester tendiert, liegt an den benannten maskierenden Effekten.

Meine Einschätzung geht hier ebenfalls in diese Richtung und zwar im umgekehrten Wirkzusammenhang. Vermutlich gedämpfte Ester durch tendenziell sehr gut gelöstes Malz (dunkles Weizenmalz, Münchner Malz), recht niedrigen pH im ganzen Prozess, niedrige Gärtemperatur, womöglich recht hohe Anstellrate da Erntehefe. Womnöglich auch synergetische Effekte für die "Nelke" durch Röstaromen.

Ohne Analysen bleibt das aber alles im Bereich von Brau-Anekdoten.

Gruß
Andy
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Re: Dunkles Weizen - unerklärliche Nelkenexplosion

#7

Beitrag von OS-Schlingel »

Hallo Tom,

dass Du keine Ferularast gefahren hast, habe ich gelesen. Vielleicht ist es so wie Andy schon schrieb, dass andere Faktoren, wie hochgelöstes Malz oder der pH Wert zusätzlich einen Ausschlag gegeben hat. ...das Mysterium des Brauens???

Viel Spaß weiterhin
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jaulinho
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Re: Dunkles Weizen - unerklärliche Nelkenexplosion

#8

Beitrag von jaulinho »

Ich denke, Andy hat es ganz gut analysiert und die wichtigen Punkte genannt:

- Wyeast 3638 ist ein starker 4VG Bilder. Das fällt einem nicht so auf, wenn man die üblichen Ester (BubbleGum) auch hat.
- die Löslichkeit des Malzes und ein recht langer Einmaischprozess mit gründlichem Rühren
- niedriger pH Wert - mit 5.4 schon eigentlich unter dem Optimum für dunkle Biere von 5.6
- am unteren Ende der Wyeast 3638 Skala angestellt mit 18 Grad.

Und der Rest bleibt wohl auf ewig ein Geheimnis :)

Danke Euch und lG
Tom
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Boludo
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Re: Dunkles Weizen - unerklärliche Nelkenexplosion

#9

Beitrag von Boludo »

jaulinho hat geschrieben: Mittwoch 21. September 2022, 10:05
Der Geschmack nervt mich nicht, im Gegenteil, gefällt mir ganz gut in einem dunklen mit Röstaromen, auf jeden Fall besser als Banane.
Ich finde auch, dass du da froh sein kannst. Röstaromen mit Banane finde ich wirklich schlimm, phenolisch passt da dagegen ganz hervorragend (sieht man auch sehr schön beim Aventinus).
Ansonsten fällt mir an deinem Rezept auf, dass da reicht viel Caraaroma enthalten ist. Ist das nicht ein bisschen zu viel?
Caraaroma ist eine feine Sache, man sollte aber meiner Meinung nach nicht übertreiben.
Ansonsten würde ich die viele Nelke auf die 3638 schieben. Die macht einfach enorm intensive Aromen in ganz verschiedene Richtungen und in deinem Fall ging es halt sehr stark in die phenolische Richtung. Warum auch immer.
jaulinho
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Re: Dunkles Weizen - unerklärliche Nelkenexplosion

#10

Beitrag von jaulinho »

Boludo hat geschrieben: Donnerstag 22. September 2022, 16:40 Ansonsten fällt mir an deinem Rezept auf, dass da reicht viel Caraaroma enthalten ist. Ist das nicht ein bisschen zu viel?
Caraaroma ist eine feine Sache, man sollte aber meiner Meinung nach nicht übertreiben.
Hi Stephan,

bin normalerweise auch kein CaraKönig, aber hier passt es mit den Röstaromen des Carafa sehr gut zusammen. Könnte man reduzieren, wenn man Dekoration brauen würde.

Gruß
Tom
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