Berliner Weiße 2.0

Fragen und Diskussion rund um Rezepturen zum Bierbrauen
Antworten
Benutzeravatar
Bierwisch
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 3493
Registriert: Dienstag 15. Mai 2012, 18:02
Wohnort: Thüringen

Berliner Weiße 2.0

#1

Beitrag von Bierwisch »

Hallo Sauerbierfreunde,

nachdem ich ja neulich statt der erwarteten Brett-Kultur nur eine etwas überkandidelte Hefe (WLP644) in meinen ersten Berliner Weisse-Versuch geben konnte, geht das ganze nun in die zweite Runde.

Kurz zu dem was bisher geschah:
aus den Restern von drei Flaschen Lichtenhainer Weißbier aus der Wöllnitzer Talschenke habe ich einen Starter gebastelt. Darin enthalten: Hefe aus der Oettinger Brauerei in Gotha (keine Ahnung welche, aber der Wirt der Talschenke holt dort seine Hefe) und seine Lacto-Hauskultur. Zum Schluss habe ich dann auch noch einen Teil des Starters mit der WLP644 dazugegeben, was aber leider völlig überflüssig gewesen ist...
Aus den 8°P sind nach einer Woche 0,9°P geworden. Ich habe das ganze in CC-Kegs abgefüllt und nach ein paar Tagen gekostet – ziemlich dünn und kaum sauer. Ich gebe dem ganzen mal noch ein bisschen Zeit, rechne aber nicht mit irgendwelchen Erfolgen.

Und jetzt zur Fortsetzung:

am Rezept ändere ich nichts – Kombirast und Dekoktion von drei Litern Dünnmaische mit ein wenig Hopfen. Aber diesmal plane ich, die Würze zuerst mit Lactobacillus brevis zu säuern, bis der pH unter 4 fällt, dann wollte ich wieder die Wöllnitzer/Lichtenhainer Mischung dazu geben und außerdem noch ein wenig Brettanomyces lambicus.

Über den richtigen Zeitpunkt, die einzelnen Mikroorganismen zuzugeben, bin ich mir noch nicht im Klaren, vielleicht hat ja noch der eine oder andere etwas erhellendes beizutragen. Ich habe übrigens nicht vor, die Milchsäuregärung zu stoppen, es soll schon recht nah an das hsitorische Vorbild herankommen.

Gruß,
Bierwisch
Der Klügere kippt nach!
inem
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1178
Registriert: Dienstag 28. Januar 2014, 08:48

Re: Berliner Weiße 2.0

#2

Beitrag von inem »

Lactobazillus brevis... wenn Ulrich das liest ;-)
Ich habe demnächst was ähnliches vor. Machst du einen Starter für den Lactbazillus? Wenn ja, ist da irgendwas anders als bei einem Sacheromycesstarter?
Benutzeravatar
Bierwisch
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 3493
Registriert: Dienstag 15. Mai 2012, 18:02
Wohnort: Thüringen

Re: Berliner Weiße 2.0

#3

Beitrag von Bierwisch »

Ja, der Starter riecht auch schon ordentlich sauer. Leider hatte ich keinen Apfelsaft im Haus, der soll wohl ein echter Leckerbissen für die Tierchen sein.

No risk, no fun! Im September wird meine Braustube komplett entkernt und neu aufgebaut, mit Fliesen und Warmwasseranschluss und so.
Danach wird es sicherlich einfacher mit der Hygiene...
Der Klügere kippt nach!
inem
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1178
Registriert: Dienstag 28. Januar 2014, 08:48

Re: Berliner Weiße 2.0

#4

Beitrag von inem »

Gut, dann kommt gleich Apfelsaft auf die Einkaufsliste für heut Abend.
Benutzeravatar
Dr Huppertz
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 921
Registriert: Montag 23. April 2012, 07:45

Re: Berliner Weiße 2.0

#5

Beitrag von Dr Huppertz »

Hallo Leute,

ich will mich auch an einer Beliner Weisse probieren. Dazu habe ich von White Labs die WLP630 gefunden. Finde aber überhaupt keine Angaben zu den Lactos dadrinnen, ob Hetero oder Homo. Weiß einer was dazu?

Grüße,
Doc
nacron
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 533
Registriert: Samstag 26. Oktober 2013, 16:29

Re: Berliner Weiße 2.0

#6

Beitrag von nacron »

Ich bin auch kurz davor eine Berliner Weisse zu brauen. Ich wollte mal ein paar Resourcen teilen über Lacto die ich voll interessant finde:
http://www.milkthefunk.com/wiki/Lactobacillus
http://www.milkthefunk.com/wiki/Sour_Worting
http://sourbeerblog.com/fast-souring-lactobacillus/

Ich freu mich schon total aufs brauen ;)
Mein Blog: Wilder Wald
inem
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1178
Registriert: Dienstag 28. Januar 2014, 08:48

Re: Berliner Weiße 2.0

#7

Beitrag von inem »

Dr Huppertz hat geschrieben:Hallo Leute,

ich will mich auch an einer Beliner Weisse probieren. Dazu habe ich von White Labs die WLP630 gefunden. Finde aber überhaupt keine Angaben zu den Lactos dadrinnen, ob Hetero oder Homo. Weiß einer was dazu?

Grüße,
Doc

Ich habe einmal damit gebraut und keine Säure gehabt - ich war ein wenig enttäuscht, vielleicht war es den Lactos aber auch zu kalt (Zimmertemperatur im Frühling).
Neulich habe ich Seeds Methode genommen, zuerst mit einer reinen WLP Lactokultur angesetzt und nach Geschmackskontrolle am nächsten Tag erst Hopfen gekocht und dann normal mit Weißbierhefe angestellt. Da war ich mit dem Ergebnis wesentlich zufriedener.
Benutzeravatar
Dr Huppertz
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 921
Registriert: Montag 23. April 2012, 07:45

Re: Berliner Weiße 2.0

#8

Beitrag von Dr Huppertz »

inem hat geschrieben:
Dr Huppertz hat geschrieben:Hallo Leute,

ich will mich auch an einer Beliner Weisse probieren. Dazu habe ich von White Labs die WLP630 gefunden. Finde aber überhaupt keine Angaben zu den Lactos dadrinnen, ob Hetero oder Homo. Weiß einer was dazu?

Grüße,
Doc

Ich habe einmal damit gebraut und keine Säure gehabt - ich war ein wenig enttäuscht, vielleicht war es den Lactos aber auch zu kalt (Zimmertemperatur im Frühling).
Neulich habe ich Seeds Methode genommen, zuerst mit einer reinen WLP Lactokultur angesetzt und nach Geschmackskontrolle am nächsten Tag erst Hopfen gekocht und dann normal mit Weißbierhefe angestellt. Da war ich mit dem Ergebnis wesentlich zufriedener.
Das hört sich gut an!
inem
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1178
Registriert: Dienstag 28. Januar 2014, 08:48

Re: Berliner Weiße 2.0

#9

Beitrag von inem »

Was eventuell noch erwähnenswert ist, ist dass die Lactocultur von WLP ein Lactobacillus brevis ist. Für den würde Ulrich dich steinigen. Er meinte das wäre ein böser Bierschädling und nicht typisch für eine Berliner Weiße - mir hats aber wie gesagt geschmeckt und die Biere danach haben auch keine wahrnehmbare Kontamination.
Benutzeravatar
Dr Huppertz
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 921
Registriert: Montag 23. April 2012, 07:45

Re: Berliner Weiße 2.0

#10

Beitrag von Dr Huppertz »

inem hat geschrieben:Was eventuell noch erwähnenswert ist, ist dass die Lactocultur von WLP ein Lactobacillus brevis ist. Für den würde Ulrich dich steinigen. Er meinte das wäre ein böser Bierschädling und nicht typisch für eine Berliner Weiße - mir hats aber wie gesagt geschmeckt und die Biere danach haben auch keine wahrnehmbare Kontamination.
Wo steht das mit dem Brevis, deshalb suche ich ja was dazu, ich will nicht von Ulrich gesteinigt werden!
Ulrich
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1744
Registriert: Freitag 12. Dezember 2014, 21:59
Wohnort: 84072, Au in der Hallertau

Re: Berliner Weiße 2.0

#11

Beitrag von Ulrich »

Der Brevis ist nun mal DIE typische Bier-Infektion! Der hat auch nicht viel Angst vor dem Hopfen. Den Brevis sich in seine Produktion zu holen ist halt mit einem hohem Risiko verbunden. Der wird sich bei kalten Temperaturen zwar nicht bemerkbar machen, wenn aber Temperaturen >15°C erreicht werden (20 - 28°C) legt er gnadenlos los. Das einzig positive an ihm ist, dass er Bier genauso gerne hat wie wir. :Smile

Ich empfehle ja immer den Lactobacillus Amylovorus oder den Lactobacillus Amylolyticus.
- Homofermentativ => "nur" Milchsäure. Geschmacklich toll (Ich bin Vorus Fan.)
- sehr hopfenintollerant, schon ab 10BE fühlen die beiden sich nicht meghr wohl (vermehren sich nicht mehr) => keine Verschleppung!
- benötigen Temperaturen >38°C (optimal >45°C) => keine Vermehrung bei üblichen "Bier - Produktionstemperaturen"
jemo
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 793
Registriert: Donnerstag 8. Mai 2014, 13:05
Wohnort: Monheim am Rhein

Re: Berliner Weiße 2.0

#12

Beitrag von jemo »

Ulrich, könntest Du vielleicht für den Lactobacillus Amylovorus eine Aktion über die Hefebank fahren, ähnlich wie mit den bislang angebotenen Hefen? Vielleicht auch in Kombination mit einer passenden Hefe.
Der ist ja sonst schwer zu bekommen...
Viele Grüße,
Jens
Benutzeravatar
Uwe12
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 5297
Registriert: Dienstag 5. April 2005, 20:10

Re: Berliner Weiße 2.0

#13

Beitrag von Uwe12 »

Ich denke, das Besondere liegt in diesem Satz: "zuerst mit einer reinen WLP Lactokultur angesetzt und nach Geschmackskontrolle am nächsten Tag erst Hopfen gekocht und dann normal mit Weißbierhefe angestellt. "
Er hat also eine Art "Vorgärung" mit dem "pösen Purschen" gemacht und ihm dann beim Hopfenkochen eben den Garaus.
Der restliche Extrakt wurde hernach mit einer normalen Weißbierhefe vergoren.

Vermutlich geht ein bißchen Aroma von der Milchsäuregärung beim Hopfenkochen flöten.

Uwe
inem
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1178
Registriert: Dienstag 28. Januar 2014, 08:48

Re: Berliner Weiße 2.0

#14

Beitrag von inem »

Uwe12 hat geschrieben:Ich denke, das Besondere liegt in diesem Satz: "zuerst mit einer reinen WLP Lactokultur angesetzt und nach Geschmackskontrolle am nächsten Tag erst Hopfen gekocht und dann normal mit Weißbierhefe angestellt. "
Er hat also eine Art "Vorgärung" mit dem "pösen Purschen" gemacht und ihm dann beim Hopfenkochen eben den Garaus.
Der restliche Extrakt wurde hernach mit einer normalen Weißbierhefe vergoren.

Vermutlich geht ein bißchen Aroma von der Milchsäuregärung beim Hopfenkochen flöten.

Uwe

Genau! Wie gesagt hat die WLP 630 bei mir kein gutes Ergebnis gebracht, dafür habe ich auch keine Ahnung welcher Lactobacillus da drin ist. Beim zweiten Versuch habe ich dann wie Uwe noch mal herausgestrichen hat mit der WLP672 LACTOBACILLUS BREVIS angesäuert und danach erst Hopfen gekocht. So wurden aus einem Brautag halt zwei. Das Kochen wird den Brevis hoffentlich gekillt haben, sicherheitshalber ging ich halt danach noch mal mit einem Cholrreiniger drüber (sonst eher nur Oxi). Danach habe ich zwei Sude obergärig (daher auch über 15°C, eher sogar 25°C) gemacht, bis lang ist der L. brevis nicht mehr zum vorschein gekommen.
An L. Amylovorus wäre ich natürlich auch interessiert, wie an anderen Sauerspezialitäten auch.
Ulrich
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1744
Registriert: Freitag 12. Dezember 2014, 21:59
Wohnort: 84072, Au in der Hallertau

Re: Berliner Weiße 2.0

#15

Beitrag von Ulrich »

jemo hat geschrieben:Ulrich, könntest Du vielleicht für den Lactobacillus Amylovorus eine Aktion über die Hefebank fahren, ähnlich wie mit den bislang angebotenen Hefen? Vielleicht auch in Kombination mit einer passenden Hefe.
Der ist ja sonst schwer zu bekommen...
Ja, das könnte ich wohl machen. Muss nur überlegen wie. Wann ist der Simon (Schnapsbrenner) denn aus dem Urlaub zurück? Wenn er wieder aus dem Urlaub zurück ist, versuche ich mit Ihm was auf die Beine zu stellen.
Das Problem mit den Lactos ist, dass sie nicht besonders gut lagerfähig sind. Ich lagere eine Lacto nie länger als 2 Wochen im Kühlschrank, dann bekommt sie wieder Futter. Der niedrige pH (<3,5) macht den Lactos zu schaffen.

Hefe :
Ich persönlich benutze gerne die Kölschhefe (W177, HG 20°C) für Berliner Weisse, aber auch Versuche mit Weissbierhefe (W68, W362, W205, W214) haben sehr gute Ergebnisse geliefert.
Besonders gut gefallen hat mir auch eine Berliner Weisse mit einer Kombi aus der W211 (Ale/Stout) und der W306 (california Ale) und aus einer Kombi aus W68 und W306.
Ulrich
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1744
Registriert: Freitag 12. Dezember 2014, 21:59
Wohnort: 84072, Au in der Hallertau

Re: Berliner Weiße 2.0

#16

Beitrag von Ulrich »

Die Milchsäuregärung würde ich getrennt machen.
Entwerder macht man sich einen Sud, den man mit Milchsäure vergärt, lagert den im Kühlschrank und gibt nach Bedarf eine bestimmte Menge in den dafür vorgesehenen Sud (oder legt im Gärbottich vor)
oder
man teielt den Sud.
Eine Hälfte (ungehopft) wird mit Milchsäure bei 45°C vergoren, die andere Hälfte wird mit der doppelten Hopfenmenge (Gesamthopfemenge) gekocht und mit der dafür vorgesehenen Hefe vergoren. Das Basisfermentat (Milchsäure vergorene Würze) wird dann am Ende der HG (bzw, wenn der gewünschte Säuregrad erreicht ist) auf HG-Temperatur heruntergekühlt und mit zur Hefegärung dazugegeben, damit die Hefe den rest vergären kann. Vorteil: genaueres Verhältnis zwischen Süß Sauer einstellbar.
Der Vorteil an Amylovorus und Amylolyticus ist, dass bei einer entsprechenden Hopfengabe die Milchsäuregärung stoppt und man sich auch, normaler Weise, unter der Vermehrungtemperatur dieser beiden befindet.
Benutzeravatar
flying
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 13294
Registriert: Donnerstag 14. August 2008, 18:44

Re: Berliner Weiße 2.0

#17

Beitrag von flying »

Bei Störtebeker verwenden sie für ihr Sauergut einen L. Delbrueckii von der VLB. Sie waren mit der "reinen" Säure ihres Sauergutes jedenfalls sehr zufrieden und führen es auch schon einen ganze Weile.

Bei der Berliner Weiße kommt es nicht nur auf eine reine Säure an. Der L. Delbrueckii von White Labs..

http://www.whitelabs.com/yeast/wlp677-l ... i-bacteria

..soll bei niedrigem pH-Wert ein proteinspaltendes Enzym bilden, welches für eine Berliner Weiße, spez. beim Schaum sehr wichtig ist. Eine Weiße wird üblicherweise nur sehr kurz oder gar nicht gekocht.

Die Amerikaner haben gute Ergebnisse mit reinen L. D. - Brett.- Vergärungen erziehlt. Auch dabei das Bier in einer annehmbaren Zeit trinkfertig zu bekommen..
Held im Schaumgelock

"Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
Benutzeravatar
Bierwisch
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 3493
Registriert: Dienstag 15. Mai 2012, 18:02
Wohnort: Thüringen

Re: Berliner Weiße 2.0

#18

Beitrag von Bierwisch »

Sch... war's! Dreißig Liter für den Ausguß!

Beim zweiten Versuch habe ich mir Lacto Brevis (WLP 672) bestellt und in Würze + Apfelsaft bei ca. 30°C vermehrt - das roch schon mal sehr lecker. Der pH lag bei 3,1 und schmeckte angenehm sauer.
Die Weiße habe ich mit einer Dekoktion für den Hopfen gemaischt, nicht gekocht - 7,5°P. Am nächsten Tag bei 28°C mit einem Liter Lacto-Starter angestellt, einen Tag später hatte ich schöne Kräusen, der pH lag bei 4,6.
Zwei Tage nach dem ersten Anstellen habe ich frische Kräusen aus einem Saison und einen frischen Brett-Starter dazugegeben und bin in den Urlaub gefahren.
Der SRA lag nach einer Woche bei 0,9°P der pH bei 4,2 - null Säure. Da ist es nur ein mickriges Dünnbier geworden.

Ich bin schon drauf und dran, das Sauergut selbst herzustellen und mit allen wilden Viechern, die meine Braustube so zu bieten hat, die Säuerung vorzunehmen.

Die Version 1.0 ohne Brett ist übrigens gar nicht übel geworden, ich bringe eine Kiste mit zur Camba, damit wir abends nach den ganzen IBU und Alk-Hämmern was zu trinken haben.

Gruß,
Bierwisch
Der Klügere kippt nach!
Antworten