Hallo Oli,
leider geht es derzeit nicht so recht voran. Ich habe kürzlich nochmal Nachwuchs bekommen und da sind die Prioritäten wieder etwas verschoben worden. Zudem habe ich mich im wahrsten Sinne es Wortes durch umfangreiche Literaturrecherchen auch verzettelt.
Ich hatte in den letzten vier Wochen zwei wichtige Aspekte betrachtet. Einerseits die Berechnung des Schätzers für den Temperaturgradienten aus digitalen Temperaturmessungen, weil man da ja quantifizierte Temperatursprünge hat und man für einen "sauberen" Gradienten bei wenig Quantisierungsstufen möglichst gleiche Intervalle auswählen sollte, was automatisiert doch etwas kniffelig ist. Ich habe dazu eine Idee aber noch keine Softwareimplementierung und kann auch derzeit nicht beurteilen, ob dieser Quantisierungseffekt so sehr durchschlägt, wie ich denke. Also das ist dann zunächst mehr oder weniger ein rein numerisches Problem.
Der zweite Aspekt ist die Gärungsenthalpie, da geistern in der Literatur auch verschiedene Werte durch den Blätterwald, die durchaus um bis zu 10% abweichen. Und mit dem "Standardwert" von 547 J/g_Glukose ist das Ergebnis nicht so richtig befriedigend.
Anbei die Messergebnisse von meinem letzten Sud, ein Altbier mit 13,4 % Brix (56 l Würzevolumenm vergoren bei ~16.5 °C):
Auf der x-Achse ist die Zeit nach Anstellen in Stunden aufgetragen. Die rote Linie ist der Schätzer für den Extraktgehalt in % Brix (tatsächlich, da die Rechnung keinen Alkoholfehler hat). Die dicke blaue Linie mit Punkten ist der Schätzer für den Alkoholgehalt in Vol.%. Die schwarze Linie mit den Punkten ist der Mittelwert für den Schätzer für die Gärungsaktivität in W (die zig-zag-Linie ist minutengenau aus Würzetemperatur und Umgebungstemperatur berechnet und nur eine Hilfswert zur Datenbewertung)
Man sieht eine stürmische Gärungsaktivität zwischen 25 und 45 Stunden nach Anstellen und nach 70 Stunden ist die Gärung im wesentlichen durch. Gärungstemperatur war 16-17 °C mit der Wyeast 1007 "German Ale".
Am Anfang (6-16 h) gibt es einen "Ausreißer", den ich auch schon bei einer früheren Messung beobachtet habe. So richtig erklären kann ich mir das bisher nicht, es könnte aber mit dem Temperatureintrag von warmen Würzeschichten oberhalb der Mantelkühlung zu tun haben, die mit Einsetzten der stürmischen Gärung und starker Konvektion doch mit durchgemischt werden und zu einem vergleichsweise starken Temperaturanstieg an der Messsonde führen. Man beachte, dass wir hier über eine Hysterese des Kühl-Reglers von +/- 0,25 K sprechen (weil es geht!)
Beim Abfüllen (nach Cold-Crash nach 350 h ) hatte ich mit dem Refraktometer gemessene und bei MMuM korrigierte/berechnete folgende Werte:
StW: 13.4 5 Brix
Würzevolumen: 56l
Refraktometeranzeige Jungbier: 6.3 % Brix
Extraktgehalt, scheinbar: 2°P
Extraktgehalt, tatsächlich: 4% Brix
EVG: 85%
Alkohol: 5,9 Vol.%
Der aus der Wärmeleistung abgeschätze Restextrakt bei Cold-Crash ist hier 1.9 % Brix und der daraus berechnete Alkoholgehalt (hier habe ich die Balling-Formel verwendet) beträgt 7.4 Vol.%.
Im Ergebnis liege ich also insgesamt doch ganz schön daneben. Aber die Messung soll ja nicht die Extraktmessung am Ende der Gärung ersetzten, sondern einen möglichst Eingriffsarmen Schätzer für den Verlauf der Gärung liefern. Und man kann den Verlauf der stürmischen Gärung und den Abfall der Gäraktivität gut erkennen und daraus zumindest abschätzen, ab wann man die Temperatur etwas anheben kann, um die Gärungsnebenprodukte wieder zu verringern.
Ich habe auch schon verschiedene Fehlerquellen identifiziert und möchte versuchen diese bei den nächsten Suden zu verringern. Also insgesamt "work im progress".
Ich würde meine Arbeit auch gern nochmal systematisch aufschreiben, wenn also immer noch Interesse für einen Artikel im Braumagazin besteht, versuche ich das auch ein bisschen voranzutreiben.
Beste Grüße,
Gero
PS: Ich würde auch gern noch Kontakt zu Manuel Fritsch aufnehmen und fragen, ob man ein Modell in den CraftBeerPi einbauen kann. das mit den Schnittstellen in der aktuellen Version ist mir nicht so gang klar und bis ich das durchdrungen habe, vergeht bestimmt mindestens ein Jahr....