Hallo David,
berlindave hat geschrieben: ↑Donnerstag 9. August 2018, 21:44
Wenn ich nun den Alkoholgehalt eines Getränks (Wein oder Likör) kenne, wie kann ich dann mittels einer Bierspindel und einer entsprechenden Berechnung den Restzuckergehalt bestimmen?
das meiste zu dem Thema wurde schon gesagt und Lösungsansätze finden sich ebenfalls angeboten.
Was du mit "
Restzuckergehalt" benennst, wird vom Brauer für gewöhnlich durch den Extrakt wirklich(Ew%) beschrieben.
Die Kunst besteht jetzt also darin, in Brauersprache ausformuliert, aus einem gemessenen "Spindelwert"(Es%) und einem bekannten Alkoholgehalt in vol%, aufgedruckt z.B. auf einem Etikett, den
Extrakt wirklich zu berechnen.
Ist der
Extrakt wirklich erst einmal festgestellt, lässt sich mit dem bekannten Alkoholgehalt über die
Ballingformel auch die ursprüngliche Stammwürze ermitteln.
Für die Berechnung des Ew% aus den oben angegebenen Werten zeichnet die Formel nach
Tabarié verantwortlich.
Tabarié beschreibt in seiner Formel vereinfacht einen Lösungsansatz, wie man aus zwei bekannten Dichten eines 3-Phasen-Gemisches(Wasser, Extrakt, Alkohol) eine Dritte berechnen kann.
Nach Tabarié gilt folgende Formel:
ρExtrakt = ρProbe + ρWasser – ρAlkohol
ρExtrakt: Die gesuchte Massendichte des Ew%("Restzucker")
ρProbe: Die Massendichte des Spindelwertes
ρWasser: Die Massendichte von Wasser(für unsere Zwecke wird 1,0 angenommen)
ρAlkohol: Die Massendichte des %vol-Alc.
Die oben angeführten Dichten müssen natürlich aus den bekannten Angaben festgestellt werden. Entweder man findet schicke Polynome dazu, oder aber man bedient sich verfügbarer
Dichte-Tabellen und interpoliert zwischen den fehlenden Werten.
Tab. 01: Dichten von Ethanol-Wasser-Gemischen:
http://www.kwst.com/fileadmin/media/PDF ... e_0513.pdf
Tab. 02: Dichten von wässrigen Saccharoselösungen
https://www.internetchemie.info/chemie- ... abelle.php
Tab. 03: Alternativ zu Tab.02 die Platotabelle
http://www.brewrecipedeveloper.de/misc/ ... belle.html
Für das nun folgende Beispiel habe ich die Formel von
Tabarié angepasst und nehme für die Massendichte von Wasser 1,0 g/ml an. Ebenso rechne ich ausschliesslich mit Massendichten und nicht wie teilweise in der Literatur zu finden, mit relativen Dichten 20/20 o.ä.:
Formel 01 - Tabarié für Genügsame:
ρ Extrakt wirklich = 1 + (ρ SpindelWert - ρ Vol%)
Das Beispiel:
Du hast dir eine Flasche Bier gekauft. Auf dem Etikett steht
5 vol% Alkohol. Du entgast das Bier und spindelst es. Der Spindelwert zeigt
2,8 % an(Es%). Du möchtest jetzt den
Extrakt wirklich(Ew%)(->Restzucker) und die zugehörige Stammwürze ermitteln.
Für den
Spindelwert von 2,8% lässt sich z.B. über die o.g. Tabellen eine
Massendichte g/ml ermitteln von:
Es% = 2,8 = 1,0092 g/ml
Für die auf dem Etikett angedruckten 5 %vol
Alkohol lässt sich z.B. über die o.g. Tabellen eine
Massendichte g/ml ermitteln von:
Alc.Vol% = 5,0 = 0,99279 g/ml
Nach
Formel 01 ergibt sich für den
Extrakt wirklich eine Massendichte g/ml von:
1 + (1,0092 g/ml - 0,99279 g/ml) =
1,01641 g/ml
Geht man mit diesem berechneten Massendichtewert von
1,01641 g/ml in Tab.02 oder in Tab.03(Polynome alternativ), kann man ablesen,
dass dies einem Extraktgehalt von rund 4,64 g/100g entspricht bzw. einem
Extrakt wirklich Ew von 4,64%.
Damit wäre die Frage nach dem "
Restzuckergehalt" beantwortet.
Zur Stammwürzeberechnung:
Nach der Ballingformel benötigen wir zur Berechnung der Stammwürze den Extrakt wirklich in g/100g und den Alkoholgehalt in g/100g.
Den Ew% haben wir bereits ermittelt, was noch fehlt ist die Umrechnung des Alkoholgehaltes v/v% in Gewichtsprozente.
Für Letzteres benötigen wir die Massendichte der Probe(Bier) und die Massendichte von Ethanol.
Die Massendichte für die Probe ist mit 1,0092 g/ml bekannt(Spindelwert) und für reines Ethanol nehmen wir eine Massendichte von 0,789 g/ml an.
Es gilt für die Umrechnung des Alkoholgehaltes in Bier von %vol auf Gew%(ml/100ml -> g/100g):
Formel 02: Umrechnung Alc.%vol in g/100g(Volumenprozente in Gewichtsprozente)
Alc. g/100g = %vol * Massendichte Ethanol / Massendichte Bier(Probe)
Rechnen wir das für das Beispiel durch:
5,0 %vol * 0,789 g/ml / 1,0092 g/ml =
3,91 g/100g Alkohol
Jetzt haben wir für die Ballingformel alles beieinander und die Stammwürze lässt sich zurückrechnen:
(2,0665 * 3,91 + 4,64)/(100 +(0,11+0,9565)*3,91) *100 =
12,2°P
Über Balling und
Tabarié lässt sich über einen ermittelten Spindelwert und einen bekannten Alkoholgeholgehlat der Extrakt wirklich(Restzucker) und auch die Stammwürze näherungsweise zurückrechnen - auch ohne Refraktometer bzw.Brixwert.
Das Zünglein an der Waage stellt die jeweilige Umrechnung der Messwerte in die zugehörigen Dichten dar.
Auch die vorgestelle Lösung über die Refrakto-App lässt erkennen, dass minimale Änderungen an den Einstellungen große Sprünge in der Ergebnislage zur Folge haben können.
Über die ganzen Rechenwerke sind 2-3/10 Unterschied in der Ergebnislage nichts, trotzdem sollte es genügen sich mit "Bordmitteln" einen ersten Überblick zu verschaffen.
Du wolltest die "
Mathematik" dahinter kennen lernen - das war sie :-)
Edith: Fehlerteufel im Textteil