Bier vom luth. Pfarrer Müller, 1675- 1731 -> Rezeptfindung

Alles, was mit dem Thema Historische Biere, Grut- bzw. Kräuterbiere, Gewürzbiere, aber auch mit Sake Brauen oder Brauen mit ungewöhnlichen Fermentationsarten zu tun hat
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hufpfleger
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Bier vom luth. Pfarrer Müller, 1675- 1731 -> Rezeptfindung

#1

Beitrag von hufpfleger »

Hallo,

ich lese gerade das Buch "Fünfhundert Jahre Marienthal bei Hamm a. d. Sieg" von 1927, geschrieben vom Rektor J. Wirtz. In Marienthal gab es früher "Wunderheilungen", deshalb gab es erst einen Bildstock, dann eine kleine Kapelle und später ein Kloster, sogar mit Brauhaus. In diesem Buch steht, das ein lutherischer Pfarrer Müller, 1675- 1731, zu Hamm selbst Bier braute. Er nahm dafür 1/3 Gerste (Malz?) und 2/3 Hafermalz. Die Angaben beziehen sich auf eine Urkunde, die im Staatsarchiv in Koblenz (1927 jedenfalls) liegt.

Ich werde nun einmal versuchen, eine Kopie dieser Urkunde zu erhalten. Vielleicht gibt's ja noch nähere Angaben.

Brauen mit Hafer, ich habe mal ein wenig gesucht und einige, unterschiedliche Beiträge gefunden. Meine Erfahrungen mit Hafer sind verschwindent gering, hab ich nur mal in kleinen Mengen als Rohfrucht in einem Starkbier benutzt.
Was meint ihr zu einer Schüttung von 1/3 Gerste und 2/3 Hafermalz? Ich weiß natürlich nicht, ob mit der Angabe Gerste Rohfrucht oder Malz gemeint ist. Hopfen wird in dem Buch nicht erwähnt und war zu dieser Zeit wohl schon üblich, oder gab es da noch Gruitbiere? Hamm war sehr klein und arm in dieser Zeit, wäre ev. auch noch möglich. Die Pfarrer mußten sich selbst versorgen und hatten alle noch einen "Nebenjob". Vielleicht gibt die Urkunde ja mehr Infos.

:Grübel ..... wäre ja wirklich interessant, so ein Bier mal zu brauen :Grübel

Wie würde solch ein Bier schmecken?

Ich habe zum Haferbier noch das gefunden:

„Das Bier, so aus Gersten- und Haber-Malz gebrauen wird, verstopft weniger /
macht auch nicht soviel Winde /
nähret aber weniger. Das rechte, gute braune Gerstenbier nähret den Menschen wol /
und machet ihn fett.“

– Georgica curiosa, Nürnberg, 1687
Zuletzt geändert von hufpfleger am Sonntag 19. April 2015, 10:14, insgesamt 1-mal geändert.
Gruß Dieter

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Bilbobreu
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Re: Bier vom luth. Pfarrer Müller, 1675- 1731

#2

Beitrag von Bilbobreu »

Hallo Hufpfleger,
das klingt interessant. Ein wenig habe ich mit Hafermalz schon herumexperimentiert aber noch nicht in so großen Anteilen. Etwas in der Art geistert aber auch schon eine Weile in meinem Hinterkopf herum. Bitte berichte, wie die Sache weitergeht. Bei historischen Bieren aus der Zeit müsste es sich doch wahrscheinlich um Rauchmalz gehandelt haben. Oder war man technologisch schon so weit, dass man ohne Rauch darren konnte? Luftmalz wäre wahrscheinlich auch noch eine Möglichkeit. Aber um diese Fragen zu klären, fehlt mir das bierhistorische Hintergrundwissen.

Gruß
Stefan
hufpfleger
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Re: Bier vom luth. Pfarrer Müller, 1675- 1731

#3

Beitrag von hufpfleger »

Hallo Stefan,

ich habe ein altes Rezept ( http://www.hämmscher-bier.de/40350.html ) für ein Brotbier, da wird von luftgetrocketem Malz gesprochen. Das wird hier wohl auch so sein. Malz wurde bestimmt selbst hergestellt und nicht gekauft. Die Pfarrer waren ganz arme Schlucker. Deshalb glaube ich auch, das statt Hopfen, oder auch zusätzlich zum Hopfen, Kräuter eingesetzt wurden.
Gruß Dieter

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flying
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Re: Bier vom luth. Pfarrer Müller, 1675- 1731

#4

Beitrag von flying »

Hafermalz war lange das dominierende Braumalz. Vor der Gerste. Man geht davon aus, dass erst mit dem Vormarsch der Hopfenbiere überwiegend zum Gerstemalz gewechselt wurde. Mit damaliger Technologier vermälzter Hafer und Hopfen vertrugen sich nicht. Es schmeckte wohl einfach schlecht..

quelle:

http://www.amazon.de/Das-Bier-Geschicht ... 3406666681

Außerdem kannst Du davon ausgehen das es ein Sauerbier war, bzw. sehr jung getrunken wurde bevor es zu sauer wurde...
Held im Schaumgelock

"Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
hufpfleger
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Re: Bier v. luth. Pf. Müller, 1675- 1731 Rezeptfindung

#5

Beitrag von hufpfleger »

Hallo,

ich brauch mal die Hilfe von den "Grutbierbrauexperten"!

Ich möchte ja mal wie oben beschrieben, das Bier vom Pfarrer Müller nachbrauen. Leider habe ich noch keine weiteren Rezeptangaben finden können. Deshalb möchte ich mich mal langsam an ein hoffentlich ähnliches Bier herantasten, experimentelle Brauologie eben.

Mein Gedankengang:

Hafermalz, da wird oft von einem hohen Anteil abgeraten. Es gibt aber auch Biere mit 100% Hafermalz. Ich möchte deshalb 3 Sude, mit 20%, 40%, 60% Hafermalzanteil machen. Dazu 10 % leicht angeröstetes PiMa (ev. eine PiMa/HaMa- Mischung) und der Rest normales PiMa. In meinem Brotbierrezept soll die Rinde der Bierbrote leicht
"angebrannt" sein, also scheint der Röstgeschmack bekannt zu sein.

Unsere Gegend, der Westerwald, war früher sehr arm, unwegsam und nicht sehr dicht besiedelt. Der Handel wird entsprechend gering gewesen sein. Die Bewohner waren wohl zum großen Teil Selbstversorger. Deshalb denke ich, das Bier könnte eher ein Grutbier mit (aus Kostengründen) den heimischen Kräutern und vielleicht als Zuschlag etwas Hopfen gewesen sein. Im Brotbierrezept steht auch, [i]......und Hopfen, falls vorhanden[/i]. Um diese Zeit wurde in der Kölner Gegend auch Hopfen angebaut, warum nicht auch ein Hopfenpflänzchen im Westerwald? Meins wächst ja auch, ......und das kommt aus dem Hammer Wald, wo der Hopfen wild bis hoch in die Tannen wächst.
:Grübel Vielleicht ist er ja noch vom Pfarrer Müller? :Wink
Ich habe mal 25 Ibu geplant. Die möchte ich mit einer Gabe, halb Hopfen und halb Kräuter erreichen. Vielleicht noch eine Handvoll Kräuter zum Schluß des Kochens für das Aroma (ev mit Kräutern stopfen?). Ich möchte dafür Gagel, Beifuß, Salbei, Wacholder und ev. etwas Mädesüß nehmen. Was bringen die für eine ....Bittere, wie kann ich die Mengen berechnen/ bemessen?

:Grübel Was meint ihr, was ratet ihr mir, was würdet ihr ändern?
:Grübel Hab ich irgendwo einen groben Fehler in meinen Gedanken :Waa
Gruß Dieter

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JanBr

Re: Bier vom luth. Pfarrer Müller, 1675- 1731 -> Rezeptfindu

#6

Beitrag von JanBr »

Das mit dem Hopfen muss nicht sein. Gerade in Klöstergärten war (und ist) Hopfen sehr häufig anzutreffen. Historisch hat man früher wohl fast überall Hopfen angebaut (findet sich noch in vielen Ortsnamen). Das es heute nur noch wenige Hopfenanbaugebiete gibt ist wohl einfach der Wirtschaftlichkeit geschuldet.

Gruß

Jan
hufpfleger
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Re: Bier vom luth. Pfarrer Müller, 1675- 1731 -> Rezeptfindu

#7

Beitrag von hufpfleger »

JanBr hat geschrieben:Das mit dem Hopfen muss nicht sein. Gerade in Klöstergärten war (und ist) Hopfen sehr häufig anzutreffen. Historisch hat man früher wohl fast überall Hopfen angebaut (findet sich noch in vielen Ortsnamen). Das es heute nur noch wenige Hopfenanbaugebiete gibt ist wohl einfach der Wirtschaftlichkeit geschuldet.

Gruß

Jan
Hallo,

das Interessante an dieser Geschichte ist, 2 1/2 km weiter gibt es das Kloster Marienthal, im Klosterplan ist sogar eine Brauerei eingezeichnet. Allerdings ist das Kloster katholisch! Daneben gab es die "Reformierten" und die "Lutherischen", die sich eine Kirche in Hamm teilten. Die Hammer Katholiken (z.d.Z. in der Minderheit) wurden in Marienthal begraben. Der Kirchhof in Hamm wurde gegen die Katholiken teils mit Gewalt verteidigt, daran war dieser Pfarrer Müller auch beteiligt. Bekamen die Katholiken z.d.Z. einmal Zutritt zur Kirche oder den Friedhof, besaßen sie ein fortwährendes Recht an der weiteren Nutzung. Aus diesem Grund hat er wohl absolut keinen Hopfen vom Kloster bekommen und mußte ihn wohl selbst anbauen. Harte Zeiten damals!
Gruß Dieter

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Bilbobreu
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Re: Bier v. luth. Pf. Müller, 1675- 1731 Rezeptfindung

#8

Beitrag von Bilbobreu »

hufpfleger hat geschrieben:Ich möchte dafür Gagel, Beifuß, Salbei, Wacholder und ev. etwas Mädesüß nehmen. Was bringen die für eine ....Bittere, wie kann ich die Mengen berechnen/ bemessen?
Hallo,
zu Wacholder kann ich einige Anhaltspunkte aus meinen Wacholderbierexperimenten liefern. Bei 2 g/L Wacholderbeeren (1/3 Mitmaischen, 1/3 80 min Kochen, 1/3 10 min Kochen) und ganz ohne Hopfen erhältst Du ein deutliches aber noch nicht zu aufdringliches Wacholderaroma. Mit einer moderaten Hopfengabe kurz vor Kochende oder im Whirlpool wird das Wacholderaroma wieder in den Hintergrund gedrängt.
Wacholder bringt ganz offensichtlich auch irgendwelche Bitterstoffe mit. Wenn ich das schätzen müsste, dann entsprechen 2 g/L Wacholderbeeren vermutlich etwa 20-25 IBU. Jedenfalls hat bei meinem Wacholderbier noch nie jemand die fehlende Bittere bemängelt.
Wenn Du neben Wacholder auch noch andere Kräuter und Hopfen nutzen willst, würde ich für den Wacholder eine Dosis von 0,5 bis maximal 1 g/L vorschlagen. Vielleicht noch erwähnenswert, dass ich die Wacholderbeeren vorher mit dem Mörser zerstoße.
Zu den anderen Kräutern kann ich nichts sagen.
Viel Erfolg.
Stefan
hufpfleger
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Re: Bier v. luth. Pf. Müller, 1675- 1731 Rezeptfindung

#9

Beitrag von hufpfleger »

Bilbobreu hat geschrieben:
hufpfleger hat geschrieben:Ich möchte dafür Gagel, Beifuß, Salbei, Wacholder und ev. etwas Mädesüß nehmen. Was bringen die für eine ....Bittere, wie kann ich die Mengen berechnen/ bemessen?
Hallo,
zu Wacholder kann ich einige Anhaltspunkte aus meinen Wacholderbierexperimenten liefern. Bei 2 g/L Wacholderbeeren (1/3 Mitmaischen, 1/3 80 min Kochen, 1/3 10 min Kochen) und ganz ohne Hopfen erhältst Du ein deutliches aber noch nicht zu aufdringliches Wacholderaroma. Mit einer moderaten Hopfengabe kurz vor Kochende oder im Whirlpool wird das Wacholderaroma wieder in den Hintergrund gedrängt.
Wacholder bringt ganz offensichtlich auch irgendwelche Bitterstoffe mit. Wenn ich das schätzen müsste, dann entsprechen 2 g/L Wacholderbeeren vermutlich etwa 20-25 IBU. Jedenfalls hat bei meinem Wacholderbier noch nie jemand die fehlende Bittere bemängelt.
Wenn Du neben Wacholder auch noch andere Kräuter und Hopfen nutzen willst, würde ich für den Wacholder eine Dosis von 0,5 bis maximal 1 g/L vorschlagen. Vielleicht noch erwähnenswert, dass ich die Wacholderbeeren vorher mit dem Mörser zerstoße.
Zu den anderen Kräutern kann ich nichts sagen.
Viel Erfolg.
Stefan
Mit Wacholder habe ich nur mal ein "Brotbier" gemacht, heißt durch ein Wacholderzweigbett geläutert. Da hat man schnell mal einen starken Wacholdergeschmack. Der hat sich aber mit der Lagerdauer schnell wieder abgebaut. Ansonsten hab ich den bisher nur zum Schinkenräuchern verwendet, aber Schinken paßt ja auch wieder zum Bier. Wacholder und Bier scheinen eben zusammen zu gehören.

Danke für die Info, mit den Werten kann ich schon mal planen.
Gruß Dieter

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