Spontangärung vs. Mischkulturen

Alles, was mit dem Thema Historische Biere, Grut- bzw. Kräuterbiere, Gewürzbiere, aber auch mit Sake Brauen oder Brauen mit ungewöhnlichen Fermentationsarten zu tun hat
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Bierwisch
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Spontangärung vs. Mischkulturen

#1

Beitrag von Bierwisch »

Hallo Sauerbierfreunde,

ich habe mir mal ein paar Gedanken zum Thema gemacht und hätte gerne eure Meinungen dazu gehört.

Immer wieder liest man, daß nur in der Region um Brüssel echtes Lambic hergestellt werden kann, weil nur dort der richtige Mix an Mikroorganismen vorhanden wäre.
Ich sehe das nicht so. Zwar haben die relevanten Hefen etc. in den Brauereien eine zum Teil mehrhundertjährige Auslese durchlaufen, sind dadurch in großer Zahl bereits vorhanden und setzen sich zwangsläufig auch durch. Ein Teil der Mikroorganismen lebt außerdem im Holz der Gärfässer (Lactos und Brett). Aber die Zusammensetzung wird hier in Mitteleuropa nicht allzu deutlich von einem Mittelwert abweichen.

Nach meinem aktuellen Wissensstand werden die anfänglich dominierenden Spezies (Enterobakterien) erst durch Kloeckera Apiculata (alkoholtolerant bis ca. 5 vol%) und verschiedene Lactos und später durch Saccharomyces-und Brett-Hefen verdrängt. Ein Großteil der am Anfang gebildeten Stoffwechselprodukte und natürlich alles, was von der ersten "Besiedelungswelle" sonst noch übrigblieb (z.B. Zellbestandteile), wird für die Bildung neuer Hefezellen und den Hefestoffwechsel verarbeitet.
Antibakterielle Hopfenbestandteile sorgen dafür, daß sich gefürchtete Bierschädlinge (z.B.Sarcina) nicht entwickeln können.

Vermutlich wird das Jungbier in den ersten paar Wochen ganz unterschiedliche Wellen von dominanten Mikroorganismen über sich ergehen lassen müssen und daher in dieser Zeit ziemlich oft sein Aussehen und Geschmack verändern. Ich gehe mal davon aus, daß nur ganz hartgesottene das Jungbier in diesem Stadium proBIERen würden. Das Endprodukt hat dann am Ende der langen Reifung mit diesen Vorläufern kaum noch etwas gemein.

Lactos für Essig- und Milchsäure, Kloeckera Apiculata als Angärhefe und ein wilder Mix von Saccharomyces-Hefen finden wir in unserer Umgebung überall, Brett wahrscheinlich auch, aber die kann man ja im späteren Verlauf der Gärung hinzufügen. Somit besteht unsere Aufgabe darin, eine möglichst reichhaltige Würze, mit den notwendigen Nährstoffen, diversen Zuckern, Dextrinen und natürlich auch Stärke, herzustellen, damit auch den im späteren Verlauf der Gärung dominierenden Spezies genügend Nahrung zu Verfügung steht.

Die Alternative – Mischkulturen der diversen Hersteller - halte ich dagegen für weniger tauglich, da der komplette Zoo an Mikroorganismen (es wurden wohl bisher mehr als hundert identifiziert und ich bin überzeugt davon, daß das lange noch nicht alles ist) ja fehlt. Diese sind zwar im Endprodukt nicht mehr vorhanden, haben aber doch in den ersten Woche den größten Teil der Ein- und Zweifachzucker verbraucht und somit jede Menge aromabestimmender Stoffe gebildet und für die nachfolgenden Organismen ein sehr spezielles Umfeld geschaffen, das auch wieder bestimmte Gärungsnebenprodukte bedingt.

Um das Teilnehmerfeld der wilden Kreaturen etwas zu beschränken, werden Lambics nur in der kälteren Jahreszeit hergestellt, es ist also höchste Zeit, sich einen Samstag mit turbid mash (gibt es da auch einen deutschen Fachbegriff?) zu vertreiben und dann zwei Jahre auf das Ergebnis zu warten...

Gruß,
Bierwisch


PS: ach so, wer macht mit?
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flying
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#2

Beitrag von flying »

Du bist schon auf einem guten Weg!


Antibakterielle Hopfenbestandteile sorgen dafür, daß sich gefürchtete Bierschädlinge (z.B.Sarcina) nicht entwickeln können.
Die Biersarcinen (Pediokokken) sind sehr wohl Bestandteil von Lambics. Es wird extra alter oder künstlich galterter Hopfen verwendet und das auch nur sehr wenig. Der hat kaum noch antibakterielle Wirkung und die Bakterien sollen ja auch nicht geschädigt werden. Wichtig ist ein schneller pH- Abfall um die teilweise pathogenen Enterobacter an der Vermehrung zu hindern.
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Ulrich
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#3

Beitrag von Ulrich »

bei mir hat die Reproduzierbarkeit und die Steuerung der einzelnen Komponenten einen hohen Stellenwert. Ich würde also einen Sud aufteilen und für die verschiedenen Mikroorganismen die jeweiligen Bedingungen schaffen und duch die Anteile auch Einfluss auf die Art und Stärke ihrer Einflüsse auf das Endprodukt steuern.
zB:
- Pediococus
- Milchsäure(n)
- UG-hefe(n)
- OG-hefe(n)
dann zusammen, und dann Brett...
ab einer gewissen Anzahl an Mikroorganismen wird die Reproduzierbarkeit immer schwerer.
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Hieronymus
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#4

Beitrag von Hieronymus »

Um das Teilnehmerfeld der wilden Kreaturen etwas zu beschränken, werden Lambics nur in der kälteren Jahreszeit hergestellt, es ist also höchste Zeit, sich einen Samstag mit turbid mash (gibt es da auch einen deutschen Fachbegriff?) zu vertreiben und dann zwei Jahre auf das Ergebnis zu warten...
Jetzt im Oktober ist es wahrscheinlich noch zu früh. Es sind noch extrem viele unterschiedliche Mikroben unterwegs, die den ganzen Zersetzungs- und Fäulnisprozesse, die zur Zeit ablaufen, entstammen. Das ganze Obst ist noch am verfaulen. Auf den Weiden vergammelt noch die ganze Kuh- und Pferdescheiße und Gülle wird auch noch rausgefahren. Das muss sich erst mal alles beruhigen.
Ich meine im alten Forum gelesen zu haben, das die besten Lambics in Belgien im Januar gestartet werden. Also dann, wenn da auch schon eine Zeit lang der Herbst vorbei ist und es möglicherweise sogar ein paar Frosttage gegeben hat.
Ich habe auch vor, einen Spontangärungsversuch zu starten. Aber das mache ich frühestens ab Mitte Dezember.

Gruß
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#5

Beitrag von GutGrut »

Einiges an Mikroorganismen wird auch schon in den Brauereien selber sitzen, quasi eine Art Hauskultur.
Cantillon hat ja auch extra seine Alten Holzbalken behalten.
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Bierwisch
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#6

Beitrag von Bierwisch »

@René
Das habe ich aber anders verstanden: der gealterte Hopfen hat kaum noch Bitterstoffe, die antibakteriellen Wirkstoffe sind aber noch wirksam.
Natürlich werden sich auch ein paar der gefürchteten Bierschädlinge einfinden, nur sollten sie nicht die Überhand gewinnen.

@Ulrich
Na da bin ich jetzt aber auf Deine fachmännischen Ratschläge gespannt! An welche konkreten Bedingungen denkst Du da?
Für Lactos läßt sich das bestimmt über die Temperatur steuern, aber der Rest?
Wie ich im Eingangspost ausgeführt habe, bin ich ja der Überzeugung, daß gerade das Zusammenspiel der verschiedenen Mikroorganismen für das spezifische Aroma verantwortlich ist.
Ich verstehe natürlich auch, daß der Prozeß durch diese Aufteilung besser zu steuern und vor allem reproduzierbarer wird, aber das Ergebnis ist dann aber trotzdem was anderes als gewünscht. Oder hast Du da andere Erkenntnisse? Immer her damit.

@Heinrich
Danke für den Tip. Da ich sowieso recht lange auf ein trinkbares Lambic warten muß, kommt es auf ein paar Monate auch nicht mehr an...

@GutGrut
Genau. Schrob ich ja bereits, habe aber leider noch keine Hauskultur und muß mich daher auf das beschränken, was hier so in der Luft rumfliegt.
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#7

Beitrag von Seed7 »

Der Hopfen ist da um die Lactobacillus zu bremsen so das das Jungbier nicht zu schnell nur sauer ist und die Sacch. hemmt. Sonst ist es wie du sagst, die sequenz ist wichtig. Die Winzer haben das auch entdeckt und bringen mittlerweile speziell abgestimmte produkte die man "sequentziell pitchen" soll. Mit einiger diesen verfuegbaren hefen habe ich schon einige versuche gemacht aber noch nicht zur zufriedenheit.

Die mischungen von Wyeast und Whitelabs geben eben wegen der abwesendheit der vorlauefer weniger tiefe im produkt. Viele der stoffen die die vorlaufer machen werden wieder durch die nachfolger umgesetzt.

Die wuerze draussen stellen functioniert, rechne aber damit das es einige jahre dauert biss sich im fass eine micro biotop geformt hat das wirklich sauer wird und dass dann jedes Jahr mit neuen vorlauefer gefuetterd wird.

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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#8

Beitrag von Bierwisch »

@Ingo
Das wäre dann der nächste Schritt - ein Faß! Nur leider muß ich bis dahin noch ein wenig experimentieren, denn ein paar hundert Liter brauen, um dann zu hoffen, daß es funktioniert, ist mir zu viel Risiko.
Es gibt für ca. 100 Euro neue Fässer aus Kastanie - wäre das eine Alternative, oder muß es unbedingt Eiche sein?
Was hältst Du von Chips?

Es gibt bei den Amis Brauer, die lange Eichenstäbe in die Gärgefäße stellen - im unteren Bereich stehen sie im Bier, oben verschliessen sie das Spundloch und sorgen für eine geringe Luftzufuhr.
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#9

Beitrag von Bierwisch »

@Ulrich
Bei meinem letzten Versuch einer Berliner Weiße habe ich das mal ausproBIERt und den Großteil der Würze mit L.Brevis angesetzt. In den Rest kam nur Brett. Nach einer Woche habe ich das ganze dann vermählt.
Ob das Ergebnis wirklich gut geworden ist, muß sich noch herausstellen...
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#10

Beitrag von Seed7 »

Bierwisch hat geschrieben:@Ingo
Das wäre dann der nächste Schritt - ein Faß! Nur leider muß ich bis dahin noch ein wenig experimentieren, denn ein paar hundert Liter brauen, um dann zu hoffen, daß es funktioniert, ist mir zu viel Risiko.
Es gibt für ca. 100 Euro neue Fässer aus Kastanie - wäre das eine Alternative, oder muß es unbedingt Eiche sein?
Was hältst Du von Chips?
Keine Chips, die sind fuer den Holzgeschmack das aber im Lambic nur sehr wenig bis gar nicht da ist.

Kastanien Holz ist genau so gut wie Eiche, auch für wein. Es hat einen etwas höheren Sauerstoffdurchlass als durchschnittlich bei Eiche. Es gibt aber Eichen die noch mehr Sauerstoff durchlassen als durchschnittliche Kastanie. In allen anderen Aspekten ist es gleichwertig an Eiche.

Ich benueze 50l Eichen Faesser (praktisch sind die fast 60 l), es braucht nicht gleich 250 l zu sein. Ein Braufreund macht es schon mehr als 10 Jahren in 20 l faessern.

Ingo
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#11

Beitrag von flying »

Das richtige Aroma bringt dann die Autolyse der verschiedenen Mikroorganismen, wobei zuletzt die zähen Brettanomyces und Pediokokken sterben und autolysieren. Es ist auch empfehlenswert, nicht gleich 100 L Lambic anzustellen. Besser vermutlich sind zeitversetzt angesetzte, kleine Mengen. Die kann man dann zu einer Geuze veredeln. Ist ja ein Verschnitt aus alten und jungen Lambics..
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#12

Beitrag von Bierwisch »

Tja, da kann man nix machen - muß ich mir dann also Holzfässer zulegen...
Hat jemand gute Bezugsquellen für kleine (<100l) Fässer?

Gruß,
Bierwisch
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#13

Beitrag von Ulrich »

Holzfässer sind auch nicht die Lösung. Natürlich KANN sich eine gewisse Flora in Holzfässern bilden, aber Reproduzierbar?
Ja, die verschiedenen Mikroorganismen verstoffwechseld die Stoffwechselprodukte anderer Mikroorganismen weiter, dadurch ergibt sich dann zB eine gewisse Reihenfolge der verschiedenen Gärungen. (zB bilden einige Lactobacillaceae Diacetyl, gewollt? => wenn nicht, durch Hefe reduzierbar?...)
Eine reproduzierbare Mischgärung ist wilkich die Oberliga!
Aus unserer Erfahrung wissen wir ja, dass auch ein einziger Mikroorganismus (zB Reinzuchthefe) bei unterschiedlichen Bedingungen (aktivität, menge, Nährstoffangebot, Temperatur, Sauerstoffangebot, usw) unterschiedliche Aromaprofile bildet. Also wie garantiere ich die optimale Aktivität (bzw gewollte Aktivität) der verschieden Mikroorganismen?
Wenn ich mit nun zB eine "Kulturmischung" aus Roggenschrot und Weizenschrot heranzüchte ist ja trotzdem die Konzentration der jeweiligen Mikroorganismen und ihre Menge der verschiednen Stoffwechselprodukte für das Endprodukt aussschlag gebend. Viele Arten der Lactobacillaceae bilden giftige Proteine oder Peptide, die andere (konkurrierende) Bakterienarten töten oder das Wachstum behindern.=> gewollt oder nicht?

Meiner Meinung nach sollte man sich schon Gedanken machen, welche Mikroorganismen ich fördern möchte, welche nicht und wie ich das bewerkstelligen kann. Die Reihenfolge der verschiedenen Gärungen würden dadurch deffeniert werden, wer was abbauen soll, bzw nicht abbauen soll.
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#14

Beitrag von Bierwisch »

Hallo Ulrich,

das klingt sicherlich ganz gut, ich stelle mir die Umsetzung als Hobbybrauer aber nicht so einfach vor. Da fehlt mir einfach das notwendige Fachwissen:
Meiner Meinung nach sollte man sich schon Gedanken machen, welche Mikroorganismen ich fördern möchte, welche nicht und wie ich das bewerkstelligen kann. Die Reihenfolge der verschiedenen Gärungen würden dadurch deffeniert werden, wer was abbauen soll, bzw nicht abbauen soll.
Ich habe zwar eine ungefähre Vorstellung von den Insassen des Zoos, aber leider kenne ich die nicht alle beim Namen, weiß nicht so genau, was die alles so fressen, noch weiß ich detailliert, welche der Stoffwechselprodukte ich in welcher Konzentration im fertigen Bier haben möchte und welche nicht. Die Tierchen haben dann bestimmt auch noch verschiedene Ansprüche an pH-Wert und Temperatur und bilden beim Vorhandensein bestimmter Stoffe völlig andere Endprodukte als bei Vorhandensein anderer...

Das ist wohl so nicht umzusetzen.

Ich vermute mal, daß Holzfässer die Grundlage einer gleichmäßigen Bierqualität sind, da sich im Holz Lactos und Brett dauerhaft einrichten und so das Finish übernehmen. Daß das eine gewisse Zeit dauert, ist mir klar, aber irgendwann muß man ja anfangen.
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#15

Beitrag von Ulrich »

was mir nicht klar ist, soll dass ein "Einmaliges Erlebnis werden, oder planst Du regelmäßig sowas zu brauen? Wenn regelmäßig, ist es Dir wichtig das das Endergebnis gleich schmeckt, oder "darf" es sich mehr oder weniger unterschieden.

Mit dem Holzfass wäre ich vorsichtig! Es sit zB schon ein Unterschied, ob ein fass ein Mal mit zB Rotwein gefüllt wurde oder 2 Mal. das bedeutet, wenn Du regelmässig das selbe Holzfass verwendest (nach Entleerung gleich wieder befüllen), baut sich über die Jahre eine "Hausflora" an mit maximaler Konzentration. Die Frage ist nur, ob positiv oder negativ! Auf der anderen Seite kann ein Holzfass natürlich den gewissen Touch geben! Coll wäre ein 10 - 20L Fass.
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#16

Beitrag von Bierwisch »

Ich habe schon vor, regelmäßig Lambic zu brauen. Daß das dann nicht immer exakt gleich schmecken wird, ist mir völlig klar und geht auch in Ordnung.
Wenn ich denn die Chance hätte, an günstige Fässer heranzukommen, gäbe es ja die Möglichkeit unterschiedliche Jahrgänge zu verschneiden, oder vielleicht eine Art Solera-System aufzubauen. Das sollte auch eine gleichmäßigere Qualität gewährleisten.
Daß ein neues Holzfass deutlich andere Ergebnisse hervorbringt, als ein benutztes, ist mir klar, aber über die genaue Vorbereitung mache ich mir Gedanken, wenn es soweit ist...
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#17

Beitrag von wannenbraeu »

Was spricht gegen Glasballons oder Plastikfass mit Holzchips?
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#18

Beitrag von Bierwisch »

Ich hatte schon mal nach günstigen Fässern gesucht und eigentlich nur das hier gefunden.
Gebrauchte Fässer, aus alten Dauben neu gebaute Fässer, kleine Fässer - es gibt jede Menge Angebote, nur sind die allesamt verdammt teuer...
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#19

Beitrag von inem »

wannenbraeu hat geschrieben:Was spricht gegen Glasballons oder Plastikfass mit Holzchips?
Da kann sich eben nicht so leicht ein Zoo bilden der viele Sude/Jahre überdauert.
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#20

Beitrag von Seed7 »

Ulrich hat geschrieben:was mir nicht klar ist, soll dass ein "Einmaliges Erlebnis werden, oder planst Du regelmäßig sowas zu brauen? Wenn regelmäßig, ist es Dir wichtig das das Endergebnis gleich schmeckt, oder "darf" es sich mehr oder weniger unterschieden.
Das ist das schoen von Fass, es entwickelt sich eine "hauskultur". Zum Beispiel, die Geuze-stekers in Brussel kaufen die inoculierte wuerze von den Lambiekbrauereien und gaeren es in eigenen Faessern. Die biere vom Steker und Brauer schmecken unterschiedlich, beide haben einen deutliche haus stiel,

Ingo.
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#21

Beitrag von wannenbraeu »

inem hat geschrieben: Da kann sich eben nicht so leicht ein Zoo bilden der viele Sude/Jahre überdauert.
Warum nicht? Die Kulturen können sich doch genauso auf den Holzchips einnisten.
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#22

Beitrag von Ulrich »

Seed7 hat geschrieben:Das ist das schoen von Fass, es entwickelt sich eine "hauskultur". Zum Beispiel, die Geuze-stekers in Brussel kaufen die inoculierte wuerze von den Lambiekbrauereien und gaeren es in eigenen Faessern. Die biere vom Steker und Brauer schmecken unterschiedlich, beide haben einen deutliche haus stiel,
Ingo.
ja, ist mit bekannt, siehe mein Post #15
wenn man das "natürlich" anwachsen lassen will, kann das seeeehr lange dauern und es besteht die Gefahr, dass es nicht der "Hausflora" entspricht, die man sich vorgestellt hat. ein absichtliches Infizieren mit einem bestimmten Pediococcus-stamm und einer Brett würde das n bissel steuern und viel Zeit sparen.
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#23

Beitrag von Ulrich »

das mit den Hozchips ist eine gute Idee. So habe ich Chips mit Dekkera bruxellensis, andere mit Pediococcus damnosus und was man anders noch gezielt zudosieren möchte.
Der Vorteil: Man entnimmt zB aus der Brett-Propagation ein paar Chips (so viel man benötigt) und schmeisst "jungfräuliche" Chips wieder in die Brutstätte. => So hat man sein eigenes Lager an verschiedenen Mikroorganismen, die man nach Lust und Laune Kombinieren, bzw verwenden kann, um das eine oder andere zu dominieren oder zu unterdrücken.
Wenn sich eine der "Holzchips-Propagationen" anders entwickelt, als man möchte (weil man sich irgentwas ungewollters eingefangen hat), muss man nur diesen einen Mikroorganismus wieder neu züchten (die anderen hat man ja noch.)
Echt eine coole Idee, vieleicht kann man die Holzchips ja auch ernten? :Bigsmile
meiner Meinung nach schlägt das ein Holzfass um Längen. (praktisch gesehen, ist natürlich nicht so cool, wie ein jahrelang gereiftes Fass)
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#24

Beitrag von Seed7 »

wannenbraeu hat geschrieben: Warum nicht? Die Kulturen können sich doch genauso auf den Holzchips einnisten.
Ah. So hatte ich Bierwisch' erste Bemerkung über Holzchips nicht aufgefasst. Ja das geht und wird öfters so gemacht mit kleine Holzwürfel. Es ist ja auch eine Historische Methode um die 'normale' Hefe zu trocknen und lagern auf Holzstäbe mit Löchern biss zum nächsten Sud. Für getrennte Kulturen wie Ulrich es vorschlägt habe ich es noch nicht gesehen. Ich weiß das Geimpfte Holzwürfel über die ganze Welt geschickt werden um Kulturen zu teilen.

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Die andere wichtige Funktion vom Fass ist natürlich die "micro oxygenation"

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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#25

Beitrag von wannenbraeu »

Danke für die Links!! Das ist ja mal sehr interessant :-) wird ausprobiert!
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Bierwisch
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#26

Beitrag von Bierwisch »

Sehr schöner Artikel zum Thema.

Danke Ingo, das ist ein sehr interessanter Blog!
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#27

Beitrag von Seed7 »

http://www.milkthefunk.com/wiki/Mixed_Fermentation

http://www.milkthefunk.com/wiki/Scienti ... rmentation

Übrigens gibt es auch in den Bereichen Wein und Sauerteig viel Literatur zum Thema gemischter Gärung

Zum 100 liter Fass, es gibt noch eine andere moeglichkeit mit einem so grossen Fass, ein Solera. Das erste mal zum beispiel die Wuerze draussen stellen und das Fass fuellen und gaeren lassen. Naechstes Jahr 60 l brauen, draussen stellen und angaeren lassen. Nach etwa einen Monat 50 l aus dem Fass holen und die neuen 60 l dazu geben. (10 l verdampfungsverlust)

Ingo
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#28

Beitrag von pottate »

Seed7 hat geschrieben:Es ist ja auch eine Historische Methode um die 'normale' Hefe zu trocknen und lagern auf Holzstäbe mit Löchern biss zum nächsten Sud. Für getrennte Kulturen wie Ulrich es vorschlägt habe ich es noch nicht gesehen. Ich weiß das Geimpfte Holzwürfel über die ganze Welt geschickt werden um Kulturen zu teilen.

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Wie cool! So etwas wusste ich auch nicht!
Interessante Methode um Hefen zu konservieren :)

ggf. könnten die Chips wirklich ein guter Weg sein!

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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#29

Beitrag von pottate »

Nach dem interessanten Anfang des Threads habe ich mich etwas mit dem Thema Lambic / Sour Bier beschäftigt.
Das hört sich nach einem SEHR interessanten Gebiet an.

Man benötigt also viel Geduld und möglichst viele Behältnisse.
Bei den Fässern muss man also immer wieder darauf achten, dass der Kopfraum nicht zu groß wird und ggf. etwas Bier oder Würze nachfüllen.

Viele Amerikaner arbeiten ja mit Carboys (Better Bottle oder Glas Carboys) und nehmen auch gerne durchaus kleinere Behälter um die Hefen vor-zu-züchten.
Teilweise ja auch in 3l Behältern.. wobei der Inhalt bei den ersten Versuchen direkt verklappt wird und einfach wieder Würze reingefüllt wird.

Einfach um die Kulturen zu züchten.

Um vielleicht das Ganze etwas schneller voran zu treiben, solltest Du vielleicht wie folgt vorgehen.
Nimm Dir zwei - drei Flaschen mit Lambic bei welchem Bakterien und Brett enthalten sind und mische diese in Deine Wyest oder sonst was...

Damit kannst Du dann vielleicht anfangen Deine Haushefe weiter zu entwickeln.
Das wäre relativ re-produzierbar.

Was ich noch in den ganzen Sour-Hour Podcasts mitgenommen habe, man kann durchaus ja auch mit Lacto anfangen, bis der gewünschte pH Wert erreicht ist und dann das ganze durch kurzes aufkochen stoppen. Danach geht dann wunsch-Bierhefe mit Bottle-Dregs (Flaschen kaufen, ein paar Wochen aufrecht stehen lassen, das Bier langsam in einem Rutsch ausgiessen bis auf 3 cm in der Flasche lassen und das ich Dein Lacto-Totes Bier) für Brett und Bakterien, oder nur für Brett oder nur für Bakterien ab ins Fass..
Liste von Bieren mit Brett & Bakterien - nur Brett - oder nur Bakterien

Wichtig ist auch Geduld... man soll nur max. 1 x pro Monat proben nehmen, man könnte sogar nach dem kurzfristigen Öffnen, evtl. sogar mit CO² spülen, oder habe ich das falsch verstanden Ingo?
Fässer sind bestimmt toll, aber benötigen auch Pflege, ich glaube PET Flaschen sind einfacher zu handhaben...
Die Verarbeitungstemperaturen spielen halt eine große Rolle..

Lacto mag es warm, bei fast 40°C im Bottich, richtig? Die muss man ja auch kontrolliert an das Fass bringen.. (oder den Gärbottich).
Bei Brett mag man eher eine langsame Entwicklung...

Ich dachte also eher 1. an eine Kühlvorrichtung und 2. man benötigt durchaus viele verschiedene Behälter zum Probieren und Mischen.
Die Fässer sollten halt dauerhaft eher recht kühl stehen müssen... ist bestimmt auch nicht immer leicht zu halten (vor allem im Sommer).

PET Carboys scheinen da recht praktisch zu sein...
Es gibt sehr kleine 3-4 Liter Bottiche bis hin zu 10-12l und 24l Behältern.

Wenn Du wirklich mit Fässern arbeitest, könnte man das Fass ja auch mit Jung-vergorenen Bieren auf-füllen und die freigewordenen Mengen wieder mit anderen Bieren zusammenmischen...
Das Thema MISCHEN scheint mit die größte Rolle in der ganzen Entwicklung zu sein.

Hauptsache man mischt keine Fehlgeschmäcker bewusst mit ein... ca. 10-15% Ausschuss muss man im Schnitt wohl auch immer mind. einplanen.

Das Thema ist unendlich spannend...

LG Pottate
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#30

Beitrag von Hieronymus »

Und? Ist schon was passiert? :Waa

Ich will noch ein paar Nachtfröste abwarten; die Chancen stehen ja nicht schlecht.
Und dann mal einen 15- oder 20-Liter-Sud starten.

Gruß
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Re: Spontangärung vs. Mischkulturen

#31

Beitrag von Bierwisch »

Am letzten WE war es soweit – ich habe einen dextrin- und stärkereichen Sud gebraut, mit uralten Nordbrauer Pellets auf ein paar IBU gehopft und dann ein paar Gläser mit der heißen Würze an verschiedenen Stellen am und im Haus platziert.
Bei einem Glas hatte ich heute morgen schon schöne Kräusen und es roch nicht unangenehm.

Mal sehen, welche Variante zum Schluss den Einsatzbefehl bekommt.

Wie lange sollte man mit der Auswahl abwarten? Sind zwei Wochen zu lang oder vielleicht auch zu kurz?
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