Bericht: eine Woche Riga

Hier kommen Infos hin, wenn es darum geht, Reisen zum Thema Bier zu unternehmen.
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chaos-black
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Bericht: eine Woche Riga

#1

Beitrag von chaos-black »

Hier folgt mein Reisbericht nach einer Woche Urlaub in Riga (Lettland). Hier poste ich mal den Text, ein paar Bilder gibts auch in meinem Blog ( http://brauerei-flaschenpost.de/2016/04 ... riga-2016/ )

Ganz allgemein kann vorweg gesagt werden, dass ein Besuch in Riga vergleichsweise schonend mit dem Geldbeutel umgeht: pro Nacht und Person im Hotel mit vier Sternen inklusive halbtäglicher Spa-Nutzung und Frühstücksbuffet bezahlt man ~25€. Das Hotel war dabei auch nur ca. 10 Minuten von der Altstadt entfernt, sodass fast alle Touren durch die Stadt zu Fuß zurückgelegt wurden.

Am Tag der Anreise waren wir relativ erschöpft und haben es bei einem Abendessen bei einer Pizzeria um die Ecke belassen, dazu gab es ein Alus Aldaris 1865. Das hat sehr an tschechische untergärige Biere erinnert, sehr lecker, mit angenehmer präsenter Bittere. Aldaris trägt zumindest den Namen Riga im Logo, daher nehme ich an, dass es hier gebraut wird.

Am zweiten Tag haben wir die Altstadt erkundet. Neben den üblichen Sehenswürdigkeiten waren wir auch bei „Peter’s Brewhouse“, wo drei hausgemachte Biere in hübschen hölzernen Probierträgern ausgeschenkt werden. Ein helles, ein rotes und ein dunkles. Das helle erinnerte wieder an tschechische Untergärige, das rote unterschied sich leicht davon, da es süßer schmeckte und auch eine etwas deutlichere Hopfenblume mitbrachte. Das Dunkle überraschte mit einem spürbar sauren Geschmack, der mir persönlich nicht so zusagte. Ein schnelles und günstiges Mittagessen gab es bei „Pelmeni XXL“, für etwa 2,50€ wird man da gut satt und es gibt auch vegetarische Pelmenis.

Abends wollten wir noch ins Lido Alus Seta in der Altstadt, wo ebenfalls Hausgebräu ausgeschenkt wird. Gegen viertel vor zehn kamen wir an und mussten feststellen, dass Montagabend die meisten Läden um 22:00 dicht machen, so auch das Lido Alus Seta. Dort gab es wieder ein Helles mit ähnlicher Geschmacksrichtung (echt lecker ) und zwei weitere, die nur wenige Nuancen dunkler waren, aber mir nicht so zugesagt haben. Nebenan gibt es den laden Esbrivinga, der noch eine Stunde länger geöffnet hat und eine größere Auswahl an lettischen und Internationalen Bieren vom Fass und aus der Flasche anbietet. Nach dem anstrengenden Tag waren wir nur kurz da, aber ich denke der Laden hat das Potenzial für einen längeren netten Abend.

Am dritten Tag waren wir am Ostseestrand von Jurmala, leider im Regen. Bei der Rückkehr gab es leckeres Essen im Peek-a-boo, auch mit kleiner vegetarischer Auswahl, allerdings etwas teurer als am Vortag. Danach waren wir in der urigen Kellerkneipe „Folkklubs Pagra“, die auch schon gegen 20 Uhr ziemlich gut gefüllt war. Dort hängen ausschließlich lettische Biere an den Zapfhähnen und die Barkeeper beraten einen gern bei der Bierauswahl. Aufgrund des üppigen Abendessens haben wir jeder nur ein Bier geschafft, uns aber vorgenommen an einem anderen Tag zurück zu kommen (konnten wir leider nicht einhalten). Die probierten Biere waren Mezpils (ein helles Lager in bekanntem Stil, sehr sehr lecker!) und ein IPA, dessen Namen wir vergessen haben zu notieren, was auch gut angekommen ist. Hier liefen übrigens auch viele Kellnerinnen und Kellner herum und brachten Essen zu den Tischen und eine Folkband mit mir unbekannten Instrumenten spielte. Die Bar bekommt auf jeden Fall eine dicke Besuchsempfehlung.

Neben einer kleinen Tour durch hübsche Jugendstilstraßen war der Schwerpunkt des vierten Tages ein Besuch in der Kneipe einer kleinen rigaer Brauerei mit Namen Labietis. Von der Altstadt aus braucht man zu Fuß etwa eine halbe Stunde dort hin, und der Gang lohnt sich! In dem mittelgroßen Schankraum der sympathischen Brauerei gibt es einiges an leckeren Bieren! Vor Ort sind immer zwölf Sorten am Zapfhahn, während die DIN A3 Bierkarte offenbart, dass es insgesamt 26 Sorten gibt. Von den Bieren, die wir probiert haben, war sogar eine Sorte dabei, die noch nicht auf der Karte stand. Labietis bietet ziemlich leckere Spezialitäten an, zum Beispiel ein leckeres trübes Bier mit Himbeere (Raspberry Witch), oder ein double IPA mit Schafgarbe (The Yarrow Devil) was mein persönlicher Favorit war. Wir haben es leider nicht geschafft alle 12 Biere zu probieren, da die kleinste Größe 0,2l Gläser waren und, wie ein Blick auf die Karte verrät, hier gern hochprozentigere Biere produziert werden (von den 26 auf der Karte sind nur neun unter 5%, elf sind über 6% und das stärkste hat 13%). Einige Biere kann man getrost als „abseits der gewohnten Pfade“ betiteln und schon alleine deswegen lohnt es sich, sich diese Brauerei mal anzuschauen, wenn man nach Riga kommt. Zu dem Ungewohnten zählen neben den bereits genannten Himbeeren und Scharfgarbe auch Heide, Salzwasser, Honig, Bienenharz, Thymian, Wiesenkräuter, Wacholderbeeren, und so weiter und so fort. Dabei ist das Bier dort dann auch noch relativ günstig: die meisten 0,2L Gläser kosten deutlich unter 2€. Das von mir schon lange gesuchte Braggot-Bier fand ich dort in einer Flasche zum Mitnehmen. Das wird zuhause verköstigt, wenn es den Rückflug gut übersteht. Abendessen gab es dann im Miit, einem Café mit einer kleinen aber leckeren Auswahl an vegetarischen Gerichten.

Für Bierinteressierte gibt es vom fünften Tag eigentlich nur den Besuch in Paddy Whelan’s zu Berichten. Das ist ein Irish Pub mit Indischer Küche (hier auch leider nur ein kleines vegetarisches Angebot). Die Bierkarte ist ziemlich lang und hat eine recht große Auswahl internationaler (Craft-)Biere, so gibt es z.B. einige Belgische Trappisten, Brewdogs aber auch für mich unspektakuläres wie Franziskaner. Dazu dann die interessantere Auswahl an fünf lettischen Bieren von kleineren Brauereien. Hier bestätigte sich der Eindruck, dass viele lettische Biere recht viel Süße mitbringen. Eins (Name leider nicht notiert) schmeckte angenehm nach Honig, ein anderes (diesen leider auch nicht aufgeschrieben) brachte Säuerlichkeit mit. Das dritte (Brengulu) war so ziemlich das süßeste und mastigste Bier, das ich je getrunken habe. Auch mal eine Erfahrung wert, nach dem Essen war es aber schon schwer das Bier in Gänze auszutrinken.

Am sechsten Tag haben wir uns das Okkupationsmuseum angeschaut (sehr empfehlenswert) und waren erst erneut bei Labietis um noch etwas schicken Merch zu kaufen. Bei der Gelegenheit gab es noch ein leckeres Yarrow Devil. Anschließend ging es ins Café Trusis mit ein paar Biersorten on Tap. Dort hatten wir zwei Biere der lettischen Brauerei Malduguns, nämlich das Sanslide (Amber IPA) und Rudais rudens (Amber Ale). Ersteres war trotz der 6,5% ziemlich erfrischend, weil es neben angenehmer Hopfenaromen auch eine gewisse Säure hatte. Das zweite ging für mich auch etwas mehr in richtung eines klassischen Amber Ales. Nicht ungewöhnlich aber geschmacklich sehr angenehm :).

An unserem letzten Tag haben wir uns vormittags noch eine ganz andere Ecke der Stadt angesehen, die so gar nicht mehr auf Touristen ausgerichtet ist. Dort steht unter anderem noch das alte Soviet Memorial. Mittagessen gab es bei der Pizzeria Italia nahe der Freiheitsstatue. Preislich war es auf aus Deutschland gewohntem Niveau und die Pizza hat geschmeckt. Anschließend sind wir noch durch das Viertel Moskauer Vorstadt gelaufen und haben dort die Reste der 1941 während der Nazi-Besatzung zerstörten Synagoge besucht. Unweit der Synagoge befand sich das Rigaer Ghetto, in dem Juden zusammengepfercht und später einige Kilometer entfernt ermordet wurden. Spuren davon sind heute keine sichtbar, eine Gedenktafel suchten wir vergeblich. Dennoch gibt es dort ganz in der Nähe an der Daugava das Ghetto Museum, zu dessen Besuch wir aber leider zu spät waren.
Später wandten wir uns wieder dem Bier zu, diesmal im Aussi Pub in der Altstadt. Der von Außen unscheinbare Laden macht von Innen einen netten Eindruck. Die Theke befindet sich im kleinen Erdgeschossraum in einem stilisierten oldschool VW-Bulli, ansonsten besteht das Interieur meist aus dunklem Holz oder Metall, z.B. in Form von Tischen aus KEGs etc. Musikalisch lief die ganze Zeit Rock der späten 1990er und frühen 2000er (Greenday, Foo Fighters, Muse, RHCP, …). On Tap gibt es hier auch ausschließlich lettisches Bier, 14 Sorten an der Zahl. Die gibt’s auch alle im preiswerten Tasting Tray (10€) zu jeweils 100ml.
Bei Empfangnahme des Bieres roch es schon deutlich nach Honig, was sich geschmacklich bei vielen, und zutatenmäßig bei einem, bestätigen sollte. Aufgrund der Menge möchte ich diese Bier hier nicht alle beschreiben, aber einige verdienen auf jeden Fall eine Erwähnung.
Da wäre z.B. Kanepu, ein Bier mit Ingwer und Hanf und satten 7% Alkohol aber einem Geschmack wie eine recht süße Ingwerbrause. Oder das Dzervenalus, ein sehr süßes Cranberry-Bier mit einem intensiv suß-sauer-fruchtigem Geschmack. Erwähnung sollte meiner Meinung nach auch noch der Kiss-Cider finden: sieht beinahe aus wie Wasser(!) schmeckt aber sehr süß und enthält vermutlich Sirup, schmeckte jedenfalls etwas nach Waldmeister und Holunderblüte. Als Pale Ale Freund war aber mein Gewinner des Abends das Rodeo Ale (einziges Ale der Palette), was mit lecker blumigem Hopfengeruch daherkam, der auf eine für diesen Bierstil milde Bittere trifft. Bei Besuch in Riga empfehle ich auf jeden Fall auch einen Besuch im Aussie Pub.

Fazit
Nach einer Woche (Bier)Urlaub in Riga gibt es einige Läden und Biere, die ich folgenden Besucherinnen und Besuchern der Stadt nahelegen würde. An prominentester Stelle steht da die Brauerei Labietis, die mit einer hübschen Gaststube und einer breiten Palette an Bieren abseits der gewohnten Pfade in toller Qualität glänzt (man kann übrigens dem Brauer hinter einer Fensterscheibe beim Arbeiten zusehen). Meine zweite Empfehlung ist der Aussie Pub, der mit den 14 verschiedenen Getränken im Tasting Tray eine gute Übersicht über viele lettische Biere gibt. Nachteilig ist hier allerdings, dass, zumindest in meinem Fall, die Barkeeper nicht wirklich in der Lage waren mich gut bei weiterer Bierauswahl zu beraten. Dies gewährleistet aber meine dritte Empfehlung: Der Folkklub mit bierig kompetentem Personal, tollem Ambiente und ebenso einer recht großen lettischen Bierauswahl. Das sind die Top 3 meines Reiseberichts. Das bedeutet aber nicht, dass die anderen Kneipen und Cafés aus bieriger Perspektive keinen Besuch wert wären!
Meine Hobbybrauerei: http://brauerei-flaschenpost.de/ (gerade offline)
Brian
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Re: Bericht: eine Woche Riga

#2

Beitrag von Brian »

Super Bericht! Danke für die Tipps. :thumbup Bin im Mai vier Tage vor Ort :Wink
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Brunnenbraeu
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Re: Bericht: eine Woche Riga

#3

Beitrag von Brunnenbraeu »

Riga ist in der Tat sehr schön, auch und gerade für Bierliebhaber. Callous Alus ist ebenfalls eine Empfehlung wert. Klick einfach mal hier https://www.google.de/maps/@13.4635921, ... MIB8q89T2Y zoome auf Riga und lies meine eigenen Erfahrungen, die sich hinter den Pins verbergen. Gruß, Volker
Volker R. Quante: Bier vor Ort - Reisen durch Europas Bierwelt
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