Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

Hier kommt alles rein, was woanders keinen Platz hat.
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rakader
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Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#1

Beitrag von rakader »

Stehe ich bei diesem Rezept eines Pliny-the-Elder-Clone auf dem Schlauch oder ist da ein Fehler drin? Und zwar ein heftiger…

Das Rezept ist mit 100 IBU angegeben. Allein schon die erste Gabe Warrior mit 15,6% Alpha bei 2,75 Unzen = 78g auf 90 Minuten ergibt nach dem Kleinen Brauhelfer stolze 148 IBU. Wenn ich das mit meinem Warrior mit 15,0% Alpha umrechne, benötige ich 81,6g, um die angegebenen AAU von 42,9 zu erreichen. Die Unze berechne ich mit 28,35g.

Also: Stehe ich auf dem Schlauch oder hat das gut beleumundete BYO-Magazin hier einen fetten Bock geschossen? Ich frage, da ich kein Mathe-Held bin und um Hilfe nicht verlegen bin.

:Drink und Dank vorab!
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#2

Beitrag von Stubbi_33 »

Hi,

ich bin da auch nicht bewandert, aber da steht IBU = 100+

ich würde fast behaupten --alles über 100 passt somit.

Gruß
Mario
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rakader
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#3

Beitrag von rakader »

100 + lese ich als +SRM. Abgesehen davon: Ich schätze mal das Rezept hätte um die 200 IBU. Das ist einfach Unfug und hat nichts mehr mit einem Clone zu tun. Der Fehler muss in der Verteilung liegen oder wir verstehen da einfach etwas falsch.
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#4

Beitrag von PabloNop »

Ich sehe da "IBU: 100+". Vermutlich rechnen die höhere Werte erst gar nicht mehr aus.

Edit: andere mit gleichem Gedanken. Und nein, das "+" gehört IMHO zu den IBU, nicht den SRM.
Zuletzt geändert von PabloNop am Montag 25. Oktober 2021, 16:32, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#5

Beitrag von Stubbi_33 »

Das mit dem berechnen hast Du ja schon gemacht...

Ich sehe das "+" jedoch wirklich als 100 und mehr...weil ansonsten macht diese ganze Zeile keinen Sinn.(IBU = 100+ SRM = 6 ABV = 8.3%)
Da müsste dann auch ein "+" hinter dem SRM-Wert stehen...zumindest wäre das meine Erwartung.

Gruß
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#6

Beitrag von Colindo »

Ich denke die 100+ sind der Tatsache geschuldet, dass sich über 100 IBUs eine Sättigung ausbildet. Die 140 werden ja nur rechnerisch erreicht. Ich glaube, Charlie Bamforth hatte das mal aufgezeigt, dass alles über 100 IBUs eh nicht möglich ist, egal wieviel Hopfen man dazu gibt.

Die hohe Hopfengabe wird andere Geschmackskomponenten erhöhen.
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#7

Beitrag von rakader »

Dann ist das Rezept Bullshit, kann man nicht anders sagen. Ich fand die Hopfenkombination für einen Klon interessant. Aber wenn da so ungenau gearbeitet wird, muss man sich nicht weiter damit beschäftigen. Es geht hier ja um einen Klon - und nicht irgendeinen, sondern dem stilbildenden für ein Double IPA.

Wenn ich die Diskussionen hier in Forum mit BYO und anderen Foren abgleiche, wundert es mich, warum BYO, das ja immerhin Geld verdienen will, so einen Mist veröffentlicht.
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#8

Beitrag von Colindo »

Hab den Artikel gefunden, war aber nicht von Charlie Bamforth: https://sommbeer.com/2017/04/15/the-myt ... 0-ibu-ipa/
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#9

Beitrag von rakader »

Danke. Ich weiß zufällig wie Columbus als Spätgabe + hopfengestopft durchschmeckt. Hatte ich kürzlich bei einem IPA, das war grenzwertig. Hier sind es 92g bei 0 min. Allein das wird einem schon den Mund zusammenziehen. 18°P Stammwürze sind da viel zu wenig, um zu kontern. Aber noch einmal: Es soll ja ein Klon sein und nicht irgendein IBU-Experiment.

Was mich beruhigt ist, dass ich offensichtlich keinen Rechenfehler gemacht habe.

Edit: Den Artikel lese ich mir gerne einmal mit Zeit durch. Solange ich das aber nicht aus anderen Quellen bestätigt sehe, werte ich ihn mal als Einzelmeinung - auch wenn er auf den ersten Blick sehr profund aussieht.

Radulph
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#10

Beitrag von flying »

Die Hopfenrechner nach der Glen Tinseth- Formel gehen von einer Hopfenausnutzung von 20 -30% bei 90 min Kochzeit aus. Das heißt, 70-80% der Alphasäuren werden nicht umgesetzt. Also wenn der Hopfenrechner 2000 IBU berechnet, dann müssten die auch "theoretisch" drin sein. (1 IBU = 1 mg/L Iso-Alphasäure)
Berücksichtigt man alle möglichen Faktoren und besonders den niedrigen pH-Wert so dürften m. M. grob geschätzt 1000 IBU maximal drin sein...??

ABER!

Ab 75 - 85 IBU hört die menschliche Wahrnehmung der Intensität der Bittere auf.
Hab mal einen alten Post von mir reinkopiert. Die Löslichkeit der Iso- Alphasäure nimmt mit fallenden pH- Wert stark ab. Dennoch würde ich solche für gut befundenen Klon-Rezepte nicht für Bullshit erklären. Letztendlich kommt es auf den Geschmack an. Wenn es mit diesen Hopfengaben vergleichbar mit dem Original ist, ist alles gut..
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#11

Beitrag von Ladeberger »

Hier ist ein Rezept vom Brauer selbst: https://www.homebrewersassociation.org/ ... bleIPA.pdf

Dass selbst stark gehopfte IPAs mit Tinseth-Berechnungen jenseits der 200 IBU in der Analyse des fertigen Bieres < 100 IBU aufweisen, ist keine Einzelmeinung, sondern breiter Konsens. Die Kinetik der Hopfenisomerisierung ist seit Jahrzehnten gut erforscht.

Angaben wie "200 IBU" sind Craftbeer-Marketing und Hobbybrauer-Schischi, nichts weiter.

Gruß
Andy
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#12

Beitrag von rakader »

Ich habe mir den Artikel von @Colindo gerade durchgelesen. Soweit, so verständlich. Dass die Bittere bei einem Bier mit niedriger Stammwürze mehr durchschlägt, als die gleiche Menge bei höherer Stammwürze dürfte allgemein bekannt und unstrittig sein.

Ich glaube, das ist aber nicht die ganze Wahrheit.

Ich habe kürzlich ein Bier mit 80IBU gemacht, auch ein Double IPA, und es war viel zu bitter. Grundlage davon war unter anderem Columbus, von dem ich einfach noch sehr viel habe.
Ein anderes IPA machte ich dagegen mit 70 IBU, aber mit Tettnanger, also einem sehr feinen Hopfen. Die Stammwürze war sogar 1,5°P geringer - trotzdem schmeckte dieses Bier viel ausgewogener.

Was ich damit sagen will (ohne es chemisch erklären zu können, es sind nur nicht-empirische Beobachtungen eines Hausbrauers): Die wahrnehmbare Bittere hängt auch entscheidend von der Hopfensorte ab.
Meine Erfahrung ist die, dass reine Bittersorten schnell unangenehm durchschmecken, feine Aromasorten oder dezentere Universalsorten dagegen nicht.

Diese Erfahrung habe ich jetzt mit so unterschiedlichen Bittersorten wie Magnum, Columbus, Pacific Gem und Herkules immer gemacht. Bei diesem Rezept kommt Warrior zum Einsatz - deswegen wurde ich darauf aufmerksam, weil es sich in diesem Punkt von allen anderen unterscheidet. Vielleicht ist dieser Hopfen auch in großen Mengen runder. Dann wäre das Rezept natürlich auch mit dieser Menge kein "Bullshit".
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#13

Beitrag von rakader »

Ladeberger hat geschrieben: Montag 25. Oktober 2021, 17:04 Hier ist ein Rezept vom Brauer selbst: https://www.homebrewersassociation.org/ ... bleIPA.pdf

Dass selbst stark gehopfte IPAs mit Tinseth-Berechnungen jenseits der 200 IBU in der Analyse des fertigen Bieres < 100 IBU aufweisen, ist keine Einzelmeinung, sondern breiter Konsens. Die Kinetik der Hopfenisomerisierung ist seit Jahrzehnten gut erforscht.

Angaben wie "200 IBU" sind Craftbeer-Marketing und Hobbybrauer-Schischi, nichts weiter.

Gruß
Andy
Danke Andy, man lernt einfach nie aus: Die Kinetik, die auch im oben verlinkten Artikel von @Colindo behandelt ist, war mir neu. Ich bleibe bei so viel Bitterhopfen aber einfach skeptisch: Kann das ein Klon sein oder ist das einfach ein anderes Bier?
Was soll dieser übermäßige Hofeneinsatz bringen, wenn nicht wahrnehmbar? Was könnten das für Geschmackskomponenten sein? (Hopfenstopfen und Whirlpool lasse ich mal außen vor.)

Gruß
Radulph
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#14

Beitrag von indiana1972 »

Hi, ich habe das BYO Rezept gerade gebraut, und kann sagen, das geht. Die Bitterung ist kräftig aber absolut trinkbar. Die dort genannten Hopfen kommen ordentlich durch, aber ich hatte mir insgesamt etwas mehr erwartet. Ich hatte schon IPAs mit stärkerem Aroma, ich habe beim Brauen bei den Late-Additions dieses mal extra auf Hop-Spider verzichtet, um die Ausnutzung nicht zu behindern, und dann auf den Hopfen zum Stopfen nach mehrmaligem Purgen in das secondary geschlaucht. Der Bittereindruck ist nicht heftiger, als bei meinem ersten Pale-Ale, dass naturgemäss nicht ganz so lief wie beabsichtigt, insgesamt liegt das eher so bei 80 IBU würde ich sagen egal was im Rezept steht. Jetzt nach rund 4 Wochen ist es auch noch mal deutlich runder als zu Anfang.

Nächste Hop-Bomb wird das Heady-Topper,aber das hat noch Zeit, hab gerade 100l Bier im Keller und Brau-Pläner für 100 weitere Liter fertig und angemeldet...
Lieben Gruß,
Oli
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#15

Beitrag von rakader »

Schöner Zufall. Sehr gut. Dazu die ganz simple Frage: Würdest Du es nochmal brauen? Hast Du einen Vergleich zum originalen Pliny The Elder?

Ich lese aus Deinen Zeilen, dass Aufwand und Ergebnis nicht in guter Relation stehen. Ich war jetzt vor allem auf den Warrior gespannt…
Mir deucht, dass sich der alte Spruch "viel ist nicht besser" bewahrheitet.
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#16

Beitrag von indiana1972 »

Also, es war/ist schon ein interressantes Bier, und wenn ich annehmen darf, dass diverse Youtuber nicht unbedingt lügen, dann führt das Rezept wohl schon in die richtige Richtung, aber es stehen jetzt noch 13 Liter davon in meinem Keller, die ich wohl auch mit einigem Genuss trinken werde - über die Zeit. Daher denke ich, dass ich in der nächsten Zeit wohl erstmal wieder andere Biere mit mehr "Gebrauchscharakter" brauen werde. Ausschliessen würde ich es nicht, aber es gibt noch so viele Biere, die ich mit weniger Mitteleinsatz noch brauen kann. Da wird das wohl ein bisschen dauern.

Einen direkten Vergleich habe ich leider nicht, da dieses Bier wohl ausserhalb von Californien schlecht und in Deutschland praktisch garnicht zu bekommen ist.
Ich werde wohl demnächst eher ein paar englische (Mild, Bitter, Stout, Porter) mit Malzbetonung und etwas leichtere Biere (ital. Pils, NZ Pils, IPA, Pale Ale) mit ausgeprägterem Hopfencharakter ausprobieren, die bringe ich auch bei meinen Peers besser unter...

Vielleicht noch zu Columbus und Warrior: Mein oben erwähntes erstes Pale Ale (Wohl ein an SNPA angelehntes Rezept von Gastro Brennecke) wurde wegen diverser Prozessfehler deutlich zu bitter, dort war Columbus eingesetzt, die bittere würde ich als glashart, kantig und harsch (ohne adstringierende Noten) und recht kurzlebig im Gaumen beschreiben. Die Bitterung vom Pliny war viel ausgewogener weicher und harmonisch eingebunden und wirkte angenehm nach, wobei es die vorhandene Säure im Bier kaschierte und insgesamt sehr rund rüberkam. Ob das jetzt am Hopfen lag, oder am Alkohol, der Restsüsse oder etwas anderem vermag ich nicht zu sagen.
Lieben Gruß,
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#17

Beitrag von coyote77 »

rakader hat geschrieben: Montag 25. Oktober 2021, 17:05 Ich habe mir den Artikel von @Colindo gerade durchgelesen. Soweit, so verständlich. Dass die Bittere bei einem Bier mit niedriger Stammwürze mehr durchschlägt, als die gleiche Menge bei höherer Stammwürze dürfte allgemein bekannt und unstrittig sein.

Ich glaube, das ist aber nicht die ganze Wahrheit.

Ich habe kürzlich ein Bier mit 80IBU gemacht, auch ein Double IPA, und es war viel zu bitter. Grundlage davon war unter anderem Columbus, von dem ich einfach noch sehr viel habe.
Ein anderes IPA machte ich dagegen mit 70 IBU, aber mit Tettnanger, also einem sehr feinen Hopfen. Die Stammwürze war sogar 1,5°P geringer - trotzdem schmeckte dieses Bier viel ausgewogener.

Was ich damit sagen will (ohne es chemisch erklären zu können, es sind nur nicht-empirische Beobachtungen eines Hausbrauers): Die wahrnehmbare Bittere hängt auch entscheidend von der Hopfensorte ab.
Meine Erfahrung ist die, dass reine Bittersorten schnell unangenehm durchschmecken, feine Aromasorten oder dezentere Universalsorten dagegen nicht.

Diese Erfahrung habe ich jetzt mit so unterschiedlichen Bittersorten wie Magnum, Columbus, Pacific Gem und Herkules immer gemacht. Bei diesem Rezept kommt Warrior zum Einsatz - deswegen wurde ich darauf aufmerksam, weil es sich in diesem Punkt von allen anderen unterscheidet. Vielleicht ist dieser Hopfen auch in großen Mengen runder. Dann wäre das Rezept natürlich auch mit dieser Menge kein "Bullshit".
Die IBU-Angabe alleine sagt doch so gut wie nichts über die Bittere, die Ausgewogenheit, Intensität und schon gar nicht über Aroma und Geschmack aus.
Sie ist zwar ein objektiv bestimmbaren Wert, aber ohne die gleichzeitige Betrachtung weiterer Angaben (zuallererst Stammwürze, aber auch Hopfensorten, Zeitpunkt der Gaben, Wasserwerte, EVG, Malzschüttung u.v.m.) nahezu wertlos.
Ein gutes Klonrezept kann auch abweichende Werte haben - welchen Wert ein Klonrezept überhaupt hat, ist angesichts des enormen Einflusses von Anlagenparametern (vom Maischen bis zur Gärung) eine ganz andere Frage...
Grüße, Andreas :Drink

Zum Biere drängt, am Biere hängt doch alles.
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#18

Beitrag von §11 »

Und dann ergeben sich auch noch Wechselwirkungen beim Stopfen. Siehe auch hier https://braumagazin.de/article/der-gros ... schwindel/

Zur Löslichkeit von Iso-Alpha- Sre gibt es leicht unterschiedliche Angaben, aber irgendwo im Bereich 90-100ppm scheint im Bier pH und Zimmertemperatur Schluss zu sein. Bei höheren Temperaturen und pH Werten ist das etwas anderes. Mit der Grund warum Würze bitterer schmeckt und Hopfenharze bei der Gärung ausfallen.

Malowicki findet z.B. 90ppm bei pH 5.2 https://ir.library.oregonstate.edu/conc ... /gh93h200v


Gruss

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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#19

Beitrag von §11 »

coyote77 hat geschrieben: Montag 25. Oktober 2021, 20:01

Die IBU-Angabe alleine sagt doch so gut wie nichts über die Bittere, die Ausgewogenheit, Intensität und schon gar nicht über Aroma und Geschmack aus.
Sie ist zwar ein objektiv bestimmbaren Wert,
IBU ist zwar ein bestimmbarer Wert, aber ob die derzeitige Referenzmethode tatsächlich objektiv IBU, im Sinne von 1IBU = 1 mg Iso-AA/l, misst, ist zweifelhaft.

Gruss

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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#20

Beitrag von rakader »

coyote77 hat geschrieben: Montag 25. Oktober 2021, 20:01 Die IBU-Angabe alleine sagt doch so gut wie nichts über die Bittere, die Ausgewogenheit, Intensität und schon gar nicht über Aroma und Geschmack aus.
Das sage ich doch auch in anderen Worten schon oben. Ich merkte bei diesem Rezept allein deswegen auf, weil es ungefähr den dreifachen (!!!) Wert anderer Klonrezepte hat. Deswegen ging ich zuerst von einem Rechenfehler meinerseits aus. Dass sich dann daraus so eine Diskussion entwickelt, ist ja auch wiederum nicht schlecht…

Gelernt habe ich bei diesem Thread, dass ein + hinter der IBU-Angabe kein Tippfehler ist :Bigsmile

Und da würde mich ehrlich gesagt interessieren, ob es Gesetzmäßigkeiten bei feinen, hochfeinen oder Bitterhopfen bei der Bitterung im Bezug auf Geschmack gibt.

Gruß
Radulph

Edit:
§11 hat geschrieben: Montag 25. Oktober 2021, 20:09 Und dann ergeben sich auch noch Wechselwirkungen beim Stopfen. Siehe auch hier https://braumagazin.de/article/der-gros ... schwindel/
Danke Jan für diesen sehr hilfreichen Artikel. Braumagazin und eben dieser Herr B. mal wieder - er erklärt einiges. :thumbup
Zuletzt geändert von rakader am Montag 25. Oktober 2021, 20:45, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#21

Beitrag von indiana1972 »

@Rakader, das mit dem deutlich höheren Werten für Warrior hatte ich inzwischen ganz vergessen, tatsächlich habe ich das Hopfungsschema im wesentlichen so übernommen, ausser bei Warrior, da bin ich auf 45g (13,4%) also 54.3 IBU runter gegangen, und habe mich damit so zwischen den verschiedenen Werten eingeordnet. Obs dann jetzt noch ein Klonrezept ist, kann ich nicht sagen, da mir der Vergleich fehlt.
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#22

Beitrag von rakader »

Danke Oli für die Klarstellung. Jetzt wäre natürlich interessant, wie der Vergleich mit fast doppelt so viel Warrior ausfiele.
Ich orientiere mich aber jetzt mal mehr an den Originalrezepten, die hier zum Teil ja auch schon verlinkt wurden. Wenn ich es richtig recherchiert habe, gibt es verschiedene Varianten, etwa von 2000, 2004 und 2009 und vermutlich noch mehr. Ich hatte das Bier nur einmal original 2015 getrunken - ausgerechnet in der Ukraine - die Erinnerung ist nicht mehr ganz taufrisch. War jedenfalls großes Kino.

LG
Radulph
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#23

Beitrag von §11 »

Ich hatte das Bier nur einmal original 2015 getrunken - ausgerechnet in der Ukraine - die Erinnerung ist nicht mehr ganz taufrisch.
Wozu man ja auch sagen muss das das Bier wahrscheinlich auch nicht mehr taufrisch war. Es ist wirklich krass was, besonders bei solch hopfenbetonten Bieren, Lagerung und Transport ausmachen. Mein "Augenöffner" das Sorachi Ace. Das ist hier in Ohio ein wirklich gutes Bier. Ich hab mal Frisches nach Deutschland mitgebracht und wir haben es da gegen eins getrunken das jemand in einem Onlineshop in Europa gekauft hatte. Kein Vergleich, das Bier aus dem Online-Shop war ein Schatten seiner selbst.

Dann hatte ich genau das gleiche Bier, vom Fass aus einen Steinwurf vom Braukessel weg. Was soll ich sagen, dagegen war das Bier aus Ohio muffig. Das war das erste Mal das ich tatsächlich eine Dillnote beim Sorachi Ace geschmeckt habe.

Aber das war ja gar nicht Thema :redhead

Gruss

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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#24

Beitrag von indiana1972 »

Über Bier diskutieren macht durstig…
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Lieben Gruß,
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#25

Beitrag von rakader »

§11 hat geschrieben: Montag 25. Oktober 2021, 21:00 Dann hatte ich genau das gleiche Bier, vom Fass aus einen Steinwurf vom Braukessel weg. Was soll ich sagen, dagegen war das Bier aus Ohio muffig. Das war das erste Mal das ich tatsächlich eine Dillnote beim Sorachi Ace geschmeckt habe.

Aber das war ja gar nicht Thema :redhead

Gruss

Jan
Ach was - das macht doch Spaß. So viel Biermannsgarn darf doch sein, muss nicht immer so bierernst sein :Smile

OT :Angel
Ich habe das Bier damals in einer Craft-Beer-Bar in Kiew getrunken, die von sich behauptete das größte Sortiment in UA zu haben. Kollegen schleppten uns dort hin, weil sie uns zeigen wollten, welchen Aufbruch und welche Internationalisierung UA nach der Revolution nimmt. Die waren auf ihre Kontakte in die USA so was von stolz. Wir wollten eigentlich die originäre Ukraine kennenlernen - und sie zeigten uns ukrainische Weltläufigkeit. Immerhin - das prägte meine IPA-Liebe.
In Sumy und Dnepr im Osten ein paar Tage später war es das gleiche Spiel. Die kopierten amerikanische Kultur so was von. Die Ausnahme waren die überwiegend russischen Städte wie Odessa oder Simferopol auf der Krim. Mein Eindruck war, das die in UA da viel breiter aufgestellt waren und sind als in DE. Das gleiche kann man auch in Rumänien und Serbien in den Universitätsstädten beobachten. (Ich bekomme seit über 15 Jahren die Entwicklung in diesen Ländern regelmäßig durch Aufenthalte mit.) Wir Deutsche sind da vermutlich wegen unserer eigenen Brautradition weniger offen…
/OT

Gruß
Radulph
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#26

Beitrag von §11 »

rakader hat geschrieben: Montag 25. Oktober 2021, 21:17 [

Ach was - das macht doch Spaß. So viel Biermannsgarn darf doch sein, muss nicht immer so bierernst sein :Smile

OT :Angel
Ich habe das Bier damals in einer Craft-Beer-Bar in Kiew getrunken, die von sich behauptete das größte Sortiment in UA zu haben. Kollegen schleppten uns dort hin, weil sie uns zeigen wollten, welchen Aufbruch und welche Internationalisierung UA nach der Revolution nimmt. Die waren auf ihre Kontakte in die USA so was von stolz. Wir wollten eigentlich die originäre Ukraine kennenlernen - und sie zeigten uns ukrainische Weltläufigkeit. Immerhin - das prägte meine IPA-Liebe.
In Sumy und Dnepr im Osten ein paar Tage später war es das gleiche Spiel. Die kopierten amerikanische Kultur so was von. Die Ausnahme waren die überwiegend russischen Städte wie Odessa oder Simferopol auf der Krim. Mein Eindruck war, das die in UA da viel breiter aufgestellt waren und sind als in DE. Das gleiche kann man auch in Rumänien und Serbien in den Universitätsstädten beobachten. (Ich bekomme seit über 15 Jahren die Entwicklung in diesen Ländern regelmäßig durch Aufenthalte mit.) Wir Deutsche sind da vermutlich wegen unserer eigenen Brautradition weniger offen…
/OT

Gruß
Radulph
Ok, wenn schon OT dann richtig :Wink

Ich glaube das oft auch ein "Reset" hilft sich schneller zu entwickeln. Ich hatte Mitte der 1990er Jahre eine Freundin die aus Ungarn kam. Sie ist zwar in Deutschland aufgewachsen, ging aber zum Studium zurück nach Budapest. Da hab ich sich öfter besucht. Damals gab es in Deutschland etwa 3,7 Mio Handys. Gefühlt hatte jeder in Ungarn ein Mobiltelefon. Die sind, nach der Wende, direkt vom maroden Telefonsystem auf Mobilfunk umgestiegen.

Der Vergleich hinkt vielleicht, aber in vielen ehemaligen "Ostblock" Staaten war die Bierqualität, die der "Normalbürger" bekam, unter aller Kanone. Dazu kamen marode Betriebe, die dem Stand der Technik um 30-40 Jahre hinterher waren und in die seit Jahrzehnten nicht mehr investiert wurde. Man kennt das, ist der Ruf erstmal runiert, ist es fast unmöglich den wieder aufzupolieren.

Dann gilt ja, bei fast jedem Umbruch, das "Alte" erstmal rückständig und verpönt. Im Osten oft noch schlimmer, weil die Betriebe Staatsbetriebe waren und man ja genau diesen Staat nicht mehr wollte.

D.h. hier fallen halt "auswärtige" Trends auf extrem fruchtbaren Boden. Beispiele gibt es noch und nöcher wo traditionelle Biermarken uns Stile zu Gunsten des immer gleichen "international Pale Lager" von der Bildfläche verschwunden ist. Meist dauert das dann 20-25 Jahre und man besinnt sich zurück. oft leider zu spät.

Gruss

Jan
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#27

Beitrag von §11 »

D.h. hier fallen halt "auswärtige" Trends auf extrem fruchtbaren Boden. Beispiele gibt es noch und nöcher wo traditionelle Biermarken uns Stile zu Gunsten des immer gleichen "international Pale Lager" von der Bildfläche verschwunden ist. Meist dauert das dann 20-25 Jahre und man besinnt sich zurück. oft leider zu spät.
Und damit knüpft dieser Faden an den anderen, in dem es um Porter ging, an. Heute kann man echte Baltic Porter und Polnische Porter an einer Hand abzählen, ganz zu schweigen vom Deutschen Porter.... :Wink
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#28

Beitrag von indiana1972 »

§11 hat geschrieben: Montag 25. Oktober 2021, 21:50
D.h. hier fallen halt "auswärtige" Trends auf extrem fruchtbaren Boden. Beispiele gibt es noch und nöcher wo traditionelle Biermarken uns Stile zu Gunsten des immer gleichen "international Pale Lager" von der Bildfläche verschwunden ist. Meist dauert das dann 20-25 Jahre und man besinnt sich zurück. oft leider zu spät.
Und damit knüpft dieser Faden an den anderen, in dem es um Porter ging, an. Heute kann man echte Baltic Porter und Polnische Porter an einer Hand abzählen, ganz zu schweigen vom Deutschen Porter.... :Wink
...mein Baltic Porter reiss ich jetzt nicht mehr auf, sonst muss mich meine Frau ins Bett tragen. Das trinke ich dann morgen Abend.
Lieben Gruß,
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#29

Beitrag von rakader »

§11 hat geschrieben: Montag 25. Oktober 2021, 21:46 Ok, wenn schon OT dann richtig :Wink

Ich glaube das oft auch ein "Reset" hilft sich schneller zu entwickeln.

Gruss

Jan
Was Du beschreibst, nennt sich Sprunginnovation. Ich kenne das auch von Ungarn und noch mehr von Rumänien und kann das mit den Mobiles direkt erklären: Die Festnetze waren und sind in HU und RO so was von marode, dass eine Renovierung sich ökonomisch nach 89 nicht rechnete. Also verzichtete man auf die Reparatur der Kupferkabel vollkommen und setzte vollumfänglich auf Handynetze. Ergebnis war, dass bis heute jeder Rumäne 2 bis 3 Handys hat. Dabei kostet ein Vertrag mit gleichem Leistungsumfang gerade mal 25% von dem in Deutschland. Schon 2006 hatte ich in Bukarest einen Netz-Vertrag mit 25MBit von Rom-Telekom für 11 Euro/Monat. Wohlgemerkt: das war 2006. Bestellt und am nächsten Tag war die Leitung von der Straße gelegt. Rumänien hatte viele Jahre europaweit das schnellste Netz in Eruopa. Man muss nur die Tarife der Telekom vergleichen. Und selbst im ärmsten Land Europas, in Moldau, ist es in der Haupstadt Chisinau schneller als hierzulande: Glasfaser :Greets

Das Gleiche konnte ich bei Craft-Brewing beobachten. Zwei Jungs in Bukarest gründeten eine Craft-Brauerei namens Hop-Hooligans 2016 in Bukarest. Im gleichen Jahr zogen Brauer aus allen Landesteilen nach, unterstützt von Craft Brauern aus Italien, Belgien und Deutschland (ich gehöre auch dazu). Das ganze wurde und wird dann von den größeren Städten, meistens Universitätsstädten, bis heute tatkräftig unterstützt und gefördert (bei mir in Sibiu/Hermannstadt) - ganz im Gegenteil zu Deutschland, wo es die Hilfe engagierter Brauereien bedarf.
Wenn es um Genuss geht, müssen sich gerade im Süden Ungarns bei Szekszard, aber auch Städte wie Sibiu (Hermannstadt) oder Cluj (Klausenburg) nicht mehr verstecken. In Szekszard isst und trinkst Du so gut wie in Burgund in Frankreich.

Deine Beobachtung kann ich voll und ganz unterschreiben: In Ungarn, Rumänien und Ukraine ist das leider mit der Architektur und alten Möbeln der Fall. Lange Zeit wollten alle Plastikfenster und Plastikdächer haben - und so stehen heute in den Karpaten Feriendörfer mit blauen Dächern. Ein Freund aus England renovierte ein 500 Jahre altes Pub als Jugendherberge mit originalen, mundgeblasenen Fenstern. Eines fiel beim Einbau herunter. Die Reaktion der Arbeiter war: "Nimm Plastikfenster, ist besser." Mein Freund vergoss bittere Tränen und wollte aufgeben. Es gehört leider zu meiner Arbeit, gegen solche Auswüchse der Modernisierung anzugehen und an das Innehalten zu appellieren.

Grüße

Radulph
Zuletzt geändert von rakader am Montag 25. Oktober 2021, 22:45, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#30

Beitrag von indiana1972 »

Lieben Gruß,
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#31

Beitrag von rakader »

§11 hat geschrieben: Montag 25. Oktober 2021, 21:46 Der Vergleich hinkt vielleicht, aber in vielen ehemaligen "Ostblock" Staaten war die Bierqualität, die der "Normalbürger" bekam, unter aller Kanone. Dazu kamen marode Betriebe, die dem Stand der Technik um 30-40 Jahre hinterher waren und in die seit Jahrzehnten nicht mehr investiert wurde. Man kennt das, ist der Ruf erstmal runiert, ist es fast unmöglich den wieder aufzupolieren.
Der Vergleich hinkt überhaupt nicht - nur weil du Ungarn erwähnst: Beim Wein war der Ruf 89 durch die schwarze Mädchentraube so was am A***h. Dann kamen in Transdanubien die Anti-Massen-Winzer, die sogenannten jungen Wilden um den Winzer Attila Gere. Der schaffte es mit Hilfe amerikanischer Investoren und französischer Kellermeister binnen weniger Jahre den vormals herausragenden Ruf der ungarischen Weinregion an der Grenze zu Rumänien und Serbien wieder aufzupolieren. Ergebnis sind bis heute Weine in Burgunder- und Côte-Rotis-Qualität, die aber ein besseres Preis-Leistungsverhältnis haben. (Unbedingt probieren: Merops.) In Kroatien ist unterdessen die Weinqualität so exorbitant gut, dass die Weine gar nicht mehr exportiert werden (Karst- und Tuffsteinböden).

Beim Bier war es anders: Da etablierten amerikanische Braukonzerne mit Marken wie Ursus oder Ciuc oder Timisoreana den Durchschnittsgeschmack, aber immerhin besser als in Italien. Das war bereits kurz nach der Revolution der Fall. Unabhängige Brauereien wie das ungarische Ciucas sind selten (aber immer besser) Inzwischen gehören Craft-Biere in Städten mit einer gehobenen Mittelschicht zum Standing als Zeichen des sozialen Aufstiegs – Ursus ist zu langweilig geworden, man will sich abgrenzen. Entsprechend viele Craft-Beer-Bars gibt es. Da hinkt DE und AT meilenweit hinterher.

Wenn ich hier manchmal mitlese, was ihr in Berlin, München oder Köln so alles verkostet, wird man neidisch. In Osteuropa fällt mir ein gelobtes Craft-Bier regelmäßig ohne großes Zutun vor die Füße.

Gruß

Radulph und OT Ende :Smile (sorry)

edit @Oli lass es Dir schmecken :-)
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#32

Beitrag von rakader »

indiana1972 hat geschrieben: Montag 25. Oktober 2021, 19:20 Vielleicht noch zu Columbus und Warrior: Mein oben erwähntes erstes Pale Ale (Wohl ein an SNPA angelehntes Rezept von Gastro Brennecke) wurde wegen diverser Prozessfehler deutlich zu bitter, dort war Columbus eingesetzt, die bittere würde ich als glashart, kantig und harsch (ohne adstringierende Noten) und recht kurzlebig im Gaumen beschreiben. Die Bitterung vom Pliny war viel ausgewogener weicher und harmonisch eingebunden und wirkte angenehm nach, wobei es die vorhandene Säure im Bier kaschierte und insgesamt sehr rund rüberkam. Ob das jetzt am Hopfen lag, oder am Alkohol, der Restsüsse oder etwas anderem vermag ich nicht zu sagen.
Sorry - das hatte ich doch glatt überlesen. Danke für diesen Hint. Die "glasharte, kantige" Bittere von Columbus kann ich vollumfänglich unterschreiben. (Perfektes Wording !!)

Vielleicht sollen wir einen eigenen Thread aufmachen, in dem vor bestimmten Bitterhopfen gewarnt wird, ohne sie in Grund und Boden zu bewerten. Aber mit dem Siegel "Handle with care"? Das könnte so Fragen wie meine mit Warrior vielleicht von vornherein klären (man hat ja immer so eine Vorstellung). Wenn Interesse daran besteht, mache ich auch gerne einen Artikel dazu (aus Sicht eines Hobbybrauers und nicht eines Chemikers).

Gruß
Radulph
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#33

Beitrag von olibaer »

coyote77 hat geschrieben: Montag 25. Oktober 2021, 20:01 Die IBU-Angabe ... nahezu wertlos.
Ganze Entwicklerteams werden dir, ob dieser Erkenntnis, regelrecht um den Hals fallen. Glückwunsch :Bigsmile
Gruss
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#34

Beitrag von afri »

§11 hat geschrieben: Montag 25. Oktober 2021, 21:00Mein "Augenöffner" das Sorachi Ace. Das ist hier in Ohio ein wirklich gutes Bier. Ich hab mal Frisches nach Deutschland mitgebracht und wir haben es da gegen eins getrunken das jemand in einem Onlineshop in Europa gekauft hatte. Kein Vergleich, das Bier aus dem Online-Shop war ein Schatten seiner selbst.

Dann hatte ich genau das gleiche Bier, vom Fass aus einen Steinwurf vom Braukessel weg. Was soll ich sagen, dagegen war das Bier aus Ohio muffig. Das war das erste Mal das ich tatsächlich eine Dillnote beim Sorachi Ace geschmeckt habe.
Ja, wie ich oftmals beschrieben habe, Transport schadet dem Bier (aus welchen Gründen auch immer). Nun werden einige die Augen rollen, "er nun wieder", aber es ist doch so, oder? Ich habe das nicht nur bei eigenem Bier beobachtet, auch wie von Jan beobachtet beim Industriebier, das einmal hier beinahe vor Ort und ein anderes mal in Andechs gebraut wurde. Das IST anders. Punkt.
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#35

Beitrag von rakader »

afri hat geschrieben: Montag 25. Oktober 2021, 23:54 Ich habe das nicht nur bei eigenem Bier beobachtet, auch wie von Jan beobachtet beim Industriebier, das einmal hier beinahe vor Ort und ein anderes mal in Andechs gebraut wurde. Das IST anders. Punkt.
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Die Hauptzutat von Bier ist Wasser. Transport möchte ich gar nicht in Abrede stellen, aber man sollte die Komponenten schon in Relation setzen.
Ich habe in Rumänien Hochgebirgswasser. Klar ist mein Bier dort anders…
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#36

Beitrag von afri »

Ja, das stimmt. Aber es erklärt nicht, warum ein von mir hier produziertes Bier nach nur ca. 130km Transport komplett anders schmeckt. Das selbe Bier, anderer Geschmack und anderes Aroma. Habe ich zumindest einmal so erlebt, vielleicht mache ich das nochmal in Verbindung einer Motorradtour (ja ich weiß, habe ich schon öfter versprochen, irgendwann mache ich das _wirklich_ mal, meine Oxidationsbilder habe ich ja auch noch immer irgendwie gepostet).
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Re: Verständnisproblem AAU oder hat das Rezept einen Fehler?

#37

Beitrag von rakader »

Werde das nach Corona auch mal angehen und Fässer hin und her transportieren und dann strukturiert verkosten; sind exakt 1.030 km. Zur Zeit geht es noch nicht, da in Rumänien die Impfskepsis und die üble Gesundheitsinfrastruktur voll durchschlägt.

LG
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