Geschmack von "Pils fürs Volk"

Hier kommt alles rein, was woanders keinen Platz hat.
Antworten
Benutzeravatar
Augenfeind
Posting Klettermax
Posting Klettermax
Beiträge: 235
Registriert: Sonntag 10. April 2016, 13:33
Wohnort: Berlin

Geschmack von "Pils fürs Volk"

#1

Beitrag von Augenfeind »

Hallo zusammen,

bitte verzeiht, falls das Thema bereits besprochen wurde - ich bin gerade nicht in der Muse, alle 222 Treffer zu durchsuchen.
Ich habe das "Pils fürs Volk" gebraut, die Maische mit 20°C in den Bottich (Grainfather Conical Fermenter mit Glycol Chiller) gefüllt, die bei 20°C rehydrierte Trockenhefe (2 Päckchen Fermentis Saflager W-34/70) zugegeben und dann für 8 Tage auf 12°C gekühlt, und dann noch für 4 Tage bei 15°C gelassen. Die Hefe kam nach ca. 24 Stunden an. Anschließend habe ich in Flaschen abgefüllt und gestern - nach einer Woche - angetrunken (ich muss immer gleich probieren, wie es "geworden ist").
Meine Frau findet es lecker, aber ich bin herbe enttäuscht - das Bier schmeckt stark fruchtig, aber für meinen Geschmack nicht toll. Insbesondere bin ich total enttäuscht darüber, dass es überhaupt ein fruchtiges Aroma hat. Die Bittere ist gut, aber ansonsten hat es nicht im Geringsten mit Pils zu tun.

Dabei lese ich allenthalben von den guten Geschmacksergebnissen bei diesem Rezept.

Nun meine Fragen:
  • Wird sich der fruchtige Geschmack durch Lagerung (4-6 Wochen) noch verflüchtigen?
  • Spielt es eine entscheidende Rolle, ob ich bei 20°C oder gekühlt - also etwa bei 4°C - lagere?
  • Ist zu erwarten, dass es deutlich weniger fruchtig wird, wenn ich bei 10°C oder gar 8°C fermentiere?
  • Ist der enttäuschende Geschmack möglicherweise ein Hinweis auf unsauberes arbeiten (Hefe-Verunreinigung)?
Wäre super, wenn mir hier jemand von seinen Kenntnissen diesbezüglich berichten könnte.
"Ein ernst zu nehmender Staat benötigt eine eigene Fluggesellschaft und ein eigenes Bier. Eine Fußballmannschaft oder Nuklearwaffen helfen, aber ein Bier ist Minimalvoraussetzung." (Frank Zappa)
Benutzeravatar
Bierjunge
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 3452
Registriert: Mittwoch 28. Oktober 2009, 15:54

Re: Geschmack von "Pils fürs Volk"

#2

Beitrag von Bierjunge »

Da musst Du Dich nicht wundern, wenn Du derart warm anstellst. Die Anstelltemperatur ist fast noch wichtiger als die Gärtemperatur!
Richtig wäre gewesen, z.B. bei 10 Grad anzustellen (anstatt bei 20!) und dann bei 12 Grad zu vergären.
Wie bist Du denn auf die Idee verfallen, so warm anzustellen?
Und leider wird sich da auch nichts mehr nennenswert auslagern.

Moritz

PS: Und ich hoffe freilich, Du hast Würze vergoren und keine Maische...
HubertBräu
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1479
Registriert: Montag 27. März 2017, 11:56
Wohnort: Berlin

Re: Geschmack von "Pils fürs Volk"

#3

Beitrag von HubertBräu »

Einer der Gründe dürfte die Anstelltempertur von 20° sein. Besser wäre gewesen auf 9-10° zu kühlen, dann die Hefe dazu und dann bei 10-11° gären lassen. Zum Ende der Gärung ist eine Erhöhung der Temperatur in Ordnung.
Benutzeravatar
Augenfeind
Posting Klettermax
Posting Klettermax
Beiträge: 235
Registriert: Sonntag 10. April 2016, 13:33
Wohnort: Berlin

Re: Geschmack von "Pils fürs Volk"

#4

Beitrag von Augenfeind »

Bierjunge hat geschrieben: Sonntag 19. April 2020, 16:38 [...]
PS: Und ich hoffe freilich, Du hast Würze vergoren und keine Maische...
Oh Mann, selbst nach 1 1/2 Jahren komme ich noch immer nicht mit den Begriffen klar. Ja, ich meine natürlich die Würze! Immerhin hat schon was im Kopf gejuckt, als ich das schrieb.
"Ein ernst zu nehmender Staat benötigt eine eigene Fluggesellschaft und ein eigenes Bier. Eine Fußballmannschaft oder Nuklearwaffen helfen, aber ein Bier ist Minimalvoraussetzung." (Frank Zappa)
Benutzeravatar
Johnny H
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 4010
Registriert: Donnerstag 31. Januar 2013, 22:08
Wohnort: Graz, Österreich

Re: Geschmack von "Pils fürs Volk"

#5

Beitrag von Johnny H »

Hubert und Moritz waren schneller, aber jetzt habe ich es schon geschrieben.

Verstehe ich das jetzt richtig, dass Du bei 20°C Anstellwürzetemperatur die Hefe gegeben und dann erst runtergekühlt hast?

Falls ja, dann könnte da die Ursache für den fruchtigen Geschmack liegen. Die Hefe produziert z.B. die meisten höheren Alkohole zu Beginn der Gärung, und wenn zu warm angestellt wird, liegt hier die potentielle Ursache für Fehlaromen.

Gängiger Konsens ist es, Lagerbiere kalt anzustellen (z.B. bei 8-10°C) und dann ein wenig kommen zu lassen (z.B. auf 10-12°C) bzw. bei über 50% Vergärgrad noch etwas weiter.

Möglicherweise lagert sich das noch ein wenig aus. Außerdem ist Kosten nach einer Woche oft auch irreführend, da der Jungbiergeschmack noch präsent ist. Gib dem Bier also noch etwas Zeit. Bei untergärigem Brauen geht alles etwas langsamer.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
Benutzeravatar
Augenfeind
Posting Klettermax
Posting Klettermax
Beiträge: 235
Registriert: Sonntag 10. April 2016, 13:33
Wohnort: Berlin

Re: Geschmack von "Pils fürs Volk"

#6

Beitrag von Augenfeind »

Danke, Bierjunge, HubertBräu und Johnny H!

Eure Fragen erklären bereits alles. Mir war das alles nicht klar - ich denke immer, der Hefe-Hersteller müsste doch die größte Expertise haben und wissen, warum er schreibt (Fermentis-Datenblatt):
Empfohlene Anstelltemperatur: 9-22°C, idealerweise 12-15°C
Ich wollte Pils nun schon aufgeben (das war mein 2. Pilsener-Versuch - der erste war noch schlimmer), aber jetzt weiß ich, was ich als nächstes versuchen muss!

Aber: Runtergekühlt von 20°C auf 12°C waren die 23 Liter in knapp 4 Stunden. Ich hätte nicht gedacht, dass das so früh schon eine Rolle spielt und war zu faul, die rehydrierte Hefe vernünftig langsam runterzukühlen.
"Ein ernst zu nehmender Staat benötigt eine eigene Fluggesellschaft und ein eigenes Bier. Eine Fußballmannschaft oder Nuklearwaffen helfen, aber ein Bier ist Minimalvoraussetzung." (Frank Zappa)
Benutzeravatar
Johnny H
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 4010
Registriert: Donnerstag 31. Januar 2013, 22:08
Wohnort: Graz, Österreich

Re: Geschmack von "Pils fürs Volk"

#7

Beitrag von Johnny H »

Die ersten 24h sind hier entscheidend, außerdem spielt nicht nur die absolute Temperatur eine Rolle, sondern auch, dass die Hefe Abkühlungen oder gar Abschreckungen gar nicht mag.

Ich würde das jetzt trotzdem fertig lagern. Ein Teil des Geschmacks wird sich vielleicht noch auslagern, möglicherweise beitragender Jungbiergeschmack sowieso.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
HubertBräu
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1479
Registriert: Montag 27. März 2017, 11:56
Wohnort: Berlin

Re: Geschmack von "Pils fürs Volk"

#8

Beitrag von HubertBräu »

Und in der Zeit, wo Du Anstelltempertur runter kühlst, stellst Du die rehydrierte Hefe in den Kühlschrank. So kühlen die ca. 200ml auch gemächlich auf ca. 10°.
Benutzeravatar
Augenfeind
Posting Klettermax
Posting Klettermax
Beiträge: 235
Registriert: Sonntag 10. April 2016, 13:33
Wohnort: Berlin

Re: Geschmack von "Pils fürs Volk"

#9

Beitrag von Augenfeind »

Johnny H hat geschrieben: Sonntag 19. April 2020, 17:01 Die ersten 24h sind hier entscheidend, außerdem spielt nicht nur die absolute Temperatur eine Rolle, sondern auch, dass die Hefe Abkühlungen oder gar Abschreckungen gar nicht mag. [...]
Hm, das mit den Temperaturänderungen ist mir klar - daher habe ich ja eigens bei 20°C angestellt (die Abkühlung auf 12°C ging dann ja über ca. 4 Stunden) - sollte ich die Hefe schon bei 10°C rehydrieren anstatt bei 20°C? Oder sollte ich sie noch langsamer als über 4 Stunden auf 10°C runterkühlen, bevor ich sie zugeben, oder ist das runterkühlen ohne Würze generell unproblematisch und wird erst im Kontakt mit der Würze kritisch?
"Ein ernst zu nehmender Staat benötigt eine eigene Fluggesellschaft und ein eigenes Bier. Eine Fußballmannschaft oder Nuklearwaffen helfen, aber ein Bier ist Minimalvoraussetzung." (Frank Zappa)
Benutzeravatar
Johnny H
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 4010
Registriert: Donnerstag 31. Januar 2013, 22:08
Wohnort: Graz, Österreich

Re: Geschmack von "Pils fürs Volk"

#10

Beitrag von Johnny H »

Augenfeind hat geschrieben: Sonntag 19. April 2020, 17:07 [...] - sollte ich die Hefe schon bei 10°C rehydrieren anstatt bei 20°C? Oder sollte ich sie noch langsamer als über 4 Stunden auf 10°C runterkühlen, bevor ich sie zugeben, oder ist das runterkühlen ohne Würze generell unproblematisch und wird erst im Kontakt mit der Würze kritisch?
Rehydrieren soll man die Hefe durchaus nach Herstellerangaben (in dem Fall ca. 20°C?).

Wie man sie dann möglichst effektiv bzw. bestmöglichst auf Anstelltemperatur bringt, wirft hier immer wieder Fragen auf. Eine Möglichkeit ist sicher, langsam und schluckweise kalte Würze zur Hefe zu geben über einen Zeitraum von ca. 1/2 Stunde. Andere stellen die rehydrierte Hefe 1/2 Stunde in den Kühlschrank (so mache ich es auch, wobei ich schon lange keine Trockenhefe mehr verwendet habe).

Zumindest soll zum Anstellzeitpunkt die Temperaturdifferenz zwischen Hefe und Würze nicht mehr größer sein als max. 5°C, und zu lange soll der Abkühlvorgang auch nicht dauern.

Nachtrag: hier auch Suras Anleitung zum korrekten Rehydrieren und Anstellen. Da ist eigentlich alles beantwortet.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
Benutzeravatar
schwarzwaldbrauer
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 2112
Registriert: Donnerstag 4. Januar 2018, 21:01

Re: Geschmack von "Pils fürs Volk"

#11

Beitrag von schwarzwaldbrauer »

Das ist absolut die richtige Spur.
Ich habe diese Hefe auch Mal aus Zeitgründen bei 14° angestellt und jede Menge Fehlaromen bekommen. Und dann beim Anstellen die Hefe immer etwas kälter haben als die Würze, keinesfalls umgekehrt.

Grüßle Dieter
Brau, schau wem.
Benutzeravatar
Augenfeind
Posting Klettermax
Posting Klettermax
Beiträge: 235
Registriert: Sonntag 10. April 2016, 13:33
Wohnort: Berlin

Re: Geschmack von "Pils fürs Volk"

#12

Beitrag von Augenfeind »

Danke liebe Braukollegen,

ihr habt mir hier eine meiner größten Unwissenheiten beseitigt! Jetzt weiß ich endlich, an welchen Stellschrauben ich drehen muss, um bessere Ergebnisse erzielen zu können.
Ich dachte tatsächlich, nach der Lektüre des "Yeast"-Buches aus dem "Brewing Elements Book Set" sei ich über alle Unwägbarkeiten erhaben, aber es geht eben nach wie vor nichts über den Austausch mit Gleichgesinnten!
"Ein ernst zu nehmender Staat benötigt eine eigene Fluggesellschaft und ein eigenes Bier. Eine Fußballmannschaft oder Nuklearwaffen helfen, aber ein Bier ist Minimalvoraussetzung." (Frank Zappa)
Benutzeravatar
Augenfeind
Posting Klettermax
Posting Klettermax
Beiträge: 235
Registriert: Sonntag 10. April 2016, 13:33
Wohnort: Berlin

Re: Geschmack von "Pils fürs Volk"

#13

Beitrag von Augenfeind »

Nachlese:

Also, nachdem ich das Bier nun über 3 Wochen gelagert habe, kann ich sagen dass sich das unerwünschte stark fruchtige Aroma rasch verflüchtigt hat. Inzwischen schmeckt das Pils recht lecker und es ist auch das erste Mal, dass ich diesen Lagerungseffekt deutlich schmecke. Meine anderen Biere waren aber auch allesamt obergärig.
Dies nur, um meine Erfahrungen zu teilen.

Grüße, Roman.
"Ein ernst zu nehmender Staat benötigt eine eigene Fluggesellschaft und ein eigenes Bier. Eine Fußballmannschaft oder Nuklearwaffen helfen, aber ein Bier ist Minimalvoraussetzung." (Frank Zappa)
Benutzeravatar
Johnny H
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 4010
Registriert: Donnerstag 31. Januar 2013, 22:08
Wohnort: Graz, Österreich

Re: Geschmack von "Pils fürs Volk"

#14

Beitrag von Johnny H »

Danke für das Update! Ganz oft hat man diese interessanten Fragestellungen, und viel zu oft verschwinden die Threads dann im Orkus, ohne dass irgendwelche Tipps oder Vorhersagen mit dem Endresultat abgeglichen werden können.

Und gut zu lesen, dass das Bier doch noch recht gut geworden geworden ist. Wie so oft macht sich halt Geduld als eine der wichtigsten Brauzutaten am Ende doch bezahlt!
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
Antworten