Industriebier: Haltbarmachung mit Polyvinylpolypyrrolidon

Hier kommt alles rein, was woanders keinen Platz hat.
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katzlbt
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Industriebier: Haltbarmachung mit Polyvinylpolypyrrolidon

#1

Beitrag von katzlbt »

Hab das gerade einen Beitrag über Haltbarmachung inklusive Pasteurisieren gefunden:

Also das Reinheitsgebot ist echt dehnbar, oder unzeitgemäß geworden, falls das stimmt ...
https://www.bier.de/bier-wissen/haltbarkeit-des-bieres/ hat geschrieben: Der Kunststoff Polyvinylpolypyrrolidon (PVPP) wird dem Bier zugefügt. Er ist unlöslich und bindet Gerbstoffmoleküle, die dann bei der Filtration samt des PVPPs entfernt werden und dabei die Bierinhaltstoffe nicht verändern.

Diese PVPP-Methode wäre nicht möglich, wenn sie nicht dem Reinheitsgebot entspräche. Da der Stoff aber in Flüssigkeiten unlöslich ist, beeinträchtigt er weder den Geschmack, noch das Bier selber. So kann der Brauer die Haltbarkeit des Bieres verlängern, ohne die Inhaltsstoffe zu ändern. Bei einer erwünschten Haltbarkeit von 12 Monaten, muss der Gerbstoffgehalt um 60 % reduziert werden. Für eine noch längere Haltbarkeitsdauer müssen weitere Maßnahmen angewandt werden, die jedoch nicht qualitätsfördernd sind.
Vor allem "wird dem Bier zugefügt" klingt extrem grauslig. Da sind Zentrifugen zur Filtrierung & Hefeentfernung noch appetitlich.

Ausserdem kommen die Gerbstoffe doch vom Hopfen, der das Bier haltbar machen soll, Hmmm?
Jm010265

Re: Industriebier: Haltbarmachung mit Polyvinylpolypyrrolido

#2

Beitrag von Jm010265 »

Ist aber nicht wirklich neu!
PVPP ist ok Haferflocken sind passe :thumbsup !
Gruß Hannes
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Biermensch
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Re: Industriebier: Haltbarmachung mit Polyvinylpolypyrrolido

#3

Beitrag von Biermensch »

Ich seh da auch nicht so das Problem. Ist wohl nur so was wie ein Filter-Booster. Wenn er unlöslich ist und nichts davon zurückbleibt, was solls?

Edith: Also für Industrie-Maßstäbe...
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GamZuBo
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Re: Industriebier: Haltbarmachung mit Polyvinylpolypyrrolido

#4

Beitrag von GamZuBo »

Ja, wer mal in so einem Filterkeller war weiß auch, dass Kieselgur und Gel dazu kommen. Danach geht es über einen KZE. Übrigens Pils wird so in 7 Tagen von der Brauerei in den Handel gebracht.

6 Wochen Kaltlagerung, pah das unterbiete ich schon um 2 Wochen.

Aber alles das ist auch dem Verbraucher zu Schulden. Es muss billig sein, immer gleich schmecken und dann noch ungekühlt überall (40 Grad im Sommer ) Lagerbar. Sonst hat man schnell Bröckchen im Bier. Iiiih
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katzlbt
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Re: Industriebier: Haltbarmachung mit Polyvinylpolypyrrolido

#5

Beitrag von katzlbt »

Vielleicht hab ich mir das zu dramatisch vorgestellt:
Plastikgraulat kiloweise in Bier schütten und hoffen, dass das Zeugs nichts abgibt und nur aufnimmt.
Hoffentlich ist das wenigstens nicht Bio.
Ev. ist das bei den amerikanischen 3% Leichtbieren notwendig,
aber meine werden nicht einmal richtig reif bevor solche schon wieder kaputt sind :Wink

Krass:
Darüber hinaus wird Polyvinylpolypyrrolido (E 1202) in Arzneitabletten als Sprengmittel (Zerfallsmittel) verwendet.
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katzlbt
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Re: Industriebier: Haltbarmachung mit Polyvinylpolypyrrolido

#6

Beitrag von katzlbt »

Also es hätte mich wirklich gewundert wenn man das rückstandslos wieder entfernen könnte.
Der Artikel der Zeit, der in einem anderen Thread verlinkt war ist da wesentlich kritischer.
http://www.zeit.de/2016/17/reinheitsgebot-bier-zutaten-malz-jubilaeum/komplettansicht hat geschrieben:Da wäre zum Beispiel das Wortungetüm Polyvinylpolypyrrolidon – kurz PVPP. Mithilfe dieser kleinen Kunststoffpartikel werden Trübstoffe aus dem Bier gefiltert, um die Haltbarkeit zu verbessern. Der Einsatz solcher Klärmittel ist laut Gesetz zulässig, wenn sie bis auf "technisch unvermeidbare Anteile" vor der Abfüllung wieder aus dem Bier verschwinden. Letzteres stellt allerdings eine Dissertation infrage, die am Lehrstuhl für Technologie der Brauerei der Technischen Universität München eingereicht wurde: Ihr zufolge bleibt ein Teil des Plastikgranulats im Bier enthalten. Gleiches gilt übrigens für den technischen Hilfsstoff Kieselgur.
Und noch eins drauf:
Wikipedia zu Kiselgur hat geschrieben:Im April 2013 wurde bekannt, dass Münchner Forscher das Rätsel um die erhöhten Arsenwerte in deutschen klaren Bieren gelöst haben. Der Arsenwert ist in manchen Sorten höher als im genutzten Wasser, weil beim Filtrieren einerseits Schwebstoffe festgehalten werden, andrerseits häufig dort gebundenes Arsen in das nun kristallklare alkoholische Getränk übergeben wird. Da es sich um sehr geringe Mengen handelt, besteht keine Gesundheitsgefahr. In Zukunft soll Kieselgur zum Filtern häufiger mit Wasser gespült werden.
Prost! :Drink
Jm010265

Re: Industriebier: Haltbarmachung mit Polyvinylpolypyrrolido

#7

Beitrag von Jm010265 »

Die Aussage "bis auf technisch unvermeidbare Anteile" habe ich auch schon von einem Technischen Betriebsleiter einer Großbrauerei gehört in Bezug auf Desinfektionsmittel die nicht ausgespült werden.

Wenn ich mich recht erinnere waren das auf Peressigsäure basierende Mittel......
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Biermensch
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Re: Industriebier: Haltbarmachung mit Polyvinylpolypyrrolido

#8

Beitrag von Biermensch »

Ok....also rückstandslose Ausfilterung ist nicht möglich und somit sind in jedem Fläschchen einige winzige Micro-Plastikpartikel vorhanden, so wenig, dass es gesundheitlich nix ausmacht, durch die Filterung ist Arsen drin, so wenig dass es nix ausmacht, Kieselgur so wenig dass es nix ausmacht....ach ja, und Pflanzenschutzmittel, so wenig dass es nix ausmacht....na dann :Drink
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realmk
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Re: Industriebier: Haltbarmachung mit Polyvinylpolypyrrolido

#9

Beitrag von realmk »

Hallo zusammen,

bedeutet das, dass ungefilterte Biere ohne PVPP (Rückstände) sind, da ja PVPP zur Filterung eingesetzt wird?
Und als zweite Frage, welche Brauereien arbeiten ohne PVPP, bzw. welche Industriebiere sind ohne PVPP zu bekommen?

Vielen Dank und beste Grüße
:Drink
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Ladeberger
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Re: Industriebier: Haltbarmachung mit Polyvinylpolypyrrolido

#10

Beitrag von Ladeberger »

realmk hat geschrieben: bedeutet das, dass ungefilterte Biere ohne PVPP (Rückstände) sind, da ja PVPP zur Filterung eingesetzt wird?
Nein, ohne genaue Einblicke in den jeweiligen Herstellungsprozess eines "Kellerbieres" o.ä. ist dazu keine pauschale Aussage möglich.

Gruß
Andy
heizungsrohr
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Re: Industriebier: Haltbarmachung mit Polyvinylpolypyrrolido

#11

Beitrag von heizungsrohr »

katzlbt hat geschrieben:Krass:
Darüber hinaus wird Polyvinylpolypyrrolido (E 1202) in Arzneitabletten als Sprengmittel (Zerfallsmittel) verwendet.
Das bedeutet eigentlich, dass es soo schädlich nicht sein kann. Sprengmittel sind nur quellende, quervernetzte Substanzen, die eine ansonsten steinharte Tablette schneller auflösen lassen. Ansonsten sind diese Substanzen meist inert oder wenigstens unschädlich. Ein anderes Beispiel wäre Cellulose, sehr gefährlich das ganze.

Man kann zu solchen Zusätzen stehen wie man will, die Angst der meisten Leute vor Chemie begründet sich idR nicht auf Wissen, sondern Pauschalisierungen.

Ich bin auch nicht gerade Fan solcher Stoffe, aber würde man Kieselsol und/oder Gelatine einsetzen hörte ich schon die Vegetarier meckern.


Nachtrag: In der gesamten Lebensmittelindustrie werden Kunststoffe eingesetzt, weil es keine sinnvollen Alternativen gibt. Beispielsweise bei Maschinenteilen, deren Abrieb in das Produkt gelangen kann muss man z.b. Teflon einsetzen. Metallabrieb wäre wesentlich problematischer.
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§11
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Re: Industriebier: Haltbarmachung mit Polyvinylpolypyrrolido

#12

Beitrag von §11 »

Ganz ehrlich, man kann aber auch ueberall ein Problem finden, enn man nur lange genug sucht.

Kieselguren sind versteinerte Kieselalgen. Wer Katzen hat, das Zeuch wo die draufkacken. Ganz ehrlich meiner Katze sind dabei keine boesartigen Ferunkel am Arsch gewachsen. Gut, lassen wir das Kieselgur aus dem Bier weg und gehen alle ins Reformhaus uns die gesunden Kieselerde kaufen, weil dann ist der selbe Scheiss ploetzlich super gesund.

Ich Weiss nicht ob es mit lieber ist einen "sauber" Kunststoff wie PVPP in Spuren I'm Bier zu haben oder, wie so mancher hier, sein Bier mit Gelantine oder anderen Zusaetzen zu panschen. Wer schon mal eine Gelantine- Kocherei gesehen hat, der wuerde das Zeug nicht mit dem Hintern anschauen.

Jan
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olibaer
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Re: Industriebier: Haltbarmachung mit Polyvinylpolypyrrolido

#13

Beitrag von olibaer »

Hallo zusammen,

es gibt neben der Wahrnehmung des Endverbrauchers für den "Chemieeinsatz" noch mindestens zwei weitere Gründe, warum PVPP immer seltener oder "noch" weniger zum Einsatz kommt:
  1. Rohstoffauswahl, Rohstoffqualität und Prozessoptimierungen sorgen schon vor der Filtration für eine polyphenolseitige "Optimierung"
  2. PVPP ist unglaublich teuer
Gerade Punkt 2 dürfte so manchen abschrecken:

Eine verlorene PVPP-Dosage von 50 g/hl-Fertigbier schlägt mit ~5€/hl-Fertigbier zu Buche, während ein Malzeinsatz von 17000g/hl-Fertigbier mit ~7,5€/hl daher kommt.
Lässt man sich dieses Zahlenwerk eimal auf der Zunge zergehen, ergibt sich für z.B. eine 200.000 hl-Brauerei ein Mehraufwand von ~ 900.000,0 - 1.100.000,0 € per anno - nur durch den Einsatz von PVPP.

Hier den ROI in die Kurve zu legen und lieber präventiv in Rohstoffqualitäten und Prozesstechnik zu inverstieren, fällt nicht sonderlich schwer - flankierend leidet das Image nicht - so die im Moment gelebte Denke(subjektiv so von mir wahrgenommen).

Tendenziell nehme ich die gesamte Thematik mittlerweile so wahr, dass brauerseitig niemand freiwillig PVPP dosiert und mit allen Mitteln versucht wird, einer Dosage aus dem Weg zu gehen.
Es gibt vergleichbar wenige Punkte im Brauwesen zu denen sich, ohne Reibungsverluste, "Herr Braumeister" und "Herr Kaufmann" in einer gemeinsamen Mitte verabreden können.


Gruß
Oli
Gruss
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Re: Industriebier: Haltbarmachung mit Polyvinylpolypyrrolido

#14

Beitrag von KTF »

Hallo zusammen,

also erst mal ist PVPP ja schon ein ziemlich alter Hut und seit Jahrzenhnten auf dem Markt.
Es ist ein Kunststoffmolekül, dass in seinen Eigenschaften Eiweiss "immitiert". Da Gerbstoffe sich gerne mit Eiweiss verbinden, nutzt man PVPP als eine Art "Eiweissattrappe".

Technisch hat man grundsätzlich zwei Möglichkeiten:
- Zum einen, wie von Oli beschrieben, die verlorene Dosage, wo PVPP im Kieselgurfilter zugegeben wird und auch von diesem zurückgehalten wird. Danach wird das Kieselgur samt PVPP ausgetragen und weggeworfen.
- Zum anderen (und das ist in Grossbrauereien deutlich häufiger der Fall) gibt es die Möglichkeit, nach dem KG-Filter einen eigenen PVPP Filter zu installieren, der im Prinzip ähnlich funktioniert aber ausschliesslich PVPP enthält. Dies bietet technisch eine ganze Reihe von Vorteilen. Der grösste ist, dass das (teure) PVPP regeneriert und weiterverwendet wird. Damit wird die ganze Sache schon wesentlich wirtschaftlicher.

In beiden Fällen SOLLTE aber ein Trap-Filter hinter dem KG- bzw. PVPP Filter sein um die angesprochenen "unvermeidbaren Restmengen" zu entfernen. Ob das immer so passiert steht auf einem anderen Blatt...

Widersprechen würde ich aber, dass PVPP nur noch ungern oder selten eingesetzt wird. Olis Kostenrechnung stimmt zwar im Prinzip, bezieht sich aber auf verlorene Dosage, welche in wirklich grossen Industriebrauereien sehr selten vorkommt.

Auch widersprechen würde ich, hier:
"Nein, ohne genaue Einblicke in den jeweiligen Herstellungsprozess eines "Kellerbieres" o.ä. ist dazu keine pauschale Aussage möglich."

Mir ist nicht bekannt, wie einem unfiltrierten Bier PVPP zugesetzt werden könnte. Kenne ich weder technisch, noch in der Praxis.

Grundsätzlich bin ich auch froh, wenn mein Bier so natürlich wie möglich ist. Aber aus PVPP einen Skandal zu machen, nur weil sich der Name so "giftig" anhört trifft es sicherlich auch nicht.

Grüsse, Flo
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