Das Bier zum Brauwasser
Verfasst: Sonntag 4. September 2016, 17:41
Man kann sich das Brauwasser mit mehr oder weniger Aufwand immer so zurecht biegen, dass es zu einem beliebigen Bierstil passt. Wir holen uns damit quasi die ganze Brauwelt nach Hause und das ist auch gut so. Historisch betrachtet war es aber eher umgekehrt: Das Wasser war in engen Grenzen als gegeben hinzunehmen und man musste andere Parameter variieren, um zu einem schmackhaften Bier zu kommen. Man darf wohl davon ausgehen, dass so einige der ikonischsten Bierstile wie Münchner Dunkel oder Pilsener entstanden sind.
Nun beugen sich gerade Hobbybrauer als Keimzelle kreativster Bierideen zunehmend der Lehre von gutem und schlechten Brauwasser. Sonst voller Stolz auf ihre Individualität, wird vor lauter Angst mit dem eigenen Wasser könnte irgendwas verkehrt sein, lieber auf Basis von Osmosewasser und Brausalzen ein Brauwasser von Null an aufgebaut, das so jeder x-beliebige Brauerkollege auf der ganzen Welt auch hätte stricken können. Schade eigentlich, denn ich glaube man kann sich das eigene Leitungswasser zum Alleinstellungsmerkmal machen und den Umgang damit perfektionieren, statt für jeden Sud von vorne anzufangen. Ein echtes Hausbier sozusagen. Zeit für ein Bier ohne Wasseraufbereitung oder eben "das Bier zum Wasser"!
Will man zunächst mal etwas abstrahieren, was ein Brauwasser geeignet macht für ein konkretes Bier, würde ich drei Faktoren vorschlagen:
1. No-Go-Kriterien, die stilunabhängig betrachtet werden müssen
2. Günstiger Maische- und Würze-pH, v.a. von der Schüttung abhängig
3. Passender Gesamtsalzgehalt
Und los geht's:
1. No-Go-Kriterien
Trinkwasser und einwandfreies Hausnetz vorausgesetzt, ist das Leitungswasser in gesundheitlicher Hinsicht unbedenklich. Über Quell- und Brunnenwässer müssen entsprechende Infos notfalls seperat eingeholt werden. Für Brauzwecke muss man sich jedoch einige Parameter genauer anschauen.
Nitrat / Nitrit
Nitrat ist in DE zulässig bis 50 mg/l, für Brauwasser wird empfohlen unter 20 mg/l zu bleiben, da Nitrat die Gärung behindern und einen unangenehmen Geschmack erzeugen kann. Ich bin mir nicht sicher inwiefern geklärt ist, ob sich Nitrat direkt negativ auf die Gärung auswirkt oder das nur in Form von Nitrit tut, das durch Reduktion aus Nitrat durch thermophile Würzebakterien entsteht. Das hier soll aber keine Doktorarbeit werden, daher nehmen wir einfach mal an Nitrat = böse. Schauen wir uns auch hier an, woher Nitrat kommt: Neben dem Brauwasser wird es primär durch Hopfen eingetragen. Hopfen enthält mit ca. 1 - 1,2% Nitrat bezogen auf die Hopfenmasse [Briggs]. Ein Übergang erfolgt von ca. 60 % des Hopfens [Hop]. Beispielsweise hat daher ein Pale Ale mit zwei Gaben von insgesamt 5 g/l bereits bis zu 5 g/l * 0,6 * 1,2% = 36 mg/l zusätzliches Nitrat.
Zur Frage wieviel Nitrat problematisch wird, weißt Narziß auf das relative Verhältnis zum Gesamtsalzgehalt hin. Ich zitiere wie folgt nach Narziß: "Es kann demnach ein Wasser von 100 mg/l Gesamtsalzgehalt schon bei 20 mg/l NO2 Schwierigkeiten verursachen, während eines von 1000 mg/l bei 50 mg/l NO2 noch normale Gärungserscheinungen liefert. Höhere Nitratgehalte (über 100 mg/l) können auch einen grabligen, unangenehmen Geschmack im Bier verursachen" [Nar].
Der Gesamtsalzgehalt wird meistens nicht direkt angegeben, aber die Leitfähigkeit bietet eine akzeptable Näherung für die gelösten Salze [EWT]: (microSiemens/cm) / 1,5 = mg/l Salzgehalt. Von hier aus kommt man mit ein paar unscharfen Annahmen zu folgender Schlussfolgerung:
< 20 mg/l Nitrat: Passt
20-50 mg/l Nitrat: Auf den Gesamtsalzgehalt schauen; pro 200 mg/l gehen 10 mg/l Nitrat im Leitungswasser noch in Ordnung. Ansonsten versuchen das zuviel an Nitrat > 50 mg/l durch geringere Hopfengaben einzusparen. Möglichkeiten sind hier z.B. Hopfen mit höherer Alphasäure oder ein anderes Timing der Gaben.
Magnesium
Wahnsinnig umstritten und (auch von mir) in der Vergangenheit hier im Forum vermutlich überbewertet, weil pro Prozent Stammwürze sowieso ca. 7-13 mg/l Magnesium in die Würze gelangen [3]. Bei einem 12 °P Vollbier also bereits ca. 80-160 mg/l. Hier im Forum wird Panik geschoben, wenn Magnesium über ca. 15-20 mg/l im Brauwasser vorliegt. Ohne mich inhaltlich damit beschäftigen zu wollen, möchte ich folgenden Gegenbeweis führen: Wenn z.B. Michas obergäriger Maibock mit 16,5% Stammwürze bei harmlosen 10 mg/l Magnesium im Brauwasser noch eine runde Bitterkeit hat, dann hat der fertige Maibock alleine schon 125-225 mg/l Magnesium. Dann müsste auch ein Vollbier mit 12 °P gelingen, das (125-84) bzw. (225-156) = 41 - 69 mg/l Magnesium bereits im Brauwasser hat. Ein Wertebereich, bei dem hier normalerweise schon zur Umkehrosmose oder einem Umzug nach Pilsen geraten wird.
Woher kommt also die Problematik? Schaut man etwa ins Standardwerk von Narziß, wird auf die Problematik von Magnesium fast ausschließlich im Zusammenhang mit Sulfat als Magnesiumsulfat (= Bittersalz!) eingegangen. Der knappe Hintergrund: Salze dissoziieren in Wasser, d.h. etwa bei Magnesiumsulfat "schwimmen" das Magnesium-Ion und Sulfat-Ion frei im Bier herum. Es ist also für die Betrachtung von Magnesiumsulfat zunächst egal, wie Magnesium und Sulfat in die Würze gelangt sind; sie können aus anderen Salzen stammen. Das bedeutet insbesondere, dass bei sowieso vorhandenem Magnesium aus dem Malz auch Calciumsulfat (=Braugips) eine Quelle für Magnesiumsulfat darstellt. Tatsächlich gibt es als Quelle für Sulfat sonst nur noch das Brauwasser selbst, denn durch Malz wird Sulfat mit 0,5 g/l pro Prozent Stammwürze nur in vernachlässigbarer Weise eingetragen. Hier besteht daher also ausgerechnet für Wasseraufbereiter eine Bittersalz-Stolperfalle!
Schlussfolgerung:
< 50 mg/l Magnesium: Passt.
Aber: Bei Magnesium > 20 mg/l Vorsicht mit Braugips, lieber Calciumchlorid oder Ansäuern.
2. Management des Maische-pH
Ich möchte hier nicht in die technologischen Hintergründe einsteigen, das wurde oft genug gemacht [Bam,Tro,Nar]. Es soll an dieser Stelle genügen, dass ein Maische-pH von 5,4-5,6 ideal ist und ein gewisser Spielraum nach unten und oben akzeptabel ist. Der pH wird determiniert vom Brauwasser und der Schüttung. Bei der Schüttung gilt grundsätzlich: je dunkler, desto niedriger der pH. Restalkalität 0 °dH ist ein Referenzwert, bei dem sich helles Malz im jeweiligen Brauwasser genau so verhält wie in destilliertem Wasser. Das führt bei hellem Malz meist einem Maische-pH von ca. 5,7-5,9. Oft ist dieser pH in destilliertem Wasser in der Malzanalyse aufgeführt und kann für den folgenden Abschnitt ohne weiteres verwendet werden.
Faustformel: (Restalkalität * 0,03) = durch RA erhöhter pH [Nar]
Gehen wir nun von 100% Pilsener Malz aus und ferner davon, dass dieses Pilsener Malz einen pH von 5,8 in destilliertem Wasser aufweist, haben wir einen "virtuellen Maische-pH" von 5,8 + (Restalkalität * 0,03). Nehmen wir ferner an, unser Wasser hat einen Restalkalität von 6 °dH, dann beträgt der virtuelle Maische-pH folglich ~6. Ein bisschen viel!
Nun kommen dunklere Malze ins Spiel. Aus der gängigen Literatur, schwerpunktmäßig [Tro] habe ich folgendes zusammengebastelt:
-0,1 pH mit % der Schüttung
Münchner Malz (15-20 EBC): 33%
Caramalz (20-30 EBC): 33%
Caramalz (40-80 EBC): 20%
Caramalz (120 EBC): 10%
Caramalz (> 200 EBC): 5%
(zum Vgl.) Sauermalz: 1%
Wollen wir nun in einem ersten Schritt wieder auf pH 5,8 zurück, müssen wir 0,2 pH Einheiten kompensieren. Wir schaffen das mit 2 * 33% = 66% Münchner Malzoder z.B. mit 33% Münchner Malz + 10% Cara dunkel ; ein nettes Altbier!
Wer mit diesen Kombinationen bereits auf einen akzeptablen pH kommt hat Glück gehabt und kann bei Punkt 3 weiterlesen. Alle anderen sind mit den hohen erforderlichen Anteilen von Caramalzen oder Münchner Malz wohl schnell an ihre Grenzen gestoßen, da auf diesem Weg kaum mehr als 10 °dH Restalkalität kompensierbar sind. Röstmalze bringen auch nicht allzu viel. An dieser Stelle teilt sich daher das Vorgehen einerseits für die Hardcore-Puristen, die ganz ohne Tricks wie Sauermalz auskommen wollen. Anderserseits für die Pragmatikern, denen es eher drauf ankommt, am Brauwasser nicht so viel herumfummeln zu müssen, denen aber bisschen Säure nichts ausmacht.
1. Pragmatiker
Beste Waffe ist Sauermalz. Die maximal empfehlenswerte Menge schwankt. Meistens gelten bis 10% als unproblematisch, teilweise wird sie konservativer mit 5% angesetzt. Es spielt sicherlich auch eine Rolle, wie tief der pH im fertigen Bier liegt und wie die sensorisch wahrnehmbare Säure etwa aufgrund eines trockenen Körpers oder niedriger Stammwürze herausstechen kann. Daher vertragen wohl Brauwässer von hoher Restalkalität etwas mehr Sauermalz als sowieso schon karbonatarme Wässer.
Ich würde das Bier zum Wasser bezüglich Schüttung ganz einfach so aufbauen:
1. Restalkalität ausrechnen und die damit zu senkenden pH-Einheiten
2. Nun eine Wunschschüttung zurechtlegen und anhand obiger Tabelle schauen, wie stark diese den pH bereits von sich aus reduziert; den Rest (ggf.) mit Sauermalz justieren: -0,1 ph = 1% Sauermalz
Wer einen pH-Meter hat, kann es sich noch einfacher machen: Einfach einmaischen wie es beliebt, den pH messen und ebenfalls pro fehlenden 0,1 pH jeweils 1% Sauermalz (auf die Malzschüttung berechnet) geben. Noch uriger geht das ganze mit Sauergut / biologischer Säuerung, also der Herstellung einer eigenen milchsauer vergorenen Würze, die statt Sauermalz der Maische zudosiert wird. Dann kann man sich im Gegensatz zu modernem Sauermalz, wo die Milchsäure in der Regel nur noch aufgesprüht wird, sicher sein dass alles biologisch und (wer will) streng nach RHG zuging.
2. Puristen
Mit > 10 °dH Restalkalität wird es vielleicht nichts mit dem knackigen Pils, aber man bekommt auch einen ungünstigen Maische- und in der Folge Würze-pH in den Griff, wenn man einige Dinge beachtet. Ich denke sogar, dass grundsätzliche helle Lagerbiere möglich sind. Die nachfolgenden Tipps lassen sich natürlich auch auf Biere mit weniger Restalkalität anwenden.
Zur Kompensation der gehemmten Enzymtätigkeit würde ich zunächst die Maltoserast ausdehnen bzw. eine Kombirast etwas tiefer ansetzen. Unbedingt auf Jodnormalität kontrollieren. Auf Rohfrucht würde ich verzichten.
Geschmacklich wirkt sich der hohe pH vor allem durch eine stärkere Auslaugung unerwünschter Polyphenole aus den Spelzen und der stärkeren Auslaugung von Hopfenbitterstoffen aus.
Gegenmaßnahmen:
- Spelzen: Nur ein kleiner Nachguss oder am besten sogar nur Vorderwürzebiere, da der (sowieso schon ungünstige!) pH mit jedem Nachguss steigt. Auf das letzte Prozent Ausbeute sollte es einem hier nicht ankommen. Spelzen kann man natürlich auch ganz trivial dadurch reduzieren, indem man etwas spelzenloses Getreide wie Weizen in die Schüttung nimmt. Etwas weniger trivial durch Spelzentrennung.
- Hopfen: Kann im Grunde nur auf Erfahrungswerten basieren, da sich die verschiedenen Hopfenfraktionen je nach Sorte in ihren Anteilen und damit dem Verhalten bzgl. pH in weiten Teilen unterscheiden. Für den braurelevanten Bereich würde ich auch in Übereinstimmung mit Praxistipps aus [Nar] die Hopfengaben pro 10 °dH Restalkalität um 10-15% reduzieren. Da jedoch auch die Bitterqualität leidet, könnte ich mir vorstellen, dass man durchaus noch etwas weiter herunter gehen kann.
- Eine weitere Abscheidung von Hopfenbitterstoffen geschieht bei der Gärung durch den pH-Sturz. Dieser muss besonders bei hohem Würze-pH daher umso kräftiger ausfallen. Für einen hohen pH-Sturz ist eine vitale und vollständige (hoher VG) Gärung entscheidend. Wer also vor dem "Bier zum Brauwasser" noch nicht angefangen hat sich mit dem Wohlergehen der Hefe zu beschäftigen, sollte das spätestens jetzt nachholen.
3. Passender Gesamtsalzgehalt
Gar nicht so wahnsinnig wichtig. Pils funktioniert schließlich böhmisch mit nahezu salzfreiem Wasser und dortmunderisch mit reichtlich Härte. Es schadet aber sicher nicht einen Blick in die üblichen Stil-Tabellen zu werfen: http://braumagazin.de/article/von-der-w ... h_Bierstil
Die kann man schließlich auch anders herum lesen: Welche Biere kann ich mit meinem Wasser alle brauen? Die Restalkalität kann man hierbei ignorieren, da wir uns um diese bereits gekümmert haben. Die restlichen Wertebereiche sind meistens ziemlich breit, in der Regel kommen daher sehr viele Bierstile für "das Bier zum Brauwasser" infrage.
Zusammenfassung
Wasseraufbereitung bietet die maximale Flexibilität, presst Biere aber auch in ein Schema und ist nicht immer notwendig, wenn man einiges beachtet:
- Wenn Nitrat < 20 mg/l bei weichem Wasser liegt oder < 50mg/l bei sehr hartem Wasser, sind Bedenken verfrüht. Treten Gärschwierigkeiten auf, kann der Nitrateintrag immer noch durch geringe Hopfengaben reduziert werden.
- Bei 20-50 mg/l Magnesium sollte unbedingt auf Braugips verzichtet werden und im Hinterkopf behalten werden, dass die Stammwürze mit rund 10 mg/l den größten Beitrag liefert. Ein Hausbier mit 11 °P statt 13 °P kann hier womöglich schon viel ausmachen.
- Bis zu 10 °dH Restalkalität können durch Malze noch gut kompensiert werden. Sauermalz ist sehr effektiv und kann bis 5% in karbonatarmen Wässern, bis 10% in karbonatreichen Wässern bedenkenlos eingesetzt werden.
- Auch technologisch ungünstige pH-Werte kann man entschärfen, z.B. durch Vorderwürzebiere, reduzierte Hopfengaben und eine vitale Gärung.
- Wassertabellen für Braustile auch mal andersherum lesen: Was kann ich mit meinem Wasser machen?
Gruß
Andy (Jederzeit offen für Ergänzungen und Korrekturhinweise)
Quellen:
[Bam] Bamforth, pH in Brewing: An Overview, http://www.mbaa.com/districts/Northwest ... rewing.pdf
[Tro] Troester, How pH affects brewing, http://braukaiser.com/wiki/index.php?ti ... ts_brewing
[Bri] Briggs, Brewing Science and practice, Woodhead Publishing Limited and CRC Press, 2004
[Nar] Narziß, Die Bierbrauerei Band 2, Wiley-VCH, 2010
[EWT] http://www.ewt-wasser.de/de/wissen/konz ... .html#Leit
[Hop] Hopsteiner, Hopsteiner Newsletter 01/2014, http://www.hopsteiner.com/wp-content/up ... Levels.pdf
Nun beugen sich gerade Hobbybrauer als Keimzelle kreativster Bierideen zunehmend der Lehre von gutem und schlechten Brauwasser. Sonst voller Stolz auf ihre Individualität, wird vor lauter Angst mit dem eigenen Wasser könnte irgendwas verkehrt sein, lieber auf Basis von Osmosewasser und Brausalzen ein Brauwasser von Null an aufgebaut, das so jeder x-beliebige Brauerkollege auf der ganzen Welt auch hätte stricken können. Schade eigentlich, denn ich glaube man kann sich das eigene Leitungswasser zum Alleinstellungsmerkmal machen und den Umgang damit perfektionieren, statt für jeden Sud von vorne anzufangen. Ein echtes Hausbier sozusagen. Zeit für ein Bier ohne Wasseraufbereitung oder eben "das Bier zum Wasser"!
Will man zunächst mal etwas abstrahieren, was ein Brauwasser geeignet macht für ein konkretes Bier, würde ich drei Faktoren vorschlagen:
1. No-Go-Kriterien, die stilunabhängig betrachtet werden müssen
2. Günstiger Maische- und Würze-pH, v.a. von der Schüttung abhängig
3. Passender Gesamtsalzgehalt
Und los geht's:
1. No-Go-Kriterien
Trinkwasser und einwandfreies Hausnetz vorausgesetzt, ist das Leitungswasser in gesundheitlicher Hinsicht unbedenklich. Über Quell- und Brunnenwässer müssen entsprechende Infos notfalls seperat eingeholt werden. Für Brauzwecke muss man sich jedoch einige Parameter genauer anschauen.
Nitrat / Nitrit
Nitrat ist in DE zulässig bis 50 mg/l, für Brauwasser wird empfohlen unter 20 mg/l zu bleiben, da Nitrat die Gärung behindern und einen unangenehmen Geschmack erzeugen kann. Ich bin mir nicht sicher inwiefern geklärt ist, ob sich Nitrat direkt negativ auf die Gärung auswirkt oder das nur in Form von Nitrit tut, das durch Reduktion aus Nitrat durch thermophile Würzebakterien entsteht. Das hier soll aber keine Doktorarbeit werden, daher nehmen wir einfach mal an Nitrat = böse. Schauen wir uns auch hier an, woher Nitrat kommt: Neben dem Brauwasser wird es primär durch Hopfen eingetragen. Hopfen enthält mit ca. 1 - 1,2% Nitrat bezogen auf die Hopfenmasse [Briggs]. Ein Übergang erfolgt von ca. 60 % des Hopfens [Hop]. Beispielsweise hat daher ein Pale Ale mit zwei Gaben von insgesamt 5 g/l bereits bis zu 5 g/l * 0,6 * 1,2% = 36 mg/l zusätzliches Nitrat.
Zur Frage wieviel Nitrat problematisch wird, weißt Narziß auf das relative Verhältnis zum Gesamtsalzgehalt hin. Ich zitiere wie folgt nach Narziß: "Es kann demnach ein Wasser von 100 mg/l Gesamtsalzgehalt schon bei 20 mg/l NO2 Schwierigkeiten verursachen, während eines von 1000 mg/l bei 50 mg/l NO2 noch normale Gärungserscheinungen liefert. Höhere Nitratgehalte (über 100 mg/l) können auch einen grabligen, unangenehmen Geschmack im Bier verursachen" [Nar].
Der Gesamtsalzgehalt wird meistens nicht direkt angegeben, aber die Leitfähigkeit bietet eine akzeptable Näherung für die gelösten Salze [EWT]: (microSiemens/cm) / 1,5 = mg/l Salzgehalt. Von hier aus kommt man mit ein paar unscharfen Annahmen zu folgender Schlussfolgerung:
< 20 mg/l Nitrat: Passt
20-50 mg/l Nitrat: Auf den Gesamtsalzgehalt schauen; pro 200 mg/l gehen 10 mg/l Nitrat im Leitungswasser noch in Ordnung. Ansonsten versuchen das zuviel an Nitrat > 50 mg/l durch geringere Hopfengaben einzusparen. Möglichkeiten sind hier z.B. Hopfen mit höherer Alphasäure oder ein anderes Timing der Gaben.
Magnesium
Wahnsinnig umstritten und (auch von mir) in der Vergangenheit hier im Forum vermutlich überbewertet, weil pro Prozent Stammwürze sowieso ca. 7-13 mg/l Magnesium in die Würze gelangen [3]. Bei einem 12 °P Vollbier also bereits ca. 80-160 mg/l. Hier im Forum wird Panik geschoben, wenn Magnesium über ca. 15-20 mg/l im Brauwasser vorliegt. Ohne mich inhaltlich damit beschäftigen zu wollen, möchte ich folgenden Gegenbeweis führen: Wenn z.B. Michas obergäriger Maibock mit 16,5% Stammwürze bei harmlosen 10 mg/l Magnesium im Brauwasser noch eine runde Bitterkeit hat, dann hat der fertige Maibock alleine schon 125-225 mg/l Magnesium. Dann müsste auch ein Vollbier mit 12 °P gelingen, das (125-84) bzw. (225-156) = 41 - 69 mg/l Magnesium bereits im Brauwasser hat. Ein Wertebereich, bei dem hier normalerweise schon zur Umkehrosmose oder einem Umzug nach Pilsen geraten wird.
Woher kommt also die Problematik? Schaut man etwa ins Standardwerk von Narziß, wird auf die Problematik von Magnesium fast ausschließlich im Zusammenhang mit Sulfat als Magnesiumsulfat (= Bittersalz!) eingegangen. Der knappe Hintergrund: Salze dissoziieren in Wasser, d.h. etwa bei Magnesiumsulfat "schwimmen" das Magnesium-Ion und Sulfat-Ion frei im Bier herum. Es ist also für die Betrachtung von Magnesiumsulfat zunächst egal, wie Magnesium und Sulfat in die Würze gelangt sind; sie können aus anderen Salzen stammen. Das bedeutet insbesondere, dass bei sowieso vorhandenem Magnesium aus dem Malz auch Calciumsulfat (=Braugips) eine Quelle für Magnesiumsulfat darstellt. Tatsächlich gibt es als Quelle für Sulfat sonst nur noch das Brauwasser selbst, denn durch Malz wird Sulfat mit 0,5 g/l pro Prozent Stammwürze nur in vernachlässigbarer Weise eingetragen. Hier besteht daher also ausgerechnet für Wasseraufbereiter eine Bittersalz-Stolperfalle!
Schlussfolgerung:
< 50 mg/l Magnesium: Passt.
Aber: Bei Magnesium > 20 mg/l Vorsicht mit Braugips, lieber Calciumchlorid oder Ansäuern.
2. Management des Maische-pH
Ich möchte hier nicht in die technologischen Hintergründe einsteigen, das wurde oft genug gemacht [Bam,Tro,Nar]. Es soll an dieser Stelle genügen, dass ein Maische-pH von 5,4-5,6 ideal ist und ein gewisser Spielraum nach unten und oben akzeptabel ist. Der pH wird determiniert vom Brauwasser und der Schüttung. Bei der Schüttung gilt grundsätzlich: je dunkler, desto niedriger der pH. Restalkalität 0 °dH ist ein Referenzwert, bei dem sich helles Malz im jeweiligen Brauwasser genau so verhält wie in destilliertem Wasser. Das führt bei hellem Malz meist einem Maische-pH von ca. 5,7-5,9. Oft ist dieser pH in destilliertem Wasser in der Malzanalyse aufgeführt und kann für den folgenden Abschnitt ohne weiteres verwendet werden.
Faustformel: (Restalkalität * 0,03) = durch RA erhöhter pH [Nar]
Gehen wir nun von 100% Pilsener Malz aus und ferner davon, dass dieses Pilsener Malz einen pH von 5,8 in destilliertem Wasser aufweist, haben wir einen "virtuellen Maische-pH" von 5,8 + (Restalkalität * 0,03). Nehmen wir ferner an, unser Wasser hat einen Restalkalität von 6 °dH, dann beträgt der virtuelle Maische-pH folglich ~6. Ein bisschen viel!
Nun kommen dunklere Malze ins Spiel. Aus der gängigen Literatur, schwerpunktmäßig [Tro] habe ich folgendes zusammengebastelt:
-0,1 pH mit % der Schüttung
Münchner Malz (15-20 EBC): 33%
Caramalz (20-30 EBC): 33%
Caramalz (40-80 EBC): 20%
Caramalz (120 EBC): 10%
Caramalz (> 200 EBC): 5%
(zum Vgl.) Sauermalz: 1%
Wollen wir nun in einem ersten Schritt wieder auf pH 5,8 zurück, müssen wir 0,2 pH Einheiten kompensieren. Wir schaffen das mit 2 * 33% = 66% Münchner Malzoder z.B. mit 33% Münchner Malz + 10% Cara dunkel ; ein nettes Altbier!
Wer mit diesen Kombinationen bereits auf einen akzeptablen pH kommt hat Glück gehabt und kann bei Punkt 3 weiterlesen. Alle anderen sind mit den hohen erforderlichen Anteilen von Caramalzen oder Münchner Malz wohl schnell an ihre Grenzen gestoßen, da auf diesem Weg kaum mehr als 10 °dH Restalkalität kompensierbar sind. Röstmalze bringen auch nicht allzu viel. An dieser Stelle teilt sich daher das Vorgehen einerseits für die Hardcore-Puristen, die ganz ohne Tricks wie Sauermalz auskommen wollen. Anderserseits für die Pragmatikern, denen es eher drauf ankommt, am Brauwasser nicht so viel herumfummeln zu müssen, denen aber bisschen Säure nichts ausmacht.
1. Pragmatiker
Beste Waffe ist Sauermalz. Die maximal empfehlenswerte Menge schwankt. Meistens gelten bis 10% als unproblematisch, teilweise wird sie konservativer mit 5% angesetzt. Es spielt sicherlich auch eine Rolle, wie tief der pH im fertigen Bier liegt und wie die sensorisch wahrnehmbare Säure etwa aufgrund eines trockenen Körpers oder niedriger Stammwürze herausstechen kann. Daher vertragen wohl Brauwässer von hoher Restalkalität etwas mehr Sauermalz als sowieso schon karbonatarme Wässer.
Ich würde das Bier zum Wasser bezüglich Schüttung ganz einfach so aufbauen:
1. Restalkalität ausrechnen und die damit zu senkenden pH-Einheiten
2. Nun eine Wunschschüttung zurechtlegen und anhand obiger Tabelle schauen, wie stark diese den pH bereits von sich aus reduziert; den Rest (ggf.) mit Sauermalz justieren: -0,1 ph = 1% Sauermalz
Wer einen pH-Meter hat, kann es sich noch einfacher machen: Einfach einmaischen wie es beliebt, den pH messen und ebenfalls pro fehlenden 0,1 pH jeweils 1% Sauermalz (auf die Malzschüttung berechnet) geben. Noch uriger geht das ganze mit Sauergut / biologischer Säuerung, also der Herstellung einer eigenen milchsauer vergorenen Würze, die statt Sauermalz der Maische zudosiert wird. Dann kann man sich im Gegensatz zu modernem Sauermalz, wo die Milchsäure in der Regel nur noch aufgesprüht wird, sicher sein dass alles biologisch und (wer will) streng nach RHG zuging.
2. Puristen
Mit > 10 °dH Restalkalität wird es vielleicht nichts mit dem knackigen Pils, aber man bekommt auch einen ungünstigen Maische- und in der Folge Würze-pH in den Griff, wenn man einige Dinge beachtet. Ich denke sogar, dass grundsätzliche helle Lagerbiere möglich sind. Die nachfolgenden Tipps lassen sich natürlich auch auf Biere mit weniger Restalkalität anwenden.
Zur Kompensation der gehemmten Enzymtätigkeit würde ich zunächst die Maltoserast ausdehnen bzw. eine Kombirast etwas tiefer ansetzen. Unbedingt auf Jodnormalität kontrollieren. Auf Rohfrucht würde ich verzichten.
Geschmacklich wirkt sich der hohe pH vor allem durch eine stärkere Auslaugung unerwünschter Polyphenole aus den Spelzen und der stärkeren Auslaugung von Hopfenbitterstoffen aus.
Gegenmaßnahmen:
- Spelzen: Nur ein kleiner Nachguss oder am besten sogar nur Vorderwürzebiere, da der (sowieso schon ungünstige!) pH mit jedem Nachguss steigt. Auf das letzte Prozent Ausbeute sollte es einem hier nicht ankommen. Spelzen kann man natürlich auch ganz trivial dadurch reduzieren, indem man etwas spelzenloses Getreide wie Weizen in die Schüttung nimmt. Etwas weniger trivial durch Spelzentrennung.
- Hopfen: Kann im Grunde nur auf Erfahrungswerten basieren, da sich die verschiedenen Hopfenfraktionen je nach Sorte in ihren Anteilen und damit dem Verhalten bzgl. pH in weiten Teilen unterscheiden. Für den braurelevanten Bereich würde ich auch in Übereinstimmung mit Praxistipps aus [Nar] die Hopfengaben pro 10 °dH Restalkalität um 10-15% reduzieren. Da jedoch auch die Bitterqualität leidet, könnte ich mir vorstellen, dass man durchaus noch etwas weiter herunter gehen kann.
- Eine weitere Abscheidung von Hopfenbitterstoffen geschieht bei der Gärung durch den pH-Sturz. Dieser muss besonders bei hohem Würze-pH daher umso kräftiger ausfallen. Für einen hohen pH-Sturz ist eine vitale und vollständige (hoher VG) Gärung entscheidend. Wer also vor dem "Bier zum Brauwasser" noch nicht angefangen hat sich mit dem Wohlergehen der Hefe zu beschäftigen, sollte das spätestens jetzt nachholen.
3. Passender Gesamtsalzgehalt
Gar nicht so wahnsinnig wichtig. Pils funktioniert schließlich böhmisch mit nahezu salzfreiem Wasser und dortmunderisch mit reichtlich Härte. Es schadet aber sicher nicht einen Blick in die üblichen Stil-Tabellen zu werfen: http://braumagazin.de/article/von-der-w ... h_Bierstil
Die kann man schließlich auch anders herum lesen: Welche Biere kann ich mit meinem Wasser alle brauen? Die Restalkalität kann man hierbei ignorieren, da wir uns um diese bereits gekümmert haben. Die restlichen Wertebereiche sind meistens ziemlich breit, in der Regel kommen daher sehr viele Bierstile für "das Bier zum Brauwasser" infrage.
Zusammenfassung
Wasseraufbereitung bietet die maximale Flexibilität, presst Biere aber auch in ein Schema und ist nicht immer notwendig, wenn man einiges beachtet:
- Wenn Nitrat < 20 mg/l bei weichem Wasser liegt oder < 50mg/l bei sehr hartem Wasser, sind Bedenken verfrüht. Treten Gärschwierigkeiten auf, kann der Nitrateintrag immer noch durch geringe Hopfengaben reduziert werden.
- Bei 20-50 mg/l Magnesium sollte unbedingt auf Braugips verzichtet werden und im Hinterkopf behalten werden, dass die Stammwürze mit rund 10 mg/l den größten Beitrag liefert. Ein Hausbier mit 11 °P statt 13 °P kann hier womöglich schon viel ausmachen.
- Bis zu 10 °dH Restalkalität können durch Malze noch gut kompensiert werden. Sauermalz ist sehr effektiv und kann bis 5% in karbonatarmen Wässern, bis 10% in karbonatreichen Wässern bedenkenlos eingesetzt werden.
- Auch technologisch ungünstige pH-Werte kann man entschärfen, z.B. durch Vorderwürzebiere, reduzierte Hopfengaben und eine vitale Gärung.
- Wassertabellen für Braustile auch mal andersherum lesen: Was kann ich mit meinem Wasser machen?
Gruß
Andy (Jederzeit offen für Ergänzungen und Korrekturhinweise)
Quellen:
[Bam] Bamforth, pH in Brewing: An Overview, http://www.mbaa.com/districts/Northwest ... rewing.pdf
[Tro] Troester, How pH affects brewing, http://braukaiser.com/wiki/index.php?ti ... ts_brewing
[Bri] Briggs, Brewing Science and practice, Woodhead Publishing Limited and CRC Press, 2004
[Nar] Narziß, Die Bierbrauerei Band 2, Wiley-VCH, 2010
[EWT] http://www.ewt-wasser.de/de/wissen/konz ... .html#Leit
[Hop] Hopsteiner, Hopsteiner Newsletter 01/2014, http://www.hopsteiner.com/wp-content/up ... Levels.pdf