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Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Sonntag 4. September 2016, 17:41
von Ladeberger
Man kann sich das Brauwasser mit mehr oder weniger Aufwand immer so zurecht biegen, dass es zu einem beliebigen Bierstil passt. Wir holen uns damit quasi die ganze Brauwelt nach Hause und das ist auch gut so. Historisch betrachtet war es aber eher umgekehrt: Das Wasser war in engen Grenzen als gegeben hinzunehmen und man musste andere Parameter variieren, um zu einem schmackhaften Bier zu kommen. Man darf wohl davon ausgehen, dass so einige der ikonischsten Bierstile wie Münchner Dunkel oder Pilsener entstanden sind.

Nun beugen sich gerade Hobbybrauer als Keimzelle kreativster Bierideen zunehmend der Lehre von gutem und schlechten Brauwasser. Sonst voller Stolz auf ihre Individualität, wird vor lauter Angst mit dem eigenen Wasser könnte irgendwas verkehrt sein, lieber auf Basis von Osmosewasser und Brausalzen ein Brauwasser von Null an aufgebaut, das so jeder x-beliebige Brauerkollege auf der ganzen Welt auch hätte stricken können. Schade eigentlich, denn ich glaube man kann sich das eigene Leitungswasser zum Alleinstellungsmerkmal machen und den Umgang damit perfektionieren, statt für jeden Sud von vorne anzufangen. Ein echtes Hausbier sozusagen. Zeit für ein Bier ohne Wasseraufbereitung oder eben "das Bier zum Wasser"!

Will man zunächst mal etwas abstrahieren, was ein Brauwasser geeignet macht für ein konkretes Bier, würde ich drei Faktoren vorschlagen:

1. No-Go-Kriterien, die stilunabhängig betrachtet werden müssen
2. Günstiger Maische- und Würze-pH, v.a. von der Schüttung abhängig
3. Passender Gesamtsalzgehalt

Und los geht's:

1. No-Go-Kriterien

Trinkwasser und einwandfreies Hausnetz vorausgesetzt, ist das Leitungswasser in gesundheitlicher Hinsicht unbedenklich. Über Quell- und Brunnenwässer müssen entsprechende Infos notfalls seperat eingeholt werden. Für Brauzwecke muss man sich jedoch einige Parameter genauer anschauen.

Nitrat / Nitrit
Nitrat ist in DE zulässig bis 50 mg/l, für Brauwasser wird empfohlen unter 20 mg/l zu bleiben, da Nitrat die Gärung behindern und einen unangenehmen Geschmack erzeugen kann. Ich bin mir nicht sicher inwiefern geklärt ist, ob sich Nitrat direkt negativ auf die Gärung auswirkt oder das nur in Form von Nitrit tut, das durch Reduktion aus Nitrat durch thermophile Würzebakterien entsteht. Das hier soll aber keine Doktorarbeit werden, daher nehmen wir einfach mal an Nitrat = böse. Schauen wir uns auch hier an, woher Nitrat kommt: Neben dem Brauwasser wird es primär durch Hopfen eingetragen. Hopfen enthält mit ca. 1 - 1,2% Nitrat bezogen auf die Hopfenmasse [Briggs]. Ein Übergang erfolgt von ca. 60 % des Hopfens [Hop]. Beispielsweise hat daher ein Pale Ale mit zwei Gaben von insgesamt 5 g/l bereits bis zu 5 g/l * 0,6 * 1,2% = 36 mg/l zusätzliches Nitrat.

Zur Frage wieviel Nitrat problematisch wird, weißt Narziß auf das relative Verhältnis zum Gesamtsalzgehalt hin. Ich zitiere wie folgt nach Narziß: "Es kann demnach ein Wasser von 100 mg/l Gesamtsalzgehalt schon bei 20 mg/l NO2 Schwierigkeiten verursachen, während eines von 1000 mg/l bei 50 mg/l NO2 noch normale Gärungserscheinungen liefert. Höhere Nitratgehalte (über 100 mg/l) können auch einen grabligen, unangenehmen Geschmack im Bier verursachen" [Nar].

Der Gesamtsalzgehalt wird meistens nicht direkt angegeben, aber die Leitfähigkeit bietet eine akzeptable Näherung für die gelösten Salze [EWT]: (microSiemens/cm) / 1,5 = mg/l Salzgehalt. Von hier aus kommt man mit ein paar unscharfen Annahmen zu folgender Schlussfolgerung:
< 20 mg/l Nitrat: Passt
20-50 mg/l Nitrat: Auf den Gesamtsalzgehalt schauen; pro 200 mg/l gehen 10 mg/l Nitrat im Leitungswasser noch in Ordnung. Ansonsten versuchen das zuviel an Nitrat > 50 mg/l durch geringere Hopfengaben einzusparen. Möglichkeiten sind hier z.B. Hopfen mit höherer Alphasäure oder ein anderes Timing der Gaben.

Magnesium
Wahnsinnig umstritten und (auch von mir) in der Vergangenheit hier im Forum vermutlich überbewertet, weil pro Prozent Stammwürze sowieso ca. 7-13 mg/l Magnesium in die Würze gelangen [3]. Bei einem 12 °P Vollbier also bereits ca. 80-160 mg/l. Hier im Forum wird Panik geschoben, wenn Magnesium über ca. 15-20 mg/l im Brauwasser vorliegt. Ohne mich inhaltlich damit beschäftigen zu wollen, möchte ich folgenden Gegenbeweis führen: Wenn z.B. Michas obergäriger Maibock mit 16,5% Stammwürze bei harmlosen 10 mg/l Magnesium im Brauwasser noch eine runde Bitterkeit hat, dann hat der fertige Maibock alleine schon 125-225 mg/l Magnesium. Dann müsste auch ein Vollbier mit 12 °P gelingen, das (125-84) bzw. (225-156) = 41 - 69 mg/l Magnesium bereits im Brauwasser hat. Ein Wertebereich, bei dem hier normalerweise schon zur Umkehrosmose oder einem Umzug nach Pilsen geraten wird.

Woher kommt also die Problematik? Schaut man etwa ins Standardwerk von Narziß, wird auf die Problematik von Magnesium fast ausschließlich im Zusammenhang mit Sulfat als Magnesiumsulfat (= Bittersalz!) eingegangen. Der knappe Hintergrund: Salze dissoziieren in Wasser, d.h. etwa bei Magnesiumsulfat "schwimmen" das Magnesium-Ion und Sulfat-Ion frei im Bier herum. Es ist also für die Betrachtung von Magnesiumsulfat zunächst egal, wie Magnesium und Sulfat in die Würze gelangt sind; sie können aus anderen Salzen stammen. Das bedeutet insbesondere, dass bei sowieso vorhandenem Magnesium aus dem Malz auch Calciumsulfat (=Braugips) eine Quelle für Magnesiumsulfat darstellt. Tatsächlich gibt es als Quelle für Sulfat sonst nur noch das Brauwasser selbst, denn durch Malz wird Sulfat mit 0,5 g/l pro Prozent Stammwürze nur in vernachlässigbarer Weise eingetragen. Hier besteht daher also ausgerechnet für Wasseraufbereiter eine Bittersalz-Stolperfalle!

Schlussfolgerung:
< 50 mg/l Magnesium: Passt.
Aber: Bei Magnesium > 20 mg/l Vorsicht mit Braugips, lieber Calciumchlorid oder Ansäuern.


2. Management des Maische-pH

Ich möchte hier nicht in die technologischen Hintergründe einsteigen, das wurde oft genug gemacht [Bam,Tro,Nar]. Es soll an dieser Stelle genügen, dass ein Maische-pH von 5,4-5,6 ideal ist und ein gewisser Spielraum nach unten und oben akzeptabel ist. Der pH wird determiniert vom Brauwasser und der Schüttung. Bei der Schüttung gilt grundsätzlich: je dunkler, desto niedriger der pH. Restalkalität 0 °dH ist ein Referenzwert, bei dem sich helles Malz im jeweiligen Brauwasser genau so verhält wie in destilliertem Wasser. Das führt bei hellem Malz meist einem Maische-pH von ca. 5,7-5,9. Oft ist dieser pH in destilliertem Wasser in der Malzanalyse aufgeführt und kann für den folgenden Abschnitt ohne weiteres verwendet werden.

Faustformel: (Restalkalität * 0,03) = durch RA erhöhter pH [Nar]

Gehen wir nun von 100% Pilsener Malz aus und ferner davon, dass dieses Pilsener Malz einen pH von 5,8 in destilliertem Wasser aufweist, haben wir einen "virtuellen Maische-pH" von 5,8 + (Restalkalität * 0,03). Nehmen wir ferner an, unser Wasser hat einen Restalkalität von 6 °dH, dann beträgt der virtuelle Maische-pH folglich ~6. Ein bisschen viel!

Nun kommen dunklere Malze ins Spiel. Aus der gängigen Literatur, schwerpunktmäßig [Tro] habe ich folgendes zusammengebastelt:

-0,1 pH mit % der Schüttung
Münchner Malz (15-20 EBC): 33%
Caramalz (20-30 EBC): 33%
Caramalz (40-80 EBC): 20%
Caramalz (120 EBC): 10%
Caramalz (> 200 EBC): 5%
(zum Vgl.) Sauermalz: 1%

Wollen wir nun in einem ersten Schritt wieder auf pH 5,8 zurück, müssen wir 0,2 pH Einheiten kompensieren. Wir schaffen das mit 2 * 33% = 66% Münchner Malzoder z.B. mit 33% Münchner Malz + 10% Cara dunkel ; ein nettes Altbier!

Wer mit diesen Kombinationen bereits auf einen akzeptablen pH kommt hat Glück gehabt und kann bei Punkt 3 weiterlesen. Alle anderen sind mit den hohen erforderlichen Anteilen von Caramalzen oder Münchner Malz wohl schnell an ihre Grenzen gestoßen, da auf diesem Weg kaum mehr als 10 °dH Restalkalität kompensierbar sind. Röstmalze bringen auch nicht allzu viel. An dieser Stelle teilt sich daher das Vorgehen einerseits für die Hardcore-Puristen, die ganz ohne Tricks wie Sauermalz auskommen wollen. Anderserseits für die Pragmatikern, denen es eher drauf ankommt, am Brauwasser nicht so viel herumfummeln zu müssen, denen aber bisschen Säure nichts ausmacht.

1. Pragmatiker
Beste Waffe ist Sauermalz. Die maximal empfehlenswerte Menge schwankt. Meistens gelten bis 10% als unproblematisch, teilweise wird sie konservativer mit 5% angesetzt. Es spielt sicherlich auch eine Rolle, wie tief der pH im fertigen Bier liegt und wie die sensorisch wahrnehmbare Säure etwa aufgrund eines trockenen Körpers oder niedriger Stammwürze herausstechen kann. Daher vertragen wohl Brauwässer von hoher Restalkalität etwas mehr Sauermalz als sowieso schon karbonatarme Wässer.

Ich würde das Bier zum Wasser bezüglich Schüttung ganz einfach so aufbauen:
1. Restalkalität ausrechnen und die damit zu senkenden pH-Einheiten
2. Nun eine Wunschschüttung zurechtlegen und anhand obiger Tabelle schauen, wie stark diese den pH bereits von sich aus reduziert; den Rest (ggf.) mit Sauermalz justieren: -0,1 ph = 1% Sauermalz

Wer einen pH-Meter hat, kann es sich noch einfacher machen: Einfach einmaischen wie es beliebt, den pH messen und ebenfalls pro fehlenden 0,1 pH jeweils 1% Sauermalz (auf die Malzschüttung berechnet) geben. Noch uriger geht das ganze mit Sauergut / biologischer Säuerung, also der Herstellung einer eigenen milchsauer vergorenen Würze, die statt Sauermalz der Maische zudosiert wird. Dann kann man sich im Gegensatz zu modernem Sauermalz, wo die Milchsäure in der Regel nur noch aufgesprüht wird, sicher sein dass alles biologisch und (wer will) streng nach RHG zuging.

2. Puristen
Mit > 10 °dH Restalkalität wird es vielleicht nichts mit dem knackigen Pils, aber man bekommt auch einen ungünstigen Maische- und in der Folge Würze-pH in den Griff, wenn man einige Dinge beachtet. Ich denke sogar, dass grundsätzliche helle Lagerbiere möglich sind. Die nachfolgenden Tipps lassen sich natürlich auch auf Biere mit weniger Restalkalität anwenden.

Zur Kompensation der gehemmten Enzymtätigkeit würde ich zunächst die Maltoserast ausdehnen bzw. eine Kombirast etwas tiefer ansetzen. Unbedingt auf Jodnormalität kontrollieren. Auf Rohfrucht würde ich verzichten.

Geschmacklich wirkt sich der hohe pH vor allem durch eine stärkere Auslaugung unerwünschter Polyphenole aus den Spelzen und der stärkeren Auslaugung von Hopfenbitterstoffen aus.

Gegenmaßnahmen:
- Spelzen: Nur ein kleiner Nachguss oder am besten sogar nur Vorderwürzebiere, da der (sowieso schon ungünstige!) pH mit jedem Nachguss steigt. Auf das letzte Prozent Ausbeute sollte es einem hier nicht ankommen. Spelzen kann man natürlich auch ganz trivial dadurch reduzieren, indem man etwas spelzenloses Getreide wie Weizen in die Schüttung nimmt. Etwas weniger trivial durch Spelzentrennung.
- Hopfen: Kann im Grunde nur auf Erfahrungswerten basieren, da sich die verschiedenen Hopfenfraktionen je nach Sorte in ihren Anteilen und damit dem Verhalten bzgl. pH in weiten Teilen unterscheiden. Für den braurelevanten Bereich würde ich auch in Übereinstimmung mit Praxistipps aus [Nar] die Hopfengaben pro 10 °dH Restalkalität um 10-15% reduzieren. Da jedoch auch die Bitterqualität leidet, könnte ich mir vorstellen, dass man durchaus noch etwas weiter herunter gehen kann.
- Eine weitere Abscheidung von Hopfenbitterstoffen geschieht bei der Gärung durch den pH-Sturz. Dieser muss besonders bei hohem Würze-pH daher umso kräftiger ausfallen. Für einen hohen pH-Sturz ist eine vitale und vollständige (hoher VG) Gärung entscheidend. Wer also vor dem "Bier zum Brauwasser" noch nicht angefangen hat sich mit dem Wohlergehen der Hefe zu beschäftigen, sollte das spätestens jetzt nachholen.


3. Passender Gesamtsalzgehalt

Gar nicht so wahnsinnig wichtig. Pils funktioniert schließlich böhmisch mit nahezu salzfreiem Wasser und dortmunderisch mit reichtlich Härte. Es schadet aber sicher nicht einen Blick in die üblichen Stil-Tabellen zu werfen: http://braumagazin.de/article/von-der-w ... h_Bierstil

Die kann man schließlich auch anders herum lesen: Welche Biere kann ich mit meinem Wasser alle brauen? Die Restalkalität kann man hierbei ignorieren, da wir uns um diese bereits gekümmert haben. Die restlichen Wertebereiche sind meistens ziemlich breit, in der Regel kommen daher sehr viele Bierstile für "das Bier zum Brauwasser" infrage.


Zusammenfassung

Wasseraufbereitung bietet die maximale Flexibilität, presst Biere aber auch in ein Schema und ist nicht immer notwendig, wenn man einiges beachtet:
- Wenn Nitrat < 20 mg/l bei weichem Wasser liegt oder < 50mg/l bei sehr hartem Wasser, sind Bedenken verfrüht. Treten Gärschwierigkeiten auf, kann der Nitrateintrag immer noch durch geringe Hopfengaben reduziert werden.
- Bei 20-50 mg/l Magnesium sollte unbedingt auf Braugips verzichtet werden und im Hinterkopf behalten werden, dass die Stammwürze mit rund 10 mg/l den größten Beitrag liefert. Ein Hausbier mit 11 °P statt 13 °P kann hier womöglich schon viel ausmachen.
- Bis zu 10 °dH Restalkalität können durch Malze noch gut kompensiert werden. Sauermalz ist sehr effektiv und kann bis 5% in karbonatarmen Wässern, bis 10% in karbonatreichen Wässern bedenkenlos eingesetzt werden.
- Auch technologisch ungünstige pH-Werte kann man entschärfen, z.B. durch Vorderwürzebiere, reduzierte Hopfengaben und eine vitale Gärung.
- Wassertabellen für Braustile auch mal andersherum lesen: Was kann ich mit meinem Wasser machen?

Gruß
Andy (Jederzeit offen für Ergänzungen und Korrekturhinweise)

Quellen:
[Bam] Bamforth, pH in Brewing: An Overview, http://www.mbaa.com/districts/Northwest ... rewing.pdf
[Tro] Troester, How pH affects brewing, http://braukaiser.com/wiki/index.php?ti ... ts_brewing
[Bri] Briggs, Brewing Science and practice, Woodhead Publishing Limited and CRC Press, 2004
[Nar] Narziß, Die Bierbrauerei Band 2, Wiley-​VCH, 2010
[EWT] http://www.ewt-wasser.de/de/wissen/konz ... .html#Leit
[Hop] Hopsteiner, Hopsteiner Newsletter 01/2014, http://www.hopsteiner.com/wp-content/up ... Levels.pdf

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Sonntag 4. September 2016, 18:17
von Boludo
Sehr schöner Beitrag, Respekt!
Das mit dem Magnesium sehe ich übrigens mittlerweile auch nur in Verbindung mit Sulfat als Problem.
Mann kann da mit Calciumchlorid gut gegensteuern.

Dass im Hopfen viel Nitrat enthalten ist stimmt natürlich. Heisst das dann aber automatisch, dass davon auch alles in der Würze landet? :Grübel

Stefan

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Sonntag 4. September 2016, 18:25
von Ladeberger
Args, hatte ich mich auch gefragt und das passende PDF schon offen, aber dann vergessen einzubauen: http://www.hopsteiner.com/wp-content/up ... Levels.pdf

Der Übergang liegt demnach wohl nur 60-75%, ich editiere das noch rein und rechne auch mal noch verschiedene Szenarien durch.

Gruß
Andy

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Sonntag 4. September 2016, 21:17
von Enfield
Vielen herzlichen Dank für diesen Beitrag! :thumbup

Ein Hausbier abgestimmt auf sein "eigenes" Wasser, also mal den umgekehrten Weg zu gehen, ist eine großartige Idee.

Ich habe mir aufgrund meines relativ ungeeigneten Wassers relativ schnell eine Osmoses-Anlage gekauft.

Hier mal meine Wasserwerte:
wasser.JPG
wasser.JPG (30.76 KiB) 13674 mal betrachtet
Die Restalkalität liegt irgendwo zwischen 13 und 14° dH.
Wenn ich das alles richtig verstanden habe und ein wenig mit dem ph-Wert rumrechne, wäre dieses Wasser wohl am besten noch für ein Stout geeignet.
Nitratgehalt: ist sehr unterschiedlich, wäre aber im Rahmen. Also wenig Hopfen, am besten nur zum Bittern. --> Stout
Magnesium: ist war sehr hoch bei mir, aber da kaum Sulfat drin ist, auch nicht das Problem
ph-Wert: würde wohl neben Röstmalz/Gerste auch noch ca. 5 % Sauermalz in der Schüttung brauchen, um hier auf einen brauchbaren PH-Wert zu kommen.

Hab ich das alles richtig verstanden?

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Sonntag 4. September 2016, 21:21
von MachdenDeckelRund
Hallo Andy,

vielen Dank für den tollen Beitrag. Grosse Klasse, weiter so.
Ich beschäftige mich zwar erst seit 2 Monaten mit dem Thema, bin aber auch zu der Erkenntniss gelangt, dass Magnesium und pH-Werte die größten Beitragsleister für den Erfolg und Geschmack des Bieres sind. Und entweder passt man sein Bier darauf an oder regelt wie Du beschreibt massvoll dagegen. Warum hast Du die Michsäure nicht als probates Mittel erwähnt? Ich finde die Milchsäure leichter in der Handhabe als die Abschätzung des Sauermalzanteils.

VG
Ralf.

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Sonntag 4. September 2016, 21:40
von Ladeberger
@Enfield
Die Restalkalität muss man bei diesen breiten Angaben natürlich wirklich etwas erraten, aber ansonsten wirkt das auf mich stimmig! Röstmalz hatte ich in der Tabelle nicht drin, weil es nicht so wahnsinnig viel Alkalität kompensieren kann. Bei 10% dürften es jedoch auch 0,1 pH sein. Es sollten dich daher auch 4% Sauermalz bei diesem Wasser zum Ziel bringen.

@ MachdenDeckelRund
Idee von dem Beitrag war generell, wie man nach alter Väter Sitte mit Wasser, Malz und Hopfen auskommen kann, ohne technologisch qualitativ unzumutbare Kompromisse einzugehen. Gegen Milchsäure spricht technologisch betrachtet natürlich nichts. Genauso wenig wie gegen Salzsäure, Brausalze oder Umkehrosmose. Da bin ich undogmatisch. Zu den notwendigen Einsatzmengen steht im verlinkten Artikel vom brau!magazin mehr.

Gruß
Andy

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Sonntag 4. September 2016, 22:12
von Tozzi
Hallo Andy,

vielen Dank für Deine Mühe, das ist jede Menge Info die ich erst mal "verdauen" muss.
Dass mein Magnesium mit ca. 25 ppm nicht sooooo schlimm ist weiß ich ja aus Erfahrung.
Aber mit dem Gips werde ich mich dann definitiv künftig noch mehr zurückhalten.

Oder halt sehr viel davon nehmen, so wie bei meinem ersten Sud (ein IPA), wo ich so halb ans Burton Profil gegangen bin.
Dann ist auch das Calcium sehr präsent, das dürfte ja auch so manches wieder ausgleichen.
Würde ich aber nur bei IPAs so machen. Sehr jung hat das damals ein gewisses Kreidegefühl auf den Zähnen verursacht, was sich aber nach 2-3 Wochen komplett gelegt hatte.

Mit dem "Bier zum Brauwasser" hast Du mir jetzt einen Floh ins Ohr gesetzt. Da hab ich wieder was zu tun... :Grübel

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Sonntag 4. September 2016, 22:19
von §11
Tozzi hat geschrieben:Hallo Andy,

vielen Dank für Deine Mühe, das ist jede Menge Info die ich erst mal "verdauen" muss.
Dass mein Magnesium mit ca. 25 ppm nicht sooooo schlimm ist weiß ich ja aus Erfahrung.
Aber mit dem Gips werde ich mich dann definitiv künftig noch mehr zurückhalten.

Oder halt sehr viel davon nehmen, so wie bei meinem ersten Sud (ein IPA), wo ich so halb ans Burton Profil gegangen bin.
Dann ist auch das Calcium sehr präsent, das dürfte ja auch so manches wieder ausgleichen.
Würde ich aber nur bei IPAs so machen. Sehr jung hat das damals ein gewisses Kreidegefühl auf den Zähnen verursacht, was sich aber nach 2-3 Wochen komplett gelegt hatte.

Mit dem "Bier zum Brauwasser" hast Du mir jetzt einen Floh ins Ohr gesetzt. Da hab ich wieder was zu tun... :Grübel
Als Muenchner ein Dunkles :Wink

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Sonntag 4. September 2016, 22:21
von Ladeberger
Tozzi hat geschrieben: Oder halt sehr viel davon nehmen, so wie bei meinem ersten Sud (ein IPA), wo ich so halb ans Burton Profil gegangen bin.
Dann ist auch das Calcium sehr präsent, das dürfte ja auch so manches wieder ausgleichen.
Richtig! Es ist nicht ganz intuitiv, aber tatsächlich spielen nicht nur die absoluten Stoffmengenkonzentrationen der Salze/Ionen, sondern ihr Verhältnis zueinander eine große Rolle. Man kann daher durch sehr hohe Mengen an "unbedenklichen" Salzen die Bedeutung der "bedenklichen" Salze zurückdrängen. Ich vermute das liegt an der beschränkten Anzahl von Rezeptoren auf der Zunge.

Gruß
Andy

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Sonntag 4. September 2016, 22:35
von Tozzi
§11 hat geschrieben:Als Muenchner ein Dunkles
Auf jeden Fall! :thumbup
Was schön röstiges, UG eventuell... :Grübel
Ladeberger hat geschrieben:nicht nur die absoluten Stoffmengenkonzentrationen der Salze/Ionen, sondern ihr Verhältnis zueinander
Intuitiv habe ich das bereits bisher beherzigt, aus dem Bauch raus, aber da ist jetzt wirklich nochmal ein Groschen gefallen.
Empirisch habe ich das bei meinem TW Blonde Klon (nach dem Markus seinem Rezept) ebenfalls erlebt.
Da habe ich ja einmal aufgesalzenes Purania Wasser genommen, und für den zweiten Batch mein behandeltes Leitungswasser.
Letzteres hatte deutlich mehr Magnesium und Sulfat, aber halt auch doppelt so viel Calcium, und war am Ende runder.
Was mich sehr verwundert hatte. Aber jetzt wird's klar.
Gut, dass ich Pils nicht so sehr mag. Das krieg ich mit meinem Wasser halt wirklich nicht hin...

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 03:10
von Blancblue
Sehr guter Beitrag, Andy. Auch wenn´s logisch sein sollte, vielleicht noch mal stärker darauf hinweisen, dass die Anschaffung eines PH-Messgerätes notwendig für das Thema Wasser ist bzw. dass ein Online-Rechner dieses nicht ersetzen kann. Ich habe bei den ganzen Wasserthreads hier oft das Gefühl, dass viele denken, dass man den PH-Wert wie die Hopfen Isomerisierung ganz einfach vorher ausrechnen kann - Wasserwerte vom Versorger eingeben, 0° DH einstellen und fertig. In der Praxis führt das dann leider zu Problemen und zu den typischen Hilfethreads - > mein Bier ist sauer / zu bitter / SHA zu gering / kratzt usw.

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 07:24
von Enfield
Den ph-Wert irgendwie messen zu können, ist sicher keine Fehler.
Ich denke, dass gerade weil oft ein ph-Messgerät fehlt, zur Osmose gegriffen wird. Hier greifen die Berechnungen noch am ehesten und man weiß am Schluss so halbwegs, was man hat.

Wenn ich jetzt z.b. meine Wasserwerte hernehme, da ist die Spannbreite ja relativ hoch. Die Karbonathärte kann ich mit meinen Aquarium-Karbonathärte-Test auf 0,5° dH bestimmen, der Rest ist aber ein Blindflug. Calcium und Magnesium kann man mit diesen Aquarium-Testern leider nur im einstelligen Bereich messen, zumindest die, dich ich gefunden habe.

Und dann ändern sich die Wasserwerte auch oft relativ schnell. Als ich im Februar mit dem Brauen begann, waren die Werte noch anders, jetzt sind sie noch einen Zacken schlechter geworden. Vorher war Mg so im Bereich von 20 mg/l, jetzt liegen wir fast bei 30.

Ich habe mir ganz am Anfang mal die Mühe gemacht, mein Wasser einfach mit Gips aufzusalzen, um die Calcium-Konzentration zu erhöhen und dann habe ich abgekocht. Hat wunderbar funktioniert, das Bier (ein IPA) wurde sehr gut. Ein paar Flaschen stehen noch im Kühlschrank und sind noch sehr lecker.

Auf jeden Fall hat Andi mir einen Floh ins Ohr gesetzt mit dem Hausbier :Bigsmile , das möchte ich unbedingt versuchen. Wenn ich die Karbonathärte messe und bei den restlichen Werten die Mitte annehme, müsste ich doch ungefähr hinkommen, oder?

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 08:00
von Sura
Ich finde den Ansatz super. Aber was jeder zwingend machen sollte, ist sich von seinen Stadtwerken erklären lassen wo sein Wasser herkommt. Wir haben hier z.b. 4 Brunnen und eine externe Zuleitung. Alles an eine Ringleitung angeschlossen. Die höchste Wahrscheinlichkeit Wasser von Brunnen X zu bekommen, ist ganz schlicht die Entfernung. (Ich habe Pech, ich habe den Brunnen mit den höchsten Werten -> dH 19 kann passieren.) Das ist schonmal relativ sicher sein was für Werte oft auftreten. Kann aber auch sein, daß das Wasser woanders herkommt. Im Ergebnis heisst das: 30% Schwankung ist bei allen Werten der Normalzustand. Das führt dazu, daß im Stadtnorden teilweise ohne Wasseraufbereitung gebraut werden kann, wohingegen im Stadtsüden Salz und Milchsäure benutzt werden muß um das Wasser braufähig hinzubekommen. Die Seite der durchschnittlichen Wasserwerte der Stadtwerke hilft in diesem Fall garnicht, weil es immer falsch ist. (Die Werte "meines" Brunnens sind sogar über den angegebenen maximalen Werten .....)

Gruß,
Kai

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 08:55
von Horsti
Ladeberger hat geschrieben: Es ist nicht ganz intuitiv, aber tatsächlich spielen nicht nur die absoluten Stoffmengenkonzentrationen der Salze/Ionen, sondern ihr Verhältnis zueinander eine große Rolle.
Hallo Andy,

danke für den ausführlichen Beitrag!

Bei obigem Zitat möchte ich gerne etwas nachfragen: Oft wird gebetsmühlenartig vom Chlorid-Sulfat-Verhältnis als Indikator für eher malzige oder eher hopfen/bitter-betonte Biere gepredigt. Dies erwähnst du mit keinem Wort.
Ist diese Denkweise überholt? Oder gibt es andere Gründe dafür, dass du es nicht explizit erwähnst?

Gruß
Simon
(mit einem salzarmen, weichen, Allround-Wasser brauend :P )

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 09:09
von cyme
Danke für diesen Beitrag, Andy! Es hilft sicher vielen, die sich bisher von der Komplexität des Themas Wasserbehandlung haben abschrecken lassen. Man muss nicht alle Ionen einzeln durchrechnen, für den Anfang bringt meiner Erfahrung nach die einfache Verwendung von Milchsäure bzw Sauermalz schon eine deutliche Verbesserung.

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 10:36
von Ladeberger
Auch da spielt sicher beides eine Rolle. Dass Chlorid eher einen vollmundigen, abrundenden Charakter hat und Sulfat eher eine austrocknende, bittere Art[*] hat, ist glaube ich gut untersucht. Da sich diese Geschmacksbeiträge auf einem Diagramm gewissermaßen gegenüber stehen, halte ich es auch für möglich, dass in hohen Konzentrationen das Verhältnis zueinander eine Rolle spielt. Aber sicher nicht in einem starren Verhältnis wie gepredigt. Ein Verhältnis würde insbesondere implizieren, dass sich etwa 20 mg/ Chlorid <-> 20 mg/l Sulfat verhalten wie 200 mg/l Chlorid <-> 200 mg/Sulfat. Das ist so ulkig wie die Vorstellung, dass 20 g Salz + 20 g Pfeffer im Eintopf zu gleicher Ausgewogenheit zusammenfinden wie 200 g Salz + 200 g Pfeffer im selben Topf.

Selbst wenn man wohlwollende und praxisnahe Zahlenbeispiele wählt: Du holst schon aus dem Malz bei einer 12 °P Würze ein grobes "Missverhältnis" von ca. 150 mg/l Chlorid zu nur 8 mg/l Sulfat heraus. Damit lassen sich beliebig viele Szenarien konstruieren, die das Verhältnis auf den Kopf stellen:

Wasser "malzlastig" : 150 mg/l Chlorid, 100 mg/l Sulfat
Wasser "hopfenlastig": 20 mg/l Chlorid, 30 mg/l Sulfat
Wasser "ausgewogen": 50 mg/l Chlorid, 50 mg/l Sulfat

Nun schauen wir uns die fertigen Biere an:
1) 12 °P Würze + Wasser "malzlastig" = 300 mg/l Chlorid, 108 mg/l Sulfat
2) 12 °P Würze + Wasser "hopfenlastig" = 170 mg/l Chlorid, 38 mg/l Sulfat
3) 20 °P Würze + Wasser "ausgewogen" = 300 mg/l Chlorid, 65 mg/l Sulfat

Was uns das Chlorid-Sulfat-Verhältnis nun weismachen will, ist dass Bier 1) mit 108 mg/l Sulfat malzlastiger ist als Bier 2) mit 38 mg/l Sulfat und auch noch malzlastiger als Bier 3) mit gleichem Chlorid und weniger(!) Sulfat. Wie geht das? Ferner soll das Wasser für 3) ausgewogener sein als das "malzlastige" Wasser für 1), obwohl das Verhältnis der Ionen in Bier 3) nach eigener Definition als "malzlastiger" zu interpretieren wäre.

Das passt also für mich alles nicht zusammen. Um das zu verwenden muss man im Grunde so viele Einschränkungen treffen, dass man sich auch einfach auf die absoluten Werte stützen kann. Hinzu kommt in der Praxis, dass man ein "malzlastiges" Bier in der Regel dann auch in anderer Hinsicht "malzlastig" gestaltet: Stammwürze, Caramalze, Hefewahl, wenig Hopfen, etc. Für hopfenlastige Biere gilt dasselbe. Die meisten Erfahrungswerte zum Thema sind daher verzerrt.

Gruß
Andy

[*] Bei Sulfat könnte auch noch hinzukommen, dass es von der Hefe für Synthese des antioxidativen SO2 herangezogen wird.

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 11:26
von s3b0
Interessant! Danke für den Post!

Vor kurzem gab es dazu auch ein Thema:

viewtopic.php?f=4&t=9755#p148215

Darin hat der User "Ununnilium" eine Vorgehensweise erklärt, womit man die RA beliebig senken und gleichzeitig das Sulfat (angepeiltes Soll: 150 mg/L) und Chlorid (angepeiltes Soll: 50mg/) anpassen kann.

Darauf hin habe ich für mein Brauwasser die selbe Berechnung angestellt und wollte in Zukunft mit Braugips, Milchsäure und Kochsalz mein Wasser ins "Gleichgewicht" bringen. Das von Dir erwähnte stellt nun meine Wasser-Berechnung in Frage...
Wasserwerte.jpg

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 11:39
von dpjBrau
Hallo Andy,

danke für den recht ausführlichen Artikel. Aber ich verstehe es trotzdem nicht.
Mein Leitungswasser hat:
0,7 mg/l Chlorid und 7,9 mg/l Sulfat - von daher "paßt" es in keines der Schemata, weil Chlorid deutlich unter dem Sulfat liegt. Die restlichen Werte sind: Mg 26,9 , Ca 57,8 , Na 20,0 , Hydrogencarbonat 397,0 - alles in mg/l. Die hohe Alkalität ließe sich mit Milchsäuere bzw. Sauermalz schon in den Griff bekommen, aber in welche Kategorie würde es fallen? Was fängt man ohne es zu verschneiden mit so einem Wasser an? Hopfenlastig oder Malzlastig?
Ich würde mich freuen, wenn Du mir darauf eine Antwort geben könntest.

Viele Grüße
Dieter

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 11:47
von Boludo
So wenig Chlorid bzw Sulfat spielt im Prinzip keine Rolle. Da ist auch das Verhältnis egal.
Wenn Du da in die eine oder andere Richtung was machen willst, musst Du mit Calciumchlorid und/ oder Calciumsulfat aufsalzen. Das senkt dann auch die Restalkalität, den Rest kannst du dann mit Milchsäure machen. Oder einfach nur Milchsäure geht natürlich auch.
Bei Deinem Magnesiumgehalt würde ich allerdings mit dem Sulfat aufpassen.

Stefan

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 11:54
von dpjBrau
Danke Stefan! - Aber ich verstehe es immer noch nicht ganz - warum und in welche Richtung würdest Du mit dem Sulfat aufpassen? - Umso mehr ich zum Thema Wasser lese, um so verwirrender kommt es mir vor.
LG
Dieter

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 11:59
von Boludo
Wegen des Magnesiums. Dein Wert ist relativ hoch und dann gibt es Magnesiumsulfat, also Bittersalz.

Stefan

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 12:09
von Ladeberger
Jungs, ihr seid schon Helden. Ich schreibe als alternativen Ansatz, wie man ohne Wasseraufbereitung eine Rezeptur angehen kann und ihr fragt jetzt, wie ihr aufsalzen sollt. Ihr macht es euch selber kompliziert. Ich glaube ich muss den Punkt 3 wieder rausnehmen, der scheint zu verwirren.

Gruß
Andy

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 17:56
von flying
Gutes Thema!

weitere Punkte:

- biologische Säuerung
- Säurerast (saure Phosphatasen)
- Bei hohen Nitratgehalt Biohopfen (ca. 60% weniger Nitrat) und BIO-Malz.
- Brauwasser am Tag vorher abkochen und dekantieren (weiterer Vorteil- entgast)

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 18:27
von Ladeberger
Biologische Säuerung ist eine sehr spannende Sache, hatte ich nur in zwei Sätzen angeschnitten, verdient aber im Grunde einen eigenen Artikel.

Hast du zum Bio-Hopfen halbwegs aktuelle Quellen? Ich hatte einen konventionellen Hopfenbauer auf der Brau dazu befragt, der hat mir beinahe den Kopf abgerissen! Wäre Schmarrn und läge Jahrzente zurück, sie könnten es sich schon finanziell überhaupt nicht leisten zu Überdüngen und wäre auch nicht gut für die Qualität, außerdem sollten die Biobauern doch lieber mal auf ihre Kupferwerte achten, anstatt so ein Schmarrn zu verbreiten, usw. usf...

Gruß
Andy

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 18:51
von flying
Als Quelle hab ich jetzt auf die Schnelle nur das gefunden. Ist schon ziemlich alt..?

http://chemie-in-lebensmitteln.katalyse ... eideanbau/

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 19:34
von flying
Irgendwo habe ich auch noch gelesen, dass im BIO- Anbau von Wein und Hopfen der Eintrag von Stickstoff in den Boden am stärksten limitiert ist? Sonst gibt es halt kein BIO-Siegel. Wie da aber letztendlich getrickst wird, entzieht sich meiner Kenntnis..

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 19:44
von §11
Ich bin mir nicht sicher inwiefern geklärt ist, ob sich Nitrat direkt negativ auf die Gärung auswirkt oder das nur in Form von Nitrit tut, das durch Reduktion aus Nitrat durch thermophile Würzebakterien entsteht.
Da bin ich gerade zufaellig im Abriss druebergestolpert (6. Auflage 1994). Narziss schreibt:" Mengen ueber 30mg/l [Nitrat} sind unbedenklich, da die Hefe Nitrat zu dem Zellgift Nitrit reduziert." (S.92)

Nitrit selbst sollte kein Problem verursachen, so lange das Wasser der TrinkwV mit Stand 10.03.2016 entspricht. Die laesst lediglich 0,5 mg/l zu und der Grenzwert fuer Brauwasser sollte 2mg/l nicht ueberschreiten.

Jan

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 19:50
von Ladeberger
Uuh, also ich muss jetzt erstmal weg, aber die Aussage von Narziß ist schon ziemlich steil... Nitrit unbedenklich? Hefe reduziert Nitrat? Meines Wissens zeichnet sich S. cerevisiae eben gerade dadurch aus, dass sie es NICHT kann.

Gruß
Andy

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 20:05
von §11
Ladeberger hat geschrieben:Uuh, also ich muss jetzt erstmal weg, aber die Aussage von Narziß ist schon ziemlich steil... Nitrit unbedenklich? Hefe reduziert Nitrat? Meines Wissens zeichnet sich S. cerevisiae eben gerade dadurch aus, dass sie es NICHT kann.

Gruß
Andy
AARRGGH mein Fehler!! Es muss natuerlich heissen Mengen ueber 30mg/l [Nitrat} sind bedenklich!!!!!

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 5. September 2016, 20:12
von flying
Ja die Hefe muss ja die Denitrifikation beherrschen? Wie sollte denn sonst das giftige Nitrit als Zellgift erst entstehen? Viele Eukaryonten können dass. Das ist auch der Grund warum immer wieder nachgedüngt werden muss. Nitrate werden durch Bodenorganismen in NO², dann NO und schließlich zu N² reduziert. So lösen sich Nitrate buchstäblich in Luft auf.

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Dienstag 6. September 2016, 00:20
von Ladeberger
§11 hat geschrieben:
Ladeberger hat geschrieben:Uuh, also ich muss jetzt erstmal weg, aber die Aussage von Narziß ist schon ziemlich steil... Nitrit unbedenklich? Hefe reduziert Nitrat? Meines Wissens zeichnet sich S. cerevisiae eben gerade dadurch aus, dass sie es NICHT kann.

Gruß
Andy
AARRGGH mein Fehler!! Es muss natuerlich heissen Mengen ueber 30mg/l [Nitrat} sind bedenklich!!!!!
Dann ergibt das natürlich Sinn. Okay, hätte man semantisch auch fast drauf kommen können dass es "bedenklich" sein soll :redhead

@flying
Es könnte ja auch sein, dass Nitrit aktiv aufgenommen wird, das von anderen Mikroorganismen reduziert wurde. Ich weiß eigentlich auch nur, dass S. cerevisiae im Gegensatz zu den meisten Hefen Nitrat und Nitrit nicht als Stickstoffquelle verwerten kann. Das spricht für mich intuitiv nicht dafür, dass sie Nitrat- und Nitrit-Reduktasen exprimieren kann. Denn sonst wäre doch die Assimilation kein Problem, oder? Aber ich schaue mir das bei Gelegenheit nochmal genauer an.

Gruß
Andy

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Dienstag 6. September 2016, 17:50
von flying
Um den Thread am Leben zu erhalten und Andy weiter zu animieren eventuell die biologische Säuerung als "eigenen Artikel" zu behandeln.. :Greets

Ich sehe da zwei Wege zur direkten Beeinflussung der Würzeparameter. Einmal die heute übliche Anwendung von Sauerwürze. Vielfach angewendet von vielen Brauereien mit suboptimalen Wässern. Im Reinheitsgebotland eigentlich der heilige Gral zur Einstellung optimaler pH-Werte bzw. Restalkalitäten. Eigentlich bleibt denen ja nur dieses oder der Einsatz von Gips? Ich kenne aber auch welche, die mit Umkehrosmose arbeiten. Viele Untersuchungen zur biologischen Säuerung kommen ja direkt aus Weihenstephan. Selbst die, bei ihrem eh schon hervorragenden Wasser, sehen deutliche Vorteile darin. Nicht nur zur Einstellung des pH-Wertes, sondern auch zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit von Zink.

Eine weitere Methode die für Profibrauereien kaum machbar, aber für Hobbybrauer eigentlich ideal ist, ist die biologische Maischesäuerung. Es gibt genug historische Berichte über 10- und mehrstündige Maischverfahren, die vielleicht nicht nur dem enzymatischen Aufschluss dienten? Ich meine damit, z. B. einfach am Abend (oder Stunden) vorher bei rund 30-40° einzumaischen und die Malzorganismen bis zu einem gewissen Punkt ihre Arbeit tun zu lassen. Eventuell findet dabei auch ein Nitrat und Nitritabbau statt? Mir sind aber keine Untersuchungen bekannt. Dabei sind natürlich Zeit, Temperaturabfall und Malzcharge entscheidend. Kaum standardisierbar. Hier zählt die reine Erfahrung des Brauers. Der Einsatz eines pH- Meters kann zur Erfahrungsgewinnung natürlich von Vorteil sein. Ich denke aber, unsere Altvorderen hatten das auch nicht und der Einsatz der Sinne ist ausreichend.


Insgesamt ein spannendes Thema, welches des Hobby mehr Tiefe verleiht. Das "Bier zum Wasser" bekommt hier eine andere Dimension auch ohne den einschränkenden Einsatz von Dunkel- und Sauermalzen. Hier arbeitet die Natur und nicht der Chemiker! Bisschen Polemik muss sein... :P

m.f.g
René

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Dienstag 6. September 2016, 18:41
von §11
sondern auch zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit von Zink.
Hier wird im RHG Land auch gerne nachgeholfen mit Zinkblech im Sauergut.

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Montag 12. September 2016, 19:26
von olibaer
Klasse Andy - mutig, fundiert, richtig - ich bin begeistert.
Immer schön wenn jemand mit durchgedrücktem Kreuz ein Licht für die community an macht :thumbup

Gruß
Oli

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2016, 07:48
von Enfield
Morgen!

Ich muss den Thread nochmal hervorkramen, da ich erstens noch ein paar Fragen habe und zweitens finde, dass er irgendwie ein wenig untergegangen ist :Bigsmile

Derzeit versuche ich mich grade an der Entwicklung eines Sweet Stout Rezeptes passend zu meinem harten Wasser. Ich habe eine Osmoseanlage, habe alle Salze und mehrere Säuren (Milch- und Phosphor), aber grade was mit "unaufbereiteten" Wasser direkt aus der Leitung mit einem Rezept, dass auf das Wasser abgestimmt wurde, würde mich reizen. So zu sagen ein Hausbier, dessen Grundidee nicht der Geschmack am Ende sondern eben das Wasser ist.

Dazu noch ein paar Fragen:
Ich habe gelesen, dass Pilsner Malz in RO/destilliertem Wasser einen pH Wert von ca. 5,8 hat. Somit wäre doch für ein richtig helles Bier gebraut mit reinem RO-Wasser und 100 % Pilsner Malz (oder nur geringen Cara-Anteil) eigentlich der optimaler pH von 5,4 gar nicht zu erreichen ohne irgendwie anzusäuern oder aufzusalzen? Wobei letzteres für ein Pilsner ja nicht wirklich passt. Ist das korrekt?

Ich habe mich beim Bier zu meinem Wasser für ein Sweet Stout entschieden. Somit kann ich ca. 10 % Röstmalz/Röstgerste und 10 % Caramalz einsetzen, was den pH zusätzlich senkt.
Trotzdem komme ich mit dem pH irgendwo bei 5,9 raus. Jetzt kann ich noch mit Sauermalz ansäuern, die Frage ist aber, wie weit. Bei 5 % Sauermalz in der Schüttung käme ich lt. Bruns Water Calculator auf einen pH von 5,6. Wäre also schon dabei.
Was denkt ihr, Sauermalzgabe weiter erhöhen damit ich den optimalen pH von 5,4 treffe (oder zumindest 5,5)?

Ich habe mit Brun's Water Calculator und mit dem Rechner auf brewersfriend.com kalkuliert - das Ergebnis mit absolut identischen Eingaben unterscheidet sich um einen pH von 0,2. Ganz schön viel. An welchen würdet ihr euch halten?

Ich weiß, dass das hier alles nur theoretische Rechnerei ist - und ich werde den Maische-pH dann tatsächlich beim Brauen nochmal messen, um zu sehen wie fruchtbar die Theorie war. Aber soll ich eher konservativ rechnen und etwas mehr säuern?

Zusätzlich erschwerend kommt hinzu, dass ich mit dem Braumeister arbeite und daher einen relativ großen Hauptguss habe, der auf den richtigen pH zu bringen ist.

lg

Max

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2016, 10:13
von olibaer
Hallo Andi, hallo zusammen,

@Andi:
Für den Vorgang "Maischen" noch sehr interessant und gerne mal vergessen wird der Zusammenhang zwischen Gußführung und Maische pH.
Im Hinweis hier geht Nariß (et.al.) auf eben diesen Zusammenhang etwas näher ein. Ich zitiere:

"...sie (Anm.: die Wasserstoffionenkonzentration -> pH-Wert) lässt sich durch die Brauwasserqualität, die Gabe von Sauergut und die Maischekonzentration beeinflussen. Der letztere Parameter wird oft unterschätzt, wie die angefügte Tabelle zeigt: Das Verhältnis Schüttung zu Hauptguss entscheidet stark über den pH-Wert der Maische durch den Verdünnungsgrad der Säuren des Malzes (Tab.1)" [1]

Tab.1:

Code: Alles auswählen

Gussverh. | pH (20 °C)
________________________
1 : 2,5   |   5,39
1 : 3,0   |   5,48
1 : 3,5   |   5,54
1 : 4,0   |   5,60
1 : 4,5   |   5,65
1 : 5,0   |   5,70
1 : 5,5   |   5,74
Quelle: [1][/i]

Für uns reflektiert wird also derjenige Brauer der "dick einmaischt und ggf. mit heißem Wasser auf Rasttemperatur zubrüht" eine ganz andere pH-Situation in seiner Maische vorfinden, als es vergleichbar ein Brauer mit einem "Malzrohrsystem" tut(Anm.: dünne Maische) und das obwohl Rohstoffe und Verfahren sonst gänzlich identisch sind (Anm.: Die berechnete Gesamtgußmenge und das Verhältnis Hauptguß zu Nachguß ist für beide ebenfalls identisch. Letzteres ausgenommen für Malzrohrsysteme).

Es ergibt sich, dass "Gußführung" über einen resultierenden pH-Wert in der Maische einen großen Einfluß auf die Würzequalität ausübt und damit auf den Endvergärungsgrad, auf die Ausbeute, den Gärverlauf, den Schaum etc..
Weiter ergibt sich, dass eine "berechnete Vorhersage" des Maische pH-Wertes einigermaßen unsinnig ist so lange nicht bekannt ist, wie "Brauer" seine Güsse, vor allem den Hauptguß, im Einzelfall führt.

Allgemein könnte man formulieren, dass Malzmischungen die hohe Viskoitäten in den Würze erzeugen und/oder hinsichtlich der Proteolyse etwas Unterstützung benötigen nicht nur ein tiefes, sondern auch ein dickes Einmaischen erfordern(-> die relevanten Glucan- und Peptidasen mögen es gerne etwas saurer).

Gruß
Oli


[1] Dr.Bertram Sacher, Prof.Dr.Thomas Becker, beide Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie,TUM; em. Prof.Dr.Ludwig Narziß, TUM:
Einige Überlegungen zum Maischen (Teil 1), BRAUWELT | NR. 36 (2016)

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2016, 11:08
von Sura
Mir tuts ja leid, aber das was du da schreibst kann ich nicht beobachten.
Ich mache Bottichmaischen und habe bei 2,4:1@62°C, 3:1@73°C und schlussendlich 4:1@78°C eine Änderung von vielleicht 0,1pH.
Bei Kombirast habe ich den Sprung sogar von 3,6:1@67°C auf 6,6:1@78°C und auch da spielt sich die Änderung nur um ca. 0,1pH ab.

Und 0,1 hake ich schon fast als Mess- und Temperaturtoleranz ab, weil ich irgendwo zwischen 20°C und 30°C messe.

Ich bezweifel nicht das es da eine Änderung gibt, aber ich nach meinen Beobachtungen und nach Vergleich mit bekannten Rechnern im Netz würde ich darauf tippen, daß da eine Kommastelle verrutscht ist.

Gruß,
Kai

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2016, 11:29
von Dekoktor
olibaer hat geschrieben:Für den Vorgang "Maischen" noch sehr interessant und gerne mal vergessen wird der Zusammenhang zwischen Gußführung und Maische pH.(...)
Tab.1:

Code: Alles auswählen

Gussverh. | pH (20 °C)
________________________
1 : 2,5   |   5,39
1 : 3,0   |   5,48
1 : 3,5   |   5,54
1 : 4,0   |   5,60
1 : 4,5   |   5,65
1 : 5,0   |   5,70
1 : 5,5   |   5,74
Quelle: [1][/i]
Das ist sehr interessant!
Das bedeutet dann aber auch wohl, dass die lehrbuchmäßige Gussführung, dunkle Biere tendenziell eher dicker (z.B. 1:3) und helle Biere eher dünner (z.B. 1:4) einzumaischen, den ohnehin größeren pH-Sturz dunkler Malze noch weiter verstärkt. Müsste man dann nicht eigentlich umgekehrt vorgehen? :Grübel

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2016, 11:39
von Ladeberger
Also zunächst nochmal Danke Oli für die Blumen aus deinem vorletzten Post! :redhead

Über diese Passage im Brauwelt-Artikel hatte ich auch sinniert, aber war mir aber schlussendlich nicht sicher, wie sich das in der Gesamtbetrachtung auswirkt. Bei dicken Einmaischverhältnissen bzw. kleinem Hauptguss muss schließlich der Nachguss entsprechend größer bemessen werden, wodurch sich der pH wieder ungünstig erhöhen dürfte. Aber alleine schon wegen der besseren Enzymarbeit ist das eine interessante Herangehensweise, die auf jeden Fall noch in meinen Beitrag einarbeiten werde. Außerdem ist er ohne Angabe des Gussverhältnisses tatsächlich lückenhaft. Danke für den Denkanstoß! Besonders interessant könnte das auch für reine Vorderwürzebiere sein. Man gewinnt neben der Schüttung hierbei noch indirekt über die Stammwürze ein Werkzeug, um den pH positiv zu beeinflussen.

@Sura
Du hast also für den selben Bereich eine Änderung von "vielleicht 0,1 pH" gemessen, in dem Bertram/Becker zu etwa 0,2 pH kamen. Das ist nicht viel Unterschied. Gehen wir mal ferner davon aus, dass Versuchsaufbauten und Messungen im Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie etwas professioneller ablaufen als bei Dir, dann halte ich das erst Recht für keine Widerlegung.

Gruß
Andy

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2016, 12:00
von Dekoktor
Selbstzitat:
Dekoktor hat geschrieben:Das bedeutet dann aber auch wohl, dass die lehrbuchmäßige Gussführung, dunkle Biere tendenziell eher dicker (z.B. 1:3) und helle Biere eher dünner (z.B. 1:4) einzumaischen, den ohnehin größeren pH-Sturz dunkler Malze noch weiter verstärkt. Müsste man dann nicht eigentlich umgekehrt vorgehen? :Grübel
Edit nach weiterem Nachdenken:
...Oder ist einfach das dickere Einmaischen (pH-senkend) gemeinsam mit dunkleren Malzen (pH-senkend) ein Mittel, dem alkalischen Einfluss nicht aufbereiteter, stark carbonathaltiger (insbes. süddeutscher) Wässer zu begegnen?
Während man bei Wässern mit niedriger Restalkalität sich leisten konnte, sowohl heller als auch dünner zu maischen?

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2016, 12:28
von Sura
Kann auch sein das mein Brauwasser meistens um RA=0 eingestellt ist weil ich selten mit hohem Anteilen dunklen Caramalzen braue. Und in dem Bereich macht das relativ wenig aus. Zu Brauwasser mit höheren RA Werten >3 kann ich kaum was sagen. Aber auch das sind eben im obigen Beispiel fehlende Fakten: Was für Wasser mit welchem RA, was für eine Malzmischung, etc.
Wenn du das Malz z.b. in destilliertes Wasser maischen würdest, dann würde sich da praktisch garnichts tun und das Malz das Wasser auf seinen typischen Wert einstellen. (Pils 5,7-5,8, MüMa 5,4, usw.) .... und zwar unabhängig vom Verhältnis. (Nagut, fast, wenn man es zu hoch macht dann wanderts wieder dahin wo das Wasser will....)

Alleinstehend hat die Tabelle keinen Wert den man für irgendwas gebrauchen kann.

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2016, 15:34
von olibaer
Hallo Dekoktor,
Dekoktor hat geschrieben: ...Oder ist einfach das dickere Einmaischen (pH-senkend) gemeinsam mit dunkleren Malzen (pH-senkend) ein Mittel, dem alkalischen Einfluss nicht aufbereiteter, stark carbonathaltiger (insbes. süddeutscher) Wässer zu begegnen ? Während man bei Wässern mit niedriger Restalkalität sich leisten konnte, sowohl heller als auch dünner zu maischen?
ich denke genau so sollte man das verstehen. Oder allgemein:
Dicke Maischen weisen unter sonst identischen Bedingungen(Malzschüttung, Wasserqualität, Verfahren ...) einen niederen pH-Wert auf als dünne Maischen.

Was "Brauer" wann und in welchem Umfeld dann daraus macht, ist eine ganz andere Sache.

Die in Beitrag #36 benannte Quelle[1] erwähnt zusätzlich einen Zusammenhang, der ebenfalls nicht ganz uninteressant sein dürfte. Ich zitiere:
"[...]Weil bei 62 °C kaum noch Phosphataseaktivität vorliegt, fällt ferner die Pufferung geringer aus, mit der Konsequenz eines stärkeren pH-Sturzes[...]"

Wiederum für uns reflektiert wird also derjenige Brauer der "hoch" einmaischt eine geringere Pufferwirkung(pH-Pufferwirkung) in der Maische erwarten können als derjenige, der "tief" einmaischt.

Fasst man beide Aussagen zusammen ergibt sich in meiner Wahrnehmnung folgendes Bild:
Dicke Maischen als auch hohe Einmaischtemperaturen wirken sich im Sinne von "hohe Restalkalitäten im Brauwasser" positiv(Anm.: senkend) auf den pH-Wert der Maische aus. Aus einer Kombination von "hoher Einmaischtemperatur" und "dicker Maische" lassen sich die besten Ergebnisse erzielen.

Wie gut solch eine Erkenntnis dann zu "Rohstofflage, Biertyp, Rezeptur, Anlage & Möglichkeiten" passt und wie sie sich in einem Einzelfall einsortieren lässt, beschreibt im Wesen genau das, was ich unter "Bierbrauerei" verstehe.
Generell schadet es aber nicht solche Zusammenhänge "auf dem Zettel" und verstanden zu haben. Am Ende schließt sich der Kreis zu Andys eingangspost: "Welche Biere kann ich mit meinem Wasser alle brauen?"


Gruß
Oli

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2016, 18:01
von olibaer
Hi Sura,
Sura hat geschrieben: Alleinstehend hat die Tabelle keinen Wert den man für irgendwas gebrauchen kann.
Ich nehme einmal an, dass Du die Tabelle Tab.1 aus post #36 meinst.

Die Tabelle steht nicht alleine. Im begleitenden Zitat ist u.a. ein relevanter Prozesschritt benannt und es werden flankierend Größen angegeben, die im gleichen Prozesschritt oder vorgelagert, vergleichbares bewirken. Die Tabelle löst, verständlich und für jeden ersichtlich, in diesem Kontext Abhängigkeiten auf.

Wenn Du für Dich und an dieser Stelle eine Ausnahme machen möchtest ist das in Ordnung - gleichwohl die Tabelle doch nur sachdienlich ein paar Zahlen zur Unterlegung einer empirschen Erfahrung unserer Vorgänger liefert.


Gruß
Oli

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Donnerstag 6. Oktober 2016, 23:56
von Scheibelhund
Ich verwende das Leitungswasser unseres Wasserwerks. Das Wasser ist ungefähr so wie in der fränkischen Schweiz wo halbdunkle Bier traditionell verbreitet sind.

Also orientierte ich mich bei meiner Hauptsorte daran und war richtig gelegen.

Hingegen ein Helles Bier will damit nicht so ohne Weiteres gelingen.

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Freitag 7. Oktober 2016, 07:58
von Sura
olibaer hat geschrieben:Hi Sura,
Sura hat geschrieben: Alleinstehend hat die Tabelle keinen Wert den man für irgendwas gebrauchen kann.
Ich nehme einmal an, dass Du die Tabelle Tab.1 aus post #36 meinst.

Die Tabelle steht nicht alleine. Im begleitenden Zitat ist u.a. ein relevanter Prozesschritt benannt und es werden flankierend Größen angegeben, die im gleichen Prozesschritt oder vorgelagert, vergleichbares bewirken. Die Tabelle löst, verständlich und für jeden ersichtlich, in diesem Kontext Abhängigkeiten auf.

Wenn Du für Dich und an dieser Stelle eine Ausnahme machen möchtest ist das in Ordnung - gleichwohl die Tabelle doch nur sachdienlich ein paar Zahlen zur Unterlegung einer empirschen Erfahrung unserer Vorgänger liefert.

Gruß
Oli
Ladeberger hat geschrieben: Du hast also für den selben Bereich eine Änderung von "vielleicht 0,1 pH" gemessen, in dem Bertram/Becker zu etwa 0,2 pH kamen. Das ist nicht viel Unterschied. Gehen wir mal ferner davon aus, dass Versuchsaufbauten und Messungen im Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie etwas professioneller ablaufen als bei Dir, dann halte ich das erst Recht für keine Widerlegung.

Hallo Oli, Hallo Andy,

Ich lasse den ganzen langen Text mal weg den ich schon fertig hatte, ich will hier kein Öl ins Feuer giessen.

Ich bin ehrlich gesagt ein bißchen angepisst, weil ihr beiden hier ziemlich herablassend auf berechtigte Kritik reagiert. Ich habe nirgendwo in Frage gestellt, daß das Verhältnis keine pH-Änderung bewirkt. Allerdings stellt sich die Frage, wann die Werte der Tabelle zustandekommen, und das fehlt. Eine Prozessbeschreibung ist kein Ersatz für die wesentlichen Fakten, und ein Hinweiss das es diese gibt hilft nun auch nicht wirklich. Und hier fehlt eben der RA und die Malzmischung. Auf den Post von Oli bezogen ist das Zitat von Narziß in sofern unvollständig weil es eben diese Werte unterschlägt. Daraufhin ist auch Olis allgemeine Schlussfolgerung unter der Tabelle nicht ganz richtig, weil es nunmal sehr stark davon abhängig ist was für eine Malzmischung und was für ein Wasser verwendet wird. RA -5 und 100% PiMa kannst du so dick einmaischen wie du es schaffst, da ändert sich fast nichts am pH. Bei RA 10 mit MüMa und ein bischen dunklem Cara ändert sich der pH bei Änderung des Verhältnisses wiederum erheblich.

Hier ist nochmal ein Link, wo ein gewisser Kai Troester das auch mal untersucht hat.
http://braukaiser.com/documents/effect_ ... ash_pH.pdf (Seite 11, 3.10 Mash Thickness)

Kai

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Freitag 7. Oktober 2016, 10:00
von Ladeberger
Hallo Kai,

sorry, herablassend sollte das nicht sein. Wenn es ans Fachliche geht, habe ich einen eher nüchternen Schreibstil drauf. Denk dir da notfalls ein paar Smileys dazu ;)

Ich kann im Artikel keine Angabe zu den von dir gewünschten Parametern finden. Daher kann ich auch nur vermuten, dass enthärtetes Wasser, bzw. eines von 0 °dH Restalkalität, verwendet wurde (alles andere würde ziemlich in der Luft hängen) und ein Gerstenmalz, das - nunja - bei genau diesen Einmaischverhältnissen zu genau diesen gemessenen pH-Werten geführt hat. Es bringt nämlich auch gar nichts, das alleine an der Malzfarbe festzumachen. Du wirst ernte- und chargenabhängig von ein und derselben Mälzerei Pilsener Malz mit pH 5,6 und dunkles Münchner Malz mit pH 5,8 finden. Dass dunklere Darrmalze zu einem niedrigeren pH führen, kann man bestenfalls als statistisch signifikantes, aber keinesfalls absolutes Phänomen auffassen. Das ist auch einer der Gründe, warum die ganzen pH-Rechner im Netz zu unterschiedlichen und von der Praxis häufig abweichenden Ergebnissen kommen.

Gruß
Andy

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Freitag 7. Oktober 2016, 10:44
von Enfield
Wie kann ich dann bei unterschiedlichen Rezepten (man braut ja immer was neues und selten nur ein Rezept) dann sicherstellen, dass mein Maische pH passt? Die Rechner im Netz waren für mich immer ein guter Anhaltspunkt - und ja, ich bin pedantisch, ich will immer alles genau wissen.

Aber mal ehrlich, ohne das wirklich zu messen raten wir doch alle nur und hoffen, dass der pH passt. Mag für die meisten Biere und Hobbybrauer vom Anspruch auch völlig genügen, aber was sei denen geraten, die das ganze perfekt machen möchten?

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Freitag 7. Oktober 2016, 10:47
von Sura
@Andy
Na denn fang ich gleich auch so an: :Drink :Smile

Mir gehts ja nur darum, das keine auf die Idee kommt das er jedes Problem so lösen kann. pH ist kompliziert, ich habe für mich gottseidank einen Weg gefunden der in 90% der Fälle ziemlich gut das angestrebte Ergebnis bringt.
Ich will nicht die Idee des Threads untergraben, aber bei dunklen Bieren werde ich das Verhältniss und die Menge des Haupt- und Nachgusses mal mit in die Überlegungen zur Wassereinstellung berücksichtigen. Das ist wirklich interessant. Aber das sollte in einem anderen Thread abgehandelt werden. Hier gehts ja um pures Wasser ohne Schnickschnack.

Gruß,
Kai

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Freitag 8. Januar 2021, 11:42
von Vestenrunner
Ladeberger hat geschrieben: Sonntag 4. September 2016, 17:41
Magnesium
....
Woher kommt also die Problematik? Schaut man etwa ins Standardwerk von Narziß, wird auf die Problematik von Magnesium fast ausschließlich im Zusammenhang mit Sulfat als Magnesiumsulfat (= Bittersalz!) eingegangen. Der knappe Hintergrund: Salze dissoziieren in Wasser, d.h. etwa bei Magnesiumsulfat "schwimmen" das Magnesium-Ion und Sulfat-Ion frei im Bier herum. Es ist also für die Betrachtung von Magnesiumsulfat zunächst egal, wie Magnesium und Sulfat in die Würze gelangt sind; sie können aus anderen Salzen stammen. Das bedeutet insbesondere, dass bei sowieso vorhandenem Magnesium aus dem Malz auch Calciumsulfat (=Braugips) eine Quelle für Magnesiumsulfat darstellt. Tatsächlich gibt es als Quelle für Sulfat sonst nur noch das Brauwasser selbst, denn durch Malz wird Sulfat mit 0,5 g/l pro Prozent Stammwürze nur in vernachlässigbarer Weise eingetragen. Hier besteht daher also ausgerechnet für Wasseraufbereiter eine Bittersalz-Stolperfalle!

Hallo Andy,
müsste das nicht mg/l sein?

Gruß
Peter

Re: Das Bier zum Brauwasser

Verfasst: Freitag 8. Januar 2021, 12:38
von Braufex
Servus Peter,
bin zwar nicht Andy, aber im Braumagazin hat er es so beschrieben:
2.2. Zielwerte nach Bierstil
Beginnen wir thematisch im wahrsten Sinne bei null, nämlich einer Würze aus destilliertem Wasser, so stellt sich die Zusammensetzung einer Würze mit 10 °P wie folgt dar:

Natrium: 10 mg/l
Calcium: 35 mg/l
Magnesium: 70 mg/l
Chlorid: 125 mg/l
Sulfat: 5 mg/l
(Quelle: Water, S. 178[1])
Also hast Du gut aufgepasst :thumbup

Aus aktuellem Anlass in eigener Sache:
Gibt es diese Angaben auch zum Phosphat?

Gruß Erwin