Guten Abend,
ich habe da mal eine Verständnisfrage zum Dekoktionsverfahren:
Hintergrund ist mein erstes Märzen (nach 18 Jahren endlich getraut)
Schüttung
4,25 kg PiMa
0.25 kg Cara Hell
0,25 kg Cara Dunkel
Gebraut habe ich in einem Einmaischverfahren, weil ich darin einen Kompromiss zwischen Maischdauer und mehr "Kernigkeit" durch das Kochen sehe.
Eingemaischt bei 55°C, 5' + ca. 10' Aufheizen auf
63°C nach 15' Rast habe ich die Dickmaische zum Kochen durch Abschöpfen der Dünnmaische gewonnen
Die Dünnmaische bleibt im zweiten Topf bei 62-63°C, die Dickmaische in 10' auf 73°C erwärmt
nach 15' Rast bei 73° bereits jodnormal -> 15' Aufheizen zum Kochen dann 15' Kochen -> zurück
72°C Gesamtmaische nochmal 25' gemeinsam verzuckert, dann auf 75° zum Läutern.
Wenn ich mir hier die Dünnmaische betrachte, war diese
15+10+15+15+15 = 1h10min bei 63°C. Also eine Zeit, die bei der Infusion für ein wirklich schlankes Bier sorgen würde.
Und nun die Frage: Wird durch die Dickmaische wieder/noch so viel langkettiger Zucker eingebracht, dass das Bier insgesamt vollmundig bleibt?
Oder produziert man mit solchem Verfahren und heutigen gut gelösten Malzen immer eher ein "schlankes Pils"?
Das Bier kam mit 13,8°P zur Bohemian Lager WY2124 bei 8-10°C und nach 10 Tagen zur Nachgärung in die Flasche bei 12°C. Das war vor 5 Tagen. Klar schmeckt das Bier noch stark nach Jungbier, aber ich empfinde es aber jetzt schon ziemlich alkoholisch und eben "schlank".
Das hat noch Potential und kommt auch erstmal in die Kaltreifung, trotzdem geistert mir obige Frage im Kopf herum:
Kann man mit Dekoktion heutzutage ein fett vollmundiges Bier brauen und wie steuert man das am besten? Oder ergibt sich das beim Kochen einer Teilmaische trotzdem von selbst durch den besseren Stärkeaufschluss?
Danke für Erleuchtung
Viele Grüße
Tino
Dekoktion und Vollmundigkeit
Re: Dekoktion und Vollmundigkeit
Die Dekoktion dient dazu die Temperatursprünge von 63 auf 72°C zu erreichen. Du nimmst die Dickmaische und erhitzt sie auf 100°C und gibst sie anschließend zur Dünmaische unter rühren hinzu. Diesen Vorgang kannst man wiederholt durchführen, man spricht dann Ein-, Zwei,- und Dreimaischverfahren.
Du hast auch bei der Dickmaische eine Verzuckerungsrast (72°C) gemacht, wenn ich das richtig verstanden habe. Was natürlich zu einer längeren Dauer der Maltoserast (63°C) in der Dünmaische führt. Daduch könnnen die Enzyme in der Dünnmaische die Stärke länger zu Maltose zerlegen und du erhält somit ein schlankeres Bier.
Du hast auch bei der Dickmaische eine Verzuckerungsrast (72°C) gemacht, wenn ich das richtig verstanden habe. Was natürlich zu einer längeren Dauer der Maltoserast (63°C) in der Dünmaische führt. Daduch könnnen die Enzyme in der Dünnmaische die Stärke länger zu Maltose zerlegen und du erhält somit ein schlankeres Bier.
Re: Dekoktion und Vollmundigkeit
Hi Tino,
möglicherweise ist die Wahl der Hefe für ein vollmundiges Dekok- Bier entscheidend. Bei den klassischen Dekok-Bieren der industriellen Frühzeit wurden oft noch Unterhefen vom alten Saaz- Typ verwendet (z. B. die Carlsberg Nr. 1). Saaz- Stämme zeichnen sich dadurch aus, dass sie noch 2 Drittel des Eubayanus-Genoms besitzen und sehr oft keine Maltotriose verwerten können. Deshalb hatten die Biere oft niedrige Vergärungsgrade welche man mit hohen Aufschluss durch Dekok-Verfahren ausgleichen wollte. Heutige untergärige Stämme sind fast ausnahmslos vom Frohberg-Typ. Der ist Halbe-Halbe Eubayanus /S. Cerevisia und höher vergärend.
möglicherweise ist die Wahl der Hefe für ein vollmundiges Dekok- Bier entscheidend. Bei den klassischen Dekok-Bieren der industriellen Frühzeit wurden oft noch Unterhefen vom alten Saaz- Typ verwendet (z. B. die Carlsberg Nr. 1). Saaz- Stämme zeichnen sich dadurch aus, dass sie noch 2 Drittel des Eubayanus-Genoms besitzen und sehr oft keine Maltotriose verwerten können. Deshalb hatten die Biere oft niedrige Vergärungsgrade welche man mit hohen Aufschluss durch Dekok-Verfahren ausgleichen wollte. Heutige untergärige Stämme sind fast ausnahmslos vom Frohberg-Typ. Der ist Halbe-Halbe Eubayanus /S. Cerevisia und höher vergärend.
Zuletzt geändert von flying am Sonntag 18. April 2021, 20:44, insgesamt 1-mal geändert.
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"Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
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- renzbräu
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Re: Dekoktion und Vollmundigkeit
Durch das Kochen wird wieder Stärke verfügbar gemacht, die dann den Amylasen zur Verfügung steht.
Deshalb auch die 78°C vor dem Läutern nicht überschreiten, wenn keine Amylasen mehr da sind. Sonst kommt es zum Blausud.
Deshalb auch die 78°C vor dem Läutern nicht überschreiten, wenn keine Amylasen mehr da sind. Sonst kommt es zum Blausud.
Grüße Johannes
- hausgebraut, handgeklöppelt & mundgetrunken -
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Re: Dekoktion und Vollmundigkeit
Genau, und je nach Länge der letzten (richtigen) 73 °C Rast machst Du das Bier dann vollmundiger. Ich habe gut 2/3 aller meiner Sude mit Dekoktion gefahren und bei ähnlichen Schüttungen nicht die Erfahrung gemacht, dass da was zu trocken würde.
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Als ich von den schlimmen Folgen des Trinkens las, gab ich es sofort auf - das Lesen! (frei nach Henry Youngman)
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Re: Dekoktion und Vollmundigkeit
Hallo,
vielen Dank für Eure Antworten! Ich gebe dem Bier erst einmal noch ausreichend Zeit und schaue mal, was wird.
Eigentlich sollte ich das gleiche Rezept auch noch einmal mit Infusion fahren und vergleichen, mal sehen.
@Rene: Das mit den Hefen klingt sehr interessant - gibt es solche Hefe im Shop zu kaufen? Oder in Weihenstephan? Das wäre interessant ...
Dank, viele Grüße
Tino
vielen Dank für Eure Antworten! Ich gebe dem Bier erst einmal noch ausreichend Zeit und schaue mal, was wird.
Eigentlich sollte ich das gleiche Rezept auch noch einmal mit Infusion fahren und vergleichen, mal sehen.
@Rene: Das mit den Hefen klingt sehr interessant - gibt es solche Hefe im Shop zu kaufen? Oder in Weihenstephan? Das wäre interessant ...
Dank, viele Grüße
Tino
Re: Dekoktion und Vollmundigkeit
Möglicherweise gibt es sie bald wieder..? Man züchtet überall auf der Welt neue Hybriden. Die heutigen untergärigen Hefen haben die vollständigen Genome beider Elterteile, also S. Eubayanus und S. Cerevisia. Die W34/70 ist das Paradebeispiel für den Frohberg-Typ.@Rene: Das mit den Hefen klingt sehr interessant - gibt es solche Hefe im Shop zu kaufen? Oder in Weihenstephan? Das wäre interessant ...
Die Carlsberghefe No 1 ist vom Saaz-Typ. Sie stammt ursprünglich aus der Spaten-Brauerei München. Das Genom überwiegend vom Eubayanus. Niedrig vergärend (keine Maltotriose) und äußerst kältetolerant. Sie wurde wohl mittlerweile bei Carlsberg aus alten Kellern und Flaschen "wiederbelebt". Man kann sie auch sehr teuer in England bei Kulturenbanken bestellen wo sie seit 1935 schlummern soll?
Leider nix in Tütchen aus Hobbyshop...
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