Temperaturmessung

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Cubase
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Temperaturmessung

#1

Beitrag von Cubase »

Hallo,

ich frage mich immer häufiger wie ungenau wir im Hobbybereich eigentlich die Temperatur messen. Z.B. beim Maischen: hier messe ich mittels Tauchhülse, die von oben 20 cm in die Maische reinragt.Würde ich weiter oben oder unten im Bottich messen, werden die Werte aufgrund unserer kleinen Kessel sich z.T. deutlich unterscheiden. Wenn sich dann noch das Rührwerk nur beim Aufheizen drehen soll damit unnötige Oxidation vermieden wird, dann habe ich noch eine grössere Schichtung mit unterschiedlichen Temperaturen.
Dazu kommen die Unterschiede unserer mehr oder weniger genauen Thermometer.

Wenn jetzt in einem Rezept eine Temperatur angegeben ist, dann weiss ich ja gar nicht wie diese zustande gekommen ist. Ein Nachbrauen wird damit unter Umständen zur Glücksache.
Oder im Gärbottich, wenn hier eine Temperatur gemessen wird kann es je nach Methode zu grösseren oder kleineren Abweichungen kommen. Messe ich im Jungbier oder nur an der Aussenwand, messe ich weiter oben oder unten. Wird der Gärbottih aktiv gekühlt oder steht er im gesteuerten Kühlschrank. Alles Dinge, die eine Temperaturmessmethode mehr oder weniger beeinflussen können. Wird eine reproduzierbare Messung aufgrund der vielen Einflussfaktoren damit nicht zum Glückspiel? Auch hier können die Unterschiede zum Orginalrezept sicher mehrere Grad betragen und das nachgebraute Bier möglicherweise nicht viel mit dem Original gemein haben.

Ich frage mich, wie messe ich wohl am besten und muss ich mich nicht mit einer mehr oder weniger grösseren Ungenauigkeit aufgrund der geringen Größe unserer Behälter abfinden ?


lg


Sascha
Thorsten68
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Re: Temperaturmessung

#2

Beitrag von Thorsten68 »

Hallo Sascha, mir geht es ähnlich bei Maischen. Obwohl ich viel und regelmäßig mit meinem Braupaddel in meinem 34l Topf rühre, zeigt der Thermometer auch mal 2-4 Grad Unterschied während dem Rührvorgang an. Unabhängig ob analoges oder digitales Thermometer. Wie Du sagst, vielleicht bekommen wir Hobbybrauer es nicht genauer abgebildet mit unserem Equipment oder "im Durchschnitt kommt es hin" reicht völlig aus. Helfen kann ich Dir nicht, aber ich hänge mich mal an die Frage dran.
Thorsten
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BummlerD
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Re: Temperaturmessung

#3

Beitrag von BummlerD »

Zum Teil beantwortest du dir deine Frage bereits selbst. Wenn der Rezeptersteller nicht alles angibt ist man beim Nachbrauen mehr oder weniger im Blindflug unterwegs. Das bezieht sich aber nicht nur auf die Temperatur. Malzhersteller und Charge kann bei gleichem Maischplan zu einem anderen Ergebnis führen. Das gleiche Problem beim Hopfen; Welcher Jahrgang wurde verwendet? Von welchem Feld kommt der Hopfen? Wie hat der Verkäufer den Hopfen gelagert? Wie wird das Volumen der zu bitternden Würze gemessen?
Wie (genau) wird die Stammwürze gemessen? Wurde der EVG gemessen? Wie wird der AVG gemessen?

Die Temperaturmessung ist da mMn nachrangig. Seine Sensoren kann man überprüfen; sei es über eine einfache 2-Punkt Messung, oder mittels Vergleich mit geeichten Geräten im kritischen Temperaturbereich.
Die Temperaturoptima für die Enzyme sind bekannt und der Maischplan kann und sollte an die eigene Anlage angepasst werden.
Wenn du dein Rührwerk möglichst selten bewegen möchtest, dann miß oben und unten und rühre in den Rasten nur wenn das Delta einen festgelegten Wert überschreitet.

Wenn nicht alle Parameter bekannt sind und das Original nicht probiert wurde, ist das Ergebnis zwangsläufig Glückssache.
Gruß Matthias
JackFrost
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Re: Temperaturmessung

#4

Beitrag von JackFrost »

Cubase hat geschrieben: Mittwoch 29. Juni 2022, 17:36 Hallo,

ich frage mich immer häufiger wie ungenau wir im Hobbybereich eigentlich die Temperatur messen. Z.B. beim Maischen: hier messe ich mittels Tauchhülse, die von oben 20 cm in die Maische reinragt.Würde ich weiter oben oder unten im Bottich messen, werden die Werte aufgrund unserer kleinen Kessel sich z.T. deutlich unterscheiden. Wenn sich dann noch das Rührwerk nur beim Aufheizen drehen soll damit unnötige Oxidation vermieden wird, dann habe ich noch eine grössere Schichtung mit unterschiedlichen Temperaturen.
Dazu kommen die Unterschiede unserer mehr oder weniger genauen Thermometer.
Es gilt für jedes Messmittel, ohne Überprüfung weis man nicht ob es stimmt. Thermometer kann man sehr leicht mit den 2 fixen Temperaturen 0 °C und Siedepunkt ( bezogen auf den aktuellen Luftdruck ) überprüfen.

Wenn nicht gerührt wird. kommen noch mehr Effekte zum tragen. Selbsterwärmung vom Sensor. Wenn der in einer Tauchhülse steckt mit Luft ist der Fehler größer als wenn die Tauchhülse fest verpresst ist. Ohne Strömung kommt die schlechte Wärmeleitfähigkeit von Wasser zu tragen. Da kann es 10 cm weiter schon wieder anders ausschauen.

Ich hab bis jetzt immer gerührt, vor allem da die Temperatur bei zwei gleichen Rezepten so unterschiedlich sein kann das nicht das gleiche rauskommt, und die Biere die ich bis jetzt verschickt habe hatte keine schmeckbare oxidation.

In einem großen Kessel ist das nicht anders. Die Physik ändert sich nicht. Die Viskosität der Maische ist ja ähnlich. Ohne Vermischung wird die Wärme nicht gut verteilt. Wasser hat gerade mal eine Wärmeleitfähigkeit von 0,6 W/mK, Edelstahl von 15 W/mK und Kupfer 400 W/mK

Das ist auch der Grund warum ein Kupferkühler kaum schneller kühlt als eine Edelstahlkühler wenn im Sud nicht gerührt wird.

Ein regelmäßige Überprüfung der Messmittel ist halt wichtig. Und auch ein kalibriertes Thermometer muss regelmäßig kalibriert und bei bedarf justiert werden.

Beim Hopfenkochen kann man das Thermometer schnell überprüfen in dem es in den sprudelnden Teil der Würze gegeben wird. Zusammen mit dem der Siedetemperatur auf entsprechender Höhe kann man schnell sehen ob das Thermometer weit daneben liebt oder ob es passt.
Die Siedetemperatur der Würze ist ca. 0,2 K höher als die von reinem Wasser bei gleichen Luftdruck. Die Schmelzpunkterniedrigung der gelösten Salze im Wasser kann man getrost ignorieren.

Aus den beiden Werte kann man die Nullpunktverschiebung und die Steigung berechnen und dann gegensteuern.
Cubase hat geschrieben: Mittwoch 29. Juni 2022, 17:36 Wenn jetzt in einem Rezept eine Temperatur angegeben ist, dann weiß ich ja gar nicht wie diese zustande gekommen ist. Ein Nachbrauen wird damit unter Umständen zur Glücksache.
Oder im Gärbottich, wenn hier eine Temperatur gemessen wird kann es je nach Methode zu größeren oder kleineren Abweichungen kommen. Messe ich im Jungbier oder nur an der Außenwand, messe ich weiter oben oder unten. Wird der Gärbottich aktiv gekühlt oder steht er im gesteuerten Kühlschrank. Alles Dinge, die eine Temperaturmessmethode mehr oder weniger beeinflussen können. Wird eine reproduzierbare Messung aufgrund der vielen Einflussfaktoren damit nicht zum Glückspiel? Auch hier können die Unterschiede zum Originalrezept sicher mehrere Grad betragen und das nachgebraute Bier möglicherweise nicht viel mit dem Original gemein haben.
Wenn du das originale Bier des Rezeptes nicht getrunken hast, kann es dir egal sein wie es der Ersteller gemacht hat, da du eh keinen Vergleich hast.
Eine Temperaturkontrollierte Gärung gibt einen stabileren Prozess auch im Bezug auf mehrere Chargen des gleichen Rezeptes. Daher sollte man für sich festlegen was will ich selber für mich.

So lange die Gärung aktiv ist wird der Sud durchgemischt und die Wandtemperatur ist nahe der Temperatur im Kern. Wenn die Gärung weniger wird , dann wird der Kern eine andere Temperatur haben. Aber auch hier ist das meist ja schon "erledigt". Ich hab Von oben und von der Seite in meinem Kunststoff Gärbottich gemessen. Und da waren 0,5K Unterschied. Waren aber auch alles dünnen Fühler die schnell reagieren. 6 mm Tauchhülse mit Luft wird da wieder anderes messen.

Wenn man jede einzelne Temperatur in Frage stellt muss sich auch überlegen welche Sensorik hab ich, wie lang sind meine Kabel, welches Offset haben meine Kabel. Wie stark ist das Offset im Winter und im Sommer ? Wie ist die thermische Anbindung ? Ist
neben dem Temperaturfühler evtl. eine Heizband ?

Oder man kann sich überlegen kann das im Rezept passen und welchen Aufwand will man selber treiben. Einfach in der kalten Garage geht schon wird jedes mal halt anders. Oder man vergärt Temperaturkontrolliert nach dem Aufwand dem es einen selber wert ist.
Cubase hat geschrieben: Mittwoch 29. Juni 2022, 17:36 Ich frage mich, wie messe ich wohl am besten und muss ich mich nicht mit einer mehr oder weniger größeren Ungenauigkeit aufgrund der geringen Größe unserer Behälter abfinden ?
Ohne Rühren ist die gemessen Temperatur die im direkten Umfeld des Sensors. Der Rest ist mehr oder weniger unbekannt.
Ohne Überprüfung der Sensoren kann man nicht sagen ob die Temperatur stimmt. Kann 0,1K daneben liegen oder 2 K. Hatte ich alles schon bei industriellen Sensoren. Wird dann halt getauscht, wenn es nicht in das Anwendungsprofil passt. Aber das muss man halt selber bestimmen

Die Größe des Behälters hat den Einfluss das die Abkühlrate höher ist, da du mehr Oberfläche bezogen auf die Masse hast. In Großen Behältern ist die Schichtung nicht besser.

Ein schlecht platzierter Sensor ist im großen Kessel nicht besser als im kleinen.

Wenn man das Rührwerk wegen LoB abschaltest, dann brauchst man sich wegen der Fragen keine Gedanken machen, da man eh keine homogene Temperaturverteilung hast. So lange man ähnliche Umgebungsbedingen hat wird man auch sehr ähnliche Ergebnisse bekommen. Beim Thermoport ist die Umgebungstemperatur nicht so wichtig. BIAB im unisolierten Topf wird im Sommer und Winter in der Garage schon etwas andere Ergebnisse haben.

Wenn du rührst und auch einen Strömungsbrecher hast, so das die Maische nicht nur Karussell fährt sondern sich mischt, dann ist es nur wichtig das der Sensor nicht zu nah an der Oberfläche ist, damit die Kühlung über Wärmeableitung des Tauchrohres nicht zu hoch ist.

Mit einem zur Umgebung isolierten Sensor am Gärbottich hat man auch eine gute Messung. Wichtiger ist aber wenn man es immer gleich macht und seine Sensorik überprüft hat man auch immer sehr Ähnliche Ergebnisse. Und wenn das Maische Thermometer überprüft ist kann damit das der Gärregelung überprüfen.

Gruß JackFrost
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Re: Temperaturmessung

#5

Beitrag von jbrand »

:goodpost:
Viele Grüße

Jens
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Frommersbraeu
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Re: Temperaturmessung

#6

Beitrag von Frommersbraeu »

Stellt sich eher die Frage, wie genau muss die Temperatur gemessen werden?
Die Amylasen haben ja doch einen recht breiten Arbeitsbereich, wenn man dann immer von Thermometern mit 0,1°C Genauigkeit hört, frag ich mich ob für 60 - 68°C nicht auch ein einfaches Schätzeisen genügt :Waa
Durch Schichtung, Verdampfung und Wärmeverlusten an der Topfwand braucht man sich um +/-1°C mit Sicherheit keine Gedanken machen
Schöne Grüße
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Boludo
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Re: Temperaturmessung

#7

Beitrag von Boludo »

Frommersbraeu hat geschrieben: Sonntag 3. Juli 2022, 20:30 Stellt sich eher die Frage, wie genau muss die Temperatur gemessen werden?
Die Amylasen haben ja doch einen recht breiten Arbeitsbereich, wenn man dann immer von Thermometern mit 0,1°C Genauigkeit hört, frag ich mich ob für 60 - 68°C nicht auch ein einfaches Schätzeisen genügt :Waa
Wenn man es schafft, die Maische eine Stunde lang zwischen 60° und 70°C zu halten, kommt dabei normalerweise eine gut vergärbare Würze heraus.
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Re: Temperaturmessung

#8

Beitrag von Frommersbraeu »

:Drink genau darauf wollte ich hinaus :thumbsup
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Re: Temperaturmessung

#9

Beitrag von schwarzwaldbrauer »

Boludo hat geschrieben: Sonntag 3. Juli 2022, 21:14
Frommersbraeu hat geschrieben: Sonntag 3. Juli 2022, 20:30 Stellt sich eher die Frage, wie genau muss die Temperatur gemessen werden?
Die Amylasen haben ja doch einen recht breiten Arbeitsbereich, wenn man dann immer von Thermometern mit 0,1°C Genauigkeit hört, frag ich mich ob für 60 - 68°C nicht auch ein einfaches Schätzeisen genügt :Waa
Wenn man es schafft, die Maische eine Stunde lang zwischen 60° und 70°C zu halten, kommt dabei normalerweise eine gut vergärbare Würze heraus.
Deshalb ist es wichtig die Daten festzuhalten. Wenn ein Sud gut war, kann man den reproduzieren wenn die Vorgaben und Randbedingungen unverändert sind.
Grüßle Dieter
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Re: Temperaturmessung

#10

Beitrag von JackFrost »

Wenn das Schätzeisen immer die gleich Abweichung hat kann ich damit auch die Umgebungsbedingungen bestimmen und dann bei gleichen Bedingungen einen Sud reproduzieren.

Die Frage ist halt was ist es einem mehr wert, einmal im Jahr eine Überprüfung seiner Thermometer oder evtl. der eine oder andere Sud der nicht so geworden ist wie man das möchte. Es kann auch sein das die Thermometer lange ohne Abweichung laufen und dann nicht mehr so passen.

Ich persönlich gehe lieber den ersten Weg und überprüfe meine Sensorik, wenn ich dann mal ein Rezept bei MMuM einstelle, dann weiß ich das meine Temperaturen passen. Auch der Referenzwiderstand für meinen PT100 ist ein Präzisionswiderstand mit 0,1% Toleranz und einer Temperaturdrift von 25 ppm/K. Die Breakoutboards die man für das gleiche IC kaufen kann haben einen Widerstand mit 5% und 200 ppm/K Temperaturdrift. Mit dem kann man auch gut messen.

Aber selber kennt man sein Anlage ja am besten und jedes Rezept muss man eh auf seine Anlage anpassen. Mit den Temperaturen in den Rezepten sieht man wie der Maischeplan ist und wenn man nicht rührt und weiß wie sein AVG. Mit dem AVG aus dem Rezept kann man dann den Maischeplan anpassen das es mit seiner Anlage passt.

Ich finden wenn man die Temperaturen in einem Rezept in Frage stellt wie, wo und womit da gemessen wurde. Dann kann auch gleich alles in Frage stellen. Hat die Waage für die Hopfengaben gepasst. Wie wurde die Zeit gemessen.

Ich gehe bei jeden Rezept davon aus das das alles gepasst hat. Und nach mehr als 2 Jahren brauen denke würde man einen "komischen" Maischeplan erkennen.

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Re: Temperaturmessung

#11

Beitrag von Darkenemy »

Ich denke, man kann sich gerne die Mühe machen und minutiös die Temperatur messen (mache ich strenggenommen teilweise auch), aber so wirklich hilft uns das im Heimbrauerbereich auch nicht, was die Reproduzierbarkeit angeht.

Zwei unterschiedliche Malzchargen oder längere Lagerzeiten zwischen den Suden machen da sicherlich mehr aus. Ich glaube, es ist wichtiger, wie lange man in welchem Temperaturbereich verweilt. Ob das plus/minus ein paar Grad sind, ist da sicherlich egal. Und wer mit Kochmaischen arbeitet, eliminiert einerseits ein paar Temperaturschwankungen, fügt aber andere einflussnehmende Faktoren hinzu.

Ich hatte mal mein Thermometer geschrottet und musste 3/4 des Vorganges ohne arbeiten (inklusive zweier Kochmaischen). Ich hatte die Kochmaischen einfach langsam erhitzt und hatte am Ende eine ordentliche Ausbeute und ein sehr süffiges und gut vergorenes Bier.

Mut zu Schwankungen sollte man haben, wenn man stets etwas Besonderes mit eigener Note genießen möchte, meiner Meinung nach.

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Re: Temperaturmessung

#12

Beitrag von olibaer »

Darkenemy hat geschrieben: Dienstag 12. Juli 2022, 12:08 Ich denke, man kann sich gerne die Mühe machen und minutiös die Temperatur messen (mache ich strenggenommen teilweise auch), aber so wirklich hilft uns das im Heimbrauerbereich auch nicht, was die Reproduzierbarkeit angeht.
Ich bin anderer Meinung.

Wir leben zumeist von Herstellerangaben, Vermutungen, Erfahrungen und Annahmen - alleine das gesamte Rohstoffumfeld ist eine riesen Blackbox. On Top kommen schlampig dokumentierte Rezepte und Verfahrensweisen, die längst in die Jahre gekommen sind. Emotionen und persönliche Präferenzen weichen das ohnehin schon diffuse Umfeld zusätzlich auf.

Begleitend zum Herstellprozess halten wir nicht viele Trümpfe in der Hand, aber ein paar wenige sind es dennoch:
  • unsere Sinne
  • unsere Erfahrung
  • unsere Kommunikation
  • Zeitmessung
  • Temperaturmessung
  • Extraktmessung
Letzteres lässt sich heute mit wenig Aufwand und Investition mit guter Präzision betreiben.
An dieser Stelle noch ein "könnte sein" und ein "vielleicht" einzubauen, das tut nicht Not!
Gruss
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Re: Temperaturmessung

#13

Beitrag von Frommersbraeu »

Puh, da bin ich tatsächlich irgendwo zwischen beiden Meinungen. Die zum Teil übertriebene Messpräzision bei fragwürdiger Genauigkeit (64,2573°C aber eben nur an einer Stelle im Topf) hilft genau so wenig wie gar keine Messung.

Der Punkt Erfahrung gefällt mir persönlich am besten, damit kann ich abschätzen, wenn mein Thermometer einen Wert x über eine gewisse Zeit anzeigt, dann wird es eine gute Ausbeute, trocken, etc.
Schöne Grüße
Patrick


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Re: Temperaturmessung

#14

Beitrag von JackFrost »

Frommersbraeu hat geschrieben: Dienstag 12. Juli 2022, 14:38 Puh, da bin ich tatsächlich irgendwo zwischen beiden Meinungen. Die zum Teil übertriebene Messpräzision bei fragwürdiger Genauigkeit (64,2573°C aber eben nur an einer Stelle im Topf) hilft genau so wenig wie gar keine Messung.
Ich muss natürlich die Genauigkeit meines Messmittels kennen. Wenn mein Thermometer mit 4 Stellen hinter dem Komma eine Genauigkeit von +/- 0,5K hat dann liegt die echte Temperatur zwischen 63,7573 °C und 64,7573 °C. Nehme ich nun ein Thermometer das nur zwei Stellen hinter dem Komma hat aber in dem Bereich von nur +/-0,2 K hat dann ist meine reale Temperatur im Bereich von 64,06°C bis 64,46 °C. Ich kann also genauer Messen obwohl ich weniger Stellen habe.

Gar nicht zu messen bedeutet ich weiss nicht welche Rast ich gerade mache. Wenn ich messe kann ich zusammen mit dem wo hab ich gemessen und wann wurde das letzte mal gerührt und geheizt abschätzen wie homogen meine Temperatur verteilt ist. Das spielt dann alles rein.

Klar einen dauerhafte Durchmischung hat die beste Homogenität nur wenn mein Thermometer +/- 2K macht, dann bringt mir das auch nicht viel.
Mit einem genauen Thermometer in einen Thermopot kann ich bezogen auf die Messtelle und Zeit genauer messen also mit einem schlechten bei dauerhaftem Rühren.

Eine Auflösung von 0,001 K bringt nichts wenn man die Genauigkeit nicht kennt. Aber gar nicht messen heißt ich mach etwas und wenn ich Glück habe wird es kein Blausud
Frommersbraeu hat geschrieben: Dienstag 12. Juli 2022, 14:38 Der Punkt Erfahrung gefällt mir persönlich am besten, damit kann ich abschätzen, wenn mein Thermometer einen Wert x über eine gewisse Zeit anzeigt, dann wird es eine gute Ausbeute, trocken, etc.
Erfahrung ist wichtig, aber die kann ich nur machen wenn ich die Rahmenbedingung kenne.
Und auch dafür brauche ich Messwerte damit ich ableiten kann wann ich welche Temperatur unter welchen Bedingungen sein muss, so das mein Bier so wird wie ich das will. Und auch mit der besten Erfahrung komme ich ohne Messen nicht aus.

Es muss nicht immer eine Thermometer mit zwei Stellen nach dem Komme mit einer Genauigkeit von 0,1K sein. Wenn ich mein Offset des Thermometers kenne dann ich das Ausgleichen. Und wenn ich weiß wann meine Maische das letzte mal homogen war kann ich die aktuelle Messung einschätzen ob sie brauchbar war oder nicht.

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Re: Temperaturmessung

#15

Beitrag von Frommersbraeu »

JackFrost hat geschrieben: Mittwoch 13. Juli 2022, 00:38
Es muss nicht immer eine Thermometer mit zwei Stellen nach dem Komme mit einer Genauigkeit von 0,1K sein. Wenn ich mein Offset des Thermometers kenne dann ich das Ausgleichen. Und wenn ich weiß wann meine Maische das letzte mal homogen war kann ich die aktuelle Messung einschätzen ob sie brauchbar war oder nicht.
Vielen Dank für die tolle Zusammenfassung! Genau darauf wollte ich hinaus, man muss sich der äußeren Umstände bewusst sein und dem entsprechenden seine Messungen durchführen. Wenn man das konstant für jeden Sud macht, dann kommt die Erkenntnis welches Maischprogramm zu welchem Ergebnis führt, egal ob das Thermometer 2°C zuviel oder zu wenig anzeigt.
Schöne Grüße
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Re: Temperaturmessung

#16

Beitrag von Ladeberger »

"Egal" wären Messabweichungen aber eben nur dann, wenn man Offset des Fehlers kennt und ensprechend korrigierte Werte notiert. Ansonsten sammeln sich in den Sudprotokollen ungenaue Temperaturmesswerte, die mit fortschreitender Messabweichung oder beim Wechsel des Messmittels als Referenz hinfällig werden.

Gruß
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Re: Temperaturmessung

#17

Beitrag von Darkenemy »

olibaer hat geschrieben: Dienstag 12. Juli 2022, 13:11 Begleitend zum Herstellprozess halten wir nicht viele Trümpfe in der Hand, aber ein paar wenige sind es dennoch:
  • unsere Sinne
  • unsere Erfahrung
  • unsere Kommunikation
  • Zeitmessung
  • Temperaturmessung
  • Extraktmessung
Letzteres lässt sich heute mit wenig Aufwand und Investition mit guter Präzision betreiben.
An dieser Stelle noch ein "könnte sein" und ein "vielleicht" einzubauen, das tut nicht Not!
Ok, dann kauft man sich ein schnell anschlagendes und präzises Thermometer, ein entsprechendes Refraktometer und weiß dann am Ende immer noch nicht die genaue Enzymzusammensetzung des Malzes und hält eine vermutlich mehrere Monate alte Analyse der örtlichen Wasserwerke in der Hand, etc.

Ich denke - zumindest bis zu einem gewissen Grad - ist der Gedanke, von Sud zu Sud 1 zu 1 das gleiche Bier zu brauen, selbst wenn man penibel Zeiten und Temperaturen einhält, ein gutes Stück Illusion.

Die Erfahrung hilft uns da sicherlich, gegenzulenken, aber auch das sind lediglich unspezifische und schwer normierbare Interventionen. Ich denke, nicht umsonst betreiben Großbrauereien Labore und riesen Aufwände, um immer wieder das gleiche Bier zu produzieren.
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Re: Temperaturmessung

#18

Beitrag von JackFrost »

Darkenemy hat geschrieben: Donnerstag 14. Juli 2022, 11:46
Ok, dann kauft man sich ein schnell anschlagendes und präzises Thermometer, ein entsprechendes Refraktometer und weiß dann am Ende immer noch nicht die genaue Enzymzusammensetzung des Malzes und hält eine vermutlich mehrere Monate alte Analyse der örtlichen Wasserwerke in der Hand, etc.

Ich denke - zumindest bis zu einem gewissen Grad - ist der Gedanke, von Sud zu Sud 1 zu 1 das gleiche Bier zu brauen, selbst wenn man penibel Zeiten und Temperaturen einhält, ein gutes Stück Illusion.

Die Erfahrung hilft uns da sicherlich, gegenzulenken, aber auch das sind lediglich unspezifische und schwer normierbare Interventionen. Ich denke, nicht umsonst betreiben Großbrauereien Labore und riesen Aufwände, um immer wieder das gleiche Bier zu produzieren.
Man kann die Variablen reduzieren.

Das Wasser kann durch Umkehrosmose oder Vollentsalzer angepasst werden. Wenn ich ein VE-Wasser mit sehr ähnlicher Leitfähigkeit aufsalze dann hab ich hier kaum eine Varianz.

Wenn ich öfters das gleiche Bier brauen will, dann kaufe ich einen Sack ungeschrottet Malz, dann ist hier die Varianz auch deutlich kleiner.

Das sind alles Punkte die unter Erfahrung und Wissen fallen. Damit kann man das gleiche Rezept auch im Hobby ähnlich brauen.

Vor allem wenn Anfänger lesen ein paar Grad hin oder her sind egal, dann kann das schon mal eine Blausud geben wenn der Anfänger ein Rezept mit einer 78 °C "Rast" macht und dann halt 81 °C hat. Kombirast bei 65 und 69 °C sind auch was ganz anderes. Sind beides nur 2 K.

Da fehlt ja noch die Erfahrung was ist wichtig in einem Rezept und was ist schmarrn.

Gruß JackFrost
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Re: Temperaturmessung

#19

Beitrag von Innuendo »

JackFrost hat geschrieben: Donnerstag 14. Juli 2022, 12:21 Kombirast bei 65 und 69 °C sind auch was ganz anderes. Sind beides nur 2 K.
Das Ergebnis habe ich bei Tests mit Sensoren aus verschiedenen Quellen ebenfalls erhalten. Bei meinen Tests habe ich auch festgestellt, dass die Abweichung nicht konstant ist (in meinem Test-Setup).
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Re: Temperaturmessung

#20

Beitrag von rakader »

Ich messe grundsätzlich mit einem zweiten Thermometer, bei allen Produktionsprozessen. Beim Maischen und Hopfenkochen kommt immer das Rührwerk zum Einsatz, das große Unterschiede zwischen Temperatur oben und unten nicht zulässt. Bei Gärung und Reifung messe ich in der Mitte des Fermenters zusätzlich zur eingebauten Temperaturanzeige, nie am Rand, nie oben. Die Temperaturabweichungen sind dadurch mit durchschnittlich 1°C minimal, und ich halte sie vertretbar. Dass die Geräte selbst eine Messtoleranz haben, ist mir bewusst. Wo man die Grenze zwischen Hobby und Professionell zieht, muss jeder für sich unterscheiden. Ein gutes Mittelmaß ist dem Hobby nicht abträglich.

Mit ist jedenfalls bei Braukollegen aufgefallen, die sich zu viel Gedanken bei dem Thema gemacht haben, dass sie ihre Prozesse verschlimmbessert haben, in dem sie oben die Maische maßen und dann einfach mal 5-6°C dazugaben. Ein Rührwerk nannten sie nicht ihr eigen und permanentes Rühren war ihnen offenkundig zuwider. Natürlich war das Ergebnis dann ein anderes Bier als das im Rezept beschriebene.

Wenn es um reproduzierbare Biere geht, bin ich mit der Zweifachmessung bisher jedenfalls nicht schlecht gefahren - und zwei Biere steuern jetzt auf ihre 15. Auflage zu. Das fachliche Ingenieurswissen, wie hier dargestellt, benötige ich nicht, ich bin aber auch nicht auf der Schiene zu laisser-faire mit dem Thema umzugehen. Gleichfalls sind die technischen Ausführungen interessant und die Ableitungen wie von @JackFrost, und dem Thema Blausud bei Nachlässigkeit sollte man unbedingt Beachtung schenken. Man muss ja nicht seine ganze Wissenschaft mit drei Stellen hinter dem Komma und unbekannten Einheiten mitgehen (sorry, Jack - ich steige bei W / mk und aus - das ist mir too much).

Für Anfänger empfiehlt es sich jedenfalls nicht zu früh und bei zu niedriger Temperatur abzumaischen. Immer wieder liest man von Rezepten, die der Maltoserast nur 25 Minuten geben und sich dann spätestens bei der Gärung wundern. Jodprobe ist dabei immens wichtig. Die darf nie vernachlässigt werden. Aber es braucht auch niemand auf 78°C zum Abmaischen aufzuheizen, nur weil es in viel Rezepten steht. 74-75°C reichen eigentlich immer zuverlässig.

Temperatur darf auch nicht isoliert betrachtet werden. Zeit kann vieles, was die Temperatur macht, ausgleichen. Ein gutes Beispiel ist die Übernachtmaische. Bei der maischt man in einem besonders gut isolierten Kessel mit einem 68°C warmen Sud und läutert mit 63°C ab - 8-12 Stunden verzuckern das Malz ebenso gut wie eine höhere Temperatur.

Gruß
Radulph

Edit: Die Dokumentation erledige ich mit dem kleinen Brauhelfer. Der hält für jeden Prozessschritt Freiformfelder parat, in die ich die Messungen von Temperatur, pH und Stammwürze eintrage. Die Mühe mit Excel-Auswertung mache ich mir (noch) nicht.
Aber @olibaer hat das in #12 schon viel besser auf den Punkt gebracht. Seine 6 Punkte sollte sich jeder Anfänger einhämmern.
---
Viele Grüße / Regards
Radulph Kader
Rezepte, Tipps und Stories von Malte by Stubby Hobbs
Neu: Serie Brauzucker selber machen
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Re: Temperaturmessung

#21

Beitrag von Frommersbraeu »

Hallo Radulph,
eine sehr interessante Vorgehensweise mit den beiden Thermometern. Was sagt denn deine Erfahrung zu den Temperaturunterschieden an beiden Messstellen? Darüber könnte man sehr schön abschätzen welche Genauigkeit fürein einzelnen Sensor überhaupt Sinn ergibt, ohne W/mK und dergleichen zu bemühen.
Schöne Grüße
Patrick


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Re: Temperaturmessung

#22

Beitrag von rakader »

Frommersbraeu hat geschrieben: Dienstag 19. Juli 2022, 07:13 Hallo Radulph,
eine sehr interessante Vorgehensweise mit den beiden Thermometern. Was sagt denn deine Erfahrung zu den Temperaturunterschieden an beiden Messstellen? Darüber könnte man sehr schön abschätzen welche Genauigkeit fürein einzelnen Sensor überhaupt Sinn ergibt, ohne W/mK und dergleichen zu bemühen.
Das habe ich oben ausgeführt: 1°C bis max 1,5°C. Das ist aber beim Brauprozess extrem abhängig von einer guten Traktion vor allem von unten nach oben. Meinem Erleben nach kommt es da ganz stark auf die Konstruktion des Rührwerks an.

Im Fermenter sind die Temerpaturunterschiede natürlich größer - meiner Erfahrung nach können das bis zu 4°C sein. Eine gleichmäßige Verteilung darfst Du Dir da nicht erwarten, die Hefe selbst ist für unterschiedliche Temperaturen in den Regionen - neben anderen Faktoren - verantwortlich. Ein einzelner Sensor macht hier keinen Sinn, sondern wohl nur mehrere verteilt wie bei Profigeräten. Deswegen messe ich in der Mitte, das ist meiner Erfahrung nach die Region, die dem Mittelwert am nächsten kommt.

Automatisiert heißt das: Es macht nur mit verschiedenen Messpunkten Sinn, ansonsten ist Handarbeit und die Ermittlung eines Mittelwertes angesagt. Um Deine Frage zu beantworten: ein einzelner Sensor macht meiner Erfahrung nach keinen Sinn. Streiche am besten die Erwartung einen dahingehend genauen Messwert zu erhalten. Ein einzelner Sensor gibt Orientierung - aber das genügt ja schon oft.

Gruß
Radulph

Edit: Ein gutes Rührwerk erkennt man wohl am Anstellwinkel einzelner Flügel des Maischepaddels; das soll nicht nur den Treber auflockern, sondern auch untere Treberregionen nach oben führen . Ich meine, das MattMill Impeller-Rührwerk ist da ganz gut konstruiert. Aber da finden sich hier sicher Experten, die dazu mehr sagen können
---
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Re: Temperaturmessung

#23

Beitrag von DevilsHole82 »

In der Hochgärphase ist es vermutlich egal, ob man in der Mitte, oben oder unten misst. Jedenfalls bei unseren kleinen Hobby-Gärtanks. Wenn ich mir die starke Konvektion im Fermzilla anschaue ist da eine Temperaturschichtung fast schon unmöglich.

Ich messe bei der Gärung - erfolgt im geregelten Kühlschrank mit Inkbird - außen am Tank und isoliere den Sensor nach Außen ein bisschen mit EPS. Dadurch hab ich eine kombinierte Messung der Innen- und Umgebungstemperatur und reduziere damit die Hysterese. Die bei einer mittigen Messung sehr groß werden kann.
Gruß, Daniel

Was von Herzen kommt gelingt, weil's einen gibt, der die Kelle schwingt. Heute back ich, morgen brau ich, wer heimlich nascht, den verhau ich.
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Re: Temperaturmessung

#24

Beitrag von Frommersbraeu »

Also ein gutes Argument gegen Temperaturmessung im Zehntel Bereich und einfach mal eine Maltose-Rast bei 64 - 67°C anzugeben.
Da braucht es dann auch keine extrem exakte Regelung, das kann auch jeder auf dem Küchenherd nachvollziehen. Wenn man hier manchmal mit liest, bekommt man echt Angst dass ein Bier nix wird weil man 0,5°C bei der Rast-Temperatur daneben liegt...
Schöne Grüße
Patrick


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Re: Temperaturmessung

#25

Beitrag von rakader »

Frommersbraeu hat geschrieben: Dienstag 19. Juli 2022, 10:12 Also ein gutes Argument gegen Temperaturmessung im Zehntel Bereich und einfach mal eine Maltose-Rast bei 64 - 67°C anzugeben.
Da braucht es dann auch keine extrem exakte Regelung, das kann auch jeder auf dem Küchenherd nachvollziehen. Wenn man hier manchmal mit liest, bekommt man echt Angst dass ein Bier nix wird weil man 0,5°C bei der Rast-Temperatur daneben liegt...
Die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte. Ein gutes Argument gegen genaue Temperaturangaben gibt es nicht. Wem es egal ist, ob seine Maltoserast bei 64°C oder 67°C abläuft, macht vielleicht Bier, aber kein sehr gutes Bier. 0,5°C Schwankungspanik ist natürlich das was sie ist: Amok.

Edit: Man sollte sich nicht von Temperaturspitzen während des Maischeprozesses kirre machen lassen. Nach dem Aufheizen springt bei mir auch kurzzeitig mal die Temperatur in der Messregion 2°C über Wert. Mit Rührwerk tritt dieses Verhalten nicht auf. Entscheidend ist der Mittelwert. Und dazu ist eine permanente Protokollierung, wie hier von anderen bereits angeführt, unerlässlich. Daraus ergibt sich dann ein verlässlicher Mittelwert. Das ist auch genau der Punkt, wo Erfahrung ihre Stärke ausspielt.
Auf der anderen Seite: Ich vermeide wegen der Spitzen ein Abmaischen bei 78°C und bleibe mind. 2°C darunter.

Die Schwankungen im Gärprozess lassen sich übrigens mit einer iSpindel gut aufzeichnen. Ein Tool wie Ubidots visualisiert da den Mittelwert des Hydrometers.
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Re: Temperaturmessung

#26

Beitrag von mb1i3er »

rakader hat geschrieben: Dienstag 19. Juli 2022, 10:16

Wem es egal ist, ob seine Maltoserast bei 64°C oder 67°C abläuft, macht vielleicht Bier, aber kein sehr gutes Bier.
Zumindest die Reproduzierbarkeit des Sudes leidet bei solchen Temperaturschwankungen. Ob das gleich "kein sehr gutes Bier" mehr macht, sei mal dahin gestellt.
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Re: Temperaturmessung

#27

Beitrag von Ladeberger »

Die Formulierung von Radulph klingt etwas drastisch, aber ich muss ihr im Kern zustimmen. Reproduzierbarkeit und hohe Qualität (-> "sehr gutes Bier") sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille. Es geht einheitlich um die Minimierung der sensorischen Abweichung zwischen Soll-Zustand (Rezept) und Ist-Zustand (fertiges Bier).

Der Unterschied ist, dass man Reproduzierbarkeit mittels direktem Vergleich leichter bestimmen kann. Die Ermittlung einer Abweichung zwischen SOLL und IST fällt bei neuen oder selten gebrauten Rezepten/Bierstilen hingegen deutlich schwieriger aus, da man sich im Vergleich nur auf externe Referenzen und eigene Erfahrungen stützen kann. Schnell tappt man in diesem unscharfen Umfeld in die Falle, ein Bier hinterher als Ergebnis eines Rezepts zu deklarieren, obwohl es zu nicht unerheblichem Teil die Folge von unkontrollierten Variablen war. Das verschleiert den Blick auf die Wirkzusammenhänge des Brauens.

Natürlich können diese Biere immer noch hervorragend ausfallen und nicht jede Variable hat das gleiche Gewicht fürs Ergebnis, aber diese Herangehensweise bringt einen handwerklich nicht weiter.

Gruß
Andy
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Re: Temperaturmessung

#28

Beitrag von rakader »

Ladeberger hat geschrieben: Dienstag 19. Juli 2022, 11:47 Die Formulierung von Radulph klingt etwas drastisch, aber ich muss ihr im Kern zustimmen. Reproduzierbarkeit und hohe Qualität (-> "sehr gutes Bier") sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille. Es geht einheitlich um die Minimierung der sensorischen Abweichung zwischen Soll-Zustand (Rezept) und Ist-Zustand (fertiges Bier).
Andy drückt es fachlich wie immer korrekt aus und bringt es auf den Punkt. Wenn man die Sensorik als oberstes Ziel im Blick hat, dem sich alle anderen Abwägungen unterordnen, weil sie dem obersten Ziel zuarbeiten, ist man auf dem richtigen Weg zum reproduzierbaren Bier.

Interessant finde ich den Einwand mit selten gebrauten Bieren und dem inhärenten false bias. Da muss ich mir mal Gedanken machen.

Es wäre sicher einmal interessant Prozessschritte- und -parameter und ihre Ebenen in einer Matrix darzustellen, besser in einer Logical Framework-Matrix (LFM), wo auch Störfaktoren benannt sind, wie man es aus der Projektentwicklung kennt; das bedeutete hier im Thread, die Temperaturmessung richtig einzuordnen. Ich wüsste nicht, dass es so etwas schon gibt - wäre vermutlich ein Thema für eine Masterarbeit oder eine Promotion an einer Hochschule. Oder gibt es das schon?

Allenthalben danke für die Einordnung, @Ladeberger.

Grüße
Radulph

Edit: Wenn ich Rezepte entwickle, hat jedes Grad °Celsius und jede Zeitentscheidung seinen Grund. Der Grund ist immer der, dass ich eine sensorische Vorstellung habe, die ich mit der gewählten Temperatur etc. erreichen möchte. Die Temperatur etc. orientiert sich dabei an den thermochemischen Prozessen (sagt man das so?) sowie an Eigenheiten des eingesetzten Naturproduktes. Temperatur etc. ist also kein Selbstzweck, sondern dient als bewusste Entscheidung der Geschmacksidee, die mit der von Andy erwähnten Vergleichbarkeit von Sud zu Sud besser getroffen wird und sich stabilisiert. Ich brauche in der Regel 3-4 Sude eines Rezeptes, bis Reproduzierbarkeit erreicht ist. Diesen Aufwand macht man natürlich nur mit seinen Leuchttürmen. Was mir noch fehlt, sind jährliche Schwankungen bei Hopfen und Malz auszugleichen - aber da kann Andy vielleicht etwas dazu sagen…

Edit2: Ich finde es übrigens gut, sich über Temperatur Gedanken zu machen. Das gibt dem Brauer über kurz oder lang mehr Möglichkeiten zusätzlich zur üblichen sogenannten Kombirast, wo das Potenzial einer Temperatursteuerung meiner Ansicht nach verschenkt wird, hin zu einem erweiterten Spektrum an Möglichkeiten durch eine mehrstufige Maischeführung, die Maischearbeit bewusst steuert.
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Re: Temperaturmessung

#29

Beitrag von mb1i3er »

rakader hat geschrieben: Dienstag 19. Juli 2022, 12:21

Temperatur etc. ist also kein Selbstzweck, sondern dient als bewusste Entscheidung der Geschmacksidee, die mit der von Andy erwähnten Vergleichbarkeit von Sud zu Sud besser getroffen wird und sich stabilisiert. I
Puh, so schön könnte ich das nie sagen.

Ist wahrscheinlich das Gleiche, aber ich sehe das eher von der praktischen Seite. Bei mir entsteht ein neues Rezept entweder aus einer Vorlage oder ergibt sich aus dem Rohstoffvorrat. Oder aus einer Mischung von beidem. Wenn das Bier im Glas ist, dann will ich das tolle Bier entweder wieder brauen können, oder ich sehe noch Bedarf für Feintuning (manchmal weiss ich auch, dass ich das nicht mehr brauen will, dann ist`s aber eh` egal). In beiden Fällen ist die Reproduzierbarkeit entscheidend. Im ersten liegt`s auf der Hand, im zweiten ist`s für mich noch wichtiger: Ich kann nur was ändern, wenn ich vorher weiss, was ich gemacht habe. Vor allem das ist es, was einen handwerklich weiter bringt.


Ladeberger hat geschrieben: Dienstag 19. Juli 2022, 11:47 Reproduzierbarkeit und hohe Qualität (-> "sehr gutes Bier") sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille. Es geht einheitlich um die Minimierung der sensorischen Abweichung zwischen Soll-Zustand (Rezept) und Ist-Zustand (fertiges Bier).
Irgendwie geht das auch in die gleiche Richtung, trotzdem widerspreche ich mal dieser Formulierung. Merke ich jedes Mal, wenn ich im Getränkemarkt bin. Da finde ich Biere, die sehr treffsicher reproduziert werden, mit sehr gutem Bier für mich oft aber wenig zu tun haben. Das mag aber subjektiv sein.
Ich bremse auch für Biere
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