Hefe identifizieren

Antworten
Benutzeravatar
Bergbock
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1474
Registriert: Mittwoch 17. Dezember 2008, 22:07
Wohnort: Baselbiet

Hefe identifizieren

#1

Beitrag von Bergbock »

Da ich mich im Moment etwas näher mit Hefen beschäftige, hat folgende Frage meine Aufmerksamkeit erregt, zumal ich sie schlichtweg nicht beantworten konnte:

Es existieren ja x verschiedene Hefestämme, die bspw. von Weihenstephan, Wyeast oder Whitelabs vertrieben werden. Jeder Stamm hat seine charakteristischen Vergärungsprofile und wird dementsprechend für den passenden Biertyp empfohlen.
Die Frage, die im Raum stand war, wenn eine Reinzucht auf (theoretisch) eine Zelle zurückgeht, wie wird bestimmt, welcher Typ diese Zelle nun genau ist? Also, wenn ich durch ein Mikroskop schaue, kann ich da schon sehen, ob das der Stamm W34/70 oder W105 ist? Dass ober- und untergärig so unterscheidbar ist, ist bekannt aber was ist die Methode, um den Stamm eindeutig zu identifizieren? Jedesmal eine DNA Analyse zu machen, kann ich mir kaum vorstellen. :puzz

Frank
Mailänder
Posting Senior
Posting Senior
Beiträge: 391
Registriert: Donnerstag 19. Oktober 2017, 17:49

Re: Hefe identifizieren

#2

Beitrag von Mailänder »

Stichwort: Polymerase-Kettenreaktion.

Ist zwar nicht billig, aber günstiger und schneller als eine komplette DNA-Sequenzierung.
Benutzeravatar
Flothe
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1310
Registriert: Freitag 18. September 2015, 23:33
Wohnort: Leuven [BE]

Re: Hefe identifizieren

#3

Beitrag von Flothe »

Jap, das ist korrekt. Jeder Hefestamm besitzt sogenannte Barcode-Gene. Das sind Genabschnitte, die bei jedem Stamm anders ausgeprägt sind, und somit eine Identifizierung mittels PCR ermöglichen. Meistens sind das Abschnitte der mitochondrialen DNA, aber z.B. auch chromosomale Gene, die für ribosomale RNA kodieren.

Die Sequenzierung des kompletten Genoms ist auch möglich, aber momentan noch zu aufwändig und teuer. Die Entwicklung der Sequenzierungstechniken ist jedoch so rasant, dass es vermutlich in wenigen Jahren schon Geräte geben wird, in die man ein Stäbchen wie beim Blutzuckermessgerät steckt, und dass einem dann in wenigen Minuten den Stamm ausspuckt. Eventuell können dann sogar Mischkulturen auf ihre Zusammensetzung analysiert werden. Aber noch ist das Zukunftsmusik.

Eine Unterscheidung vom Phänotyp her (also Aussehen der Zelle, Stoffwechselprodukte, etc.) ist möglich, aber extrem aufwändig und nicht praktikabel.

LG Florian

Jeder Tag ohne Bier ist ein Gesundheitsrisiko.
- Zitat: Hildegard von Bingen in ihrem Buch über Heilverfahren "Causae et Curae"
Benutzeravatar
flying
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 13294
Registriert: Donnerstag 14. August 2008, 18:44

Re: Hefe identifizieren

#4

Beitrag von flying »

Die Methoden der Reinzucht sind ja über 100 Jahre alt. Damals gab es noch keine Genanalyse. Es wurde mittels Impföse eine stark verdünnte Gärprobe im "Zickzack" auf eine Petrischale mit Würzeagar gestrichen (Verdünnungsstrich).
Auf dem Würzeagar wuchsen dann, quasi jeweil aus einer Zelle, halbkugelige Hefekolonien. An der gleichmässigen Form und Farbe der Kolonien konnte man dann sehen ob die Hefekultur "rein" ist.
Held im Schaumgelock

"Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
Benutzeravatar
§11
Moderator
Moderator
Beiträge: 9364
Registriert: Freitag 30. Oktober 2015, 08:24

Re: Hefe identifizieren

#5

Beitrag von §11 »

flying hat geschrieben: Mittwoch 19. September 2018, 20:27 Die Methoden der Reinzucht sind ja über 100 Jahre alt. Damals gab es noch keine Genanalyse. Es wurde mittels Impföse eine stark verdünnte Gärprobe im "Zickzack" auf eine Petrischale mit Würzeagar gestrichen (Verdünnungsstrich).
Auf dem Würzeagar wuchsen dann, quasi jeweil aus einer Zelle, halbkugelige Hefekolonien. An der gleichmässigen Form und Farbe der Kolonien konnte man dann sehen ob die Hefekultur "rein" ist.
Eben. Ihr geht oben den Weg falsch rum an. Nachdem Hansen die Prinzipien verstanden hat, wurden aus Bieren, die eben ein gutes Aroma (oder andere Eigenschaften) aufwiesen, Hefen durch Verdünnung und Ausstriche isoliert und dann als Reinzucht fortgeführt.

Das ist ja der Grund warum man dann heute mit PCR und dergleichen plötzlich feststellt das so manche Stämme eigentlich der selbe Stamm ist.
„porro bibitur!“
Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
Die Seite zur HBCon https://heimbrauconvention.de/
https://headlessbrewer.wordpress.com/
Mailänder
Posting Senior
Posting Senior
Beiträge: 391
Registriert: Donnerstag 19. Oktober 2017, 17:49

Re: Hefe identifizieren

#6

Beitrag von Mailänder »

flying hat geschrieben: Mittwoch 19. September 2018, 20:27 Die Methoden der Reinzucht sind ja über 100 Jahre alt. Damals gab es noch keine Genanalyse. Es wurde mittels Impföse eine stark verdünnte Gärprobe im "Zickzack" auf eine Petrischale mit Würzeagar gestrichen (Verdünnungsstrich).
Auf dem Würzeagar wuchsen dann, quasi jeweil aus einer Zelle, halbkugelige Hefekolonien. An der gleichmässigen Form und Farbe der Kolonien konnte man dann sehen ob die Hefekultur "rein" ist.
"Rein" heißt nicht unbedingt "Stamm XYZ". Verwechsungen gab's damals oft, heute kann man zum Glück mit 100% Sicherheit feststellen ob der Endkunde aus Versehen nicht was anderes geliefert bekommt als eben bestellt.
Man kann auch "phänotypisch" die gleiche Kontrolle durchführen indem man einen Standardsud führt und dann mehrere Gärnebenprodukte analytisch bestimmt. Das ist aber leider:

A - Nicht so genau
B - Auch nicht billig und mit einem nicht unerheblichen Zeitaufwand verbunden
Benutzeravatar
Flothe
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1310
Registriert: Freitag 18. September 2015, 23:33
Wohnort: Leuven [BE]

Re: Hefe identifizieren

#7

Beitrag von Flothe »

Mailänder hat geschrieben: Mittwoch 19. September 2018, 21:54 "Rein" heißt nicht unbedingt "Stamm XYZ". Verwechsungen gab's damals oft, heute kann man zum Glück mit 100% Sicherheit feststellen ob der Endkunde aus Versehen nicht was anderes geliefert bekommt als eben bestellt.
Man kann auch "phänotypisch" die gleiche Kontrolle durchführen indem man einen Standardsud führt und dann mehrere Gärnebenprodukte analytisch bestimmt. Das ist aber leider:

A - Nicht so genau
B - Auch nicht billig und mit einem nicht unerheblichen Zeitaufwand verbunden
:goodpost:

Isolation != Identifikation

Was sich Taxonomen mitunter mühsamst mittels Phänotypisierungen über Jahrhunderte aufgebaut haben, kassiert die moderne Genetik momentan teilweise im Vorbeigehen wieder ein.

LG Florian

Jeder Tag ohne Bier ist ein Gesundheitsrisiko.
- Zitat: Hildegard von Bingen in ihrem Buch über Heilverfahren "Causae et Curae"
Benutzeravatar
flying
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 13294
Registriert: Donnerstag 14. August 2008, 18:44

Re: Hefe identifizieren

#8

Beitrag von flying »

So isses wohl! So soll bayrische Weißbierhefe ursprünglich mal eine eher wilde Torulaspora gewesen sein. Heute stellt man plötzlich fest, dass Weißbierhefe sehr nah mit japanischen Sakehefen verwandt sein soll?

Von der Theorie über den Ursprung der heutigen S. Cerevisia Carsbergensis mal ganz zu schweigen...
Held im Schaumgelock

"Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
Antworten