In NaCl-Lösung eingelagerte Hefe tot

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bierfaristo
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In NaCl-Lösung eingelagerte Hefe tot

#1

Beitrag von bierfaristo »

Hallo zusammen,


Ich habe vor gut 18 Monaten eine Hefe auf NaCl eingelagert. Die Hefe war die Wyeast 3068, geentert wurde aus den Hochkräusen. Gelagert wurde die Hefe bei ca. 4°C im Kühlschrank.
Hatte die Hefe jetzt erst wiederentdeckt und wollte einen Starter ansetzen und die Hefe dann wieder einlagern. Nachdem sich beim Starter nach 24h immer noch nichts getan hatte, kamen mir doch gewisse Zweifel bezüglich der Vitalität der Hefe. Also habe ich eine Probe mit Methylenblau unter dem Mikroskop betrachtet. Ergebnis: alles blau. Bzw. fast alles blau, einzelne Zellen erschienen ungefärbt, ich gehe aber dennoch davon aus, dass sie tot waren. Auch schien mir die Zelldichte nicht sehr hoch, da fehlt mir aber ein wenig die Erfahrung, das Sediment in der Glasflasche ließ sich sehr schlecht aufschütteln, sodass nur ein Teil in Suspension gegangen ist.
Nun bin ich also auf Ursachensuche und habe bisher eigentlich nur zwei mögliche Erklärungen/Theorien für das tragische, plötzliche und unerwartete Ableben einer lieb gewonnen Hefe gefunden. :Shocked

1. Die Hefe war einfach zu alt.
2. Die Flasche stand unter leichtem Druck und dies hat der Hefe geschadet.

Ich tendiere zu Möglichkeit 1. Häufig liest man ja einer problemlosen Lagerzeit von ca. 12 Monaten, ich hätte aber nach 18 Monaten nicht den Tod einer kompletten Zellkultur erwartet. Es gibt ja auch Berichte von Hefen, die nach deutlich längerer wieder reaktiviert wurde.
Möglichkeit 2 würde ich fast ausschließen. Zum einen kann der Druck nicht besonders hoch gewesen sein, zum anderen ist der Druckaufbau auch nicht schlagartig passiert, sodass die Zellen eigentlich genügend Zeit zu einem Druckausgleich über die Zellmembran hatten. Beim Druckabbau beim Einstechen in den Flac geht natürlich nahezu schlagartig. Außerdem müsste nach dieser Theorie jede Hefe aus Bodensatz in Flasche tot sein.

Ist das schlüssig? Hat irgendjemand noch weitere Ideen oder evtl. ähnlich Erfahrungen?

Christian
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Flothe
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Re: In NaCl-Lösung eingelagerte Hefe tot

#2

Beitrag von Flothe »

Hallo Christian.

Frei nach Ockhams Rasiermesser tippe ich hier mal ganz klar auf Ursache 1. Die Kultur war einach zu alt.
Manche Stämme stecken Hungerstress halt besser weg (= überleben länger) und andere eben nicht. Dann ist nach 18 Monaten der Zenit halt schon deutlich überschritten.

Ich nehme auch sehr stark an, dass dieses "böse Erwachen" hier auch noch bei anderen stattfinden wird. Besonders bei Hefestämmen, die man mal irgendwann eingelagert hat und dann nach 1-2 Jahren feststellt: "Hab ich ja noch nie benutzt, jetzt wirds aber mal Zeit."
Die NaCl-Methode erfreut sich ja seit gut einem Jahr hier außerdordentlicher Beliebtheit. Weils halt so einfach und vielversprechend ist. Man braucht nur Material aus Apotheke oder Onlineshop und einen Kühlschrank und schon gehts los.

Letztlich muss man sich das Überleben seiner Hefezellen halt irgendwie erkaufen. Der Königsweg ist einfach eine tiefe Temperatur. Nicht umsonst lagern alle professionellen Hefebanken ihre Stämme im -80-°C- Schrank und manche Labors ihre besonderen Schätze sogar durchgehend in flüssigem Stickstoff (-196 °C).
Je höher die Lagertemperatur desto mehr biochemische Pozesse laufen weiterhin ab -> Verfall der Zelle. Deshalb müssen solche Kulturen halt aufwendig gepflegt werden und immer wieder angezogen und neu konserviert werden. Selbst für die Lagerung bei -80 °C empfehlen manche Quellen eine Erneuerung der Cryo-Kultur alle paar Jahre bis Jahrzehnte.

Es bleibt also die Wahl zwischen Investition in ein sündteures Gerät + laufende Stromkosten oder die regelmäßige Investition von Arbeitszeit zum Erhalt der Hefeschätzchen.

LG Florian

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Re: In NaCl-Lösung eingelagerte Hefe tot

#3

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Volle Zustimmung. Hefen in NaCl erneuere ich alle 6-9 Monate. Man sieht die Autolyse sogar rechtzeitig, wenn man in das NaCl-Fläschchen schaut. Über dem zuvor glatten und beigefarbenem Hefesediment bildet sich ein diffuser, nicht kompakter, "Schleim". Dann sollte man sich um eine baldige Erneuerung kümmern. Die Hefeschicht wird danach zunehmend grauer. Spätesten jetzt wird es höchste Zeit zum Umtopfen der Hefe. Bei Kryoperlen "garantieren" die Hersteller in ihren Datenblättern auch nur 2-3 Monate Überleben der Kultur, bei einer Lagerung bei -18°C, obwohl die Lagerdauer über 2 Jahre effektiv gut funktioniert. Die teilweise winzigen Laborkühlschränke mit -70 oder -140 °C kosten gebraucht noch mehrere Tausender. Das wird etwas Overkill. Dann lieber von Zeit zu Zeit die NaCl- und Kryohefen erneuern und mit dem Risiko leben, dass ggf. auch mal eine davon kaputt geht.

PS: Nach 24 Stunden kommen die länger lagernden NaCl Hefen bei mir ebenfalls nicht immer an. Das dauert auch mal 2 oder 3 Tage. Kryoperlen lassen sich in der Regel noch 1-2 Tage mehr Zeit.
Zuletzt geändert von DerDerDasBierBraut am Mittwoch 24. Oktober 2018, 13:30, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: In NaCl-Lösung eingelagerte Hefe tot

#4

Beitrag von Flothe »

DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Mittwoch 24. Oktober 2018, 13:19 Die teilweise winzigen Laborkühlschränke mit -70 oder -140 °C kosten gebraucht noch mehrere Tausender. Das wird etwas Overkill.
Das ruft wieder die Erinnerung in mir wach, dass ich vor einger Zeit ma über eine zentral geführte Hobbybrauer-Hefebank nachgedacht habe, bei der man solche Investitionen gemeinsam schultert.
Aber da muss halt auch jemand viel (Frei-)Zeit und Herzblut reinstecken und letztlich bleibt die Gewissheit, dass Institutionen wie in Weihenstephan da einfach ein paar Jahrzehnte mehr Expertise ins Feld führen können.

LG Florian

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Re: In NaCl-Lösung eingelagerte Hefe tot

#5

Beitrag von flensdorfer »

Und immer das mögliche "Problem" mit dem Einfachzucker im DME im Hinterkopf haben, falls DME für den Starter verwendet wird.
Gruß, Arne

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jemo
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Re: In NaCl-Lösung eingelagerte Hefe tot

#6

Beitrag von jemo »

DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Mittwoch 24. Oktober 2018, 13:19 PS: Nach 24 Stunden kommen die länger lagernden NaCl Hefen bei mir ebenfalls nicht immer an. Das dauert auch mal 2 oder 3 Tage. Kryoperlen lassen sich in der Regel noch 1-2 Tage mehr Zeit.
Ich friere die Hefe mit Glyzerin ein und das dauert im Mittel drei Tage, bis die nach Auftauen wieder aktiv ist. Allerdings habe ich selbst nach drei Jahren noch keine Probleme gehabt, die Hefen wieder aufzuwecken.
Viele Grüße,
Jens
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Re: In NaCl-Lösung eingelagerte Hefe tot

#7

Beitrag von Humulus »

DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Mittwoch 24. Oktober 2018, 13:19 Hefen in NaCl erneuere ich alle 6-9 Monate.
Hallo Jens,
wie machst du das mit der Erneuerung bzw. dem Umtopfen?
Dank und Gruß,
Matthias
Mailänder
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Re: In NaCl-Lösung eingelagerte Hefe tot

#8

Beitrag von Mailänder »

18 Monate bei 4°C ist wirklich sehr viel verlangt, ein Einfrieren ist die einzige Lösung wo man ausreichend Chance auf Erfolg hat.
Hefebanken sind übrigens auf Austrocknung umgestiegen/werden umsteigen, ist viel günstiger als flüssiger Stickstoff und ist genau so wirksam wie Einfrieren, aber bei der Reinzucht da reicht's tatsächlich aus wenn aus der Probe eine einzige lebendige Zelle sich auffinden lässt. Ob die gesamte Vitalität bei 90% oder nur 0,9% liegt ist Wurscht wenn man Milliarden von Zellen mit geringem Platzbedarf lagern kann.
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bierfaristo
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Re: In NaCl-Lösung eingelagerte Hefe tot

#9

Beitrag von bierfaristo »

Danke.
Letztendlich dachte ich mir schon, dass das zu lange war. Die Hefe bekommt jetzt noch eine ordentliche Bestattung und das war es dann. Habe noch ein abgelaufenes Smack-Pack der selben Hefe. Mal sehen, ob da noch was lebt. 😉
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DerDerDasBierBraut
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Re: In NaCl-Lösung eingelagerte Hefe tot

#10

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Humulus hat geschrieben: Mittwoch 24. Oktober 2018, 17:11
DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Mittwoch 24. Oktober 2018, 13:19 Hefen in NaCl erneuere ich alle 6-9 Monate.
...wie machst du das mit der Erneuerung bzw. dem Umtopfen?
Ich ziehe einen neuen Starter aus der Hefe hoch, lasse ihn ausgären, lagere die neu gezogene Hefe in ein neues Ecoflac ein (oder auf Krypoerlen oder Beides) und streiche sie parallel (zur Kontrolle der Reinheit) auf einem Nährboden aus. Wenn der Nährboden nach 4-5 Tagen nur von einer Kultur besiedelt ist, dann ist für mich alles OK und das Ecoflac mit der alten Hefe fliegt in den Müll. Manchmal vorher noch ein Blick durchs Mikroskop, aber nur interessehalber zum Üben ...
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Re: In NaCl-Lösung eingelagerte Hefe tot

#11

Beitrag von Flothe »

Mailänder hat geschrieben: Mittwoch 24. Oktober 2018, 17:12 Aber bei der Reinzucht da reicht's tatsächlich aus wenn aus der Probe eine einzige lebendige Zelle sich auffinden lässt. Ob die gesamte Vitalität bei 90% oder nur 0,9% liegt ist Wurscht wenn man Milliarden von Zellen mit geringem Platzbedarf lagern kann.
In der Theorie ist das natürlich richtig. Eine lebende Zelle reicht im Zweifel. Aber man hat es in der Biologie immer mit statistischen Populationen zu tun in der es an den Rändern auch Abweichler von der Norm gibt. Da schaut man schon blöd in die Röhre, wenn von der ehemals gesunden Kultur nach der Lagerung nur noch die degenerierten Krüppel übrig sind. Also auch bei der Lagerung von Reinkulturen wird schon auf möglichst gesunde Zellen und eine hohe Zelldichte geachtet.

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