Mein Wasser... Gutes Brauwasser?

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StefanK
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Mein Wasser... Gutes Brauwasser?

#1

Beitrag von StefanK »

Hallo liebe Braufreunde,

von Sud zu Sud versuche ich, mich und meine Abläufe zu verbessern. Dazu bleibe ich im Moment meinem Standardrezept (Pale Ale, einfache Schüttung, nur ein Hopfen, dieselbe Hefe) weitgehend treu, um die Auswirkungen vergleichen zu können. Mein letzter Schritt ging vom Wiener Malz zum Pale Ale Malz, aber das Produkt gärt jetzt gerade und wird dann reifen. Für meinen nächsten Brautag (vermutlich Mitte August, nach dem Urlaub) möchte ich nicht nur das Verfahren optimieren (Kühlung), sondern auch an den Rohstoffen feilen. Hier: Am Wasser.

Zum Thema habe ich hier im Forum einige Threats gelesen, in Jans Buch das entsprechende Kapitel und im Braumagazin den einschlägigen Artikel (hier). Dennoch fällt es mir schwer bis unmöglich aus diesen Hintergrundinfos und der fast endlosen Tabelle der Wasserwerte unserer Stadtwerke die konkreten Schritte zur Wasseraufbereitung abzuleiten. Mit fehlt das Augenmaß für einen realisierbaren Aufwand und den sinnvollen Rahmen. Kurz gesagt: Destiliertes Wasser komplett aufzubereiten scheidet für mich aus.

Also die Kernfragen:
  • Wie gut ist unser Wasser im Allgemeinen?
  • An welchen Parametern sollte dringend justiert werden?
  • Welche Punkte sind von nachrangiger Bedeutung und zu vernachlässigen?
  • Welche konkreten Schritte muss ich vornehmen?
  • Was gebe ich in welcher Menge bei?
Insgesamt bieten unsere Stadtwerke in Bochum einen sehr umfangreichen Katalog von Wasserwerten an:
Link

Den Auszug mit den Grundwerten habe ich hier:
Wasser_BO_01.JPG
und hier
Wasser_BO_02.JPG
Für uns gilt die Spalte (ohne Langendreer...).

Was mir konkret durch den Kopf geht:
Wenn ich die Werte so sehe und mir die Tabelle aus dem Braumagazin daneben legen, scheint für ein American Pale Ale / American IPA die Gesamthärte mit 7,8 °dH zu hoch zu sein. Interpretiere ich das richtig? Muss oder sollte ich dann also mit Milchsäure nachhelfen?

Magnesium läge im Soll, Calcium knapp unter den empfohlenen 73 mg/l statt 50 mg/l. Da würde ich als Anfänger die Abweichung so gering sehen, dass ich nichts verändere.

Chlorid läge ebenfalls im Soll, aber das Sulfat wäre zu niedrig: 39 mg&/l statt 100 mg/l. Das liest sich schon wie eine höhere Abweichung. Aber muss ich da gleich tätig werden?


Und natürlich grundsätzliche Fragen:
Kann ich die anderen Parameter vernachlässigen?
Kann ich die obigen Überlegungen auf alle anderen Bierstile übertragen?

D.h. wenn das Braumagazin für einen Bock die Werte 5 - 10 °dH, 50 - 75 mg/l Calcium, 0 - 20 mg/l Magnesium, 0 - 100 mg/l Sulfat und 50 - 150 mg/l Chlorid angibt analog verfahren?
Also: Härte korrigieren, Calcium wegen geringer Abweichung hinnehmen, Magnesium passt, Sulfat passt, Chlorid passt.

Ich habe immer ein etwas schlechtes Gewissen dabei, das Forum nur anzuzapfen und eigene Threats für Nachhilfe aufzumachen, aber als (ambitionierter) Anfänger komme ich immer wieder an Punkte, wo ich ohne Rat zur Tat nicht weiterkomme. Zurückgeben kann ich da im Moment nur sehr begrenzte Erfahrungen und vor allem Braudokus von der Entwicklung meiner Sude... :redhead

Vielen Dank also für alle Hilfe im Voraus und viele Grüße
Stefan
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Kolbäck
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Re: Mein Wasser... Gutes Brauwasser?

#2

Beitrag von Kolbäck »

Wenn ich deine Werte richtig bei MMuM eingetippt habe, ist das eine Restalkalinität von 3,6°dH.
Dieser Wert ist relevanter als die reine Karbonathärte und ist der, der in der Tabelle im Braumagazin gemeint ist. Deine 3,6 passen ohne Anpassung für viele Bierstile mit Schüttungen mittlerer Farbe.
Viele Grüße, Thomas
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sb11
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Re: Mein Wasser... Gutes Brauwasser?

#3

Beitrag von sb11 »

Hallo Stefan,

im Allgemeinen finde ich, dass du ziemlich gutes Wasser hast. Aber auch da kannst du natürlich probieren, das noch zu optimieren.

Ich würde dir empfehlen, einfach mal mit einem der gängigen Wasserrechner "herum zu spielen". Ich verwende gerne den von MMuM, aber es gibt
Zielwerte:

Restalkalität °dH: -3 bis 0
Calcium mg/l: 50 bis 150
Magnesium mg/l: 0 bis 20
Sulfat mg/l: 100 bis 400
Chlorid mg/l: 0 bis 100

Mit einem geringem Einsatz von Braugips (CaSO4) und Milchsäure gekommst du dein Wasser in die empfohlenen Bereiche:

z.B.: bei 20 Liter Hauptguss
2.4 g Braugips
2.7 ml Milchsäure (80%)

...ergibt das folgende Wasserprofil:
brauwasser.JPG
Viele Grüsse,
Sebastian
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olibaer
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Re: Mein Wasser... Gutes Brauwasser?

#4

Beitrag von olibaer »

Hallo Stefan,
StefanK hat geschrieben: Montag 24. Juni 2019, 13:59 Ich habe immer ein etwas schlechtes Gewissen dabei, das Forum nur anzuzapfen und eigene Threats für Nachhilfe aufzumachen, aber als (ambitionierter) Anfänger komme ich immer wieder an Punkte, wo ich ohne Rat zur Tat nicht weiterkomme. Zurückgeben kann ich da im Moment nur sehr begrenzte Erfahrungen und vor allem Braudokus von der Entwicklung meiner Sude.
Mach' dir darüber mal' keine Gedanken. Dein Beitrag rund um eine erste Frage ist mit das Beste, was ich hier seit langem gelesen habe.
Dein Vorgehen ist insgesamt bewundernswert. Sprichwörtlich wie aus dem Bilderbuch:
StefanK hat geschrieben: Montag 24. Juni 2019, 13:59 Dazu bleibe ich im Moment meinem Standardrezept (Pale Ale, einfache Schüttung, nur ein Hopfen, dieselbe Hefe) weitgehend treu, um die Auswirkungen vergleichen zu können
In Summe: best practice, saustark !

Zum Thema:
Ob deines Wassers, kannst du dich glücklich schätzen. An keiner Stelle muss man in wilden Aktionismus ausbrechen. Es beschränkt sich in seinen gelieferten Qualitäten auf ein "man könnte hier noch ein wenig, und man könnte da noch ein wenig".

Als Anleitung zum "Ionenschubsen" darf durchaus der bereits von dir genannte Artikel im Brau!magazin gelten, wobei die benannten Zahlenwerte nicht in Stein gemeiselt sind. Hintergrund für die Benennung war immer, einen "sehr allgemeinen Ansatz" zu finden. A.Ladeberger hat das im Artikel toll gelöst.

Tatsächlich befindest du dich mit deinem Wasser in einer derart charmanten Position, dass du das Thema "Enthärtung" für deine nächsten Gehversuche überspringen und dich rein der "Aufhärtung" zuwenden darfst. Begleitend dazu stehen die pH-Werte von Maische, Würze und die der Nachgüsse auf dem Programm.
Auch hierzu bietet der Brau!magazin-Artikel genügend Lesestoff und dieses Forum in seiner gesamten Historie, schier unerschöpfliche Unterstützung.

Mein Tipp:
Einen pH-Meter und ein wenig Milchsäure beschaffen. Damit machst du auch für die Zukunft nichts falsch, sollte es einmal an die Kat- oder Anionen in Form von "Aufhärtung" oder "Enthärtung" gehen.
Gruss
Oli
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Re: Mein Wasser... Gutes Brauwasser?

#5

Beitrag von StefanK »

Vielen Dank an Thomas und Sebastian für das freundliche Feedback und die hilfreichen Infos.
Kolbäck hat geschrieben: Montag 24. Juni 2019, 14:13 Wenn ich deine Werte richtig bei MMuM eingetippt habe, ist das eine Restalkalinität von 3,6°dH.
Dieser Wert ist relevanter als die reine Karbonathärte und ist der, der in der Tabelle im Braumagazin gemeint ist. Deine 3,6 passen ohne Anpassung für viele Bierstile mit Schüttungen mittlerer Farbe.
Allein der erste Satz hilft mir schon sehr weiter. Obwohl ich "Restalkalität" schon gelesen habe, war mir nicht klar, dass die sich nicht einfach aus dem Werteprofil ergibt. Das beantwortet dann auch meine Kernfrage in so weit, dass ich zumindest nicht dringend etwas am Wasser tun müsste. Sehr erleichternd. :Wink
olibaer hat geschrieben: Montag 24. Juni 2019, 21:02 Mach' dir darüber mal' keine Gedanken. Dein Beitrag rund um eine erste Frage ist mit das Beste, was ich hier seit langem gelesen habe.
Dein Vorgehen ist insgesamt bewundernswert. Sprichwörtlich wie aus dem Bilderbuch:
StefanK hat geschrieben: Montag 24. Juni 2019, 13:59 Dazu bleibe ich im Moment meinem Standardrezept (Pale Ale, einfache Schüttung, nur ein Hopfen, dieselbe Hefe) weitgehend treu, um die Auswirkungen vergleichen zu können
In Summe: best practice, saustark !
Vielen Dank! :Smile
Ich muss mich schon zurückhalten, um mich nicht mit Vollgas auf die verschlungenen Wege der hundert Malze und tausend Hopfen zu begeben, weil doch irgendwie immer und überall neue Verlockungen und spannende Rezepte lauern. Aber ich möchte erst einmal verstehen, was ich da an der Würzepfanne und im Gärkeller wirklich tue. Das heißt nicht, dass ich nun fünf Jahre lang nur Pale Ale nach SMASH brauen will, aber Bock, Stout, Porter usw. werden erst einmal die Ausnahme sein.
olibaer hat geschrieben: Montag 24. Juni 2019, 21:02 Zum Thema:
Ob deines Wassers, kannst du dich glücklich schätzen. An keiner Stelle muss man in wilden Aktionismus ausbrechen. Es beschränkt sich in seinen gelieferten Qualitäten auf ein "man könnte hier noch ein wenig, und man könnte da noch ein wenig".

Als Anleitung zum "Ionenschubsen" darf durchaus der bereits von dir genannte Artikel im Brau!magazin gelten, wobei die benannten Zahlenwerte nicht in Stein gemeiselt sind. Hintergrund für die Benennung war immer, einen "sehr allgemeinen Ansatz" zu finden. A.Ladeberger hat das im Artikel toll gelöst.

Tatsächlich befindest du dich mit deinem Wasser in einer derart charmanten Position, dass du das Thema "Enthärtung" für deine nächsten Gehversuche überspringen und dich rein der "Aufhärtung" zuwenden darfst. Begleitend dazu stehen die pH-Werte von Maische, Würze und die der Nachgüsse auf dem Programm.
Auch hierzu bietet der Brau!magazin-Artikel genügend Lesestoff und dieses Forum in seiner gesamten Historie, schier unerschöpfliche Unterstützung.
Das beruhigt mich sehr. Thomas Post, das mir das Missverständnis mit der Restalkalität und der Härte verdeutlicht hat, ging ja auch schon in diese Richtung.
olibaer hat geschrieben: Montag 24. Juni 2019, 21:02 Mein Tipp:
Einen pH-Meter und ein wenig Milchsäure beschaffen. Damit machst du auch für die Zukunft nichts falsch, sollte es einmal an die Kat- oder Anionen in Form von "Aufhärtung" oder "Enthärtung" gehen.
PH-Meter bzw. -Teststreifen und Milchsäure werde ich mir bei der nächsten Bestellung mal ordern und dann schauen. Ich lese nochmal den Artikel dahingehend durch und komme vielleicht nochmal mit ein paar Nachfragen hierher.

Vielen Dank und viele Grüße
Stefan
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