2 Typen untergärige Hefen

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flying
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2 Typen untergärige Hefen

#1

Beitrag von flying »

Hi Leute,

kein besonders neues Thema aber interessant. Bei den untergärigen Hefen gibt es 2 unterschiedliche Linien bzw. verschiedene Hybriden. Den Saaz- Typ und den Frohberg-Typ.
Der Saaz- Typ ist triploid und besteht zu einem Drittel aus S. Cerevisia und 2 Dritteln aus S. Eubayanus. Wird heutzutage oft als S. Carlsbergensis bezeichnet, also die typische Carlsberghefe. Die dominanten Chromosomensätze des kroytoleranten Eubaybanus ermöglichen eine kältere, saubere Vergärung.
Der Frohberg-Typ, typischer Vertreter ist die W 34/70 aus Weihenstephan beteht zur Hälfte aus S. Cerevisia Chromosomensätzen. 2 von Eubayanus und 2 von S. Cerevisia. Er gilt als etwas weniger kältetolerant und minimal fruchtiger.

Beide Hybriden gehen auf ein gemeinsames Hybridisierungsereignis vor vermutlich mehreren Hundert Jahren zurück.

m.f.g
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#2

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Interessant, was die Gene mit (aus) den Hefen machen. Wenn die Chromosomensätze des Eubaybanus den Saaz-Typ kältetoleranter machen, dann hätte ich rein vom Lesen der Beschreibung des Frohbergtyps nicht erwartet, dass die anteilig mehr vorhanden Chromosomensätze des Eubaybanus diesen Typ kälteempfindlicher sein lassen. :-)
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#3

Beitrag von VolT Bräu »

DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 13:54 Interessant, was die Gene mit (aus) den Hefen machen. Wenn die Chromosomensätze des Eubaybanus den Saaz-Typ kältetoleranter machen, dann hätte ich rein vom Lesen der Beschreibung des Frohbergtyps nicht erwartet, dass die anteilig mehr vorhanden Chromosomensätze des Eubaybanus diesen Typ kälteempfindlicher sein lassen. :-)
Eubayanus: kältetolerant

Saaz-Typ: 2/3 (66%) Eubayanus = kältetoleranter (als Frohberg)
Frohberg-Typ: 2/4 (50%) Eubayanus = etwas weniger kältetolerant

Klingt für mich einwandfrei logisch, oder was meinst Du mit den anteilig mehr vorhandenen Chromosomensätzen?
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#4

Beitrag von Seed7 »

Saaz, niedriger EVG. Hat weihenstephan die? Jens?
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#5

Beitrag von Johnny H »

Ich hatte den folgenden Link schon ein paarmal gepostet:

https://www.shantybrewery.com/s-eubayanus/

Hier sind sowohl die (wahrscheinliche) Entstehungsgeschichte als auch die Eigenschaften der beiden Stämme ganz gut beschrieben. Der 2/3-Anteil an Eubayanus-Genmaterial im Saaz-Typ bewirkt dessen erhöhte Kältetoleranz, aber auch einen niedrigeren Vergärgrad, weil Maltotriose wohl weniger gut verstoffwechselt wird.

Weiterhin ist dieser Suregork-Grafik zu entnehmen, dass alle kommerziellen UG-Stämme, die dort untersucht wurden, Frohberg-Typen sind:

http://beer.suregork.com/wp-content/upl ... t_2019.pdf

Nur "CBS1538" und "CBS1503" sind Saaz-Typen, aber diese Kürzel sagen mir nichts.

Nachtrag: einmal mehr die Überraschung WLP800 ("Pilsner Lager") ist ein OG-Stamm und muss somit diploid sein, das (angebliche) Wyeast Äquivalent 2001 ("Pilsner Urquell H") hingegen ist Frohberg und somit tetraploid. Ich frage mich, wie diese Diskrepanz zu erklären ist. Uli könnte vielleicht den Schleier lüften, aber die Pilsner-Urstämme in seinem Archiv sind wohl "confidential" und nicht zugänglich...
Zuletzt geändert von Johnny H am Freitag 17. Januar 2020, 14:57, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#6

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Seed7 hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 14:35 Saaz, niedriger EVG. Hat weihenstephan die? Jens?
Ich frage. Kann aber sein, dass ich Uli erst Ende Februar im Büro erreiche. Der will irgendwo die Welt retten.
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#7

Beitrag von flying »

Der Frohberg-Typ ist der "echte" Hybrid. Er enthält die kompletten Chromosomensätze beider Arten. Über den gemeinsamen Ursprung beider Linien lässt sich spekulieren. Immerhin wurde der Eubayanus millerweile nicht mehr nur in Patagonien, sondern auch in Nordamerika, China und der Mongolei gefunden.
Das "Ereignis" kann also schon vor Columbus stattgefunden haben. Vielleicht haben Erik der Wikinger und seine trinkfreudigen Kumpanen den Euby eingeschleppt :puzz ...
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#8

Beitrag von §11 »

Johnny H hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 14:46
Nur "CBS1538" und "CBS1503" sind Saaz-Typen, aber diese Kürzel sagen mir nichts.
CBS = Central Bureau of Fungal Cultures die Stammsammlung des Westerdijk Fungal Biodiversity Institute das früher Centraalbureau voor Schimmelcultures oder eben Central Bureau of Fungal Cultures hiess. Hier kannst die etwa 10,000 Hefestämme durchsuchen http://www.wi.knaw.nl/Collections/Biolo ... 20database
„porro bibitur!“
Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
Die Seite zur HBCon https://heimbrauconvention.de/
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#9

Beitrag von Johnny H »

§11 hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 15:07
Johnny H hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 14:46 Nur "CBS1538" und "CBS1503" sind Saaz-Typen, aber diese Kürzel sagen mir nichts.
CBS = Central Bureau of Fungal Cultures die Stammsammlung des Westerdijk Fungal Biodiversity Institute das früher Centraalbureau voor Schimmelcultures oder eben Central Bureau of Fungal Cultures hiess. Hier kannst die etwa 10,000 Hefestämme durchsuchen http://www.wi.knaw.nl/Collections/Biolo ... 20database
Danke, Jan!

Leider werde ich aus den Informationen zu den beiden Stämmen in der Datenbank nicht schlau, wo sie genau herstammen, ob sie irgendwo im Umlauf sind und tatsächlich Bier produzieren etc., aber ich habe jetzt auch nur ganz kurz gesucht. Beziehen kann man die Kulturen wohl, bzw. es ist zumindest ein Preis angegeben. Von CBS1538 sind sogar Bilder vorhanden.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#10

Beitrag von §11 »

Johnny H hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 17:21
§11 hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 15:07
Johnny H hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 14:46 Nur "CBS1538" und "CBS1503" sind Saaz-Typen, aber diese Kürzel sagen mir nichts.
CBS = Central Bureau of Fungal Cultures die Stammsammlung des Westerdijk Fungal Biodiversity Institute das früher Centraalbureau voor Schimmelcultures oder eben Central Bureau of Fungal Cultures hiess. Hier kannst die etwa 10,000 Hefestämme durchsuchen http://www.wi.knaw.nl/Collections/Biolo ... 20database
Danke, Jan!

Leider werde ich aus den Informationen zu den beiden Stämmen in der Datenbank nicht schlau, wo sie genau herstammen, ob sie irgendwo im Umlauf sind und tatsächlich Bier produzieren etc., aber ich habe jetzt auch nur ganz kurz gesucht. Beziehen kann man die Kulturen wohl, bzw. es ist zumindest ein Preis angegeben. Von CBS1538 sind sogar Bilder vorhanden.
Zwar nicht immer, aber bei der ATCC, der American Type Culture Collection, gibt es oft mehr Information. Da kannst dir das ganze Genome anschauen :puzz

https://www.atcc.org/products/all/12752 ... umentation

Bei ATCC bestellen wir regelmäßig, allerdings keine Hefen. Wäre auch reichlich teuer :Wink
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#11

Beitrag von Seed7 »

DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 14:51
Ich frage.[...] Der will irgendwo die Welt retten.
Danke. Lass ihm die welt retten, hat keine eile.

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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#12

Beitrag von Seed7 »

Johnny H hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 17:21
Leider werde ich aus den Informationen zu den beiden Stämmen in der Datenbank nicht schlau, wo sie genau herstammen [...]
Eigentlich sind es nur banken, die haben oft nicht mehr informationen als bei der eingabe der hefe dabei war. Die kollektion werden auch von den banken systematisch genetisch analisiert. Sogar der name wird nicht immer (schnel) an den neusesten stand angepasst. Am besten mann nimmt die nummer und durchsucht publikationen in der es auftaucht.

Ingo
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#13

Beitrag von Pivnice »

Johnny H hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 14:46 "CBS1538" und "CBS1503" aber diese Kürzel sagen mir nichts.
Jetzt dürfte es aber klingeln
Description:
S. monacensis CBS1503, Unterhefe #2
Submitter:
Carlsberg Laboratory
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/assembly/GCA_002557695.1
https://en.wikipedia.org/wiki/Saccharomyces_pastorianus
Hubert
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#14

Beitrag von Johnny H »

Pivnice hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 19:37
Johnny H hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 14:46 "CBS1538" und "CBS1503" aber diese Kürzel sagen mir nichts.
Jetzt dürfte es aber klingeln
Description:
S. monacensis CBS1503, Unterhefe #2
Submitter:
Carlsberg Laboratory
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/assembly/GCA_002557695.1
https://en.wikipedia.org/wiki/Saccharomyces_pastorianus
Uh, oh!!! Jetzt vervollständigt sich das Bild!! :Shocked

Das heißt wohl, CBS1503 ist eine "der" Hansen-Hefen! Mit anderen Worten, nicht "Nr. 1", aber zumindest Nr. 2?

Ich hatte bereits irgendwo gelesen, dass seine allererste ein Saaz-Typ gewesen sein soll.

Aus dem Wiki-Eintrag:
Hansen reclassified the original “Unterhefe Nr. I” as the new species Saccharomyces carlsbergensis and another yeast “Unterhefe Nr. II” as the new species Saccharomyces monacensis.[14] The taxonomy was attributed to Hansen 1908[15] and the yeasts entered into the Centraalbureau voor Schimmelcultures in 1947 as CBS 1513 and CBS 1503 respectively.
*weiche Knie*-Emoticon...
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#15

Beitrag von Pivnice »

CBS 1538
Hansen
http://www.wi.knaw.nl/collections/Biolo ... e=CBS+1538


https://onlinelibrary.wiley.com/doi/ful ... 2/yea.3250
The hybrid genomes of Saccharomyces pastorianus: A current perspective
Chandre Monerawela
Ursula Bond
First published: 08 August 2017
https://doi.org/10.1002/yea.3250
Lineage of group I (Saaz) lager yeasts
Zitat
To date, genome sequences for just three Group I isolates (CBS 1513, CBS 1538 and CBS 1503) have been generated (Table 1). The three strains were originally isolated by Emil Hansen at the Carlsberg brewery. These yeasts had the property of depositing at the bottom of the tank at the end of fermentation and were termed ‘Unterhefe’ (bottom yeast). CBS 1513 is a descendent of a strain designated as Unterhefe Nr. I, isolated in the brewery by Hansen in 1883. The strain was later renamed S. carlsbergensis in 1908. Two other beer yeast isolates were identified by Hansen: Unterhefe Nr. II, which was designated as S. monacensis (CBS 1503); and CBS 1538, which was named S. pastorianus Reess ex Hansen 1904 when it was deposited into the Centraalbureau voor Schimmelcultures (CBS) in 1935. The species name pastorianus was assigned to the latter in deference to the original classification by Max Reese of lager yeasts as S. pastorianus in 1870 (Barnett, 2000).
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#16

Beitrag von Pivnice »

flying hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 12:30 Beide Hybriden gehen auf ein gemeinsames Hybridisierungsereignis vor vermutlich mehreren Hundert Jahren zurück.
2 Hybridisierungsereignisse
Gruppe 1 triploid, Gruppe 2 tetraploid

https://doi.org/10.1002/yea.3250
The hybrid genomes of Saccharomyces pastorianus: A current perspective, Chandre Monerawela Ursula Bond
08 August 2017

CBS 1483 ist die Heineken Hefe
Dateianhänge
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Sc-hybr.PNG (54.01 KiB) 7460 mal betrachtet
Hubert
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#17

Beitrag von Johnny H »

Aus meiner Sicht wäre sicherlich interessant zu wissen, wie sich die technologische Bedeutung der beiden unterschiedlichen Typen über die Zeit entwickelt hat:

Heute scheinen die Saaz-Stämme technologisch nicht mehr so bedeutsam zu sein. War das mal anders bzw. waren die Saaz-Stämme überhaupt jemals technologisch bedeutsam?

Haben die immer mal wieder angeführten eher niedrigen Vergärgrade z.B. im 19 Jh. viel mit der Verwendung von Saaz-Stämmen zu tun, oder sind diese eine Konsequenz anderer Rohstoffeigenschaften (unterlöste und inhomogene Malze)?

Welche Faktoren haben ggf. zu einer abnehmenden Bedeutung von Saaz-Stämmen geführt?
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#18

Beitrag von Pivnice »

a bissl älter die Publikation
YeastYeast2013;30: 255–266.Published online in Wiley Online Library DOI:10.1002/yea.2960
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf ... 2/yea.2960
It appears that an inability to utilize maltotriose during fermentation is the reason for the relatively poor fermentation performance of these Saaz lager strains.
Die Gruppe 1 / Saaz-Hefen können Maltotriose nicht vergären.
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#19

Beitrag von Johnny H »

Pivnice hat geschrieben: Samstag 18. Januar 2020, 00:57 [...]
It appears that an inability to utilize maltotriose during fermentation is the reason for the relatively poor fermentation performance of these Saaz lager strains.
Die Gruppe 1 / Saaz-Hefen können Maltotriose nicht vergären.
Ja genau, das gleiche steht auch in dem Blogpost in Post #5.

Es liegt daher nahe, einen Zusammenhang zu vermuten zu den teilweise niedrigen oder sogar sehr niedrigen Vergärgraden des 19. Jh., wie sie z.B. hier aufgeführt wurden:
scne59 hat geschrieben: Donnerstag 16. Januar 2020, 18:08 Das Ottakringer scheckt mir auch sehr gut.
Das mit dem Vergärgrad ist aber ein generelles "Problem" bei der Reproduktion von historischem, untergärigem Bier.
Guckst du:
http://barclayperkins.blogspot.com/2014 ... -1843.html
http://barclayperkins.blogspot.com/2017 ... -1899.html
http://barclayperkins.blogspot.com/2016 ... -2014.html
Munich Winterbier: 49-68%, Durchschnitt 61%.
Munich Export: 53-74%, Durchschnitt 64%
Munich Helles, 20. Jh.: 66-76%, Durchschnitt 72%, also schon etwas höher!

Oder auch hier:
Pattinson zum Salvator mit tw. nur 46% (1853)
Bayerisches Lagerbier (1865) mit 46% Vergärgrad.
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#20

Beitrag von Johnny H »

Nochmal was historisches. Ich hatte in diesem Post mal ein paar Pilsner Urquell-Daten aus den 90er Jahren (nach der Umstellung auf ZKTs) gepostet (Quelle siehe Post, E. Jalowetz):
"Das Pilsner Urquell, seine Bedeutung für das Brauen heller Lagerbiere in Vergangenheit und Gegenwart", Pesler, Prucha (1992)

Hier sind u.a. Analysedaten des Pilsners enthalten. Ich liste mal die auf, die mir hier wichtig erscheinen. Es ist mir aber leider nicht ganz klar, aus welchem Jahr die Daten stammen. (Edit: sie stehen mehr oder weniger so schon in einer tschechischen Veröffentlichung aus dem Jahre 1967)

Stammwürze 12 Gew.%
Alkohol 3,5 Gew.%
Scheinbarer Extrakt 3,8 Gew.%
Scheinbarer Vergärungsgrad 68,5%
Wirklicher Extraktgehalt 5,3 Gew.%
Wirklicher Vergärungsgrad 55,8%
Endvergärungsgrad 72,5%
Vicinale Diketone 0,15 mg/l
Bitterstoffe 40 EBC-BU

Das PU ist ja einigermaßen bekannt für seinen eher niedrigen Vergärgrad. Fragt sich also, ob hier vielleicht doch noch ein Saaz-Typ verwendet wird. Vieles an dem, was schon über Urquell und Pilsen geschrieben wurde, ist ja wohl evtl. auch Legende, u.a. die (angeblich) separate Vergärung mit vier oder sogar fünf getrennten Stämmen mit danach folgendem Verschnitt der einzelnen Gärbehälter. Lt. Uli Peise gab es diese vier oder fünf Stämme wohl schon (er hat sie im Archiv), aber es war wohl aufgrund der Bedingungen dort wohl eher eine Mischgärung. Ich habe in meinem Jalowetz-Nachdruck eine Quelle von PU-Autoren, die eindeutig von vier verschiedenen Reinzuchthefen und separatem Anstellen spricht (Ivo Hlavácek u.a.: Die Entwicklung von Produktion und Technologie in der Pilsner Urquell Brauerei im Zeitraum von 125 Jahren seit der Gründung (1842 - 1967)).

Und bei dem, was heute als "Pilsner Urquell-Hefe" gehandelt wird, kann man sich ja bei der Herkunft leider auch nicht sicher sein:
  • WLP800 ("Pilsner Urquell") ist ja lt. Suregork definitiv eine Cerevisiae.
  • Wyeast 2001 ("PU H-Stamm") ist lt. Suregork ein Frohberg-Stamm und wohl ziemlich ähnlich zur S23, welche sich wiederum lt. Uli vom norddeutschen Rh-Stamm ableiten soll oder diesem sogar mehr oder weniger entspricht, also irgendwas stimmt da auch nicht!
  • Wyeast 2278 ("Czech Pils" lt. Wyeast, "Pilsner Urquell D" lt. Mr. Malty) ist auch definitiv Frohberg, lt. Suregork genetisch sehr ähnlich zur WLP830, die wiederum lt. Mr. Malty aus Weihenstephan ("Weihenstephan 206") stammen soll und von White Labs als "German Lager Yeast" vertrieben wird.
Also alles ziemlich unklar!! Ich habe hier leider kein Gesamtbild, und irgendjemand müsste den gesamten Komplex "untergärige Hefe" und den derzeitigen Wissensstand mitsamt den historischen Verbindungen mal umfassend recherchieren und dann ein Buch darüber schreiben. Vieles wird sich vielleicht auch nie wieder klären lassen, weil alles, was vor "Reinzuchthefen" kam, nur aus alten Braudaten abgeschätzt werden kann.
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#21

Beitrag von Johnny H »

Wer kann tschechisch und kann sagen, ob bzw. was in der folgenden Quelle von 1967 über die Urquell-Hefen steht? PDF ist unter der folgenden Quelle erhältlich, ist aber zu groß, um es hier anzuhängen.

Kvasny Prumysl, 1967 (vol. 13), issue 12
Kvasny Prum. 1967; 13(12): 267-272 | DOI: 10.18832/kp1967033

History of the Prazdroj brewery in Plzeň and development of technology used there. Peer-reviewed article
I. HLAVÁČEK
The article deals briefly with the history of the PRAZDROJ brewery in Plzeň, development of brewing industry in Czechoslovakia generally, technology used at PRAZDROJ, its equipment and modernization taking place at present. Specific features of the 12˚ Prazdroj beer, which is generally considered as a standard representative of bright beer, both in Czechoslovakia and abroad, are described and evaluated.
(In Czech, English summary only)
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#22

Beitrag von flying »

Pivnice hat geschrieben: Samstag 18. Januar 2020, 00:00
flying hat geschrieben: Freitag 17. Januar 2020, 12:30 Beide Hybriden gehen auf ein gemeinsames Hybridisierungsereignis vor vermutlich mehreren Hundert Jahren zurück.
2 Hybridisierungsereignisse
Gruppe 1 triploid, Gruppe 2 tetraploid

https://doi.org/10.1002/yea.3250
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08 August 2017

CBS 1483 ist die Heineken Hefe
Tja, dass mit dem gemeinsamem Ursprung habe ich auch irgendwo in einer wissenschaftlichen Publikation gelesen. Bestätigt aber nur meine Meinung. Eine Behauptung in einer wissenschaftliche Publikation ist nur so lange wahr, bis eine andere das Gegenteil bewiesen hat..

Hier nur ein unwissenschaftlicher Artikel:

https://www.faz.net/aktuell/wissen/lage ... 54271.html


Die Saaz- Hefe entsprach jedenfalls super den Trinkgewohnheiten im 19. Jahrhundert. Das Bier sollte noch ordentlich Energie/Kohlenhydrate für den harten Arbeitsalltag enthalten und nicht so schnell betrunken machen.

Das erinnert mich an eine Anektode. Wir waren ja vor etlichen Jahren mit dem MDHT in Ummerstadt. Die betreiben da fortwährend eine Kommunbrauerei aus dem 19. Jahrhundert und brauen nur 2 x im Jahr im Winter. Die Hefe holen sie aus Kulmbach. Eine Anektode des alten Braumeister die noch von seinem Vater stammte war, dass sie früher nie den Gärraum heizen mussten obwohl die Winter früher kälter waren. Heute müssen sie nach seiner Aussage einheizen damit die Hefe nicht schlappmacht..
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#23

Beitrag von flying »

Offensichtlich mussten sie selbst bei Carlsberg gaaanz tief im Lagerkeller graben um den alten 2 Drittel- Euby wiederzubeleben...


https://youtu.be/KyYI6eLs2jQ


..das Bier kaufen man kann... :Smile Jetzt braucht Tilo nur noch einen Dänen der ihm den Stamm von Carlsberg besorgt und dann kann er sein Böhmisches Wunder vollbringen... :Angel
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#24

Beitrag von Johnny H »

flying hat geschrieben: Samstag 18. Januar 2020, 16:12 [...] Jetzt braucht Tilo nur noch einen Dänen der ihm den Stamm von Carlsberg besorgt und dann kann er sein Böhmisches Wunder vollbringen... :Angel
Nach einigen Versuchen und viel Lesestoff bin ich mittlerweile der Meinung, dass ich das "Wunder" mit meiner simplen Brautechnologie (Gäreimer mit Flaschengärung) niemals hinbekommen werde. Die großzügig in die Flaschen verschleppte Hefe wird mir das Diacetyl einfach immer wegputzen...

Allerdings hätte ich gute Lust, im Stile von Sedlmayr und Dreher bei einer Brauereiführung in Pilsen einen präparierten Spazierstock mit mir zu führen... würde auch sicher keinem auffallen, wenn ich plötzlich an einem der alten Holzfässer baumle... :Angel
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#25

Beitrag von Pivnice »

Lager-brewing yeasts in the era of modern genetics
Arthur R Gorter de Vries, Jack T Pronk, Jean-Marc G Daran
FEMS Yeast Research, Volume 19, Issue 7, November 2019, foz063, https://doi.org/10.1093/femsyr/foz063

3 Theorien zur Entstehung von Gruppe 1 und Gruppe 2 S. pastorianus
Dateianhänge
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#26

Beitrag von Pivnice »

Johnny H hat geschrieben: Samstag 18. Januar 2020, 18:31 bei einer Brauereiführung in Pilsen einen präparierten Spazierstock
Hm - man müsste halt wissen ob bei dem Pilsner Urquell nefiltrovaný ein Hefestrippen möglich ist - dann brauchst du keinen Spazierstock - nur eine Wirtschaft, die das exklusive PU nefiltrovaný im Ausschank hat.
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#27

Beitrag von Johnny H »

Pivnice hat geschrieben: Samstag 18. Januar 2020, 19:58
Johnny H hat geschrieben: Samstag 18. Januar 2020, 18:31 bei einer Brauereiführung in Pilsen einen präparierten Spazierstock
Hm - man müsste halt wissen ob bei dem Pilsner Urquell nefiltrovaný ein Hefestrippen möglich ist - dann brauchst du keinen Spazierstock - nur eine Wirtschaft, die das exklusive PU nefiltrovaný im Ausschank hat.
Gute Idee! Das Na Parkanu in Pilsen würde sich natürlich anbieten! Ist ja angeblich das einzige Restaurant mit unfiltriertem PU, und es besteht ja angeblich eine direkte Zuleitung von der Brauerei!! (n.b.: das Bier dort schmeckt mir nicht mal besonders - ich finde, es ist einfach ein Bier, das noch nicht fertig ist). Nachtrag: sollte es wirklich so einfach sein?? Ob das nicht über den KZE geschickt wird?

Als Komplikation kommt aber auf jeden Fall hinzu, dass die offenen Holzfässer im Keller, in denen nur für Qualitätszwecke und Gäste vergoren wird, ja möglicherweise anders bestückt werden!! Man hat, wenn man Quellen glauben kann, einiges verändert an der Gärung in der Hauptbrauerei, als man in den 90ern auf ZKG-Technologie umgestellt hat. Vielleicht ja im Keller nicht?
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#28

Beitrag von Johnny H »

Ich habe jetzt auch mal bei Suregork nachgefragt, was Saaz-Stämme im früheren und heutigen Umlauf betrifft:

http://beer.suregork.com/?p=4112#comment-756701
(mein Kommentar wurde Stand jetzt noch nicht veröffentlicht)
Hi Kristoffer

I’m Tilo, a homebrewer from Germany.

Thanks a lot for your amazing work!

I have a few questions regarding lager yeasts, in particular the difference between Saaz and Frohberg strains:

1) Are you aware of any breweries that still use Saaz strains for making lagers, or have they basically vanished into the archives?

2) 19th century lagers often seem to have exhibited much lower apparent attenuation figures (Ron Pattinson has collated und published a lot of old German brewery records), sometimes as low as 46% and often in the range of the lower 60%s. Could this be an indication of a much wider use of Saaz strains, as the latter seem to have issues with utilising maltotriose?

3) The history of the yeast(s) used at Pilsen is somewhat shrouded in mystery, and there are contradictory articles regarding the use of several different strains in parallel. Also, your work shows up a lot of contradictions regarding strains being sold as “Pilsen” strains. However, even today, published attenuation figures of Pilsner Urquell still seem relatively low (ca. 72%). Probably on its own a low AA figure is not enough to judge, but could this still be an indication that they still use (a) Saaz strain(s), or is this mostly unlikely?

Best regards
Tilo
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#29

Beitrag von Blondes »

flying hat geschrieben: Samstag 18. Januar 2020, 15:45

Tja, dass mit dem gemeinsamem Ursprung habe ich auch irgendwo in einer wissenschaftlichen Publikation gelesen. Bestätigt aber nur meine Meinung. Eine Behauptung in einer wissenschaftliche Publikation ist nur so lange wahr, bis eine andere das Gegenteil bewiesen hat..

...war wahrscheinlich die:

Walther, A.; Hesselbart, A.; Wendland, J. Genome sequence of Saccharomyces carlsbergensis, the world’s first
pure culture lager yeast. G3 2014, 4, 783–793

"Based on our sequence data and via fluorescence-activated cell-sorting analysis, we determined the ploidy of S. carlsbergensis. This inferred that this strain is basically triploid with a diploid S. eubayanus and haploid S. cerevisiae genome content. In contrast the Weihenstephan strain, which we resequenced, is essentially tetraploid composed of two diploid S. cerevisiae and S. eubayanus genomes. Based on conserved translocations between the parental genomes in S. carlsbergensis and the Weihenstephan strain we propose a joint evolutionary ancestry for lager yeast strains."

Eine aktuelle Zusammenfassung findet man hier (komplettes paper):

https://www.mdpi.com/2306-5710/6/1/3

Viele Grüße,
Martin
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#30

Beitrag von Pivnice »

Tilo
Vielleicht reagiert die Dame auf eine Anfrage zu Hefestämmen bei PLZEŇSKÝ PRAZDROJ

Corresponding author:
RNDr. Jana Olšovská, PhD., Výzkumný ústav pivovarský a sladařský, a.s., Lípová 15, 120 44 Praha 2, Česká republika; E-mail: olsovska@beerresearch.cz

https://www.agriculturejournals.cz/publ ... 3-CJFS.pdf
Hubert
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#31

Beitrag von Johnny H »

Interessant, vielen Dank, Hubert. Mal schauen, ob ich die Dame anschreibe. Das muss ich mir erst mal alles genau durchlesen.

Ein Ding muss ich gleich erwähnen, wobei es mit dem Thema dieses Threads nichts zu tun hat:
Ich glaube, weil ich mit diesem Parameter nicht vertraut bin, dass mit der erwähnten "difference in attenuation" der Unterschied zwischen Ausstoßvergärgrad und scheinbarem Endvergärgrad gemeint ist. Zumindest hatten wir das hier mal diskutiert. Jan meinte damals schon, der Wert für Pilsner Urquell sei ungewöhnlich hoch. Es ist sicherlich interessant, dass dieser Parameter grundsätzlich erhöht zu sein scheint bei tschechischen Bieren, aber ich will die Diskussion jetzt nicht zu sehr vom Thema Hefestämme wegführen.
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#32

Beitrag von flying »

WLP800 ("Pilsner Urquell") ist ja lt. Suregork definitiv eine Cerevisiae.
So richtig werde ich nicht schlau aus der Suregork-Grafik. Demzufolge ist die WLP800 eine (Rheinische) Kölsch-Hefe oder nahe dran. Die Nächsten in der Grafik sind eine Kölschhefe und die "Amerikan Wheat" von Widmer. Die Widmer Bros. sagen über ihre Hefe allerdings, dass sie sie in den 80-igern in einer deutschen Hefebank erworben haben und das es die Uerige-Altbierhefe ist. Die Wyeast 1007 wird ja oft als Uerige- Altbierhefe bezeichnet, ist aber in der Grafik an einer ganz anderen Stelle?
Kann natürlich sein, 30 Jahre können Hefen verändern falls keine Reinzucht erfolgt aber warum dann die Nähe zu der WLP800.. :puzz?
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#33

Beitrag von Pivnice »

Eher anders rum - warum die WLP800 in der Nähe
http://beer.suregork.com/?p=3919
WLP800 and WLP320 appear closely related,
auch von suregork:
https://beer.suregork.com/?p=3907#comment-601319
I repeated the analysis with this strain, and the closest hit for WLP800 is Beer087. The reported origin is Germany, lager beer, so it does make sense.
Hubert
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#34

Beitrag von Johnny H »

Ja, es passt, was die diversen Wyeast-WLP-Vergleichstabellen, Handelsnamen und angebliche Herkunft betrifft, nun so einiges nicht mehr zusammen.

tlb (ich nehme an, das ist "tlb" aus diesem Forum) hat folgendes geschrieben:
Thanks a lot Kristoffer!

Overall I like Kristen Englands MrMalty yeast comparison chart, but a couple of strain obviously don’t match up anymore:

WY 1098 British ale & WLP007 Dry English Ale
WY 1728 Scottish Ale & WLP028 Edinburgh Ale
WY 1028 London Ale & WLP013 London Ale

WY 2206 Bavarian lager & WLP820 Oktoberfest/Marzen Lager
WY 2007 Pilsen Lager & WLP840 American Pilsner Lager
WY 2124 Bohemian lager & WLP830 German Lager // W3470

Also WY 3787 Trappist High Gravity & WLP530 Abbey Ale were considered of the same brewery namely Westmalle, right? So definitely not the same yeast strain?
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#35

Beitrag von Commander8x »

flying hat geschrieben: Sonntag 19. Januar 2020, 12:03 So richtig werde ich nicht schlau aus der Suregork-Grafik.
....
Kann natürlich sein, 30 Jahre können Hefen verändern falls keine Reinzucht erfolgt aber warum dann die Nähe zu der WLP800.. :puzz?
Man muss sehr vorsichtig sein bei der Bewertung rein am Computer analysierten Genomdaten. Zum einen ist der tatsächliche Ursprung nur so gut dokumentiert wie der Einlieferer der Probe es aufgeschrieben und die Genbank/Empfänger gespeichert und wiedergegeben hat. Wie sauber er dabei gearbeitet hat, weiß man auch nicht, ebenso wenig wie die Stämme propagiert und kultiviert wurden.

Dann weiß man nicht, mit welchen Datensätzen die Herren Genomanalysten hier gearbeitet haben und (grob gesagt) welche Parameter sie betrachtet haben, an welchen Stellschrauben sie dabei gedreht haben und ob sie die computergenerierten Auswertungen in irgendeinem x-beliebigen Einzelfall mal mit einer unabhängigen Methode nachgeprüft haben. Das Schöne an der Genomanalyse ist, dass bei den riesigen Mengen reingegebener Daten immer irgendwelche Ergebnisse rauskommen. Man kann aufgrund der riesigen Datenmengen und der automatischen Auswertung nur darauf vertrauen, dass alles plausibel gelaufen ist. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus wäre ich skeptisch.

Und man darf auch nicht vergessen, dass nicht alle phänotypischen Unterschiede ihre Ursache in der DNA-Sequenz (Genom) haben, es gibt auch noch andere Regulationsmechanismen, z.B. epigenetische.

Gruß Matthias
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#36

Beitrag von Commander8x »

Blondes hat geschrieben: Samstag 18. Januar 2020, 22:30 Eine aktuelle Zusammenfassung findet man hier (komplettes paper):

https://www.mdpi.com/2306-5710/6/1/3
Hallo Martin, danke für den Artikel!

Matthias
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#37

Beitrag von flying »

..und die Mär das Saaz- Stämme keine Maltotriose können ist auch vom Tisch...

http://beer.suregork.com/?p=4112#comment-748597

Womöglich ist es so, dass gerade einige die es nicht können für die Brauerei des 19. Jahrhunderts selektiert wurden um den damaligen Trinkgewohnheiten zu entsprechen?
Zuletzt geändert von flying am Montag 20. Januar 2020, 15:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#38

Beitrag von Seed7 »

Kuehlt Urquel nicht runter und filtriert steril bevor die gaerung durch ist? Muss ich mal nachfragen, erklaert aber den geschmack und gaerungsgrad.
"Wabi-Sabi" braucht das Bier.
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#39

Beitrag von Johnny H »

Seed7 hat geschrieben: Montag 20. Januar 2020, 14:53 Kuehlt Urquel nicht runter und filtriert steril bevor die gaerung durch ist? Muss ich mal nachfragen, erklaert aber den geschmack und gaerungsgrad.
Da gibt es zumindest die Informationen, dass sich bei PU der Ausstoßvergärgrad (68,5%) vom scheinbaren Endvergärgrad (72,5%) deutlich unterscheidet (Diskussion zuerst hier und in den Posts darunter). Ich glaube, das ist auch das, was in der in Post #30 verlinkten Veröffentlichung als "difference in attenuation" bezeichnet wurde.

Allerdings sind 72,5% VGs als Laborwert immer noch ein relativ niedriger Wert, absichtlich übriggelassene Restsüße hin oder her.
flying hat geschrieben: Montag 20. Januar 2020, 14:42 ..und die Mär das Saaz- Stämme keine Maltotriose können ist auch vom Tisch...

http://beer.suregork.com/?p=4112#comment-748597

Womöglich ist es so, dass gerade einige die es nicht können für die Brauerei des 19. Jahrhunderts selektiert wurden um den damaligen Trinkgewohnheiten zu entsprechen?
5/8 der untersuchten Stämme in der verlinkten Veröffentlichung konnten nichts mit Maltotriose anfangen. Das ist hochinteressant, verkompliziert aber natürlich das Bild hinsichtlich der niedrigen Vergärgrade des 19. Jh.

Auch das hier macht natürlich nichts einfacher:
A58, a variant of the group I type strain (CBS1513) performed particularly well, taking up maltotriose at a higher rate than maltose and retaining significant transport activity at temperatures as low as 0°C.
und:
However, the group I strain CBS1513 (still commonly referred to by the traditional designation S. carlsbergensis) has remained in use at the Carlsberg brewery since 1883 (Walther, Hesselbart and Wendland 2014), suggesting an efficient fermentation performance in this strain, possibly related to α-glucoside utilisation.
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#40

Beitrag von Johnny H »

Auf Homebrewtalk ist man bei Fragen rund um die Hefegenetik mal wieder einige Monate früher dran:

https://www.homebrewtalk.com/forum/thre ... ts.670056/

Bei allen Einschränkungen ggü. der Aussagefähigkeit solcher Analysen:

1) Man hat weitere Diskrepanzen festgestellt:
WLP838 (South German Lager) ist eventuell eine eher englische S. Cerevisiae und hat damit auch nichts mit ihrem "Äquivalent" Wyeast 2308 zu tun, die eine S. Pastorianus Typ Frohberg ist!!
Bei WLP029 German Ale (Kölsch) besteht Grund zur Annahme, sie sei eine S. Past. Typ Frohberg und eher verwandt mit der Wyeast 2124, die wiederum von der Weihenstephan W34/70 herrühren soll!!
Auch bei anderen Stämmen gibt es Diskrepanzen!

2) Hier hat jemand die Genomanalysen in einer Vergleichstabelle der Hefen verschiedener Hersteller eingearbeitet:

https://docs.google.com/spreadsheets/d/ ... 1846233287

3) Auch anderen sind die Diskrepanzen bzgl. der "Pilsner Urquell"-Hefestämme (z.B. WLP 800 vs. Wyeast 2001) und den Verlautbarungen über die Verwendung von vier oder fünf Stämmen in Pilsen bis in die 90er Jahre aufgefallen. Ich befürchte, das wird man vielleicht nie alles herausbekommen, denn wer weiß, wie oft welche Stämme wie genau vereinzelt, gelagert und weitergegeben wurden. Es sei denn, eine Hefebank, die tatsächlich alle alten Stämme eingelagert hat, lüftet den Schleier. Von einer weiß ich.

Wenn sich diese Genomanalysen und die zahlreichen damit aufgeworfenen Fragen hinsichtlich phänotypischer Auswirkungen (Kältetoleranz, POF+, Sprossbildung, Flokkulationseigenschaften, Melibiose-Metabolisierung etc. pp.) vs. genetische Charakterisierung bestätigen, dann wirft das viel von den ursprünglichen Einstufungen ziemlich durcheinander!!
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#41

Beitrag von heizungsrohr »

Das klingt langsam so als wäre die Unterscheidung zwischen obergärig und untergärig eher eine Gefühlsangelegenheit als eine biologische Unterscheidung.
Gruß
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#42

Beitrag von flying »

Oh Mann, ich hab erst kurz mal reingelesen. Nach der Grafik scheint die WLP838 tatsächlich eine obergärige Hefe zu sein. Keine Eubayanus-DNA zu sehen? Mr. Malty nennt als Wyeast Equivalent die Wyeast2308 aka Danstar Diamond aka Doemens Stamm 308... :puzz

Die Kölschhefe WLP029 scheint ein wachechter Frohberg-Stamm zu sein? Sogar die Ringwood Ale...Das wird irgendwie immer verrückter!

Wenn sich das alles bestätigt wird das halbe Forum obsolet wo sich hauptsächlich darüber gestritten wurde was nun Ale oder Lager ist. Die mit Schimpf und Schande überhäuften Brauer der obergärigen Pilse werden rehabilitiert :Angel :Drink
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#43

Beitrag von Johnny H »

flying hat geschrieben: Montag 20. Januar 2020, 23:18 [...]
Wenn sich das alles bestätigt wird das halbe Forum obsolet wo sich hauptsächlich darüber gestritten wurde was nun Ale oder Lager ist. Die mit Schimpf und Schande überhäuften Brauer der obergärigen Pilse werden rehabilitiert :Angel :Drink
Zumindest diese Frage sehen die Amis ja schon lange ziemlich gelassen:
Warm Fermented Lager Thread (seit 2016) :Drink :Angel

Der Rest wirkt in der Tat zusehends bizarr: was bedeuten Gene oder Genanalysen, wenn man in den phänotypischen Eigenschaften nicht mal zwingenderweise fundamentale Unterschiede sieht, wenn man Zellen mit tetraploidem Zellkern (S. Past. Typ Frohberg) solchen mit diploidem Zellkern (S. Cerevisiae) gegenüberstellt??? :puzz :Shocked
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#44

Beitrag von hkpdererste »

Mal 2 doofe Fragen am Rande.
1. Welches sind eigentlich die Hefen, die bei suregork immer mit beer+nummer auftauchen?
2. Die Hefe die bei Heineken verwendet wird taucht in keiner der gängigen Datensammlungen auf. Warum ist das so oder hab ich die bisher nur überlesen?
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#45

Beitrag von ggansde »

flying hat geschrieben: Montag 20. Januar 2020, 23:18 Wenn sich das alles bestätigt wird das halbe Forum obsolet wo sich hauptsächlich darüber gestritten wurde was nun Ale oder Lager ist. Die mit Schimpf und Schande überhäuften Brauer der obergärigen Pilse werden rehabilitiert :Angel :Drink
Moin,
wie ich schon immer sagte, nicht die Hefen sind ober- oder untergärig, sondern die Gärführung macht den Stil. Deshalb wird es auch weiterhin nie ein obergäriges Pils geben, wohl aber evtl. ein kaltvergorenes mit einer "obergärigen" Hefe (wenn der Hefe die Temperaturen zusagen). :Fight
VG, Markus
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#46

Beitrag von Seed7 »

heizungsrohr hat geschrieben: Montag 20. Januar 2020, 23:16 Das klingt langsam so als wäre die Unterscheidung zwischen obergärig und untergärig eher eine Gefühlsangelegenheit als eine biologische Unterscheidung.
Ja, aber nicht, langsam so, sondern schon ziemlich lange. Wenn mann einige viel benuetzte OG hefen heute observiert und vergleicht mit was die zum beispiel in de 50'ern gemacht haben dan wuerde mann die als unterschiedlich einstufen. Der einzige grund ist flocculation, schaumbildung usw. Die sehr hohen gaerungs silos sorgen fuer eine andere umgebung, einen anderen selectionsdruck und ein anderes verhalten der hefe.
Die idee das mann eine hefe nach ihr verhalten und kolonie form einteilt fand ich immer verwunderlich, andere mittel gab es aber sehr lange nicht.

Ingo
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#47

Beitrag von Sura »

Der Mensch ist bei Gleichheiten der Basis-DNA zu 90% ein Schwein und noch zu 75% ein Fadenwurm.
Als Laie würde ich mich nicht trauen DNA-Analysen irgendwie zu interpretieren.
"Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem."
(Karl Valentin)
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#48

Beitrag von Johnny H »

Auf Homebrewtalk hat jemand auf eine interessante Parallele aus der Tierwelt hingewiesen: es gibt ein etwa 150 kg schweres, behaartes Tier, das die meiste Zeit herumhockt und sich von Pflanzen ernährt.

Von der Beschreibung her könnte man nun auf die durchaus naheliegende Idee kommen, dass es sich bei diesem Tier um einen Primaten handelt. Das Bild würde aber einen Panda zeigen, der eindeutig ein Bär ist, und Bären gehören zur Familie der Fleischfresser (Carnivore). Dieses Exemplar frisst aber kein Fleisch. Anscheinend gibt es einige Pandas unter den Hefen ;-)

Ich habe auch erst letztes Wochenende mal wieder über die gustatorische Wahrnehmung von Geschmäckern über die Zunge gesprochen: auch da gab es früher eine ziemlich klare Kartographierung der Zunge (vorne süß, hinten bitter, sauer an der Seite etc.). Heute nimmt man aber auch von dieser klaren Kartographierung Abstand: man nimmt wohl alle Aromen über den gesamten Zungenbereich wahr, aber nicht alle gleichstark an jeder Stelle.

Offenbar ist es mit vielen Dingen in der Biologie so, dass die klaren und eindeutigen Abgrenzungen und Kartographierungen, die wir Menschen so gerne vornehmen, um Dinge in eindeutige Schubladen stecken zu können, in der Realität weitaus diffuser und weniger eindeutig sind. Als Menschen brauchen wir aber diese klaren sprachlichen Abgrenzungen, weil wir miteinander kommunizieren müssen und mein Gegenüber wissen muss, was ich meine, wenn ich von einem Stuhl spreche.

Nachtrag:
ggansde hat geschrieben: Dienstag 21. Januar 2020, 06:27 Moin,
wie ich schon immer sagte, nicht die Hefen sind ober- oder untergärig, sondern die Gärführung macht den Stil. Deshalb wird es auch weiterhin nie ein obergäriges Pils geben, wohl aber evtl. ein kaltvergorenes mit einer "obergärigen" Hefe (wenn der Hefe die Temperaturen zusagen). :Fight
VG, Markus
Nun, bei mir kommen hier sehr widersprüchliche Aussagen an:
"nicht die Hefen sind ober- oder untergärig" - im brauerspezifischen Sprachgebrauch aber genau doch:
"obergärige Hefe": Sacch. Cerevisiae, diploider Zellkern, Sprossbildung, neigt dazu, oben zu schwimmen, kann auch oberhalb 34-37°C vergären
"untergärige Hefe": Sacch. Pastorianus, tri- oder tetraploider Zellkern, keine Sprossbildung, neigt zum schnellen Absinken, hört oberhalb von 32-34°C auf zu arbeiten

"ein kaltvergorenes mit einer "obergärigen" Hefe: ja,was denn nun? Ich dachte, die Gärführung bestimmt den Stil, nicht die Hefe?

Und die Preisfrage:
Nehmen wir ein Bier mit pilsspezifischem Rezept (100% PiMa, klassischer Hopfen) und vergären es mit der WLP800 (heißt "Pilsner Urquell", ist aber seit neuestem eine Sacch. Cerevisiae) bei 8-12°C.
1) Ist das nun ein Pils oder nicht?
2) Und, falls ja, ist es immer noch ein Pils, wenn ich auf 18-20°C gehe?
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#49

Beitrag von Commander8x »

Johnny H hat geschrieben: Montag 20. Januar 2020, 22:24 Auf Homebrewtalk ist man bei Fragen rund um die Hefegenetik mal wieder einige Monate früher dran:

https://www.homebrewtalk.com/forum/thre ... ts.670056/
Das Beste ist hier der gleich eingangs geäußerte Gedanke (Post #6):

"How do any of these recent studies affect the practical aspects of these strains? Or is this all purely academic at this point?"
Sprich: praktisch verwertbar oder rein akademisch?

Langsam frage ich mich das auch. Da wird ein wahnsinniger Sequenzieraufwand getrieben und ein riesiger Datenberg erzeugt, indem nicht etwa das Genom von Saccharomyces cerevisiae einmal sequenziert wurde, sondern man hat scheinbar alle irgendwie verfügbaren Stämme und Untervarietäten da durchgezerrt. Das Hefegenom besteht aus ca. 13 Millionen Basenpaaren ("Buchstaben") und etwa 6300 Genen (Bereiche, die den Bauplan für ein Protein enthalten).
Man könnte böse sein und behaupten, dass die vielen Sequenzierautomaten (und die sie bedienenden Wissenschaftler) einfach immer neues Futter bräuchten... :thumbsup Und wenn man Forschungsgelder zur Erforschung der Bierhefe abgreifen kann, ist das vermutlich fast so sexy für die Geldgeber, als wenn man beabsichtigt, Krebs zu heilen. Bier finden alle geil.... :Ätsch

Praktisch verwertbar für mich ist vor allem die Datei, welche Hefestämme von welchem Anbieter kompatibel sind. Den Rest werde ich ignorieren, nicht mein Glas Bier sozusagen.....
Für mich hört das Interesse bei diesem Hefestammbaum (Abbildung A) auf. Da sieht man, wann ungefähr sich die einzelnen Subtypen voneinander getrennt haben, und wie eng oder weit sie miteinander verwandt sind.
(Wenn ich Abb. B richtig verstehe, dann hat man für das Entschlüsseln des Hefegenoms die gesamte Sequenz hundertfach abgedeckt, d.h. es wurden nicht 13 Millionen, sondern 1,3 Milliarden Basenpaare für einen (!) Hefestamm gelesen...)

Gruß Matthias
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Re: 2 Typen untergärige Hefen

#50

Beitrag von ggansde »

Johnny H hat geschrieben: Dienstag 21. Januar 2020, 09:49 Nachtrag:
ggansde hat geschrieben: Dienstag 21. Januar 2020, 06:27 Moin,
wie ich schon immer sagte, nicht die Hefen sind ober- oder untergärig, sondern die Gärführung macht den Stil. Deshalb wird es auch weiterhin nie ein obergäriges Pils geben, wohl aber evtl. ein kaltvergorenes mit einer "obergärigen" Hefe (wenn der Hefe die Temperaturen zusagen). :Fight
VG, Markus
Nun, bei mir kommen hier sehr widersprüchliche Aussagen an:
"nicht die Hefen sind ober- oder untergärig" - im brauerspezifischen Sprachgebrauch aber genau doch:
"obergärige Hefe": Sacch. Cerevisiae, diploider Zellkern, Sprossbildung, neigt dazu, oben zu schwimmen, kann auch oberhalb 34-37°C vergären
"untergärige Hefe": Sacch. Pastorianus, tri- oder tetraploider Zellkern, keine Sprossbildung, neigt zum schnellen Absinken, hört oberhalb von 32-34°C auf zu arbeiten

"ein kaltvergorenes mit einer "obergärigen" Hefe: ja,was denn nun? Ich dachte, die Gärführung bestimmt den Stil, nicht die Hefe?

Und die Preisfrage:
Nehmen wir ein Bier mit pilsspezifischem Rezept (100% PiMa, klassischer Hopfen) und vergären es mit der WLP800 (heißt "Pilsner Urquell", ist aber seit neuestem eine Sacch. Cerevisiae) bei 8-12°C.
1) Ist das nun ein Pils oder nicht?
2) Und, falls ja, ist es immer noch ein Pils, wenn ich auf 18-20°C gehe?
Kein Wiederspruch, weil obergärig in Hochkommata. Also eine Hefe, die im common sense als obergärig klassifiziert wird. Der Hefe ist das aber egal. Sie vergärt (wenn ihr die Temperatur zusagt) in kalter Würze in Richtung UG-Stil und in wärmerer Würze in Richtung OG-Stil. Zur Preisfrage:
1) Ja
2) Nein (evtl. unter Druck, ja)
VG, Markus
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