Spitzmalz

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integrator
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Spitzmalz

#1

Beitrag von integrator »

"5-10% Spitzmalz hilft dabei den Anteil von vergärbarem Zucker zu senken, falls das Basismalz zu viel vergärbaren Extrakt mitbringt. Damit kann die Stammwürze 0,1-0,3°P höher ausfallen."

Ich bin über diesen Blogeintrag bei Braumarkt gestolpert und verstehe es nicht. :Waa Wer kann erklären?
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Braufex
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Re: Spitzmalz

#2

Beitrag von Braufex »

Ist ein bisserl seltsam formuliert, ich "übersetz" mal:
Du kannst (darfst) durch Einsatz von 5 - 10% Spitzmalz (anstelle eines anderen Malzes) eine um insgesamt 0,1 bis 0,3°P höhere Stammwürze herstellen um die gleiche Menge an vergärbarem Extrakt zu erhalten wie ohne Spitzmalz, da das Spitzmalz weniger vergärbare Zucker hat. Die höhere Stammwürze bringt dann mehr Geschmack ohne den Alkoholgehalt zu erhöhen.

Gruß Erwin
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Kurt
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Re: Spitzmalz

#3

Beitrag von Kurt »

Ich würde es so interpretieren: "Damit kann der Restextrakt 0,1-0,3°P höher ausfallen."
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Braufex
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Re: Spitzmalz

#4

Beitrag von Braufex »

Kurt hat geschrieben: Donnerstag 6. Oktober 2022, 09:04 Ich würde es so interpretieren: "Damit kann der Restextrakt 0,1-0,3°P höher ausfallen."
Servus Kurt,
da die Einheit Grad Plato eigentlich nur für die Stammwürze benutzt wird, gehe ich schon davon aus, dass die Stammwürze gemeint ist.
Aber wer weiß schon, ob sie sich daran halten ... :Wink

Am besten vielleicht einfach mal beim Braumarkt nachfragen.

Gruß Erwin
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hiasl
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Re: Spitzmalz

#5

Beitrag von hiasl »

Das wäre aber ziemlich unsinnig, ohne das Maischen mit einzubeziehen.
Ein paar Fakten Spitzmalz vs. Pilsner Malz (Ernte 2021, Durchschnittswerte, Kongressmaische):

Code: Alles auswählen

Merkmal		Spitzmalz	Pilsner
Feuchte, %	5,3		4,1
Extr. wfr., %	81,9		82,3
Extr., ltr., %	77,6		78,9
EVG, %		78,6		81,4
Es stimmt also, dass bei gleicher Solo-Maische der Extraktgehalt des Spitzmalzes etwas geringer ausfällt, genau so der Endvergärgrad. Aber: Beim Einsatz von 10 % Spitzmalz – milchmädchenhaft mittels Mischungskreuz berechnet – kommt man zu einem EVG von 81,1 %. Es ist aber davon auszugehen, dass die Enzyme des Pilsner Malzes in der Mischung mitwirken, also der tatsächliche EVG kaum beeinfluss wird. Mehr Extrakt werden sie ggf. nicht erzielen, da die schlechtere Modifikation das Auslösen der Stärke erschwert. Der fehlende Extrakt des Spitzmalzes befindet sich also ganz einfach in den Trebern.
In dem Blogeintrag geht es um das Brauen alkoholfreier/-armer Biere. Da wird im nächsten Absatz empfohlen, die Maltoserast zu überspringen. Ich würde jedoch trotzdem behaupten, dass bis 10 % Spitzmalz den EVG nur marginal beeinflussen. Warum jedoch beim Einsatz von Spitzmalz die Stammwürze (sic!) erhöht werden sollte, erschließt sich mir nicht. Möglicherweise müsste man das den Autor fragen.

Ein Schmankerl noch zum Schluss (passt gut in die Kategorie Hobbybrauerlatein):
Rezept alkoholfreies Pils / Pale Ale

100% Münchner Malz (15 EBC)
Bei ca. 82% Extrakt-Feinschrot
Zielstammwürze 6°P, ggf. 10% Spitzmalz um Stammwürze um 0,3 zu erhöhen
Hier übrigens wieder diese merkwürdige Aussage: Ist also kein Verschreiber. Ich denke, der Autor hat hier was bestimmtes im Sinn, aber eben falsch ausgedrückt.
Gruß
Matthias
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integrator
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Re: Spitzmalz

#6

Beitrag von integrator »

Bis hier hin erst einmal Vielen Dank ... da ich bei euch ein bisschen Unsicherheit raus lese, werde ich mich mal beim Braumarkt nachfragen und dann hier das Ergebnis mitteilen.
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Alt-Phex
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Re: Spitzmalz

#7

Beitrag von Alt-Phex »

Also mir war Spitzmalz bislang eigentlich nur als Schaumverbesserer bekannt. Die Aussage des unbekannten Autoren kann ich auch aus der Praxis nicht nachvollziehen. Zugegeben, ich hab da auch nie gezielt drauf geachtet. Mal ganz abgesehen davon, dass ich mich außer Stande fühle unter 0,5% irgendwas genau messen zu können.

Ich nutze schon seit längerem 5-10% Spitzmalz in meinen Bieren. Als fauler Kombirastler kompensiere ich damit ganz diletantisch die fehlende Eiweißrast.
>>Impfung rettet Leben und Kultur!<<

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§11
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Re: Spitzmalz

#8

Beitrag von §11 »

hiasl hat geschrieben: Donnerstag 6. Oktober 2022, 09:46 Das wäre aber ziemlich unsinnig, ohne das Maischen mit einzubeziehen.
Ein paar Fakten Spitzmalz vs. Pilsner Malz (Ernte 2021, Durchschnittswerte, Kongressmaische):

Code: Alles auswählen

Merkmal		Spitzmalz	Pilsner
Feuchte, %	5,3		4,1
Extr. wfr., %	81,9		82,3
Extr., ltr., %	77,6		78,9
EVG, %		78,6		81,4
Es stimmt also, dass bei gleicher Solo-Maische der Extraktgehalt des Spitzmalzes etwas geringer ausfällt, genau so der Endvergärgrad. Aber: Beim Einsatz von 10 % Spitzmalz – milchmädchenhaft mittels Mischungskreuz berechnet – kommt man zu einem EVG von 81,1 %. Es ist aber davon auszugehen, dass die Enzyme des Pilsner Malzes in der Mischung mitwirken, also der tatsächliche EVG kaum beeinfluss wird. Mehr Extrakt werden sie ggf. nicht erzielen, da die schlechtere Modifikation das Auslösen der Stärke erschwert. Der fehlende Extrakt des Spitzmalzes befindet sich also ganz einfach in den Trebern.
In dem Blogeintrag geht es um das Brauen alkoholfreier/-armer Biere. Da wird im nächsten Absatz empfohlen, die Maltoserast zu überspringen. Ich würde jedoch trotzdem behaupten, dass bis 10 % Spitzmalz den EVG nur marginal beeinflussen. Warum jedoch beim Einsatz von Spitzmalz die Stammwürze (sic!) erhöht werden sollte, erschließt sich mir nicht. Möglicherweise müsste man das den Autor fragen.

Ein Schmankerl noch zum Schluss (passt gut in die Kategorie Hobbybrauerlatein):
Rezept alkoholfreies Pils / Pale Ale

100% Münchner Malz (15 EBC)
Bei ca. 82% Extrakt-Feinschrot
Zielstammwürze 6°P, ggf. 10% Spitzmalz um Stammwürze um 0,3 zu erhöhen
Hier übrigens wieder diese merkwürdige Aussage: Ist also kein Verschreiber. Ich denke, der Autor hat hier was bestimmtes im Sinn, aber eben falsch ausgedrückt.
Absolut. Ich halte die Blog- Aussage auch für gewagt. Wenn man das ganze auf die Spitze treiben will, werden die 10% Spitzmalz zusätzlich durch die geringeren Mälzungsverluste kompensiert. Das sich dieser ja nur auf den Mehlkörper, nicht aber die Spelzen auswirkt, hat Spitzmalz im Verhältnis auch einen höheren Extrakanteil. Das sieht natürlich in der Analyse anders aus, die aber verfälscht sein dürfte, weil eben in der Solo-Maische die Enzyme fehlen.

Gruss

Jan
„porro bibitur!“
Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
Die Seite zur HBCon https://heimbrauconvention.de/
https://headlessbrewer.wordpress.com/
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integrator
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Re: Spitzmalz

#9

Beitrag von integrator »

Ich habe netterweise ein Antwort vom Braumarkt (Herr Brain Schlede) bekommen.

Antwort
"Du sprichst da ein Thema an, bei dem wir selbst noch dabei sind Erfahrung zu sammeln.

Im Artikel geht es um die Produktion von alkoholfreien Bieren mit maltosenegativen Hefen.
Hintergrund der Spitzmalzidee ist der aktuell hohe Vergärgrad von bis zu 20% bei modernen Malzqualitäten (früher waren es 13-15%), wobei man bei typischen Stammwürzen von 7,5°P deutlich über den erlaubten 0,5%vol. Alkohol erhält.
Als Ursache vermuten wir die beabsichtigte hohe Lösung aktueller Gerstenpartien und der daraus entstehenden Malze, da diese bisher unter anderem mit dem Ziel "hohes Extrakt" gezüchtet und vermälzt wurden. Dies betrifft nach unseren Messungen alle Zuckerarten. Wir konnten feststellen, dass Glukose, Fructose, Saccharose analog mehr gebildet werden und so den Vergärgrad ansteigen lassen. Das alkoholfreie Bier würde durch diese vergärgradbedinge notwendige Absenkung der Stammwürze deutlich "dünner" werden, daher war ein Ansatz hier mit dem etwas niedrigeren Spitzmalzextrakt "zu kompensieren".
Spitzmalz ist ein angekeimtes Malz, welches bereits nach dem ersten, statt dritten bis fünften, Keimtag abgedarrt wird.
Dadurch wird weniger Eiweiß, ursprünglicher Einsatzgrund, und weniger Stärke vorgelöst.
Durch die geringere Lösung hat Spitzmalz je nach Malzanalyse einige Prozent weniger vergärbaren Extrakt zur Verfügung, dabei geht aus der Malzanalyse nicht hervor um welche Zuckerarten es sich handelt. Zudem spielt das Maischverfahren eine Rolle, welches in meiner Empfehlung isotherm über 70°C laufen sollte, damit wir um Sudhaus nur Jodnormal werden und die Gewinnung kleinerer Zuckerarten möglichst klein halten. Insgesamt muss man viele nicht für jeden Brauer messbare Faktoren im Konzert betrachten und ist so gesehen in der innerbetrieblichen Prozesskontrolle nicht einfach zu reproduzieren.
Die Erfahrung und ein zweijähriges Malzforschungsprojekt mit dem ILU hat gezeigt, dass bei den heutigen Malzqualitäten aus modernen Gertensorten die Einfach- und Zweifachzucker, die von maltosenegativen Hefen vergoren werden, höher ausfallen als früher. Für eine Bestimmung der Zuckerarten starten wir gerade mit der TUM Weihenstephan und CDR BeerLab, deren Analysegeräte wir vertreiben, eine Verifikation des vergärbaren Extrakts und der Zuckerverteilung in Würzen aus unterschiedlichen Gerstenpartien und Malzprodukten, da dies in der innerbetrieblichen Prozesskontrolle der Brauerei durchaus ein Thema ist.

Schlussendlich ist der Blog-Artikel ein wieder aufgewärmter Artikel aus dem Craft Beer Magazin und daher nicht ganz aktuell. Aus heutiger Perspektive würde ich mich von der Spitzmalzempfehlung distanzieren, da es nicht viel bringt und die begleitende Trübung das Bier nicht unbedingt aufwertet. Wenn wir innerhalb des nächsten (halben) Jahres mehr Erkenntnisse zu den Zuckerarten aus den verschiedenen Malzprodukten haben, würde ich ein Update dazu schreiben."
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Re: Spitzmalz

#10

Beitrag von Colindo »

integrator hat geschrieben: Dienstag 18. Oktober 2022, 09:54 Ich habe netterweise ein Antwort vom Braumarkt (Herr Brain Schlede) bekommen.
Super, was für eine detaillierte Antwort! Das Thema ist für mich auch interessant, da meine bisherigen Versuche mit der LA-01 immer einen zu hohen Vergärgrad hatten. Werde da mal mehr auf Maische und Schüttung achten.
Auf Youtube: The British Pint
rauchbier
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Re: Spitzmalz

#11

Beitrag von rauchbier »

Auch von mir vielen Dank für das Teilen der Antwort hier im Forum. Super! Die beiden Rezepte am Ende des Artikels waren auch damals im Craftbeer Magazin. Da wäre natürlich interessant, wie Brian die Rezepte aufgrund der neuen Erkenntnissen modifizieren würde. Insbesondere, was den Ausgleich der extraktreichen Malze betrifft, für die der Einsatz von bis 10% Spitzmalz vorgeschlagen wurde.
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