nobody2k hat geschrieben:Samson ist doch das europäische Annheuser Bush Gschluder? (zu Bundesdeutsch: Gesöff)
Da würde ich lieber die andere Hefe nehmen ;)
Ich komme nach Quellenstudium über mehrere Tage mehr und mehr zu dem Schluss, dass der verwendete Hefestamm nicht so essenziell ist für das Gelingen eines guten böhmischen Pilsners. Ich vermute (mal wieder) stark, dass die
Gärbedingungen (Pitching Rate, Anstelltemperatur, Behälterdimensionen (ZKT etc.)) weitaus wichtiger sind, immer unter der Voraussetzung, dass die Hefe eine hochvergärende untergärige ist. Jedoch dürfte weder die traditionelle (flache Gärbehälter aber vier bis fünf verschiedene Hefen) noch die moderne (ZKTs, nur noch eine Hefe) Urquell-Methode (mehr dazu unten) für uns als Hobbybrauer (von Ausnahmen abgesehen) ohne weiteres machbar sein. Dazu kommen für den Geschmack noch die Diacetylnote sowie die Komponenten, die durch die Direktbefeuerung der Kupferpfannen im Dreimaischverfahren entstehen (sowie natürlich das weiche Brauwasser).
Ich fasse jetzt nochmal zusammen, was ich über die letzten Tage gelesen habe:
- die erste Hefe fürs erste Pilsner Urquell 1842 kam aus Bayern (angeblich zwei Jahre vorher eingeschmuggelt von einem bayerischen Mönch, ich halte es aber durchaus auch für möglich, dass Groll die Hefe selbst mitgebracht hat)
- bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gab es in Pilsen keine Reinzuchthefen, und alle drei Brauereien in Pilsen bezogen regelmäßig und in großen Mengen handelsübliche UG-Hefen aus Bayern
- spätestens 1928 (vermutlich aber auch nicht viel früher) gab es im Bürgerlichen Brauhaus (heutige Pilsner Urquell Brauerei) Reinzuchttanks
- bis 1993 wurden in der Urquell-Brauerei (je nach Quelle) vier bis fünf verschiedene Reinzuchthefen verwendet, wobei die einzelnen Gärbottiche gleichzeitig angestellt wurden (bei 4,7 - 4,9°C, 6-7 mg O2/l, Tmax <= 8,5°C), und deren Inhalte nach elf Tagen HG verschnitten wurden, Nachgärung dann für 60 Tage bei 1°C, wobei die Lagergefäße die ersten 14 Tage ungespundet blieben (Quellen s. Renes Link weiter oben, bzw. Ivo Hlavácek u.a.: Die Entwicklung von Produktion und Technologie in der Pilsner Urquell Brauerei im Zeitraum von 125 Jahren seit der Gründung (1842 - 1967), in: Eduard Jalowetz: Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, Wien 1930, Nachdruck Pilsen 1999)
- Im Zuge von umfangreichen Modernisierungen der Urquell-Brauerei Anfang der 90er Jahre wurde insbesondere der Bereich Gärung und Nachgärung komplett modernisiert. Dabei wurden beide Bereiche auf ZKTs umgestellt, und auch Hefewirtschaft und -reinzucht etc. wurden stark verändert (zwei Hefedrucktanks, fünf Lagerbehälter). Mit diesen Neueinrichtungen wurde erstmalig im Mai (10°P-Bier) bzw. im Oktober (12°P-Bier) 1993 produziert. Im Zuge dessen wurden umfangreiche Gärversuche und Rezepturänderungen (u.a. wurde die Hopfung verändert, resultierend in 10% weniger alpha) nötig. (Quelle: Vaclav Berka et al., "Die Modernierung der Pilsner Urquell Brauerei", in: Eduard Jalowetz: Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, Wien 1930, Nachdruck Pilsen 1999)
- Für die veränderte Gärung wurde "der Bierhefestamm W34 aus den Sammlungen der [...] TU München in Weihenstephan erworben" (der Vorläufer für den in Renes Quelle erwähnten H-Stamm??), die Anstelltechnik (Menge, O
2, Temperatur) sowie T
max wurden variiert und optimiert, viel davon im Hinblick auf das Verhältnis von Estern und höheren Alkoholen. Ebenso wurden Kombinationen von klassischer und traditioneller Technologie (z.B. HG in ZKTs, NG klassisch und umgekehrt) getestet. Das Optimum ergab sich bei einer Anstelltemperatur von 6°C, Tmax = 9°C, 15 Mill. Hefez./ml und 6-8 mg O
2/l. Weiterhin wurden auch Klärmittel eingeführt (Quelle ebenfalls Berka)
Wie gesagt, ich mache ja jedes Jahr einmal ein böhmisches Pilsner und habe bisher die W34/70, die 2000er und die 2001er verwendet, wobei nur die letzten beiden Versuche hinsichtlich Rezeptur, Anstell- und Gärtemperatur vergleichbar waren. Ich bin mir nicht sicher, ob ich zwischen der 2000er und der 2001er einen Unterschied rausschmecken könnte. Allerdings hat die 2001er in meiner Erfahrung ein völlig anderes Sedimentationsverhalten (sedimentiert sehr gut, wirbelt aber sehr leicht wieder auf), während die 2000er und die W34/70 wie Beton unten liegen bleiben. Leider vergeht bei mir immer fast ein Jahr zwischen den Versuchen - vielleicht müsste ich wirklich mal für einen besseren Vergleich direkt hintereinander drei oder vier böhmische Pilsner mit verschiedenen Hefen machen. Edit: andere haben schon Vergleiche gemacht, z.B.
hier (2000 vs 2001), und weitere lesenswerte Eindrücke
finden sich hier.
BTT: Markus, W34/70 passt!