Kalte Gärung

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Innuendo
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Kalte Gärung

#1

Beitrag von Innuendo »

Hallo Ihrs,
in Buch "Bier brauen" wird die "Kalte Gärung - kalte Reifung" beschrieben (S.225).
Nun schreibt der Autor, dass UG bei 6-8°C angestellt wird, die Angaben des Herstellers sollen aber berücksichtigt werden.
Ich habe aktuell die Fermentis Saflage W34/70 im EInsatz. Aus dem PDF:
Empfohlene Anstelltemp: 9-22°C idealerweise 12-15°C
Ich hätte jetzt 9-10°C Anstelltemperatur gewählt. Aber die kalte Gärung wird beschrieben mit "wir stellen allerdings etwa 2°C tiefer an". Woher kommen die 2°C? Die Temperatur soll durch Gärwärme auf 8-10°C steigen. Bei mir nicht, aber mit einem ITC-308 am Kühli war das erreichbar. Der nächste Temperaturschritt liegt wieder bei 6-8°C.
Mit dieser Gärführung bin ich konstant außerhalb des Idealbereichs und größtenteils außerhalb des empfohlenen Bereichs.
Warum kalte Gärung richtig oder besser ist, möchte ich nicht hinterfragen, weil es unter "Bildung von Gärungsnebenprodukten" auch erklärt ist, aber

- warum tiefer anstellen, als der Hesteller angibt? Gilt das generell für alle UG-Hefen und wo kommt die Zahl "etwa 2°C" her?
- warum konstant kälter als der Idealbereich (bis auf das Anstellen sind die Temperaturangaben im Buch absolut und nicht relativ zur Herstellertemp)
- warum größtenteils nicht im empfohlenen Bereich des Hefeherstellers

Die Kalte Gärung wie im Buch beschrieben funktioniert, zwar recht langsam, aber nach nunmehr 4 Tagen habe ich hübsche Niederkräusen. Ich möchte es gern verstehen und nicht einfach nur ein Flußdiagramm abarbeiten.
Innu
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Ladeberger
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Re: Kalte Gärung

#2

Beitrag von Ladeberger »

Viele qualitätsrelevante Stoffwechselprozesse beginnen eben schon kurz nach dem Anstellen und sind u.a. temperaturbeeinflusst. Mit der Wahl der Anstelltechnik stellt man hierfür die Weichen.

Trockenhefen in erster Führung tun sich mit derart kalten Bedingungen häufig schwer, weshalb deren Hersteller hier gerne zu etwas höheren Anstell- und Gärtemperaturen raten. Mit einem späten Ankommen und schleppender Gärung ist qualitativ nämlich auch nichts gewonnen.

Es ist also letzlich ein Trade-off.

Gruß
Andy
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Innuendo
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Re: Kalte Gärung

#3

Beitrag von Innuendo »

Interessant. D.h. mit Trockenhefe in erster Führung würdest Du im empfohlenen Herstellerbereich bleiben bzw. eine Temperaturverschiebung mit 9°C als untere Grenze für die Gärfühurng verwenden? In Zahlen: die Niederkräusen statt mit 8-10°C besser mit 10-12°C wachsen lassen und bei 9-11°C vollständig vergären lassen, mit anschließender KEG Reifung und Zwangskarbonisierung bei 0-1°C.
Im Idealbereich legt diese Hefe los, als gäbe es kein morgen mehr. Das wollte ich mit einer langsamen Gärführung anders gestalten.
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Barney Gumble
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Re: Kalte Gärung

#4

Beitrag von Barney Gumble »

Naja, eigentlich ist mit dem Satz "wir stellen allerdings etwa 2°C tiefer an" ja auch nicht gesagt, dass das immer und für alle richtig sein muss. Beim Autor hat sich dies halt als vorteilhaft erwiesen. Ich denke wir reden was sensorisch reproduzierbare Auswirkungen einer Gärführung von 2 Grad Unterschied ausmacht, von Nuancen die es erstmal zu erschmecken gilt.
Und klar das die Gärungsführung von der Anstellmenge (viable Zellen) abhängig gemacht werden sollte. Einen superblubernden im Vergleich zur Würzemenge gro§en Starter (dickbreiige Hefe) sollte niedrigere Temperatur besser wegstecken als ein paar Rentner-Zellen.

Sag mal, wie genau wird bei Dir die Temperatur gesteuert? Thermostat mit Fühler in Würze und am besten noch Luftumwälzung im Kühlschrank würde ich bei Deiner Frage erwarten, ansonsten bleibt hier vielleicht alles sehr relativ.

Vg
Salomon
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Innuendo
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Re: Kalte Gärung

#5

Beitrag von Innuendo »

@Salomon: es war eine Verständnisfrage. Im Buch ist sehr viel hergeleitet und erläutert, aber zur kalten Gärung hatte ich in der Umsetzung Fragen. Mit der trade-off Anmerkung (gut gegen Gärnebenprodukte, suboptimal für Trockenhefe in erster Führung) habe ich die Temperaturen um +2°C verschoben und die Steigung der Extraktkurve der letzten 24h schaut gut aus.
temp.jpg
Innu
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Barney Gumble
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Re: Kalte Gärung

#6

Beitrag von Barney Gumble »

Schöne Grafik, und ja man sieht, die Gärung geht weiter runter. Ich nehme an, vorher war der Verlauf also flacher.
Tatsächlich sind aber schon Schwankungen um fast 2 Grad (fast von 10,0 bis 12,0) drin, was zeigt, dass die Steuerung eben auf 1 Grad genau in einem Kühlschrank o. dgl. ohne Umluft schon sportlich ist. Wenn dann auch noch ab und zu Tür aufgemacht wird zum nachschauen (Bierentnahme.. 😉) noch mehr. Aber klar, bist Du jetzt im Mittel höher als vorher.

Jedenfalls scheint es bei Dir mit den Temperaturen zu passen und es ist schon grundsätzlich sehr gut sich beim Thema Temperatur Gedanken zu machen.

Vg
Shlomo
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Innuendo
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Re: Kalte Gärung

#7

Beitrag von Innuendo »

Die Visualisierung der iSpindel mit ubidots macht es sehr viel einfacher. Der Temperaturbereich liegt in den letzten 24h zw 10,69 und 11,50 - trotz neugierigem in den Kühlschrank schauen ;-)
Sonntag folgt der Schritt auf 9°C +-1 reduzieren. Auch da bleibe ich erst einmal über Jans Empfehlung und beobachte. Ich bevorzuge die vollständige Vergärung, habe also ein paar Tage zum Graphen anschauen Zeit. Nach dem Schlauchen ins NC Keg kühle ich auf die beschriebenen 0-1°C ab.
Weil die Gärführung die Bildung von Diacetyl sehr gering halten soll, plane ich ohne Diacetylrast am Ende der Gärung.
Innu
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Sura
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Re: Kalte Gärung

#8

Beitrag von Sura »

Ich will deinen Eifer ja nicht bremen, aber es kann schon sein das einfach zwei Tage weiteres warten das selbe gebracht hat. Und es kommt natürlich darauf an, welche Temperatur du eigentlich regelst. Wenn du die im Sud regelst, ist das nochmal was ganz anderes als die Umgebungstemperatur:

Bei Regelung der Aussentemperatur kann die Temperatur im Sud ganz locker mal 2-3°C höher sein, und das auch schon bei 20l Suden. Wenn man da die Temperatur bei 8°C hält, dann "kommt" die Temperatur innerhalb des Eimers von selber auf 10°C. Bei 10°C Aussentemperatur kann die Jungbiertemperatur dann auch mal über 12°C kommen, was geschmacklich dann schon spürbar sein kann.
"Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem."
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Innuendo
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Re: Kalte Gärung

#9

Beitrag von Innuendo »

Der Temperaturfühler vom Inkbird ist genauso wie die iSpindel in der Würze.
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Sura
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Re: Kalte Gärung

#10

Beitrag von Sura »

OK, siehste, meiner ist ausserhalb, weil ich dem Bier die Möglichkeit geben möchte kalt zu starten und auf die Temperatur zu kommen.
Was jetzt immer das bessere Verfahren ist.... gute Frage, keine Antwort -- it depends.... :Greets
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Re: Kalte Gärung

#11

Beitrag von danieldee »

Innuendo hat geschrieben: Mittwoch 25. April 2018, 13:15 Hallo Ihrs,
in Buch "Bier brauen" wird die "Kalte Gärung - kalte Reifung" beschrieben (S.225).
Nun schreibt der Autor, dass UG bei 6-8°C angestellt wird, die Angaben des Herstellers sollen aber berücksichtigt werden.
Ich habe aktuell die Fermentis Saflage W34/70 im EInsatz. Aus dem PDF:
Empfohlene Anstelltemp: 9-22°C idealerweise 12-15°C
Ich hätte jetzt 9-10°C Anstelltemperatur gewählt. Aber die kalte Gärung wird beschrieben mit "wir stellen allerdings etwa 2°C tiefer an". Woher kommen die 2°C? Die Temperatur soll durch Gärwärme auf 8-10°C steigen. Bei mir nicht, aber mit einem ITC-308 am Kühli war das erreichbar. Der nächste Temperaturschritt liegt wieder bei 6-8°C.
Mit dieser Gärführung bin ich konstant außerhalb des Idealbereichs und größtenteils außerhalb des empfohlenen Bereichs.
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Die Kalte Gärung wie im Buch beschrieben funktioniert, zwar recht langsam, aber nach nunmehr 4 Tagen habe ich hübsche Niederkräusen. Ich möchte es gern verstehen und nicht einfach nur ein Flußdiagramm abarbeiten.
Innu
Die Antwort ist ziemlich einfach...aus Erfahrung.
Gerade bei der weit verbreiteten 34/70 ist der Erfahrungsschatz enorm.
Hier in Franken stellt man teilweise bei 5° an und lässt dann ohne Begrenzung auf 10° kommen.
Die wenigsten Störgeräusche entstehen bei kalter Gärung und das will man ja auch bei UG klassischen Bieren.
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Innuendo
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Re: Kalte Gärung

#12

Beitrag von Innuendo »

Hallo,
ich benutze mein Thema kalte Gärung aus April nochmal für eine weitere Frage:
am 02.06. habe ich einen weiteren Sud mit der W34/70 bei konstant 7,5°C zum Gären in den Kühlschrank gestellt. Die Stammwürze habe ich durch Zumischen auf rund 11°P eingestellt. Die iSpindel zeigt einen stetig fallenden Restextrakt, nach 10 Tagen rund 5%%. Eine SVG habe ich nicht.
Nun bin ich ab Freitag unerwartet für eine Woche beruflich unterwegs - nach dem Verlauf der letzten 10 Tage, wird der Restextrakt auf ca. 3-3,5 sinken.
Was würdet ihr machen?
a) wärmer stellen um die Gärung zu beschleunigen und Donnerstag abend ins NC schlauchen?
b) oder einfach in Ruhe bei 7,5°C weiter gären lassen und erst nach 3 Wochen Gärung vom Geläger abziehen?
Innu
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