DuPont Saisonhefe und Druck/Co2 -Empfindlichkeit

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chaos-black
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DuPont Saisonhefe und Druck/Co2 -Empfindlichkeit

#1

Beitrag von chaos-black »

Hallo Leute,
ich höre gerade eine neue Folge des Experimentalbrewing Podcasts und in der aktuellen wird unter anderem ein älteres Experiment dargestellt. In diesem Experiment geht es darum ein Saison mit der DuPont Hefe (Wyeast 3724 und wlp 565) offen, also nur mit Folie aufdem Loch oben, oder mit Gärröhrchen zu vergären. Vier von fünf Experimente haben gezeigt dass das offene deutlich schneller ausgegoren war als das mit Gärröhrchen noch bei 5-6 Plato stand. Ein Ausreißer hat den Befund nicht geteilt, aber war auch der Einzige der den Sud auf 30 Grad Celsius erhitzt hat, was aber wiederum auch zu weniger gelösten Co2 geführt haben muss.
Die Folge gibt es hier und ab 11min gehts um das Thema https://www.experimentalbrew.com/podcas ... son-review

Habt ihr schon entsprechende Erfahrungen gemacht? Oder wisst ihr da mehr?

Beste Grüße,
Alex
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Butterbrot
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Re: DuPont Saisonhefe und Druck/Co2 -Empfindlichkeit

#2

Beitrag von Butterbrot »

Diese Methode wird unter anderem auch hier empfohlen. Die Begründung klingt für mich aber ehrlich gesagt wenig überzeugend. Der Druck im Gärfass ergibt sich ja allein durch das bisschen Wasser im Gärröhrchen, das "nach unten drückt"; ein erhöhter Druck überwindet ja dann den Widerstand. Also ist der Druck echt minimal, 50ml Würze extra im Fass wirken sich da stärker aus...
Die CO2 Entbindung sollte sich davon ja genauso wenig beeindrucken lassen.

Dennoch gibt es ja vielerorts "offene Gärungen" (z.B. in "Yorkshire squares"), und viele versprechen sie davon genau den speziellen Charakter. Ich würde aber eher darauf tippen, dass es um die Luft geht, die dann an das Jungbier bzw. den Kräusen rankommt.

(Das sind jetzt nur meine Gedanken dazu, ich lasse mich gern eines besseren belehren.)
Mailänder
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Re: DuPont Saisonhefe und Druck/Co2 -Empfindlichkeit

#3

Beitrag von Mailänder »

Das ist reinster Unfug. Der Druckunterschied der dadurch entsteht beträgt höchstens 2 millibar (entspricht 2cm Wassersäule) was der Hefe komplett egal ist. Alleine wegen der Meteorologie kann der Druck um mehr als 20 millibar schwanken, vom Druck in der Flasche gar nicht zu sprechen. Wäre diese Hefe wirklich so empfindlich dann bräuchte man dem Wetter entsprechend den Sud planen und auf die Flaschengärung komplett verzichten.
Die Ergebnisse solcher "Experimentenreien" sind reines Wunschdenken und völlig bedeutungslos. In der Realität brauch man Drücke von mehrere bar um die Gärführung zu beeinflussen.

P.S. Bei der sogennanten "offenen Gärung" geht es um die Form des Gärbehälters und weder um Lufteintrag noch um Druckverhältnisse.
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Re: DuPont Saisonhefe und Druck/Co2 -Empfindlichkeit

#4

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Butterbrot hat geschrieben: Donnerstag 30. August 2018, 11:02Ich würde aber eher darauf tippen, dass es um die Luft geht, die dann an das Jungbier bzw. den Kräusen rankommt.
Da bin ich bei dir.
Ich kann mir auch vorstellen, dass sich die Hefe ohne Gärspund stärker vermehrt.
Das Wasser im Gärspund bildet eine Gasbarriere zwischen Innen und Außen. Eine Diffusion von Sauerstoff in den Gärbottich hinein erfolgt daher sehr langsam (durchs Wasser oder die Kunststoffwand des Eimers) und die CO2 Konzentration liegt bei nahezu 100%. Durch einen Gärspund ohne Wasser bzw. durch eine andere gasdurchlässige Abdeckung (Folie, Tuch, Socke) diffundiert der Luftsauerstoff deutlich schneller.
Das Hefe sich unter aeroben Bedingungen kräftiger vermehrt ist auch kein Geheimnis. Darum belüften wir unsere Anstellwürzen ja.

Für mich deuten die Ergebnisse des Versuchs darauf hin, dass die DuPont Hefe eine kleine Mimi ist und schlechte Vermehrungsraten an den Tag legt. Mit dauerhaft vorhandenem Sauerstoff scheint sie es auf die Reihe zu bekommen.
Als Freund des wassergefüllten Gärspunds wäre mein Lösungsansatz: Anstellwürze besser belüften und Anstellrate erhöhen.
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Re: DuPont Saisonhefe und Druck/Co2 -Empfindlichkeit

#5

Beitrag von Ladeberger »

Während der Gärung von 20 L Vollbier entstehen > 400 L CO2. Schwer vorstellbar, dass hier entgegen der Strömung relevante Mengen Sauerstoff durch Diffusion - noch dazu durch die Kräusen - an die Jungbieroberfläche gelangen können.

Die präsentierte Datenlage ist auch reichlich dünn, da ist man statistisch nur ein weiteres Negativergebnis vom puren Zufall entfernt.

Übrigens: DuPont produziert Kunststoffe, ich nehme an ihr meint die (Brasserie) Dupont :Greets

Gruß
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Re: DuPont Saisonhefe und Druck/Co2 -Empfindlichkeit

#6

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Stimmt grundsätzlich, mit Mutmaßungen, Zufall und Spekulation.
Dennoch:
400 Liter CO2 hört sich viel an, sind bei einer fünftägigen HG im Durchschnitt aber nur 60ml pro Minute.
Im geschlossenen Gärbottich wird der O2 Gehalt absolut gering bleiben. Beim offenen Bottich (lose abgedeckt etc.) kann ich mir schon vorstellen, dass durch Aerodynamik und Diffusion ein paar Milliliter Luft pro Minute reinkommen können und die CO2 Sättigung reduzieren. Die frische Hefe in den Kräusen kommt damit in Kontakt, ohne dass das CO2-Luftgemisch bis zum Jungbier gelangen muss.
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Re: DuPont Saisonhefe und Druck/Co2 -Empfindlichkeit

#7

Beitrag von Mailänder »

Schade nur dass die Hefe in den Kräusen sich von der Würze getrennt hat und nichts mehr vergären kann und wird.
Wenn bei der offenen Gärung wirklich so viel Sauerstoff in die Würze kommen könnte dann würde das Gärverhalten der Hefe keinen Unterschied mehr ausmachen, das Bier wäre schon von Anfang an wegen massiver Oxidation für den Gulli. :thumbdown
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Re: DuPont Saisonhefe und Druck/Co2 -Empfindlichkeit

#8

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Du bist doch Profi. Hast du die Möglichkeit zwei kleine 20l Gärbottiche hinzustellen (einen mit Wasser im Spund und einen ohne Wasser) und in jeden Bottich zwei O2 Messsonden zu stecken (1x Würze, 1x Kopfraum)? Ein bisschen Würze von einem Sud abzwacken und beide Eimer mit irgendeiner Hefe anstellen. Die Kurven wären sicher aufschlussreich.
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Re: DuPont Saisonhefe und Druck/Co2 -Empfindlichkeit

#9

Beitrag von Mailänder »

Eigentlich wäre eine ORP-Messung aufschlussreicher, das würde Auskunft über wieviel Sauerstoff mit der Würze reagiert hat geben. Laut Dr. Zepft ist eine Messung des gelösten Sauerstoffes bei aktiver Gärung zwecklos da dieser ziemlich schnell aufgenommen wird bevor er von der Messung erfasst werden kann. Und die Sonde wird auch ziemlich schnell dreckig...
Leider fehlt mit die Zeit für solche Experimente die man eigentlich schon ausgeführt hat, deswegen beziehe ich mich lieber auf die vorhandene Fachliteratur. :thumbup
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Re: DuPont Saisonhefe und Druck/Co2 -Empfindlichkeit

#10

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Klingt plausibel. :Wink
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Re: DuPont Saisonhefe und Druck/Co2 -Empfindlichkeit

#11

Beitrag von Mailänder »

Nur am Rande: wenn wirklich durch die offene Gärung eine nennenswerte Menge an Sauerstoff an die Hefe gelingen würde dann würde die Gärung (genauer gesagt der Extraktabbau) tatsächlich langsamer laufen. Der Grund dafür ist dass der aerobe Stoffwechsel um ein Vielfaches wirksamer ist als der anaerobe, deswegen braucht die Hefe weniger Zucker pro Energieeinheit aerob zu verstoffwechseln.
Klingt kontraintuitiv, ist aber so. :Wink
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Re: DuPont Saisonhefe und Druck/Co2 -Empfindlichkeit

#12

Beitrag von Tozzi »

Um die WY3724/WLP565 ranken sich jede Menge Mythen.
Das mit dem Druck ist ziemlich sicher Quatsch, wie ja schon erwähnt.
Ich halte diese Erklärung von Ingo für die einleuchtendste (da hatten wir dasselbe Thema schon mal):
https://hobbybrauer.de/forum/viewtopic. ... 96#p160696

Ich kombiniere sie daher meist (gerne auch zeitlich leicht versetzt) mit der WLP566 (oder gleich mit gestrippter Dupont Hefe) und erreiche so wiederholbar sehr hohe Vergärungsgrade, habe dabei aber trotzdem das unvergleichliche Geschmacksprofil der 3724.
Zunächst legt die 3724 ja auch meistens turbomäßig los; nur "schläft" sie halt gerne irgendwann ein (nicht immer, aber oft halt, und das Warten bis sie wieder aufwacht ist schmerzlich).
Viele Grüße aus Fasano
Stephan
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Re: DuPont Saisonhefe und Druck/Co2 -Empfindlichkeit

#13

Beitrag von LuedgerLeGrand »

So, bei mir ist die zwar nich bei den ominösen 1.035/5-6°P eingeschlafen und die Druckempfindlichkeit sehe ich hier auch ein wenig als Homöpatie an, aber von 13,4°P auf "nur" 2,3°P - 83% sEVG runter - ich hatte irgendwie doch tiefer erwartet. Die steht nun da seit 14 Tagen obwohl ich vor einer Woche noch mal die Temperatur auf 32°C hochgefahren habe. Coldcrah und in Flaschen füllen oder doch noch lieber warten? :Waa
Schüttung: 87,5% Pilsner Malz, 10% Weizenmalz, 2,5% CaraAroma
Maische: eingemaischt bei 45°C, 40min 62°C, 15min 72°C, abgemaischt bei 78°C
Reichen die 2,5% CaraAroma, dass es doch nicht so trocken wie gedacht wird? Oder da Single Strain einfach damit leben?
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chaos-black
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Re: DuPont Saisonhefe und Druck/Co2 -Empfindlichkeit

#14

Beitrag von chaos-black »

In dieser Thematik gibt es übrigens Neuigkeiten. Laut dem Experimental Brewing Podcast (Folge 113, etwa ab Minute 48), die sich auf Erkenntnissse der MBAA (Master brewers association of the Americas, deren Podcast Folge152) beziehen, liegt das oft angetroffene Verhalten dieser Hefen daran, dass das STA-1 Gen bei der Anwesenheit von Sauerstoff stärker in Produktion von Enzymen umgesetzt wird. Im Gegenzug hemmt die Abwesenheit diesen Vorgang und die Hefen bekommen Probleme Maltotriose und Dextrine zu vergären was dann die Gärung verlangsamt.
Warum es trotzdem nach ein paar Wochen weitergärt obwohl das Gärfass nicht geöffnet wird, ist wohl noch unklar.

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