Merkwürdige Restextraktmessungen

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Dr.Edelherb

Merkwürdige Restextraktmessungen

#1

Beitrag von Dr.Edelherb »

Hi,

hatte jetzt lange nicht mehr gebraut und Anfang November nun zwei Sude an einem Wochende.
Bei der Messung des scheinbaren Restextraktes kann irgendwas nicht passen vermute ich.
Im folgenden kurz die Messergebnisse (sämtliche Messungen mit EasyDens, beide Sude mit US-05 vergoren):

Sud 1 - 3.11.2019
Stammwürze: 16,7% (17% gewollt)
Kombirast 67°C

Sud 2 - 4.11.2019
Stammwürze: 11,7% (13,1% gewollt)
Kombirast hätte 67°C sein sollen...

An der Stelle eine Info zu Sud 2, hier ist mir ein blöder Fehler unterlaufen. Ich habe bei beiden Suden das "Low Oxygen Set" von Speidel benutzt. Mit diesem Set erhöht man den Hauptguss um ca. 5 Liter bis das Malzrohr entsprechend bedeckt ist um den Sauerstoffeintrag beim überlaufen auszuschließen.
Man könnte einfach mehr Einmaischwasser erhitzen, vor dem einmaischen ablassen und anschließend wieder zugeben. Ich habe mich dafür entschieden das Einmaischwasser bei 25L zu belassen und stattdessen 5L vom Nachgusserhitzer zu nehmen.
Der Braumeister hat (leider) die zusätzliche Eigenschaft, während des einmaischens weiterhin nachzuheizen.
Da der Temperaturfühler aber innerhalb des Malzrohrs liegt und die Pumpe während des Einmaischvorgangs nicht läuft, wird das Brauwasser im "Aussenbereich" zu lange erhitzt, so das man mit deutlicher "Überhitzung" rechnen muss, sobald der Einmaischvorgang beendet ist und die Pumpe das nun zu heiße Wasser von außen nach innen pumpt.
Jetzt zum Fehler. Aus irgendeinem Grund hatten die 5 Liter Wasser, welche ich nach dem einmaischen aus dem Nachgusserhitzer zugegeben hatte, keine 67°C wie gewollt, sondern wesentlich mehr.
Das, und die Tatsache das der BM wie vorher geschrieben sowieso schon überheizt, hatte zur folge, das meine erste Rast nun 74,5°C hatte (lt. BM) anstelle der gewollten 67°C.
Hatte dann überlegt zu kühlen oder sogar komplett mit neuem Malz einzumaischen, mich aber letztendlich dazu entschieden das ganze jetzt einfach mal als "Versuchssud" laufen zu lassen, mit dem glauben ein pappsüßes Bier mit kaum vergärbarem Zucker zu erhalten.
Jetzt zu den weiteren Messergebnissen:

Sud 1 - 10.11.2019 (7 Tage später)
scheinbarer Restextrakt: 3,1 %
scheinbarer Vergärungsgrad: 81%

Sud 2 - 10.11.2019 (6 Tage später)
scheinbarer Restextrakt: 3,5 %
scheinbarer Vergärungsgrad: 70%

Bei beiden Suden gab es zu diesem Zeitpunkt keine Anzeichen mehr für eine Gärung, weswegen ich weitere 3 Tage später erneut gemessen hatte (13.11.2019). Die Messergebnisse waren exakt diesselben wie 3 Tage zuvor, also wieder 3,1% und 3,5%.
An der Stelle erschienen mir die Ergebnisse absolut logisch, beim 1. Sud wurde ein Teil Zucker zum Kochende zugegeben, das erklärt den für die US-05 leicht erhöhten scheinbaren Vergärungsgrad von 81%, der zweite Sud wurde ja mit viel zu hoher Temperatur gemaischt, was wiederrum für den sehr niedrigen Vergärungsgrad spricht.

Im Anschluss an diese Messungen wurde die Temperatur beider Sude von 20°C auf 14°C reduziert und 5g/L Stopfhopfen zugegeben.
Eigentlich wollte ich heute (11 Tage später) nur mal eine Probe nehmen um die Stopfaromen zu "begutachten" und sicher zu gehen das beide Sude i.O. sind und abgefüllt werden können, habe aber dann einfach "just 4 fun" nochmal eine Messung durchgeführt.
Und jetzt das "merkwürdige Ergebnis":

Sud 1 - 24.11.2019 (insgesamt ca. 3 Wochen nach Braudatum)
scheinbarer Restextrakt: 2,5%
scheinbarer Vergärungsgrad: 85%

Sud 2 - 24.11.2019 (insgesamt ca. 3 Wochen nach Braudatum)
scheinbarer Restextrakt: 2,3%
scheinbarer Vergärungsgrad: 80%

:Shocked

Wie konnten nun beide Sude jetzt nochmal 0,6% (Sud1) und sogar 1,2% (Sud2) Extrakt abbauen, obwohl die Gärung zwischen dem 10.11. und 13.11. sowohl optisch also auch messbar abgeschlossen war?
Grundsätzlich möchte ich behaupten die Messungen immer korrekt durchzuführen (entgaste Probe).
Der EasyDens hat sich bisher auch immer als sehr verlässlich bewießen, ich zweifle die Ergebnisse nicht an, obwohl ich leider aktuell keine Vergleichsmöglichkeit habe, da mir meine Restextraktspindel (0-7%) schon vor längerem kaputtgegangen ist.
Die vorherigen Messergebnisse waren auch absolut logisch, jetzt sind sie unlogisch.. eine bei 74,5°C gemaischte Würze mit 80% svg?
Die Temperatur von Sud 2 hat sich zwar während dem 60 minütigem Maischvorgang kurz vor Ende (ca. 50 Minuten) wieder auf 67°C eingependelt und war Jodnormal, dürfte aber trotzdem deutlich weniger vergärbare Zucker erzeugt haben.
Bei Sud 1 bin ich mir nicht sicher, die Zuckerzugabe könnten die 85% svg erklären.

Grundsätzlich behaupte ich jetzt einfach mal es gibt 4 Möglichkeiten wie diese Ergebnisse zustande kommen.

A) Die Würze war nicht endvergoren.
- Dagegen sprechen die Messergebnisse vom 10.11 und 13.11., welche exakt identisch waren und 3 Tage auseinander lagen
B) Eine Beeinflussung der Messergebnisse durch Trub und Hefestoffe in den Proben
- Die gemessenen Proben vom 10.11. und 13.11. waren sehr trüb, die gemessenen Proben vom 24.11. dagegen bereits sehr klar
C) Eine Beeinflussung der Messergebnisse durch den Stopfhopfen
- Dazu habe ich keine Erfahrung und theoretisch dürfte es das Messergebnis nicht verändern, bzw, wenn- eher erhöhen, oder?
D) Die Messergebnisse sind schlichtweg falsch / ungenau
- Möchte ich auch annähernd ausschließen, da ich wie gesagt sehr zufrieden mit dem EasyDens bin und sämtliche Ergebnisse (bisher) reproduzierbar waren. Sämtliche Proben wurden auch immer entgast und der EasyDens vor jeder Messung mit dest. Wasser geprüft und wenn nötig (kommt sehr selten vor) kalibriert.

Falls ihr euch bis hierhin durchgeboxt habt, was meint ihr wie diese komischen Messwerte zustande kommen?
Bin da aktuell ziemlich ratlos, tendiere aber zur Begründung B. Das der Extrakt 3 Tage gleichblieb um anschließend weitere 0,6% und beim andern Sud um 1,2% abgebaut wurde, obwohl die Temperatur obendrein deutlich verringert wurde (von 20 auf 14°C) erscheint mir unlogisch.
Müsste man aber mit anderen Suden / Proben und dem EasyDens überprüfen, keine Ahnung ob Trub / Hefe die Ergebnisse verfälscht / verändert.
Eine ähnliche Beobachtung bzgl. verfälschter Messergebnisse mit Trubpartikeln hatte ich schon einmal mit dem damals genutzten Refraktometer in diesem Thread:
https://hobbybrauer.de/forum/viewtopic. ... he#p198545
Kurze Zusammenfassung, ich hatte festgestellt, das Proben von Zuckerlösungen, Stammwürzen und von filtrierten Kaufbieren in den Messungen kaum oder garnicht schwankten, während Proben von "gerade erst" vergorenem (idR. trübem) Jungbier (derselben Probe) zu deutlich unterschiedlichen Messergebnissen führte.
Im Gegensatz zum EasyDens traten die Schwankungen aber während der laufenden Messung auf, das EasyDens System allerdings behält sämtliche Messergebnisse bei, egal ob die Probe nun 10 Sekunden oder 5 Minuten "eingefüllt" ist.
Keine Ahnung ob das vergleichbar ist.
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Malzwein
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Re: Merkwürdige Restextraktmessungen

#2

Beitrag von Malzwein »

Hast du die Sude vor dem Stopfen von der Hefe abgezogen oder direkt gestopft? Ich hatte mal deutlich unterschiedliche Werte bei Würze. Ich vermutete eine sehr ungleich Durchmischung, da die Proben von oben und vom Hahn gezogen wurden. Ob das nach der Gärung noch der Fall sein kann, wäre mal zu evaluieren.
Gruß Matthias

Jep, Bier wird´s immer... meist auch trinkbar und manchmal ist es richtig gut!
Dr.Edelherb

Re: Merkwürdige Restextraktmessungen

#3

Beitrag von Dr.Edelherb »

Hi,

ich lass die Hefe nach der Hauptgärung grundsätzlich ab, egal ob noch gestopft wird oder nicht.
Dazu bietet der von mir benutzte Gärbehälter die Möglichkeit mit einer Art "Hefefangbehälter", wenn der komplett voll ist lass ich über das Ventil noch solang weiter ab bis Jungbier kommt.
Die Probe entnehme ich über einen Hahn der deutlich höher liegt als der später benutzte Abfüllhahn, sie wird also ungefähr auf 1/3 Höhe des Behälters entnommen.
Den ersten Teil der Probe verwerfe ich immer da sich im Hahn auch minimal Trub/Hefe/Hopfenpartikel ansammeln, den anschließenden Teil nehme ich dann zur Messung.
Alles in allem sollte das eine ungleiche Durchmischung eigentlich ausschließen.
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Re: Merkwürdige Restextraktmessungen

#4

Beitrag von BrauervomRotenBerg »

Eventuell ist Antwort E richtig, Deine Messungen stimmen!!

siehe auch:

https://hobbybrauer.de/forum/viewtopic.php?t=14205

Im Stopfhopfen sind Enzyme, die Dextrine abbauen, so daß aus bisher unverjährbaren komplexeren Zuckern neuer vergärbarer Extrakt entsteht. Die Hefe arbeitet, Dein RE sinkt.

fröhliche Grüße
Schönes Leben hier!!! (Sehr gut auch zu mir passendes Motto der Riegele-Brauerei)
Bier ist gut, sagt der Arzt!! (Mein Motto)
https://hobbybrauer.de/forum/viewtopic.php?f=50&t=17997
Dr.Edelherb

Re: Merkwürdige Restextraktmessungen

#5

Beitrag von Dr.Edelherb »

Das könnte tatsächlich die Ursache sein, an den Thread hatte ich garnicht mehr gedacht.
Tozzi hat in dem letzten Beitrag quasi genau dieselbe Beobachtung / Messung gemacht.
Vielen Dank dafür :)
Das könnte auch erklären warum ausgerechnet Sud 2 (welcher viel zu hoch gemaischt wurde) nochmal so einen starken Extraktabbau hatte.
Da ich nach dem Stopfen direkt auf 14°C (und vor der letzten Messung zum abfüllen schon auf 4°C) gekühlt hatte, kann ich jetzt eigentlich nichtmal hundertprozentig sagen ob der Sud mit den eingebrachten Enzymen absolut endvergoren ist.

Als kleine Ergänzung noch, vielleicht erklärt das auch warum gestopfte Biere gefühlt "bitterer" werden, obwohl (so hatte ich das mal gelesen) kein messbarer Unterschied der IBU (im Vergleich zum selben Sud ohne Stopfhopfen) festgestellt werden kann.
Quasi das durch weniger Restsüße entsprechend auch die Bittere subjektiv zunimmt.
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Re: Merkwürdige Restextraktmessungen

#6

Beitrag von §11 »

Dr.Edelherb hat geschrieben: Sonntag 25. November 2018, 10:27

Als kleine Ergänzung noch, vielleicht erklärt das auch warum gestopfte Biere gefühlt "bitterer" werden, obwohl (so hatte ich das mal gelesen) kein messbarer Unterschied der IBU (im Vergleich zum selben Sud ohne Stopfhopfen) festgestellt werden kann.
Quasi das durch weniger Restsüße entsprechend auch die Bittere subjektiv zunimmt.
Das Problem hier ist vor allem der Messmethode geschuldet

https://braumagazin.de/article/der-gros ... schwindel/

Gruß

Jan
„porro bibitur!“
Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
Die Seite zur HBCon https://heimbrauconvention.de/
https://headlessbrewer.wordpress.com/
Dr.Edelherb

Re: Merkwürdige Restextraktmessungen

#7

Beitrag von Dr.Edelherb »

Hi Jan,

sehr interessanter und informativer Artikel.
Was ich allerdings nicht ganz nachvollziehen kann, ist die Behauptung das gestopfte Biere als "milder" empfunden werden, meiner Erfahrung nach wirken gestopfte Biere bitterer.
Allerdings darf man das vielleicht nicht verallgemeinern, eine gefühlte Zunahme der Bittere hatte z.B. bei einem nur sehr schwach gehopften (ca. 20 IBU) Weizen, wovon ich einen Teil des Jungbiers mit Cascade gestopft hatte.
Möglicherweiße wirkt ein ansich schon sehr stark gebittertes Bier (IPA etc.) dann aber eher milder wenn gestopft, das hab ich noch nie ausprobiert.

Gruß Micha
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robie
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Re: Merkwürdige Restextraktmessungen

#8

Beitrag von robie »

Hi
beide Sude liegen in der Zukunft
wenn es dann so weit ist
kannst du das erlernte ja schon anwenden
lächel
schönes rest Wochenende



Sud 1 - 3.11.2019
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Kombirast hätte 67°C sein sollen...
Dr.Edelherb

Re: Merkwürdige Restextraktmessungen

#9

Beitrag von Dr.Edelherb »

:thumbsup
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