Literaturrecherche- Einfluss der Gärtemperatur auf das Aroma

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§11
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Literaturrecherche- Einfluss der Gärtemperatur auf das Aroma

#1

Beitrag von §11 »

Ester
Die meisten Autoren berichten, dass im Allgemeinen mit steigender Gärtemperatur
höhere Estergehalte erzielt werden [Landaud 2001, Engan 1974, Gaeng 1976,
Engan 1977, Barker 1992, Geiger 1977a, Bamforth 2001, Narziß 1995b, Moonjai
2002, Norstedt 1975]. Lediglich Kunze [1992] berichtete über niedrigere
Estergehalte mit höheren Temperaturen, revidierte die Aussage jedoch in einer
späteren Auflage [Kunze 1998]. Jedoch zeigte Gaeng [1976], dass die
Konzentrationen der einzelnen Ester durch zunehmende Temperaturen äußerst
unterschiedlich ansteigen. So wies beim Vergleich zweier Gärreihen bei 7 °C und
15 °C die wärmere Gärung 50 % höhere Gehalte an Eth ylacetat auf als die kalte,
die Gehalte von Isoamylacetat und Ethylcaproat hingegen blieben fast
unverändert. Des Weiteren wurde in zahlreichen Untersuchungen festgestellt,
dass die Zunahme jedes einzelnen Esters in bestimmten Temperaturintervallen
anders ausfällt [Engan 1977, Wackerbauer 1980, Moonjai 2002]. In Versuchen
von Geiger [1977b] bildete eine Bruchhefe bei 10 °C die maximale
Esterkonzentration, welche mit steigender oder fallender Temperatur wieder
deutlich geringer ausfielen. Es ist somit festzustellen, dass die Esterbildung unter
besonderen Umständen mit erhöhter Temperatur auch geringer ausfallen kann.

Aus: Entstehung und Beeinflussung qualitätsbestimmender
Aromastoffe bei der Herstellung von Weißbier, Markus Herrmann, 2005

Auch wird in den meisten Fällen von einer steigenden Ester-Produktion bei Temperaturerhöhungen
berichtet. Saerens et al. konnten 2008 nachweisen, dass eine Temperaturerhöhung
zu einer gesteigerten Produktion der Fettsäureester Octansäurethylester und
Decansäureethylester führt (Saerens et al., 2008a). Weitere Untersuchungen an
Lager-Hefestämmen bestätigen diese Ergebnisse (Boulton, 2001; Calderbank &
Hammond, 1994; Engan, 1974; Nakatani, Fukui, Nagami, & Nishigaki, 1991; Peddie,
1990; Quain, 1988; Sendra, Todo, Pinaga, Izquierdo, & Carbonell, 1994). Allerdings
existieren auch Quellen, die belegen, dass nicht alle Komponenten mit erhöhten
Gärtemperaturen ansteigen. Studien von Saerens et al. erbrachten überdies, dass der
Gehalt an Ethylacetat bei bestimmten untergärigen Hefestämmen durch eine
Erhöhung der Gärtemperaturen nicht zu forcieren war. Ebenso konnten in dieser
Untersuchung keine Steigerungen der Ester-Konzentrationen bei der Verwendung von
diversen Ale-Hefestämmen festgestellt werden (Saerens et al., 2008b). Eine Erhöhung
der Gärtemperatur führt demnach in den meisten Fällen zu einer vermehrten Ester-
Bildung, jedoch scheint dieser Anstieg vom Hefestamm abhängig zu sein.

Aus: Entstehung, Abbau und potentielle Verlustquellen ausgewählter
Aromastoffe während der Produktion von Weizenbieren, Hubertus Josef Schneiderbanger, 2015

Höhere Alkohole:
Ein weiterer maßgeblicher Faktor, der die Aromastoffsynthese beeinflusst, ist die
Gärtemperatur. Hierbei führt eine Erhöhung der Gärtemperatur zumeist zu einer
vermehrten Bildung von höheren Alkoholen und Estern. Durch höhere Temperaturen
wird das Zellwachstum der Hefe angeregt, was in einer vermehrten Produktion höherer
Alkohole resultiert (Kruger, 1998; Landaud, Latrille, & Corrieu, 2001).
Aus: : Entstehung, Abbau und potentielle Verlustquellen ausgewählter
Aromastoffe während der Produktion von Weizenbieren, Hubertus Josef Schneiderbanger, 2015
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Flothe
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Re: Literaturrecherche- Einfluss der Gärtemperatur auf das Aroma

#2

Beitrag von Flothe »

Der ganze Themenkomplex der Ester wurde auch 2017 von Dzialo et al. unter dem schönen Titel "Physiology, ecology and industrial applications of aroma formation in yeast" in FEMS Microbiology Reviews sehr schön zusammengefasst.

LG Florian

Jeder Tag ohne Bier ist ein Gesundheitsrisiko.
- Zitat: Hildegard von Bingen in ihrem Buch über Heilverfahren "Causae et Curae"
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Proximus
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Re: Literaturrecherche- Einfluss der Gärtemperatur auf das Aroma

#3

Beitrag von Proximus »

Das wäre doch mal eine Herausforderung für eine zusätzliche, nützliche Erweiterung für die gängigen Hobbybrautools. Ein leicht zu bedienender "Klicki-Klacki" Konfigurator, der die Korrelationen zwischen Hefestamm, Gärtemperatur(en) und Esterbildung bzw. Bukettstoff vereinfacht darstellt. :Wink
Einfach ein paar Sllider und Checkboxen, Wunschbukett zusammenklicken, Garführungsprofil exportieren, los geht's! :thumbsup
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§11
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Re: Literaturrecherche- Einfluss der Gärtemperatur auf das Aroma

#4

Beitrag von §11 »

Proximus hat geschrieben: Montag 10. Dezember 2018, 20:23 Das wäre doch mal eine Herausforderung für eine zusätzliche, nützliche Erweiterung für die gängigen Hobbybrautools. Ein leicht zu bedienender "Klicki-Klacki" Konfigurator, der die Korrelationen zwischen Hefestamm, Gärtemperatur(en) und Esterbildung bzw. Bukettstoff vereinfacht darstellt. :Wink
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Dann muesste man das Bier auch gar nicht mehr brauen, man koennte es simulieren :thumbsup
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cyme
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Re: Literaturrecherche- Einfluss der Gärtemperatur auf das Aroma

#5

Beitrag von cyme »

Proximus hat geschrieben: Montag 10. Dezember 2018, 20:23 Das wäre doch mal eine Herausforderung für eine zusätzliche, nützliche Erweiterung für die gängigen Hobbybrautools. Ein leicht zu bedienender "Klicki-Klacki" Konfigurator, der die Korrelationen zwischen Hefestamm, Gärtemperatur(en) und Esterbildung bzw. Bukettstoff vereinfacht darstellt. :Wink
Einfach ein paar Sllider und Checkboxen, Wunschbukett zusammenklicken, Garführungsprofil exportieren, los geht's!
Wenn das die einzigen Parameter wären...bestimmt müsste man noch Würzezusammensetzung, Sauerstoffgehalt, Nährstoffversorgung, Wasserprofil, Druck und Gärgefäßgeometrie dazunehmen. Und zum Thema Mondphase und Sternzeichen des Brauers gibt es auch noch Forschungslücken.
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