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Sauerstoffgabe während der Gärung

Verfasst: Donnerstag 24. Januar 2019, 23:05
von verbräuer
Abend Bräuer

Ich bin beim recherchieren für meinen hochprozentigen Most über einen interessanten Artikel gestolpert.
Es geht um die passive Aufnahme von Sauerstoff während der Gärung über die spezifische Oberfläche von halboffenen Gefäßen aber auch die gezielte Zufuhr von Sauerstoff während der Gärung um diese schneller und besser zu machen.
Sauerstoff, der während der Gärung zugeführt wird, unterliegt einer sofortigen und vollständigen
Aufnahme durch die Hefezellen, so dass er zur Reaktion mit Weininhaltsstoffen nicht mehr zur
Verfügung steht. Aus diesem Grund bleibt er ohne sensorische Folgen für den Wein. Die Hefe
verwendet ihn zur Synthese von Sterolen und Fettsäuren, die die Durchlässigkeit der Zellmembran
gegenüber Zucker und Alkohol verbessern und so die eigentliche Ursache frühzeitigen Gärstopps -
ungenügender Stoffaustausch zwischen Hefe und Flüssigkeit - beseitigen. Es handelt sich dabei um
nichts anderes als die Sicherstellung biochemischer Überlebensfaktoren, die die Hefeaktivität in der
Endphase der Gärung kontrollieren. Unabhängig davon werden Enzyme aktiviert, die zu einer
besseren Nutzung des verfügbaren Stickstoffs durch Aufschluß der Aminosäure Prolin führen. Unter
technischen Gesichtspunkten wird die Gäraktivität länger aufrecht erhalten bis zum vollständigen
Umsatz des Zuckers, während die Gärgeschwindigkeit nur unwesentlich beeinflußt wird. Die für
diesen Zweck benötigten Mengen an Sauerstoff sind recht gering und belaufen sich, mit einer
gewissen Abhängigkeit vom Hefestamm, auf ca. 10 mg/l. Andererseits ist dies mehr, als eine passive
Sauerstoffaufnahme über die Oberfläche ermöglicht. Deshalb wird Sauerstoff gezielt zugesetzt. Bester
Zeitpunkt eines solchen Zusatzes ist das Ende der Wachstumsphase der Hefe.
https://www.schneider-oenologie.com/dow ... aerung.pdf

Hat jemand schonmal davon gehört?

Ich hab eine Membranluftpumpe mit Sterilfilter da und bin am überlegen damit bald mal zu belüften. Gerade eben ist der halbfertige Sud das erste mal geschlaucht worden, nach ein paar Stunden coldcrash auf dem Balkon. In einen jetzt etwa halbvollen Glasballon, alleine dadurch gab es bestimmt viel Sauerstoffeintrag. Obwohl der jetzt schon über ne Stunde draussen steht ist er immernoch bei etwa 15 Grad, ich werd ihn noch bis auf 10-12 runterkommen lassen und dann wieder reinholen für die Nacht. Ist eine Kaltgärhefe für Wein bei 10-20°.
Das er immernoch so warm ist beeindruckt mich schon, obwohl ich einen Großteil der Hefe im Bodensatz zurückgelassen habe geht es noch gut voran.

Re: Sauerstoffgabe während der Gärung

Verfasst: Donnerstag 24. Januar 2019, 23:14
von Alt-Phex
Das mag für Wein und Weinhefen gelten. Aber nicht für Bier und Bierhefen.

Sauerstoff wird nur direkt zum Anstellen benötigt und von der Hefe in der Vermehrungsphase verstoffwechselt. Eine weitere oder spätere Sauerstoffzufuhr ist kontraproduktiv und bringt durch die Oxidation nur Fehlgeschmäcker ins Bier.

Nicht machen !

Re: Sauerstoffgabe während der Gärung

Verfasst: Donnerstag 24. Januar 2019, 23:30
von verbräuer
Das wird in dem Artikel angesprochen, ich bin mir sicher das trifft auch so auf Bierhefen zu. Ist ein Bestandteil des Gärprozesses.
Solange die Gärung in vollem Gange ist wird jeder Sauerstoff sofort von den Hefen verstoffwechselt, es ist nicht genug Zeit für eine Oxidation.

Könnte es da einen Unterschied zwischen Wein und Bier geben?

Re: Sauerstoffgabe während der Gärung

Verfasst: Freitag 25. Januar 2019, 00:01
von Bilbobreu
Moin,
der Artikel spricht aber davon, dass gezielt ca. 10 mg/L Sauerstoff zugeführt werden. Bist Du sicher, dass Du das mit Deinem Equipment so gezielt hinbekommst? Wenn nicht, hast Du dann doch Oxidation.
Gruß
Stefan

Re: Sauerstoffgabe während der Gärung

Verfasst: Freitag 25. Januar 2019, 00:04
von hkpdererste
Wenn du wenig Zeit hast und trotzdem ein schnelles Ergebnis erzielen willst gibt es doch mittlerweile genug Empfehlungen wie das mit den entsprechenden OG Hefen umsetzen kannst. Nur um da nochmal n halben Tag rauszuholen und dafür im Endeffekt ein durchoxidiertes Bier zu riskieren schiesst doch schon gewaltig am Ziel vorbei. Bei jeder normalen Gärung ohne Zeitdruck spielt ein Tag mehr oder weniger für uns Hobbyisten doch absolut keine Rolle.

Grüße Klaus

Re: Sauerstoffgabe während der Gärung

Verfasst: Freitag 25. Januar 2019, 00:25
von Tozzi
Das Zeitfenster beim Bier setzt man normalerweise eher kurz.
Innerhalb 12 Stunden nach anstellen, bzw., sagen wir mal 1 Stunde und dann nochmal 10 Stunden später kann das durchaus was bringen.
Sobald die Hefe sich aber weitgehend auf den anaeroben Gärungsstoffwechsel umgestellt hat (~12 Stunden werden hier meist angegeben), ist weitere Sauerstoffzufuhr nur noch kontraproduktiv bzw. wirkt sich halt negativ auf das Produkt aus.
Das kann man glaube ich auch bei White/Zainasheff nachlesen ("Yeast"), genaue Quellenangabe kann ich grad nicht raussuchen.

Re: Sauerstoffgabe während der Gärung

Verfasst: Freitag 25. Januar 2019, 16:00
von Alt-Phex
Bier ist nunmal kein Wein und Oxidation wirkt sich deshalb auch ganz anders aus. Nachdunklung und vorallem Hopfenoxidation sind hier die Stichworte.

Re: Sauerstoffgabe während der Gärung

Verfasst: Freitag 25. Januar 2019, 16:33
von §11
Der Artikel sagt genau das aus warum wir belüften. Die Hefe braucht Sauerstoff (eigentlich braucht sie nur einen Reaktionspartner) in der Lipid Synthese um Zellmembranen aufzubauen. Das braucht sie im Anabolismus, also im Baustoffwechsel.

Das Problem ist, Hefe kann auch Aerobic, also mit Sauerstoff, Katabolismus, also Energiestoffwechsel, betreiben. Die Reaktion der Atmungskette ist sogar um ein vielfaches effektiver. Daraus ergibt sich das Problem das, wenn nach der Vermehrungsphase weiter Sauerstoff gegeben wird, die Hefe sich zum einen immer weiter vermehrt, das wird ja in der Hefepropagation genutzt, und zum anderen die Hefe atmet, statt gärt. Leider haben wir es ja auf das Gärungsprodukt Alkohol und Kohlendioxid abgesehen und nicht auf Wasser und Kohlendioxid :Wink

Re: Sauerstoffgabe während der Gärung

Verfasst: Freitag 25. Januar 2019, 17:03
von cyme
Für extreme Stammwürzen können spätere O2-Gaben hilfreich sein - White Labs empfiehlt das für die WLP099 und die Jungs von BrewDog haben das angeblich auch für Ihren tactical nuclear penguin gemacht. Bei solch extrem starken Bieren reicht aber extra Sauerstoff alleine nicht, White Labs beschreibt hier das Prozedere:
https://www.whitelabs.com/yeast-bank/wl ... -ale-yeast

Re: Sauerstoffgabe während der Gärung

Verfasst: Freitag 25. Januar 2019, 21:49
von verbräuer
Ja die wlp99 will ich auch in der letzten Stufe noch benutzen, als zweites hab ich heute einen Starter mit Portweinhefe reingekippt, nachdem die erste Hefe jetzt ihr Limit erreicht hat und größtenteils beim coldcrash zurückgeblieben ist.
Ich hab auch schon zweimal mit einem Gramm Nährsalz nachgeholfen um das ganze zu optimieren. Soll ja am ende gegen 20%abv gehn.