Flaschengärung: Wieviel Sauerstoff notwendig?

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daleipi
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Flaschengärung: Wieviel Sauerstoff notwendig?

#1

Beitrag von daleipi »

ich kapier das nicht ganz...

Wieviel Sauerstoff benötigt die Hefe für den Prozeß der Vergärung des vorgelegten (oder anders eingebrachten) Zuckers in der verschossenen Flasche?

Benötigt die Hefe garkeinen Sauerstoff da sie nur noch anaerob 'arbeitet'?
Setzt eine Flaschengärung (Versoffwechselung des Zuckers) auch ohne Sauerstoff ein?

Zum Zweck der Vermeidung der Oxidation des Bieres bei der Lagerung soll so wenig wie möglich - oder garkein - Sauerstoff in der Flasche sein.

LG
Stefan
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Alt-Phex
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Re: Flaschengärung: Wieviel Sauerstoff notwendig?

#2

Beitrag von Alt-Phex »

So Sauerstoffarm wie möglich abfüllen. Sauerstoff braucht die Hefe ja nur zur Vermehrung, nicht für die Nachgärung.
>>Impfung rettet Leben und Kultur!<<

"Viele Biere werden am Etikettierer gemacht"
daleipi
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Re: Flaschengärung: Wieviel Sauerstoff notwendig?

#3

Beitrag von daleipi »

DANKE!
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Johnny H
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Re: Flaschengärung: Wieviel Sauerstoff notwendig?

#4

Beitrag von Johnny H »

Es gibt für Sauerstoff im gesamten Brauvorgang eigentlich nur einen Zeitpunkt, wo eine Zufügung in der Form von Belüftung positiv ist: zum Zeitpunkt des Anstellens der Gärung (der Hefegabe), wobei das lt. z.B. Lallemand bei vielen Trockenhefen nicht nötig ist. "Best practise" bei der Belüftung ist m.W. zuerst die Hefe zu geben, und dann direkt danach die Würze zu belüften. Die Hefe braucht zu diesem Zeitpunkt den Sauerstoff auch nicht für die Atmung, sondern um wichtige Zellwandbestandteile für Tochterzellen synthetisieren zu können. Bekommt die Hefe hier nicht genügend Sauerstoff, können sich später Gärprobleme anschließen,weil im Verlauf der Gärung entwickelte Tochterzellen nicht so gesund sind wie sie sein sollen.

Darüber hinaus kann es sich bei Starkbieren empfehlen, nach 12 oder 24 Stunden nochmal zu belüften. Das wird auch in mindestens einer mir bekannten Kleinbrauerei mit 30hl Ausschlag so praktiziert. Das machen die bei ihren Starkbieren so und m.W. sogar beim IPA. Ich habe das bei manchen baltischen Portern auch schon gemacht, allerdings muss man hier abwägen, denn jedes Fummeln am gärenden Bier bedeutet auch ein zusätzliches Infektionsrisiko.

In England gibt es m.W. auch Brauereien, die nach 24h den angestellten Sud unter Belüftung in einen zweiten Gärtank überführen.

Ansonsten ist eine Sauerstoffgabe im Grunde genommen zu jedem anderen Zeitpunkt im Laufe des Brauprozesses nicht nötig, unerwünscht oder sogar negativ (Oxidation!), wobei es aber zum Ausmaß des Schadens verschiedene Meinungen gibt, und ein Oxidations- bzw. Alterungsgeschmack für manche Bierstile sogar Teil des Stils sein kann (Stichwort Kühlschiff bei Kellerbieren, belgische Biere). Mehr oder minder unstrittig ist m.W. aber das Phänomen, dass sich Oxidation im Kaltbereich immer negativ auswirkt.

Wir Hobbybrauer haben ein wenig das Glück, dass die noch aktive Hefe bei der Flaschengärung einen Teil des Sauerstoffs, der unweigerlich mit dazukommt, verstoffwechseln kann. Viel kritischer ist die Sauerstoff-Problematik bei der Flaschenabfüllung filtrierter Biere, und auch bei der Zwangskarbonisierung bereits ausgegorener Hobbybrauerbiere ist das Problem (vermutlich, denn mit letzterem habe ich keine Erfahrung) schlimmer: hier müssen auch die Leitungen mit CO2 vorgespült werden etc.

Ein weiteres Problem entsteht durch die Kalthopfung. Hier werden durch den Hopfen zusätzliche Enzyme ins Spiel gebracht, die mit Spuren von Sauerstoff für eine Nachdunklung durch Oxidation der Polyphenole und schnelles Abklingen des Hopfenaromas sorgen können.

Deswegen sollten wir bei der Abfüllung immer so sauerstoffarm wie möglich arbeiten. Kegs kann man vorspülen bzw erst mit Wasser füllen und dann mit CO2 leerdrücken, Flaschen kann man möglichst weit auffüllen (0,5-1 cm unter die Öffnung), und den Oxidationsprozess dann durch kalte Lagerung so weit als möglich verzögern. Manche Hobbybrauer arbeiten hier erfolgreich mit Ascorbinsäure, aber ich habe da keine Erfahrung.

So weit mein Wissens- und Erfahrungsstand zum Thema.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
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