Trockenhefe ohne Belüftung?

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Morgenkröte
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Trockenhefe ohne Belüftung?

#1

Beitrag von Morgenkröte »

Liebe Vergärende,
habe jetzt in einem anderen Faden gelesen, dass die Belüftung der Würze, wenn man Trockenhefe verwendet, überflüssig sei.
Ist das tatsächlich so und warum? Ich war bisher der Meinung, dass die Hefe nach der halbstündigen Rehydrierung ein ganz normales Leben führt.
Ich würde dann in Zukunft die Belüftung vermeiden, denn Sauerstoff, den die Hefe nicht braucht, oxydiert die Würze doch unnötig.
Gruß von
Bendix
Zuletzt geändert von Morgenkröte am Dienstag 18. Februar 2020, 17:06, insgesamt 1-mal geändert.
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DerDerDasBierBraut
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Re: Trockenhöfe ohne Belüftung?

#2

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Nein, die Würze oxidiert nicht unnötig durch die Belüftung von rehydrierter Trockenhefe. Auch diese greift sich den Sauerstoff blitzschnell.

Hintergrund ist, dass Hefe unter Anwesenheit von Sauerstoff 38 ATP (Adenosintriphosphat (Energie)) beim Abbau einer Glucoseeinheit gewinnt. Ohne Sauerstoff sind es nur 2 ATP pro Glucoseeinheit. Die Hefe erhält aus der gleichen Glucosemenge aerob 19 mal mehr Energie als anerob. Daher findet die Vermehrung fast ausschießlich aerob statt. Bei der Vermehrung ist der Sauerstoff zusätzlich wichtig für die Ausbildung einer kräftigen Zellwand.

Starter und Flüssighefepackungen sind von der Zellenanzahl auf Vermehrung beim Anstellen bemessen. Hier ist die Belüftung beim Pitchen wirklich wichtig, damit die Vermehrung stattfindet und die Tochterzellen gute Zellwände aufbauen. Bei Trockenhefe pitchen wir so viele Zellen, dass eine Vermehrung nicht erforderlich ist. Die rehydrierten Zellen der Trockenhefe haben zwar durch das Trocknungsverfahren ziemlich kaputte Zellwände, aber darüber hinaus befinden sie sich in einem recht guten Zustand, um zu gären.

Edit: ATP korrigiert
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Jens
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Bergbock
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Re: Trockenhöfe ohne Belüftung?

#3

Beitrag von Bergbock »

Es sind 2x ATP anaerob gegenüber 32x ATP bei Anwesenheit von Sauerstoff.

Leichter verständlich ist die Energiebilanz:
a) Alkoholische Gärung (Glucose zu Ethanol) : -218 kJ / mol Glucose
b) Zellatmung : -2822 kJ/ mol Glucose

Das sind schon ordentliche Unterschiede, die einiges erklären.

Frank
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§11
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Re: Trockenhöfe ohne Belüftung?

#4

Beitrag von §11 »

Jetzt wage ich leise zu widersprechen. Ja klar, Zellatmung ist effektiver als Gärung, das ist richtig, nur daran ist uns nicht gelegen. Wir wollen ja Gärung. Der Grund warum wir belüften ist der Anabolismus, also der sog. Baustoffwechsel. Wir wollen das die Hefe sich vermehrt. Im Anabolismus braucht die Hefe Sauerstoff als reinen Reaktionspartner. Trockenhefe ist aber bereits mit all den „Baumaterialien“ ausgestattet. Mit anderen Worten, sie wird im richtigen Stadium getrocknet. Aus dem Grund ist das Belüften der Würze für Trockenhefe nicht notwendig.

Wird sie belüftet, was ja im kalten Zustand passiert, wird der Sauerstoff, wie ja bereits gesagt, per Zellatmung verbraucht, bevor er größeren Schäden anrichten kann.

Schöne Grüße

Jan

P.S.: Es gibt dazu auch eine wissenschaftlichere Erklärung in Form der Reaktionen die stattfinden, die hab ich aber nicht im Kopf
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DerDerDasBierBraut
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Re: Trockenhöfe ohne Belüftung?

#5

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Ich glaube wir meinen alle das Gleiche und drücken uns nur unterschiedlich gut aus :Bigsmile.

(Edit: Doch nicht. Ich sehe gerade, dass Trockenhefe nicht "ausreichend Zellen" mitbringt, sondern "ausreichend Zellbaumaterial". Die muss auch also auch vermehren, hat dafür aber schon alles im "Bauch" Da lag ich also definitiv falsch.)

Ja, und gären soll sie unbedingt ... und nicht die schönen Malzzucker einfach so wegatmen ohne für uns Alkohol zu produzieren. :Drink
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Ladeberger
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Re: Trockenhöfe ohne Belüftung?

#6

Beitrag von Ladeberger »

DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Dienstag 18. Februar 2020, 12:26 Daher findet die Vermehrung fast ausschießlich aerob statt.
[...]
Das ist nicht richtig. In einer Betriebswürze, also bei gängiger Zuckerkonzentration, ist der aerobe Stoffwechsel durch den Crabtree-Effekt weitgehend unterdrückt, es dominiert selbst bei intensiver Belüftung immer die alkoholische Gärung. In der Literatur wird üblicherweise das Verhältnis 98 % vergorenem zu 2 % veratmetem Extrakt angegeben [1].

Dass der Sauerstoff für die Vermehrung und einen vitalen Hefesatz trotzdem essenziell ist, da sind wir uns wieder einig.

[1] Narziß et al., Abriss der Bierbrauerei, 2017, Kap. 3.2.1.3.

Gruß
Andy
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Re: Trockenhöfe ohne Belüftung?

#7

Beitrag von §11 »

Ladeberger hat geschrieben: Dienstag 18. Februar 2020, 14:19
DerDerDasBierBraut hat geschrieben: Dienstag 18. Februar 2020, 12:26 Daher findet die Vermehrung fast ausschießlich aerob statt.
[...]
Das ist nicht richtig. In einer Betriebswürze, also bei gängiger Zuckerkonzentration, ist der aerobe Stoffwechsel durch den Crabtree-Effekt weitgehend unterdrückt, es dominiert selbst bei intensiver Belüftung immer die alkoholische Gärung. In der Literatur wird üblicherweise das Verhältnis 98 % vergorenem zu 2 % veratmetem Extrakt angegeben [1].

Dass der Sauerstoff für die Vermehrung und einen vitalen Hefesatz trotzdem essenziell ist, da sind wir uns wieder einig.

[1] Narziß et al., Abriss der Bierbrauerei, 2017, Kap. 3.2.1.3.

Gruß
Andy
Jetzt werden wir zwar recht OT, aber da hast du beim Anstellen, also hohe Zuckerkonzentration, recht. Irgendwann, wenn die Zuckerkonzentration faellt, greift der Pasteureffekt und die Hefe atmet.... Es sein denn es ist eine Hefe der Gattung Brettanomyces, dann tritt der Custers Effekt ein, die baut naemlich am liebsten Ethanol und Essigsaeure in Anwesenheit von Sauerstoff.
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Re: Trockenhöfe ohne Belüftung?

#8

Beitrag von sailedaway »

Bei einem Vortrag von Fermentisrepresentanten und Hefe Wissenschaftlern wurde die Frage zur Notwendigkeit der Belüftung bei Trockenhefen eindeutig mit Nein beantwortet.
Das Argument der Fermentisrepresentanten war, daß die Trockenhefen ausreichend aerob mit Energie versorgt wurden von, vor demTrocknen, und sich deshalb freudig vermehren können, auch während der anoxischen Phase der Gärung.
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Ladeberger
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Re: Trockenhöfe ohne Belüftung?

#9

Beitrag von Ladeberger »

§11 hat geschrieben: Dienstag 18. Februar 2020, 14:53 Jetzt werden wir zwar recht OT, aber da hast du beim Anstellen, also hohe Zuckerkonzentration, recht. Irgendwann, wenn die Zuckerkonzentration faellt, greift der Pasteureffekt und die Hefe atmet.... Es sein denn es ist eine Hefe der Gattung Brettanomyces, dann tritt der Custers Effekt ein, die baut naemlich am liebsten Ethanol und Essigsaeure in Anwesenheit von Sauerstoff.
Ich verstehe nicht ganz, was du meinst. Der Pasteur-Effekt beschreibt doch einen regulatorischen Mechanismus, wonach die Glykolyse unter anaeroben Bedingungen forciert und umgekehrt unter aeroben Bedingungen gehemmt wird. Eine Auslösung durch die Zuckerkonzentration gibt es insofern nicht, der Effekt wirkt sich nur hinterher drauf aus. Wobei der Pasteuer-Effekt bei S. cerevisae sowieso sehr klein ist.

Es ist aber sicher so, dass gegen Ende der Gärung nicht mehr die Zuckerkonzentrationen vorhanden sind um den Crabtree-Effekt und die Katabolitrepression auszulösen. D.h. hier könnte die Hefe wieder verstärkt oder sogar dominant dazu übergehen, Zucker zu veratmen. Aber da die Gärung anaerob läuft, ist doch am Ende weder Sauerstoff noch verwertbarer Zucker zur Atmung vorhanden. Oder übersehe ich da was? Mal abgesehen von irgendwelchen Kahmhaut-Szenarien...

Zudem ging es ja um die Belüftung am Anfang :Wink

Gruß
Andy
ubu
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Re: Trockenhöfe ohne Belüftung?

#10

Beitrag von ubu »

Könnte jemand den Titel ändern (Moderator oder Ersteller)?
Trockenhöfe ist ein wenig verwirrend
Gruß
Uwe
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Re: Trockenhefe ohne Belüftung?

#11

Beitrag von Morgenkröte »

Ja, das ist die Schreibhilfe, wenn man auf dem Handy daddelt.
Ich fasse mal für meine Anfangsfrage zusammen:
Belüftung ist bei Trockenhefe überflüssig, da sie bereits chemisch alles mitbringt, was sie zur Vermehrung und Vergärung braucht.
Sauerstoffeintrag schadet aber auch nicht, da die Hefe den schnell wegatmet.
Dank und Gruß von
Bendix
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