Was versteht man genau unter "Gärführung"

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ak59
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Was versteht man genau unter "Gärführung"

#1

Beitrag von ak59 »

Hallo zusammen,

ich möchte gern anhand eines Beispiels besser verstehen, was man unter "Gärführung" versteht. Ich habe grad einen Sud mit Wyeast 1007 bei 16.5° mit +/- 0.2° in der Gärung und steuere das mit Kühlschrank/Heizdraht über einem Raspi - also aus meiner Sicht recht genau (soweit dies mit einem am Speidelfass aussen anliegenden Sensor mit Styroporisolierung machbar ist).

Nun frage ich mich, ob man unter "Gärführung" die genaue Einhaltung einer Gärtemperatur (also quasi mit Gewalt) versteht oder ob man wie beim Rasten, bestimmte Temperaturverläufe erzeugen möchte bzw. der Gärung auch Freiräume lässt um sich - sagen wir - besser zu entfalten?

Viele Grüße,

Andreas

P.S.: Ich hab Die Suchfunktion benutzt, aber so viele Treffer bekommen und irgendwann aufgegeben.
bwanapombe
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Re: Was versteht man genau unter "Gärführung"

#2

Beitrag von bwanapombe »

Hallo Andreas,

sagen wir mal "man führt oder steuert die Gärung" mittels Zufuhr oder Abfuhr von Wärme. Sprich, man möchte mit Hilfe der richtigen Temperatur die Hefe zum optimalen Gärverhalten bringen (Fortschritt der Gärung, Bildung/Abbau von Gärnebenprodukten).

Neben der Größe Temperatur, wird auch mit Druck optimiert.

Dabei ist nicht immer dieselbe Temperatur über den gesamten Verlauf der Gärung gewünscht. Typisch ist das Erhöhen der Temperatur im Verlauf der Gärung besonders zum Ende hin (meist zur sog. Diacetylrast).

Dirk

Edit: Tipfehler
Zuletzt geändert von bwanapombe am Montag 25. Mai 2020, 12:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Till
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Re: Was versteht man genau unter "Gärführung"

#3

Beitrag von Till »

Sehe gerade, dass ich zu langsam war...

Nach meinem Verständnis beschreibt "Gärführung" die Kontrolle der Temperatur beim Gärverlauf, je nachdem was/wie man braut kann das sowohl eine weitgehend konstante Temperatur als auch ein Verlauf sein. Wenn man die Möglichkeit hat, ist ein Verlauf von kalt nach wärmer i.d.R. sinnvoll - kalt am Anfang um Fehlaromen zu vermeiden , die verstärkt zu Beginn der Gärung entstehen wenn es zu warm ist und wärmer im Lauf der Gärung zur Beschleunigung der Gärung. Ein Spezialfall ist die Diacetylrast bei UG. Kommt aber immer auf die Hefe und deine Geschmacksvorstellungen an. wenn es was belgisches werden soll, kannst mit höherer Gärtemperatur auch gewollte Hefearomen provozieren.

Beim Gärverlauf kann man auch die Eigenschaft der Hefe, selbst Temperatur zu erzeugen, nutzen. Das ist wahrscheinlich das, was Du mit "Freiräumen" für die Hefe meinst. Das habe ich selbst allerdings noch nicht probiert.
ak59
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Re: Was versteht man genau unter "Gärführung"

#4

Beitrag von ak59 »

Danke für's 1. ;-) Feedback.

Ich könnte (in meinem OG-Beispiel) die Temperatur z.B. nach 10 Tagen stufenweise von 16.5° nach 18°- sagen wir innerhalb von 4 Tagen - künstlich erhöhen (oder auch abhängig vom Vergärungsgrad - dann müsste ich aber wohl öfter den Gärbehälter öffnen und wüsste nicht nach welchen Regeln - für diesen Sud bekomme ich das nicht hin, weil ich die 2. Gärwoche im Urlaub bin).

Um eine eigenständige Erwärmung zuzulassen, könnte ich erkennen, dass der Sud wärmer wird als die Umgebende Luft. Aber in meinem Fall mit dem KS im Außenbereich, kommt das auch vor, wenn sich nachts die Umgebungs- und damit verzögert die KS-Temperatur verringert. Das mag ich zwar hinbekommen, aber ich stelle mir die Frage, ob man das allgemein überhaupt macht bzw. so kompliziert oder eher wie oben beschrieben.

Viele Grüße,

Andreas
BrutusOE
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Re: Was versteht man genau unter "Gärführung"

#5

Beitrag von BrutusOE »

Hallo Andreas,
man kann das alles sehr schön automatisieren und per Handy von überall steuern. Ich beschreibe mal meine Umgebung:
Ich habe 2 Speidel Gärgefäße aus Kunststoff, je 30L. Die stehen in einem großen Getränkekühlschrank.
Den Kühlschrank habe ich an einen Inkbird mit WLAN angeschlossen, so dass ich den Kühlschrank auf jede gewünschte Temperatur kühlen kann. Unten im Kühlschrank liegt ein Heizelement, in meinem Fall eine aufgerollte Dachrinnenheizung(fehlt auf dem Foto). Diese ist enenfalls an den Inkbird angeschlossen. Damit kann ich die Temperatur auch erhöhen wenn nötig.
In einem Speidel Gärgefäß schwimmt ein Tilt Hydrometer, so dass ich den Fortschritt der Vergärung und die Temperatur des Jungbieres überwachen kann. Der Tilt ist über Bluetooth mit einem alten Handy verbunden, dass neben dem Kühlschrank liegt. Das Handy holt sich alle 15 Minuten die Daten vom Tilt und überträgt sie dann in ein Google Docs, so dass ich von überall Zugriff auf die aktuellen Daten habe. So kann ich also das ganze überwachen und über den Tilt steuernd eingreifen. So starte ich auch den CC, wenn ich sehe, dass die Gärung abgeschlossen ist.
Ich hoffe die Beschreibung hilft dir bei der technischen Umsetzung.
Gruß Brutus
Gärschrank.jpeg
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Re: Was versteht man genau unter "Gärführung"

#6

Beitrag von ak59 »

Hallo Brutus,

hast Du heimlich meinen Kühlschrank fotografiert? Ne, mal im Ernst, sieht ähnlich bei mir aus. Die bisherige Steuerung (allerdings per Raspberry, ich schätze diese Flexibiltät) funktioniert auf etwa 0.2° genau, das sollte reichen und im Unterschied heize ich mit einem Heizkabel. Ich frage mich am Ende, wann ich welche Temperatur einstellen, oder (in meinem Fall) konstant 16.5° einhalten soll.

Viele Grüße,

Andreas

P.S.: Bin dabei mir eine iSpindel zu bauen, die würde ich dann für die Messungen hernehmen, wobei ich nicht sicher bin, ob ich damit als Anfänger einen falschen Fokus setze.

Bild
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Temp.jpg
bwanapombe
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Re: Was versteht man genau unter "Gärführung"

#7

Beitrag von bwanapombe »

Wenn Du schon mal mit der Hefe gebraut hast, hast Du ja eine Erfahrung, wie lange sie braucht und kannst danach einschätzen, ob Du vor der Reise noch mit der Temperatur raufgehen willst.

Genau kennt man den Gärfortschritt natürlich erst, wenn man den Extraktgehalt mißt. Wenn Du da bei 50% bist, kannst Du vor der Abreise auf die Zieltemperatur einstellen und wegfahren.

Wenn Du Dir sicher bist, dass die Angärphase durch ist, ist die Gärführung auch nicht mehr so kritisch, solange das Bier während der Gärung nicht kälter wird.

Dirk
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Re: Was versteht man genau unter "Gärführung"

#8

Beitrag von ak59 »

bwanapombe hat geschrieben: Montag 25. Mai 2020, 14:28 Wenn Du schon mal mit der Hefe gebraut hast, hast Du ja eine Erfahrung, wie lange sie braucht und kannst danach einschätzen, ob Du vor der Reise noch mit der Temperatur raufgehen willst.

Genau kennt man den Gärfortschritt natürlich erst, wenn man den Extraktgehalt mißt. Wenn Du da bei 50% bist, kannst Du vor der Abreise auf die Zieltemperatur einstellen und wegfahren.

Wenn Du Dir sicher bist, dass die Angärphase durch ist, ist die Gärführung auch nicht mehr so kritisch, solange das Bier während der Gärung nicht kälter wird.

Dirk
Hallo Dirk,

leider braue ich das 1. Mal mit der Hefe. Müsste ich dann schon wissen, wann ich bei 50% liege (bzw. den ? Ich hab mal nachgesehen, ob ich das unter Fabier berechnen kann und für 13.8°P->3.5°P einen sEVG von 75% bekommen. Aber ich habe keine Ahnung ob so ein Ansatz Sinn macht - dann müsste ich bei 8°P auf Zieltemperatur einstellen - wobei ich immer noch nicht verstanden habe, wo die läge. Das Rezept spricht von 15-18°C, aber Gärtemperatur. Aber vielleicht kürzen wir das hier ab, indem ich die Temperatur bei 16.5° weiter halte.

Wenn ich nach 14 Tagen zurück bin, messe ich sofort und nach weiteren 2 Tagen entscheide ich abzufüllen oder nochmal zu warten.

Gruß,

Andreas
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Re: Was versteht man genau unter "Gärführung"

#9

Beitrag von bwanapombe »

Ja, das geht auch.

Das Anheben der Temperatur hat ja den Sinn, dass die Gärung nicht "einschläft" oder ins Stocken kommt, besonders wenn man sehr kalt angestellt hat.

Wenn Du Zeit hast und nicht am unteren Ende der Temperatur für diese Hefe bist, ist das völlig okay.

Im allerschlimmsten Fall kannst Du nach dem Urlaub immer noch die Temperatur erhöhen, wenn die Gärung noch nicht zu Ende ist. Dass das nötig wird, halte ich für unwahrscheinlich.

Dirk
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