Merkwürdig schwankende Spindelwerte im Gärverlauf

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Johanson
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Merkwürdig schwankende Spindelwerte im Gärverlauf

#1

Beitrag von Johanson »

Moin,
beim derzeitigen Gärverlauf habe ich irgendwie Probleme mit der Spindel bzw. der Messung des Restextraktes. Die Spindelwerte schwanken unerwartet und vor allem teils in unerwartete Richtung. Irgendwo muss da also ein Fehler liegen. Ich denke, man sucht am besten zunächst am menschlichen Ende, die Hardware und der Gärverlauf scheinen auf den ersten Blick intakt und normal zu sein. Komme allerdings nicht drauf, wo der Haken ist, vielleicht fällt den erfahrenen Brauern unter euch ja was auf. Also der Reihe nach:

Zur UG-Gärung im Plastikeimer kamen 23L. Nach dem Kochen noch in der Pfanne mit Spirale auf ca. 20°C gekühlt.
11,5°P gemessen nach dem Umfüllen in den Gäreimer.
Über Nacht im Kühlschrank weiter auf 9° gekühlt. (Inkbird)
Am nächsten Tag die erste Verwunderung: Gemessener Extraktgehalt nun noch 10,8°P.
Angestellt mit ca. 300ml Hefeschlamm W34/70 aus dem vorherigen Sud, dies ist die zweite Führung.
Ich überwache die Gärung mit einer Spindel, die einfach im Sud schwimmt. Zum Einsatz kommt eine Läuterspindel, die auf 70°C geeicht ist, über eine Tabelle wird umgerechnet.
Beim nächsten Überprüfen am nächsten Tag ist die Gärung bereits voll im Gange.
Nun erstmal ne Weile Ruhe. Nach einer Woche der nächste Check, jetzt noch 3,2°P. Damit komme ich auf einen SVG von bereits 70%, fahre daher die Temperatur auf 14°C hoch zur Diacetylrast.
Nachdem dann 4 Tage später die Spindel (seit 3 Tagen) unverändert den selben Wert, umgerechnet 2,9°P, anzeigt, runterkühlen auf 0,5°C für einen ColdCrash. Unerwartet niedriger EVG, okay, aber ist dann halt so, denke ich. Gärdauer bis hierhin insgesamt: 10 Tage.

Nun kommt der Teil, der mich am meisten gewundert hat.. einen Tag später hat das Bier 0,5C, die Spindel zeigt aber immer noch den selben Wert an. Bei 8,5°C weniger Temperatur ergibt das umgerechnet aber 2,5°P.
Aus der Befürchtung, dass die Gärung vorm Einleiten des ColdCrash doch noch nicht abgeschlossen gewesen war und vorm Erreichen der niedrigen Temperatur eben gemessener Extraktabbau um 0,4°P stattgefunden hat, stelle ich die Temperatur wieder auf 9°C hoch, um die Gärung ggf. zuende laufen zu lassen.
Nach dem Erreichen der 9°C schaue ich nochmal auf die Spindel, umgerechnet zeigt diese nun aber einen deutlich höheren Wert an :puzz : 3,2°P. Auf diesem Wert verharrt sie nun seit zwei Tagen und ich bin unschlüssig, was ich nun damit anfangen soll.

Auf eine Infektion weist zumindest optisch nichts hin. Habe die Spindel vor dem Ablesen angedreht, um ggf. anhaftende Kohlensäure zu lösen. Hat aber nie einen Unterschied gemacht.
Hat jemand eine Idee was hier verkehrt läuft?

Viele Grüße
Hendrik
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§11
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Re: Merkwürdig schwankende Spindelwerte im Gärverlauf

#2

Beitrag von §11 »

Was fuer eine Spindel verwendest du?
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Johnny H
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Re: Merkwürdig schwankende Spindelwerte im Gärverlauf

#3

Beitrag von Johnny H »

Johanson hat geschrieben: Montag 1. Juni 2020, 11:55 [...]
Ich überwache die Gärung mit einer Spindel, die einfach im Sud schwimmt. Zum Einsatz kommt eine Läuterspindel, die auf 70°C geeicht ist, über eine Tabelle wird umgerechnet.
[...]
Da kann m.E. viel schief laufen: ungenaue Umrechnung der 70°C-Werte nicht zuletzt aufgrund von Temperaturschwankungen, anhaftende CO2-Bläschen / Hefereste / Brandhefe, ungenaue Ablesung des Meniskus etc. - manche kleinen Spindeln sind außerdem extrem ungenau, was auch ein Ringversuch vor ein paar Jahren gezeigt hat.

Ich tippe auf eine Summe aller Faktoren, aber mich würde trotzdem interessieren, was das für eine Tabelle ist, die Du zur Umrechnung verwendest.

Du könntest ja außerdem mal ausrechnen, wie sich eine Temperaturschwankung von +/- 1°C auf Deine Umrechnung auswirkt.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
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Re: Merkwürdig schwankende Spindelwerte im Gärverlauf

#4

Beitrag von Johanson »

Johnny H hat geschrieben: Montag 1. Juni 2020, 14:00 Da kann m.E. viel schief laufen: ungenaue Umrechnung der 70°C-Werte nicht zuletzt aufgrund von Temperaturschwankungen, anhaftende CO2-Bläschen / Hefereste / Brandhefe, ungenaue Ablesung des Meniskus etc. - manche kleinen Spindeln sind außerdem extrem ungenau, was auch ein Ringversuch vor ein paar Jahren gezeigt hat.

Ich tippe auf eine Summe aller Faktoren, aber mich würde trotzdem interessieren, was das für eine Tabelle ist, die Du zur Umrechnung verwendest.
Ich benutzt solch eine Spindel https://www.hobbybrauerversand.de/Laeut ... el-0-20-05. Sicherlich, kein Präzisionsmessgerät, aber für meine Ansprüche ausreichend.
Zur Korrektur benutze ich das Tool von http://fabier.de/biercalcs.html. Dort kann man sich auch eine Tabelle erzeugen lassen. Habe dort aber gerade nochmal den Infobereich gelesen, und ich glaube, das hier erklärt schonmal einiges:
Die zugrunde liegenden Daten gelten für Saccharose-Lösungen zwischen 0°P und 40°P bei Temperaturen zwischen 10°C und 99°C. Durch Extrapolation wurde der mögliche Berechnungsbereich ausgedehnt, jedoch sind die Ergebnisse insbes. bei <4°C nicht sonderlich realitätsnah (Stichwort: Anomalie des Wassers).
Zudem ist mir gerade, als ich mein Messprotokoll nochmal durchgeschaut habe, aufgefallen, dass ich bei 0,5°C Temperatur in der Tabelle in die 5°C Spalte eingestiegen bin. Das dürfte ja schonmal die Schwankungen im Zusammenhang mit dem ColdCrash erklären. Den Rest lass ich dann gern als Ablesungsfehler oder Einfluss von Hefe und Bläschen stehen.

Danke für den Stups in die Richtung!
(und das Bier darf jetzt trotzdem nochmal ein paar Tage bei 9° stehen bleiben)

Gruß
Hendrik
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Re: Merkwürdig schwankende Spindelwerte im Gärverlauf

#5

Beitrag von Johnny H »

Johanson hat geschrieben: Montag 1. Juni 2020, 23:38 Ich benutzt solch eine Spindel https://www.hobbybrauerversand.de/Laeut ... el-0-20-05. Sicherlich, kein Präzisionsmessgerät, aber für meine Ansprüche ausreichend.
Zur Korrektur benutze ich das Tool von http://fabier.de/biercalcs.html. Dort kann man sich auch eine Tabelle erzeugen lassen. [...]
Das ist generell schwierig, über so große Temperaturbereiche zu extrapolieren. Ich glaube, wir hatten bei einem Ringversuch vor ein paar Jahren auch eine Läuterspindel dabei, haben mit dieser bei 20°C gemessen und dann extrapoliert. Da sind in meiner Erinnerung auch sehr abenteuerliche Werte rausgekommen, und außerdem waren die Korrekturen immens groß im Vergleich zu den abgelesenen Werten. Ich muss mal in die alte Tabelle schauen.

Nachtrag (eben nachgeschaut): die Werte mit einer 0-20°P Läuterspindel (70°C) waren damals wie folgt:
Probe 1: T=20°C, gemessen: 7,5%w/w, korrigiert: 2,16%w/w, Ist-Wert: 1,59%w/w, Abweichung: 0,57%w/w, Fehler ca. 36%
Probe 2: T=20°C, gemessen: 8,5%w/w, korrigiert: 3,16%w/w, Ist-Wert: 2,47%w/w, Abweichung: 0,69%w/w, Fehler ca. 28%

Wir hatten damals zwei Proben mit bekannten Werten und haben in einer größeren Runde eine ganze Reihe an Spindeln und Refraktometer getestet. Die Ist-Werte waren zum Messzeitpunkt nicht bekannt, aber wir konnten sofort sehen, dass die 70°C-Spindel deutlich von den anderen Instrumenten abwich.

Wie gesagt, rechne mal aus, was mit Deinen errechneten Werten passiert, wenn Du Dich beim Ablesen um +/- eine Einheit vertust.

Bei +/-5°C mag das hinhauen mit einer Extrapolation, aber darüber hinaus wäre ich skeptisch.
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Re: Merkwürdig schwankende Spindelwerte im Gärverlauf

#6

Beitrag von Johanson »

Johnny H hat geschrieben: Dienstag 2. Juni 2020, 06:50 Nachtrag (eben nachgeschaut): die Werte mit einer 0-20°P Läuterspindel (70°C) waren damals wie folgt:
Probe 1: T=20°C, gemessen: 7,5%w/w, korrigiert: 2,16%w/w, Ist-Wert: 1,59%w/w, Abweichung: 0,57%w/w, Fehler ca. 36%
Probe 2: T=20°C, gemessen: 8,5%w/w, korrigiert: 3,16%w/w, Ist-Wert: 2,47%w/w, Abweichung: 0,69%w/w, Fehler ca. 28%
Wow, ziemlich beeindruckend.. dass ich mir mit meinem Verfahren eine gewisse Ungenauigkeit mit ins Boot hole, hatte ich wohl angenommen, aber dass der Fehler so groß ist, hätte ich nicht erwartet. Der Fehler im vorliegenden Temperaturbereich <10°C dürfte ja nochmal größer sein.
Ohne mich näher damit zu beschäftigen hatte ich den Dichteverlauf von Wasser über die Temperatur als annähernd linear angenommen und daraus gefolgert, dass es relativ egal sein dürfte, was für eine Spindel man benutzt.
Wie gesagt, rechne mal aus, was mit Deinen errechneten Werten passiert, wenn Du Dich beim Ablesen um +/- eine Einheit vertust.
Da fällt dieser Fehler dann kaum noch ins Gewicht. Bei einer Temperaturschwankung um 1K im Bereich von 5-15°C ändert sich der errechnete Extraktgehalt gerade mal um 0,06°P.

Viele Grüße
Hendrik

..werde dann wohl beim nächsten Sud doch mal in ein neues Messgerät investieren..
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Re: Merkwürdig schwankende Spindelwerte im Gärverlauf

#7

Beitrag von Johanson »

Nachtrag, Johnny H: Mit welcher Methode habt ihr denn bei dem Versuch die Korrektur vorgenommen?
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Re: Merkwürdig schwankende Spindelwerte im Gärverlauf

#8

Beitrag von Johnny H »

Du meinst die Temperaturkorrektur der 70°C-Spindel? Gute Frage, das war 2018, glaube ich. Möglicherweise auch fabier.de? Dazu muss ich schauen, ob ich noch handschriftliche Aufzeichnungen habe.

Die Ist-Werte und die Proben waren Teil eines Ringversuchs, d.h. die Originalproben wurden extern vermessen.
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