Hefewaschen

Antworten
Benutzeravatar
§11
Moderator
Moderator
Beiträge: 9364
Registriert: Freitag 30. Oktober 2015, 08:24

Hefewaschen

#1

Beitrag von §11 »

In letzter Zeit taucht immer wieder Hefewaschen als Thema auf. Da Hefewaschen zu meiner Zeit in Weihenstephan und Ende der 1990er in Brauereien in denen ich gearbeitet habe zwar noch Thema war, ich aber auch mitbekommen habe das bereits damals das Thema kontroverse diskutiert wurde, war es an der Zeit mir selbst ein Bild zu machen.

Mein Abriss, Auflage 6. 1995 spiegelt so ziemlich den Stand wieder den ich oben beschrieben habe. Narziss beschreibt das die Hefe, so sie nicht innerhalb von wenigen Tagen wieder angestellt wird, gewaschen werden sollte. Wird sie in wenigen Tagen wieder angestellt, soll sie lediglich unter Bier aufgehoben werden. Er schreibt auch:“ Abschliessend ist zum Thema Hefereinigung zu sagen, dass diese bei guter Würzeklärung und zweckmässiger Anstelltechnologie nicht mehr im gleichen Masse erforderlich ist wie früher. Damit wird das Hefesieb wegen seiner schwierigen Einfädelung in den Reinigungskreislauf oft nicht mehr verwendet. […] Bei der Gewinnung aus Gärbottichen und flaschkonischen Tanks ist die Hefe durch Deckenbestandteile so verschmutzt, dass die Hefereinigung nach wie vor ein wichtiger Faktor ist“

Online ist die 8. Auflage von 2017 verfügbar. Leider, leider wurde dieser Teil gar nicht überarbeitet und der Abschnitt steht wortwörlich noch so im Werk wie 22 Jahre vorher. DIe Frage ist hat sich nichts an den Tatsachen geändert oder ist dieser Bereich einfach uninteressant und wurde deshalb nicht verändert.

Ich bin bei meiner Recherche auf die Promotion von Axel Hartwig mit dem Titel „Optimierung der Hefetechnologie mit dem Ziel einer Verbesserung der Geschmacksstabilität im Praxismaßstab“ gestossen, die 2008 vorgelegt wurde. Hartwig beschreibt das Hefewaschen als einen Vorgang der heute nur noch „in einigen deutschen Brauereien und im Ausland“ praktiziert wird. Er beschreibt den Stand der Technik 2008 dass die meisten Brauereien die Hefe mehrfach führen und zwar ohne jegliche Behandlung. Er beruft sich dabei auf Schmidt (Schmidt, H.: Hefe und Gärung. Brauwelt, 1996. 9: p. 414-416.) der von einem Aufschlämmen der Hefe mit Wasser grundsätzlich abrät da wichtige Nährstoffe verloren gehen. Auch ein Waschen mit Phosphorsäure oder Ammoniumsulfat, wie früher üblich, zeigt in Versuchen von Cunningham und Stewart (Cunningham, S., Stewart, G.G.: Effects of high-gravity brewing and acid washing on brewers' yeast. Journal of the American Society of Brewing Chemists, 1998. 56(1): p. 12–18.) bei Würzen mit höheren StW eine verzögerte Angärung. Er führt noch einige andere Studien auf, die im Grunde alle zum Schluss kommen das die Effektivität des Hefewaschens zumindest fragwürdig ist und sich eigentlich kein Vorteil daraus ergibt.

Ich hab mir dann die entsprechenden Stellen angesehen die auf das Waschen als solches eingehen. Hier wird immer wieder der Fakt strapaziert das das Waschwasser „biologische absolut einwandfrei“ sein muss. (Abriss der Bierbrauerei) und das die Anlage mikrobiologisch einwandfrei sein muss. Genau das ist auch der Grund warum in der professionellen Brauerei die Hefewäsche weniger und weniger Anwendung findet. Das Risiko einer Infektion steht in keinem Verhältnis zum (nicht vorhandenen) Nutzen.

Wenn das für die professionelle Brauerei gilt, sehe ich hier auch ein umso grösseres Risiko im Hobbyumfeld. Die Frage ist ja auch, was will ich denn überhaupt mit dem Hefewaschen erreichen?

Gruss

Jan
„porro bibitur!“
Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
Die Seite zur HBCon https://heimbrauconvention.de/
https://headlessbrewer.wordpress.com/
Benutzeravatar
ggansde
Moderator
Moderator
Beiträge: 7961
Registriert: Mittwoch 9. November 2005, 16:25
Wohnort: Rodgau

Re: Hefewaschen

#2

Beitrag von ggansde »

Top Beitrag.
VG, Markus
>>Impfung rettet Leben und Kultur!<<
"Durst ist schlimmer als Heimweh"
Insofern dieser Beitrag nicht durch MOD MODE ON gekennzeichnet ist, enthält er lediglich die Meinung eines gewöhnlichen Benutzers
OS-Schlingel
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1079
Registriert: Sonntag 2. November 2014, 09:04
Wohnort: Lengerich

Re: Hefewaschen

#3

Beitrag von OS-Schlingel »

Hallo Jan,
die Frage ist nicht nur, wie keimfrei kann ich die Hefe waschen, sondern auch, wie sauber meine Gäranlage ist, bzw. gewesen ist. Infektionen, Stäbchen etc. werden auch weiter getragen.
Ich könnte mir vorstellen, wenn Du eine Hefeprobe auf einer Nährlösung aufstreichst und einen neuen Starter machst, bist Du effektiver und sauberer unterwegs.

Gruß Stephen
Or kindly when his credit's out
Surprise him with a pint of Stout
:Smile
Benutzeravatar
DerDerDasBierBraut
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 7890
Registriert: Donnerstag 2. Juni 2016, 20:51
Wohnort: Neustadt-Glewe

Re: Hefewaschen

#4

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

GradPlato.com hat einen Artikel aus der Brauwelt zusammengefasst und für die Allgemeinheit zugänglich gemacht:
Es geht um das kurzzeitige Lagern von Erntehefe in unterschiedlichen Medien und die Auswirkungen auf Viabilität, Vitalität und die spätere Adoptionszeit auf neue Würze.
Hier kann man sicher Parallelen ziehen, wenn es um das Waschen von Hefe mit verschiedenen Medien geht.

https://www.gradplato.com/kategorien/kn ... laub-macht
Der Original-Artikel ist in BRAUWELT Nr. 37/38-2017

Für mich bringt das Waschen von Hefe im Hobbyumfeld keine Vorteile. Neben der Infektionsgefahr schüttet man nach Murphy immer den vitaleren Teil der "schmutzigen" Hefe in den Ausguss.
"Da braut sich was zusammen ... "
"Oh, Bier ;-) !"
"Nein! Was Böses!"
"Alkoholfreies Bier??? ..."
-----------
Viele Grüße
Jens
daleipi
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 500
Registriert: Samstag 9. September 2017, 13:08
Wohnort: Ö - GU Süd

Re: Hefewaschen

#5

Beitrag von daleipi »

OK, was ich manchmal mache ist nicht wirklich WASCHEN, bei der Hefe meine ich..., aber wenn nur noch gaaaaanz wenig Bier über der Hefe im Gärbehälter drin ist (20-Liter-Klasse!), dann schütte ich einen halben Liter NaCl 0.9%ig drauf. das kommt dann in die Aufbewahrungsgläser und wird bei um die 4-5°C gelagert. hält über ein halbes Jahr. ein (sterilisierter) Esslöffel voll davon in 2 Liter Starterwürze und nach 1-2 Tagen tobt der Bär im Glas auf dem Rührer :Bigsmile
Mehrbier
Posting Senior
Posting Senior
Beiträge: 465
Registriert: Mittwoch 4. Juli 2018, 22:34

Re: Hefewaschen

#6

Beitrag von Mehrbier »

So ein Zufall, da kann ich glatt mal in der Doktorarbeit meines alten Chefs schmökern. Passend ist auch die Info zum Hefe waschen. Wobei sich mir die Frage insbesondere im Hinlick auf Kveik Hefen gestellt hat und wie ich im Falle einer Infektion die wieder fit machen könnte. Denn Reinzucht kommt an der Stelle nun mal nicht in Frage. Als einzige Lösung ist mir bisher eingefallen mehrfach kleine Teile der Erntehefe zu propagieren bis man durch Zufall einen Teil erwischt der nicht infiziert ist. Das erschien mir aber nicht zielführend. Dann kam ich auf die Idee die Hefe durch ein Sieb zu waschen, welches Bakterien durchlässt aber Hefen zurück hält. Grundlegend ist es wohl abwchließend betrachtet am einfachsten sich neue zuschicken zu lassen. :Grübel
Gruß
Gerdi

„Kein neues Bier brauen, weil der Kühlschrank voll ist, ist aber auch keine gute Option.“
Benutzeravatar
DerDerDasBierBraut
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 7890
Registriert: Donnerstag 2. Juni 2016, 20:51
Wohnort: Neustadt-Glewe

Re: Hefewaschen

#7

Beitrag von DerDerDasBierBraut »

Mehrbier hat geschrieben: Mittwoch 9. September 2020, 22:18 Wobei sich mir die Frage insbesondere im Hinlick auf Kveik Hefen gestellt hat und wie ich im Falle einer Infektion die wieder fit machen könnte. Denn Reinzucht kommt an der Stelle nun mal nicht in Frage. Als einzige Lösung ist mir bisher eingefallen mehrfach kleine Teile der Erntehefe zu propagieren bis man durch Zufall einen Teil erwischt der nicht infiziert ist. Das erschien mir aber nicht zielführend. Dann kam ich auf die Idee die Hefe durch ein Sieb zu waschen, welches Bakterien durchlässt aber Hefen zurück hält. Grundlegend ist es wohl abwchließend betrachtet am einfachsten sich neue zuschicken zu lassen. :Grübel
So wie es in Norwegen seit vielen Jahrhunderten gemacht wird. Du hebst dir von jedem Sud etwas Erntehefe auf und beschriftest sie mit dem Datum. Wenn die Hefe irgendwann ungewohnte Aromen produziert, weil irgendein gemeiner Vogel den Kveik-Ring als Brutplatz ausgesucht und vollgekackt hat, dann greifst du beim nächsten Sud auf ein Datum vor der Kontamination zurück. Notfalls gehst du beim Nachbarn betteln und gestehst damit unterschwellig ein, dass du deine Kveik nicht ordentlich behandelt hast.
"Da braut sich was zusammen ... "
"Oh, Bier ;-) !"
"Nein! Was Böses!"
"Alkoholfreies Bier??? ..."
-----------
Viele Grüße
Jens
Mehrbier
Posting Senior
Posting Senior
Beiträge: 465
Registriert: Mittwoch 4. Juli 2018, 22:34

Re: Hefewaschen

#8

Beitrag von Mehrbier »

Handwerklich bin ich eher weniger begabt, aber das Prinzip lässt sich auch ohne Kveik-Ring anwenden. Dann hoffe ich mal das ich zumindest die erste Ernte samt Trocknung sauber hinbekomme. Danke für den Tipp.
Gruß
Gerdi

„Kein neues Bier brauen, weil der Kühlschrank voll ist, ist aber auch keine gute Option.“
Benutzeravatar
Commander8x
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1082
Registriert: Dienstag 10. Dezember 2019, 07:15
Wohnort: Saalfeld

Re: Hefewaschen

#9

Beitrag von Commander8x »

§11 hat geschrieben: Dienstag 8. September 2020, 20:13 Die Frage ist ja auch, was will ich denn überhaupt mit dem Hefewaschen erreichen?
Das wird wohl keiner wissen außer Du selbst.... :Bigsmile :Bigsmile :Bigsmile

Das Hefewaschen in der Brauerei stammt noch aus den Tagen des Brauens mit Doldenhopfen und der offenen Gärung. Da hat man mit dem Hefewaschen/-sieben versucht, die Erntehefe von den sedimentierten Hopfenbestandteilen abzusieben, die sich hauptsächlich im sog. Unterzeug befanden, weil sie aufgrund ihres Gewichts schnell sedimentierten. Das offene Arbeiten war natürlich eine Infektionsquelle (ebenso wie der Berieselungskühler) und setzte absolut sauberes Arbeiten voraus.

Spätestens als sich das Eintankverfahren in ZKGs und die Hefereinzucht in den großen Brauereien durchsetzten, war das Hefewaschen obsolet geworden. Auch weil das Risiko, durch Kontamination einen Tank zu verlieren, und der damit verbundene Verlust viel größer geworden war.

Für Hobbybrauer bringt das Hefewaschen eher wenig Vorteile, das wurde schon mehrfach ausgeführt. Wenn einem die Reinheit seiner Erntehefe am Herzen liegt, könnte man z.B. während der Hauptgärung täglich die Kräusendecke abheben. Bei meinen Lehrlingssuden war das sogar Pflicht. Auch hier ist natürlich sauberes Arbeiten Voraussetzung.

Gruß Matthias
-----------------------------------------
Illegitimis non carborundum.
Benutzeravatar
§11
Moderator
Moderator
Beiträge: 9364
Registriert: Freitag 30. Oktober 2015, 08:24

Re: Hefewaschen

#10

Beitrag von §11 »

Commander8x hat geschrieben: Donnerstag 10. September 2020, 12:01
§11 hat geschrieben: Dienstag 8. September 2020, 20:13 Die Frage ist ja auch, was will ich denn überhaupt mit dem Hefewaschen erreichen?
Das wird wohl keiner wissen außer Du selbst.... :Bigsmile :Bigsmile :Bigsmile

Das Hefewaschen in der Brauerei stammt noch aus den Tagen des Brauens mit Doldenhopfen und der offenen Gärung. Da hat man mit dem Hefewaschen/-sieben versucht, die Erntehefe von den sedimentierten Hopfenbestandteilen abzusieben, die sich hauptsächlich im sog. Unterzeug befanden, weil sie aufgrund ihres Gewichts schnell sedimentierten. Das offene Arbeiten war natürlich eine Infektionsquelle (ebenso wie der Berieselungskühler) und setzte absolut sauberes Arbeiten voraus.

Spätestens als sich das Eintankverfahren in ZKGs und die Hefereinzucht in den großen Brauereien durchsetzten, war das Hefewaschen obsolet geworden. Auch weil das Risiko, durch Kontamination einen Tank zu verlieren, und der damit verbundene Verlust viel größer geworden war.

Für Hobbybrauer bringt das Hefewaschen eher wenig Vorteile, das wurde schon mehrfach ausgeführt. Wenn einem die Reinheit seiner Erntehefe am Herzen liegt, könnte man z.B. während der Hauptgärung täglich die Kräusendecke abheben. Bei meinen Lehrlingssuden war das sogar Pflicht. Auch hier ist natürlich sauberes Arbeiten Voraussetzung.

Gruß Matthias
Die Frage nach dem "warum" richtet sich eher an die Hobbybrauer der die Hefe wäscht.

Ein Problem und ein Grund warum lange Zeit auch beim Eintankverfahren die Hefe zumindest noch gesiebt wurde, ist das Kohlendioxid in der Erntehefe. Gerade bei hohen ZKTs ist die Hefe im Konus einem nicht unerheblichen Druck ausgesetzt, der zu einem hohen gelösten CO2 Gehalt führt, der im Sieb gut abgebaut wird.

Gruss

Jan
„porro bibitur!“
Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
Die Seite zur HBCon https://heimbrauconvention.de/
https://headlessbrewer.wordpress.com/
jackson
Posting Junior
Posting Junior
Beiträge: 15
Registriert: Samstag 18. April 2020, 10:40
Kontaktdaten:

Re: Hefewaschen

#11

Beitrag von jackson »

Moin,
da spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Wer Hefe gewinnen, waschen und aufbewahren will, muss dazu auch den Platz haben, entweder im Kühlschrank oder einen zweiten Kühlschrank. Daher ist dies für mich keine Option.
Benutzeravatar
§11
Moderator
Moderator
Beiträge: 9364
Registriert: Freitag 30. Oktober 2015, 08:24

Re: Hefewaschen

#12

Beitrag von §11 »

jackson hat geschrieben: Donnerstag 10. September 2020, 20:46 Moin,
da spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Wer Hefe gewinnen, waschen und aufbewahren will, muss dazu auch den Platz haben, entweder im Kühlschrank oder einen zweiten Kühlschrank. Daher ist dies für mich keine Option.
Mir ging es primär ums waschen. Den Platz braucht man so oder so, ob die Hefe nun gewaschen wird, oder nicht.
„porro bibitur!“
Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
Die Seite zur HBCon https://heimbrauconvention.de/
https://headlessbrewer.wordpress.com/
jackson
Posting Junior
Posting Junior
Beiträge: 15
Registriert: Samstag 18. April 2020, 10:40
Kontaktdaten:

Re: Hefewaschen

#13

Beitrag von jackson »

Etwas Platz wird immer benötigt. Da ich dies einteilen muss, bin ich bis jetzt bei Trockenhefe geblieben. Aber jeder nach seinen Möglichkeiten. ;)
benu1956
Posting Junior
Posting Junior
Beiträge: 29
Registriert: Montag 20. Juli 2020, 11:22

Re: Hefewaschen

#14

Beitrag von benu1956 »

Ich entnehme deinem Post, Jan, dass das größte Problem die mikrobielle Hygiene ist wo zudem ein Mehrwert des Waschens in Frage steht. Da könnte man doch probieren, Verunreinigungen von vorn herein zu vermeiden. Dann würde man den Hefestarter schon vor dem Anstellen teilen. Ein Teil wird für die Gärung verwendet und der anschließende Hefekuchen entsorgt. Den anderen Teil kann man (wenn man es kann) steril konservieren bis zum nächsten Gebrauch.
Ich gehe bei dem Vorschlag davon aus, dass das Ziel ist, weniger oder keine Hefe mehr zu kaufen (Kosten, Verfügbarkeit, lange & warme Transporte -> Vitalität sinkt), denn es wurde ja beschrieben, dass der physiologische Vorteil der Zellen aus mehrfacher Führung wissenschaftlich nicht bewiesen werden konnte.
Antworten