Restextrakt zu hoch - Gärung eingeschlafen?

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MangoMonkey
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Restextrakt zu hoch - Gärung eingeschlafen?

#1

Beitrag von MangoMonkey »

Hallo zusammen,

bin gerade ein wenig am Zweifeln bei meinem aktuellen Sud was das Gärende angeht. Hier mal die Eckdaten:
Gebraucht wurde ein Böhmisches Pilsener mit 4.680 g Böhmischem Pilsener Malz auf 20 l Haupt- und 8 l Nachguss.
Einmaischen bei 45°
1. Rast bei 55° für 10 min
2. Rast bei 63° für 30 min
3. Rast bei 72° für 20 min

Nach dem Hopfenkochen 12,25° Plato Stammwürze, direkt runtergekühlt auf ca. 20° und dann über Nacht in die Kühltruhe auf 9,5° Anstelltemperatur.
Als Hefe die Wyeast 2278 Czech Pilsner Yeast im Smackpack. Gesmackt am Brautag, bei Zimmertemperatur ein paar Stunden stehen lassen, anschließend ein paar Stunden in den Keller und dann über Nacht mit in die Kühltruhe um die Hefe auf dieselbe Anstelltemperatur kommen zu lassen. Beutel war auch deutlich angeschwollen.
Am 30.10. die Hefe angestellt bei den 9,5°C - vorerst drucklos vergoren
1. Spindeln am 12.11. mit 7°P
Am 12.11. Temperatur erhöht auf 11° - ab hier unter Druck vergoren mit Zielkarbonisierung ca. 5 g CO2/l
2. Spindeln am 17.11. mit 5,6°P und Temperatur erhöht auf 12°
3. Spindeln am 22.11. mit unverändert 5,6°P
4. Spindeln am 24.11. mit unverändert 5,6°P --> skeptisch geworden aufgrund des hohen Restextrakts und daher leicht aufgeschüttelt und auf 19° Zimmertemperatur gestellt
5. Spindeln am 27.11. mit 4,7°P
6. Spindeln am 29.11 mit unverändert 4,7°P --> Hefesatz nochmal stark aufgeschüttelt
7. Spindeln am 01.12. mit unverändert 4,7°P

Damit wäre ich bei einem sEVG von 61,63%, das kommt mir reichlich wenig vor. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass nach einer Woche Vergärung bei Zimmertemperatur und insgesamt über 4 Wochen Gärung da noch so sonderlich viel passiert.

4 Fragen:
1. Meint ihr ich kann da gefahrlos abfüllen? Ein Flaschenmanometer ist vorhanden und die Hälfte geht sowieso ins Keg, da kommt ein Spundventil dran.
2. Mir ist bewusst, dass ich hier eigentlich einen Starter hätte machen sollen da ein Smackpack auf ca. 20 Liter Würze ziemlich knapp bemessen ist (hatte ich nur zeitlich nicht mehr geschafft). Aber ich hätte gedacht, dass sich das nur in einer verlängerten Gärung äußert, die Gärung deswegen aber nicht einschläft. Nicht erklären kann ich mir vor allem den Sprung von 5,6°P auf 4,7°P nach dem dann aber auch nichts mehr passiert ist. Gibt es neben der zu geringen Anstellmenge noch andere Punkte die im Prozess nicht passen?
3. Kann das Ganze mit dem Brauwasser zu tun haben? Da hängt eine Ionenaustausch-Enthärtungsanlage dran. Habe aber den pH-Wert der Würze gemessen und mit 80%-Milchsäure auf ca. 5,6 eingestellt.
4. Kann ich die Hefe ernten und für den nächsten Sud nehmen oder macht das bei so einem Gärverlauf eher keinen Sinn?

Vielen Dank schonmal im Voraus und Grüße,

Lukas
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Ladeberger
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Re: Restextrakt zu hoch - Gärung eingeschlafen?

#2

Beitrag von Ladeberger »

Hallo Lukas,

willkommen im Forum!
MangoMonkey hat geschrieben: Dienstag 1. Dezember 2020, 19:48 Hallo zusammen,

bin gerade ein wenig am Zweifeln bei meinem aktuellen Sud was das Gärende angeht. Hier mal die Eckdaten:
Gebraucht wurde ein Böhmisches Pilsener mit 4.680 g Böhmischem Pilsener Malz auf 20 l Haupt- und 8 l Nachguss.
Einmaischen bei 45°
1. Rast bei 55° für 10 min
2. Rast bei 63° für 30 min
3. Rast bei 72° für 20 min

Nach dem Hopfenkochen 12,25° Plato Stammwürze, direkt runtergekühlt auf ca. 20° und dann über Nacht in die Kühltruhe auf 9,5° Anstelltemperatur.
Als Hefe die Wyeast 2278 Czech Pilsner Yeast im Smackpack. Gesmackt am Brautag, bei Zimmertemperatur ein paar Stunden stehen lassen, anschließend ein paar Stunden in den Keller und dann über Nacht mit in die Kühltruhe um die Hefe auf dieselbe Anstelltemperatur kommen zu lassen. Beutel war auch deutlich angeschwollen.
Am 30.10. die Hefe angestellt bei den 9,5°C - vorerst drucklos vergoren
Wie du schon selbst vermutest war das einfach zu wenig aktive Hefe und das bei eisigen 9,5 °C. Hast du die Würze zumindest kräftig belüftet?
1. Spindeln am 12.11. mit 7°P
Hier war das Kind im Grunde schon in den Brunnen gefallen. 12 Tage nach Anstellen sollte auch ein untergäriger Sud längst durch sein. Besser wäre es gewesen, schon in den ersten ein/zwei Tagen den Extraktabbau zu kontrollieren und ggf. Gegenmaßnahmen einzuleiten. Diagnose: Der zu geringe und wenig vitale Hefesatz hat sich auf den Boden des Gärbehälters gesetzt und arbeitete dort kaum.
Am 12.11. Temperatur erhöht auf 11° - ab hier unter Druck vergoren mit Zielkarbonisierung ca. 5 g CO2/l
Es war nicht optimal, einen eh schon schleppenden Sud bei einem so hohen Restextrakt schon unter Druck zu setzen. Mag die Hefe nicht.
2. Spindeln am 17.11. mit 5,6°P und Temperatur erhöht auf 12°
3. Spindeln am 22.11. mit unverändert 5,6°P
4. Spindeln am 24.11. mit unverändert 5,6°P --> skeptisch geworden aufgrund des hohen Restextrakts und daher leicht aufgeschüttelt und auf 19° Zimmertemperatur gestellt
5. Spindeln am 27.11. mit 4,7°P
6. Spindeln am 29.11 mit unverändert 4,7°P --> Hefesatz nochmal stark aufgeschüttelt
7. Spindeln am 01.12. mit unverändert 4,7°P
Das ist recht typisch. Wenn eine Untergärung mal eingeschlafen ist, ist sie schwer wieder zu erwecken. Der Hefesatz degeneriert bei diesen Temperaturen schnell, das Medium ist wenig nährreich, zunehmend toxisch und die restlichen Kohlenhydrate sind komplexer.
Damit wäre ich bei einem sEVG von 61,63%, das kommt mir reichlich wenig vor. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass nach einer Woche Vergärung bei Zimmertemperatur und insgesamt über 4 Wochen Gärung da noch so sonderlich viel passiert.

4 Fragen:
1. Meint ihr ich kann da gefahrlos abfüllen? Ein Flaschenmanometer ist vorhanden und die Hälfte geht sowieso ins Keg, da kommt ein Spundventil dran.
Ein Vergärungsgrad von ~62 % ist für diese Konstellation sicher zu wenig. Wenn die Flaschen im Warmen stehen ist nicht ausgeschlossen, dass die Hefe oder auch andere Mikroorganismen hier über die Wochen und Monate nochmal die Arbeit aufnehmen. Schwer zu prognostizieren. Ich würd's nicht in Flaschen füllen. Lieber alles in Kegs, spunden und wenn Flaschen benötigt werden mit einem Gegendruckabfüller füllen.

Wenn die ganze Angelegenheit bei 62 % VGs verharrt, verspricht das leider eh keinen großen Genuss. :Sorry

3. Kann das Ganze mit dem Brauwasser zu tun haben? Da hängt eine Ionenaustausch-Enthärtungsanlage dran. Habe aber den pH-Wert der Würze gemessen und mit 80%-Milchsäure auf ca. 5,6 eingestellt.
Das ist sicher kein optimales Wasser, da Calcium fehlt, aber ich glaube nicht dass es kausal für den Gärverlauf verantwortlich ist. Schau mal hier rein: https://braumagazin.de/article/von-der- ... brauwasser
4. Kann ich die Hefe ernten und für den nächsten Sud nehmen oder macht das bei so einem Gärverlauf eher keinen Sinn?
Schwer zu sagen. Eine gute Hefevermehrung gab es offensichtlich nicht, vermutlich ist dieser Hefesatz alt, mit hohem Totanteil und ziemlich ausgezehrt. Höchstens als Grundlage für einen großzügigen Starter einsetzbar, aber eher nicht als anstellfertige Erntehefe. Mikrobiologisch womöglich auch heikel bei einer mitunter ziemlich warmen Gärung seit über einem Monat.

Gruß
Andy
MangoMonkey
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Re: Restextrakt zu hoch - Gärung eingeschlafen?

#3

Beitrag von MangoMonkey »

Hi Andy,
alles klar, dann danke für die schnelle Antwort. War zumindest ein Sud aus dem man viel lernen kann:
1. Mehr Anstellhefe 2. Besser belüften 3. Frühere Kontrolle des Extraktabbaus 4. Später unter Druck setzen
Nehme ich auf jeden Fall mit und versuch es mit der Hefe bei einem späteren Sud nochmal.
Die gute Nachricht ist, dass die Spindelproben trotz aller Widrigkeiten eigentlich ganz gut geschmeckt haben, zumindest ins Keg kommt das also auf jeden Fall :Bigsmile
"Nunc est bibendum"
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