hopfenbär hat geschrieben: ↑Dienstag 2. März 2021, 10:30
Mir erschließt sich der Vorteil dieser sehr langen Gärzeiten oft bei niedrigen Temperaturen nicht. Backhefe ist doch üblicherweiße "Saccharomyces cerevisia", wieso soll diese bei kühlen Temperaturen besser arbeiten? Müsste man nicht bei Zimmertemperatur in kürzerer Zeit gleiche bzw bessere Ergebnisse erziehlen?
Wie verstoffwechselt die Backhefe die Stärke im Mehl? Die Temperaturen sind deutlich niedriger als beim Maischen somit sollten die Amylasen doch viel langsamer arbeiten? Was wiederum eher für die Zimmertemperatur spricht. Kompensiert die sehr lange Teigführung evtl die langsame Arbeit bei niedrigen Temperaturen? Welchen Vorteil hat das?
Hallo,
Gegenfrage: Wozu Brauen wir untergärig? Sollte man nicht bei 30 °C in viel kürzerer Zeit gleiche bzw bessere Ergebnisse erzielen?
Klar, 1zu1 lässt sich das ganze nicht vergleichen, aber ich wollte auch mal provokant sein
Hier geht es nicht um primär "besseres" arbeiten, sondern um Geschmack und wir hier schon oft erwähnt - bekömmlichkeit- sowie Teigstruktur.
Ein schneller Teig wird niemals die gleiche Geschmackstiefe und Struktur haben wie ein Teig mit langer Führung. Schnelle Teige können prinzipiell nur nach Hefe schmecken. Was wir im Teig aber haben wollen ist aber mehr als reines CO2, sondern auch die ganzen lustigen Gärnebenprodukte, welche wir schon vom brauen kennen.
Schonmal ein Bier stark überpitcht? Da wird einmal der Zucker in CO2 durchgeblasen und dein Bier schmeckt...leer, langweilig, hefig. Genausowenig wollen wir das beim backen. Die lange kalte Gare mit Nullkommanochwas Prozent Hefe ist hier das äquivalent zum niedrigen-( oder auch under-)pitchen: Es entstehen dann während der Reifung ein Haufen Gärnebenprodukte die den Teig interessant schmecken lassen. Vorteige/Sauerteige riechen auch fruchtig. Sowas gibt dann dem Teig mehr "Körper" und auch "Obergärige" Noten.
Während einer langen Teigruhe geschieht auch einiges im Teig: Stichworte sind hier Autolyse, Verquellung, Glutengerüst....Sprich: Je länger der Teig Zeit hat, desto Strukturierter wird er. Große Luftblasen, bspw wie in einem Ciabatta, kriegst du daheim ohne Industrie nicht hin ohne lange kalte Führung.
Zucker bekommen die Hefen über eigene Enzyme, Baktereien oder auch Mehleigene Enzyme zur Verfügung gestellt. Zumal eh schon ein kleiner (und quasi ausreichender Teil) als fast fertige Dextrine im Mehl zur Verfügung stehen sollte. Spätestens wenn ein Sauerteigdabei ist, hast du eine Armada an Stoffwechselprozessen. Es st ja nicht so, dass die Natur auch verschiedene Rasten ansteuert: Verstoffwechselt wird der Krempel schon, da brauchst du dir keine Gedanken zu machen.
Die Details Beim Backen sind in etwa so kompliziert wie beim brauen, wobei beim Backen noch viel mehr Handwerkliches Geschick dazukommt. Gut, dafür haben Bäcker schneller ein Ergebnis.
DIrekt mal einen Anlass gefunden meine Sauerteige aufzufrischen,
Achim